Wissenschaftlicher Schlussbericht Förderung der Selbstregulation in Schule und Familie – FOSSA Markus P. Neuenschwander Janine Bölsterli Vanessa Prieth Ilona Rösti Alafia Zavery Fachhochschule Nordwestschweiz, Pädagogische Hochschule, Institut Forschung und Entwicklung, Zentrum Lernen und Sozialisation Bahnhofstrasse 6, CH-5210 Windisch www.fhnw.ch/ph/zls Windisch, 21.09.2022 Vorwort Dieser Bericht beruht auf dem vierjährigen Forschungsprojekt „Förderung der Selbstregulation in Schule und Familie“ (FOSSA). Das Ziel des Projektes war, Kinder mit Verhaltensauffällig- keiten integrativ in der Schule sowie in der Familie zu fördern. Dazu wurde eine Lehrperso- nenweiterbildung sowie ein Familienprogramm konzipiert. Im vorliegenden Bericht werden die wichtigsten wissenschaftliche Ergebnisse dargestellt. Das Forschungsprojekt wurde vom Zentrum Lernen und Sozialisation der Pädagogischen Hochschule FHNW in Zusammenarbeit mit dem Institut kompetenzhoch3 durchgeführt. Der vorliegende Bericht wurde von den Autor:innen verfasst. Die Kapitel 4 und 6.4 wurden von Kitty Cassée, Institut kompetenzhoch3, formuliert. Ein grosses Dankeschön richtet sich an alle Familien sowie Lehrpersonen, die an diesem For- schungsprojekt teilnahmen und die Fragebogen ausfüllten sowie bereit waren, die Weiterbil- dung zu besuchen oder das Familienprogramm zu absolvieren. Das Forschungsprojekt wurde unterstützt durch die Roger Federer Foundation, die Stiftung Mercator Schweiz, die Jacobs Foundation, die Ernst Göhner Stiftung, die Sophie und Karl Bin- ding Stiftung sowie die Kantone Bern und Luzern. Wir danken diesen Stiftungen und Kantonen für die grosszügige Förderung sehr herzlich. Wir danken Anita Meng und Helena Lüthi, welche in Zusammenarbeit mit dem Projektteam die Weiterbildung konzipiert und fachkundig durchgeführt haben. Das Forschungsteam der ersten Erhebungsphase bestand aus Markus P. Neuenschwander, Janine Bölsterli, Patsawee Rodcharoen, Ilona Rösti, Alafia Zavery und den wissenschaftlichen Hilfsassistent:innen Michelle Huttasch, Lukas Ramseier, Ricarda Scholz und Tomas Kaqinari. In der zweiten Erhebungsphase setzte sich das Projektteam aus Markus P. Neuenschwander, Janine Bölsterli, Vanessa Prieth, Ilona Rösti, Alafia Zavery sowie der wissenschaftlichen Hilfs- assistentin Michelle Huttasch zusammen. Für das Familienprogramm waren unter der Leitung von Kitty Cassée insbesondere Rahel Rufer, Tracy Wagner sowie zahlreiche Familiencoaches verantwortlich. Bei der Datenerhebung wirkten zudem die folgenden wissenschaftlichen Hilfs- assistent:innen mit: Selin Alan, Jeannine Jaggi, Caroline Kowaleff, Franziska Prumatt, Joy Sahli und Julia Sommerauer. Bei der Dateneingabe und -kodierung waren folgende wissen- schaftliche Hilfsassistent:innen beteiligt: Leticia Vilela, Votime Useini sowie Katja Wildmann, welche zudem bei der Datenbereinigung der Elternfragebogen beteiligt waren. Julia Sommer- auer wirkte des Weiteren bei der Erstellung der Dokumentationsbände mit. Wir danken allen Beteiligten herzlich für die Mitarbeit. Windisch, 21.09.2022 Prof. Dr. Markus P. Neuenschwander MA Janine Bölsterli MA Vanessa Prieth MSc Ilona Rösti MSc Alafia Zavery Inhaltsverzeichnis Vorwort ...................................................................................................................................... 2  Zusammenfassung ...................................................................................................................... 3  1  Einleitung ....................................................................................................................... 5  2  Theoretische Grundlagen und empirische Befunde ....................................................... 7  2.1  Verhaltensauffälligkeiten ............................................................................................... 7  2.2  Sozial-emotionales Lernen (CASEL) ............................................................................ 8  2.3  Modell der sozial-kognitiven Informationsverarbeitung und sozial-emotionales Lernen ..................................................................................................................................... 9  2.4  Schule und Familie ....................................................................................................... 11  2.5  Situationen im Kindergarten und in der Primarstufe: Die Übertrittsphase .................. 13  2.6  Arbeitsmodell ............................................................................................................... 14  3  Intervention in der Schule ............................................................................................ 18  3.1  Weiterbildungskonzept ................................................................................................ 18  3.2  Strategien bei der Konzeption der Weiterbildung ........................................................ 18  3.3  Ziele der Weiterbildung ............................................................................................... 19  3.4  Inhalte der Weiterbildung ............................................................................................ 19  3.5  Beispiele – Inhalte der Weiterbildung.......................................................................... 20  3.6  Coachingkonzept .......................................................................................................... 21  4  Intervention in der Familie ........................................................................................... 22  4.1  Der Verlauf des Familienprogramms ........................................................................... 23  4.2  Die Programmziele ...................................................................................................... 24  4.3  Die Sequenzen des Familienprogramms im Überblick ................................................ 24  5  Methode ....................................................................................................................... 25  5.1  Forschungsdesign, Rekrutierung der Stichprobe ......................................................... 25  5.2  Stichproben .................................................................................................................. 26  5.3  Instrumente ................................................................................................................... 27  5.3.1  Screening............................................................................................................ 27  5.3.2  Entwicklungstest ................................................................................................ 28  5.3.3  Elternfragebogen ................................................................................................ 29  5.3.4  Lehrpersonenfragebogen .................................................................................... 29  5.4  Covid-19 Pandemie ...................................................................................................... 30  6  Ergebnisse .................................................................................................................... 31  6.1  Deskriptive Ergebnisse ................................................................................................ 31  6.2  Überprüfung des Arbeitsmodells ................................................................................. 37  6.2.1  Methode ............................................................................................................. 37  1 6.2.2  Ergebnisse .......................................................................................................... 38  6.3  Beurteilung der Dimensionen des sozial-emotionalen Lernens ................................... 41  6.3.1  Methode ............................................................................................................. 42  6.3.2  Ergebnisse .......................................................................................................... 43  6.4  Ausgewählte Evaluationsergebnisse zur Familienintervention ................................... 44  6.4.1  Einschätzungen durch die Eltern ....................................................................... 44  6.4.2  Einschätzungen durch die Lehrpersonen ........................................................... 45  6.5  Wirkungen der Intervention bei den Lehrpersonen ..................................................... 45  6.5.1  Ausgewählte deskriptive Analysen zur Intervention in der Schule und die Akzeptanz der Intervention in der Schule .......................................................... 45  6.5.2  Ausgewählte deskriptive Analysen zur Intervention in der Familie und die Akzeptanz des Familienprogramms ................................................................... 47  6.5.3  Wirkung der Intervention auf Lehrpersonen ...................................................... 48  6.5.4  Wirkung der Intervention auf die Eltern ............................................................ 51  6.5.5  Wirkung auf Verhalten des Kindes .................................................................... 53  6.5.6  Überprüfung des Weiterbildungskonzepts ......................................................... 58  6.5.7  Zusammenfassung .............................................................................................. 66  7  Schlussfolgerungen ...................................................................................................... 69  7.1  Koordinierte Förderung in Schule und Familie ........................................................... 69  7.2  Stufenbezug .................................................................................................................. 70  7.3  Wirksamkeit der Intervention ...................................................................................... 71  7.4  Herausforderungen und Limitationen .......................................................................... 71  7.4.1  Methodische Herausforderungen ....................................................................... 71  7.4.2  Herausforderungen bei der Umsetzung der Weiterbildung im Unterricht ......... 72  8  Ausblick ....................................................................................................................... 73  8.1  Offene Fragen .............................................................................................................. 73  8.2  Kinder im Schnittfeld von Bildungs- und Familienpolitik .......................................... 74  9  Literatur ........................................................................................................................ 75  Tabellenverzeichnis ................................................................................................................. 86  Abbildungsverzeichnis ............................................................................................................. 87  2 Zusammenfassung Kinder aus belasteten Familien weisen eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für Verhaltensauffäl- ligkeiten auf. In einer deutschen Studie zeigten ca. 20% der Kinder im Alter zwischen drei und zehn Jahren Verhaltensauffälligkeiten (Hölling et al., 2014). Sie sind in ihren Bildungsverläu- fen benachteiligt und fordern Schulen sowie Lehrpersonen heraus. Kinder aus belasteten Fa- milien haben ein erhöhtes sozio-emotionales Risiko (z.B. psychische Störungen, Schulaus- schluss), erbringen tiefere schulische Leistungen und haben ein erhöhtes Arbeitslosigkeitsri- siko. Um die damit verbundenen volkswirtschaftlichen Kosten zu reduzieren, ist es wichtig, gefährdete Kinder frühzeitig zu identifizieren (Früherkennung) und zu fördern. Aus diesem Grund wurde die Interventionsstudie "Förderung der Selbstregulation in Schule und Familie (FOSSA)" lanciert und entwickelt. Der Intervention wurde ein selbst entwickeltes Arbeitsmodell zu Grunde gelegt. In der Lehr- personenweiterbildung wurden konkrete Strategien auf der Kindsebene, der Klassenebene und der Ebene der Elternzusammenarbeit vermittelt, die sich entweder auf das Verhalten oder die Einstellung gegenüber den Kindern mit Verhaltensauffälligkeiten bezogen. In einem ergänzen- den Coaching wurde die Umsetzung der Weiterbildungsinhalte in die Praxis unterstützt. Im Familienprogramm wurden mit den Eltern und deren Kindern konkrete Strategien für den Um- gang mit Emotionen im Alltag geübt. In einer Begleitforschung wurde die Wirkung der Intervention quasi-experimentell überprüft. Insgesamt nahmen 201 Kinder aus dem Kindergarten und der Primarstufe aus verschiedenen Deutschschweizer Kantonen an der Studie teil. 117 Kinder waren in der Interventionsgruppe, 41 Kinder in der Kontrollgruppe 1. 43 Kinder gehörten der Kontrollgruppe 2 an, welche zu- sätzlich in den Kontrollgruppenklassen zufällig ausgewählt wurden. Vor und nach der Inter- vention füllten alle teilnehmenden Lehrpersonen und Eltern einen standardisierten Fragebogen mit Fragen zur Schule oder Familie, zum Kind und zur Zusammenarbeit von Eltern und Lehr- personen aus. Zudem wurde mit den Kindern zu beiden Messzeitpunkten ein standardisierter Entwicklungstest durchgeführt. Wichtige Elemente des eingeführten Arbeitsmodells konnten mit den Daten des vorliegenden Projekts bestätigt werden: Die Belastungen der Eltern und der Lehrpersonen hängen mit der reaktiven sowie proaktiven Aggression des Kindes zusammen. Dieser Zusammenhang wird durch Aspekte des sozial-emotionalen Lernens (Emotionsregulation, Kooperation mit Gleich- altrigen) erklärt. Das bedeutet, dass die Aspekte des sozial-emotionalen Lernens bei der Ent- stehung von reaktiver und proaktiver Aggression wesentlich beteiligt sind. Kinder aus belaste- ten Familien verhalten sich weniger aggressiv, wenn sie eine hohe sozial-emotionale Kompe- tenz haben und sich entsprechend gut selbst steuern können. Die Ergebnisse zeigten, dass sowohl Eltern als auch Lehrpersonen das Verhalten der Kinder nach der Intervention in der Interventionsgruppe positiver einschätzten als in der Kontroll- gruppe. Insbesondere die Kombination von acht Weiterbildungsinhalten führte zu einer Ver- besserung der sozial-emotionalen Kompetenz und zur Abnahme von reaktiver sowie proaktiver Aggression der Kinder. Im Entwicklungstest schnitten die Kinder im Subtest ‘Emotionen er- kennen’ nach der Intervention und im Vergleich zur Kontrollgruppe besser ab. Zudem fühlten sich die Lehrpersonen nach der Intervention im Vergleich zur Kontrollgruppe weniger durch die Verhaltensauffälligkeiten des Kindes belastet und sie konnten ihr Handlungsrepertoire be- züglich eines konsequenten Umgangs mit Unterrichtsstörungen sowie Regeln im Unterricht und einer Optimierung von Unterrichtsabläufen erweitern. Der Erziehungsstil der Eltern der Interventionsgruppe war im Vergleich zur Kontrollgruppe und zu vor der Intervention empa- thischer. Die Weiterbildung stiess bei den Lehrpersonen auf hohe Akzeptanz. Das Familien- programm wurde von den Eltern sehr positiv bewertet. 3 Weitere Analysen legten dar, dass Eltern und Lehrpersonen das sozial-emotionale Lernen der Kinder unterschiedlich einschätzten. Dieser Unterschied wird teilweise mit der Beziehung zum Kind aus Lehrpersonensicht erklärt. Kinder zeigen in Schule und Familie offenbar nicht nur primär eine unterschiedlich ausgeprägte sozial-emotionale Kompetenz, sondern die Beurtei- lungsunterschiede dieser Kompetenz sind ebenfalls als Wahrnehmungseffekte zu interpretie- ren. Zukünftig sollten Lehrpersonen dafür sensibilisiert werden, um adäquate Beurteilungspro- zesse zu gewährleisten. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Lehrpersonenweiterbildung in Kombi- nation mit dem Familienprogramm zu einer Verbesserung des sozial-emotionalen Lernens bei Kindern mit Verhaltensauffälligkeiten und zur Abnahme des aggressiven Verhaltens beisteu- ern kann. Der Ansatz ermöglicht es, die Kinder im integrativen Setting zu fördern und die Verhaltensauffälligkeiten zu reduzieren. Durch die frühe Förderung im Kindergarten und in der Primarstufe können Entwicklungsunterschiede zwischen den Kindern identifiziert und pä- dagogisch aufgefangen werden. Folglich kann die Chancengleichheit erhöht und Belastungen von Bezugspersonen reduziert werden. Die Lehrpersonenweiterbildung sowie das Familien- programm können zukünftig zur Unterstützung der Kinder gebucht werden. 4 1 Einleitung Die PISA-Studie 2018 belegte erneut, dass Jugendliche aus belasteten Familien im Schweizer Bildungssystem stark benachteiligt sind (Konsortium.PISA.ch, 2019). Sie erbringen tiefere schulische Leistungen und zeigen ungünstigere Bildungsverläufe. Sie sind eher von Schulaus- schluss bedroht, haben geringere Chancen auf eine Lehrstelle und ein höheres Arbeitslosig- keitsrisiko (Übersicht in Ditton, 2009; Neuenschwander et al., 2012). Jugendliche aus belaste- ten Familien haben ebenfalls ein erhöhtes psychosoziales Risiko (Suchtmittelkonsum, Delin- quenz, z.B. Fergusson et al., 2008). Wegen des Fachpersonenmangels und zur Reduktion von volkswirtschaftlichen Kosten ist es wichtig, gefährdete Kinder frühzeitig zu identifizieren und zu fördern, so dass einem ungünstigen Bildungsverlauf vorgebeugt werden kann (Früherken- nung). Gefährdete Kinder können bereits in Kindergarten und Primarschule aufgrund von zwei Merk- malen identifiziert werden: (1) Hohe familiäre Belastungen und (2) Verhaltensauffälligkeiten. Diese beiden Merkmale treten oft in Kombination auf. Familiäre Belastungen (z.B. finanzielle Armut, Einelternschaft, Krankheit/Beeinträchtigung der Eltern, Migrationshintergrund, tiefer sozioökonomischer Status u.a.) können das Lernen und den Schulerfolg der Kinder beeinträch- tigen (Neuenschwander, 2017). Sie begünstigen wesentlich die ungleichen Chancen der Kinder im Bildungssystem. Studien zeigen, dass sich Kinder und Jugendliche aus belasteten Familien ungünstiger entwickeln, sowohl bezüglich der leistungsbezogenen als auch in ihrer sozio-emo- tionalen Entwicklung (Luthar, 2003). Familien tragen nicht nur wesentlich zum Schulerfolg der Kinder und Jugendlichen bei (Henderson & Berla, 2004), sie unterstützen auch das sozial- emotionale Lernen der Kinder und Jugendlichen. Verhaltensauffälligkeiten führen ebenso zu Benachteiligungen der Kinder in der Schule. Ver- haltensauffälligkeiten sind Verhaltensweisen von Kindern, die schulischen Normen und Re- geln nicht entsprechen. Das Modell der sozial-kognitiven Informationsverarbeitung von Crick und Dodge (1994) liefert gute Erklärungen, wie Kinder aufgrund von Problemen in der sozialen Informationsverarbeitung verhaltensauffällig werden. Solche Schwierigkeiten können sowohl im schulischen als auch im familiären Kontext auftreten. Probleme in der sozialen Informati- onsverarbeitung können sich in einer verzögerten sozio-emotionalen Entwicklung widerspie- geln (Blumenthal et al., 2020; Lemerise & Arsenio, 2000). Verhaltensauffälligkeiten belasten oft Lehrpersonen (Neuenschwander et al., 2005). Viele Lehrpersonen sind daher an effektiven Strategien im Umgang mit Verhaltensauffälligkeiten interessiert. Kinder mit Verhaltensauffälligkeiten werden bei gleichen schulischen Leistungen und Noten eher Schulniveaus mit tieferen Anforderungen in der Sekundarstufe I zugewiesen (Neuenschwander & Malti, 2009). Ausgeprägte Verhaltensauffälligkeiten in der Sekundarstufe I tragen dazu bei, dass Jugendliche in der beruflichen Grundbildung (Sekundarstufe II) eine geringere Passung zwischen sich und dem Beruf wahrnehmen (Neuenschwander, 2011). Verhaltensauffälligkeiten von Kindern müssen frühzeitig erkannt und Massnahmen getroffen werden, um einer ungünstigen sozio-emotionalen Entwicklung und um eine Benachteiligung dieser Kinder in der Schule entgegenzuwirken. Heute existieren bereits zahlreiche Programme zur Reduktion von Verhaltensauffälligkeiten, die sich in Metaanalysen als wirksam herausge- stellt haben (Domitrovich et al. 2017; Hövel et al., 2019; Jeong et al., 2021). Allerdings gibt es nur wenige systematische Programme zur Förderung des sozial-emotionalen Lernens in den Schweizer Bildungsstrukturen. Überdies sollte die Förderung frühzeitig, d.h. bereits im Kin- dergarten und in der Primarstufe erfolgen, so dass ungünstigen Bildungsverläufen und schuli- schen Disziplinarmassnahmen (zum Beispiel Verwarnung, Schulausschluss/Time-out, vorzei- tige Entlassung aus der Schule, u.a.) vorgebeugt werden kann. 5 Ausgehend vom CASEL-Modell (Durlak et al., 2015) und dem Modell der sozial-kognitiven Informationsverarbeitung von Crick und Dodge (1994) erscheint der Ansatz vielversprechend, das sozial-emotionale Lernen der Kinder zu fördern, so dass die Verhaltensauffälligkeiten der Kinder abnehmen. Durch die Förderung des sozial-emotionalen Lernens werden Kinder befä- higt, die eigenen Emotionen und die Interpretation der Reize aus der sozialen Umwelt besser zu erkennen und zu steuern. Bei jüngeren Kindern erfolgt die Förderung des sozial-emotiona- len Lernens in höherem Mass von aussen, während ältere Kinder diese Lernprozesse vermehrt selbst steuern können (Blumenthal et al., 2020). Daher müssen bei jüngeren Kindern die Be- zugspersonen (z.B. Lehrpersonen, Eltern) direkt im entsprechenden Kontext (Schule und Fa- milie) angeleitet werden, um einen positiven Effekt auf die Verhaltensauffälligkeiten zu erzie- len. Wir gingen davon aus, dass dieser Förderzugang in Ergänzung oder als Ersatz zu Beloh- nungs-/Bestrafungssystemen effektiv Verhaltensauffälligkeiten reduzieren kann. Es resultiert die Frage, wie das sozial-emotionale Lernen von Kindern im Kindergarten und in der Primar- stufe sowohl in der Schule als auch in der Familie gefördert werden kann, so dass Verhaltens- auffälligkeiten von Kindern abnehmen. Zur Beantwortung dieser Frage wird auf Basis eines selbst entwickelten Arbeitsmodells eine Interventionsstrategie in Schule und Familie erarbeitet, deren Akzeptanz und Wirkung in einer Feldforschung überprüft werden sollte. Zudem werden die theoretischen Annahmen empirisch überprüft, damit evidenzbasierte Massnahmen vorliegen und dieses Wissen zur Optimierung der entwickelten Interventionsstrategie verwendet werden kann. Das Massnahmenpaket für Schule und Familie soll im Anschluss in Schulen und bei Anbietern für Familienhilfe imple- mentiert werden. 6 2 Theoretische Grundlagen und empirische Befunde 2.1 Verhaltensauffälligkeiten In Fachdebatten existieren verschiedene Bezeichnungen für Kinder, welche Schwierigkeiten in ihrem Verhalten aufweisen. Die zur Anwendung kommenden Begrifflichkeiten, welche auch historisch geprägt sind, werden dabei insbesondere in der (sonder-)pädagogischen Disziplin immer wieder kontrovers diskutiert (Hillenbrand, 2008; Myschker & Stein, 2014; Stein & Mül- ler, 2018). Neben Aspekten einer Defizitorientierung mit einhergehenden Etikettierungs- und Stigmatisierungsprozessen sollen gleichzeitig ressourcenorientierte Aspekte mit resultieren- dem Förderbedarf mitbedacht werden. Weit verbreitet ist neben dem Begriff der Verhaltens- störung jener der Verhaltensauffälligkeit. Im FOSSA-Projekt wird letztgenannter Begriff jener der Störung vorgezogen, da dieser weniger negativ konnotiert ist, keine pathologischen Asso- ziationen weckt und den Blick nicht ausschliesslich auf das Individuum richtet. Zudem ist der Begriff der Verhaltensauffälligkeit ein offener Begriff, unter den eine grosse Bandbreite an Verhaltensweisen subsumiert werden kann. In Anlehnung an Beelmann und Raabe (2007) verstehen wir im Rahmen des FOSSA-Projekts Verhaltensauffälligkeiten als heterogene Verhaltensweisen, welche immer dann problemati- siert werden bzw. ins Zentrum rücken, wenn formelle Rechte oder informelle Regeln verletzt werden. Dazu gehören insbesondere auch institutionsspezifische Regeln, die eine normative Verbindlichkeit besitzen und mit altersgemässen sozialen Erwartungen einhergehen. Mit dieser Definition kann ein Zusammenhang zu den jeweils geltenden sozialen Normen hergestellt und auf die Veränderbarkeit verwiesen werden. Verhaltensauffälligkeiten können in internalisierende und externalisierende Verhaltensweisen klassifiziert werden (Achenbach et al., 2016). Während internalisierende Verhaltensauffällig- keiten ängstliche, gehemmte, zurückgezogene und traurige Verhaltensweisen zusammenfas- sen, lassen sich externalisierende Verhaltensweisen generell als nach aussen gerichtete impul- sive, aggressive, hyperaktive und regelverletzende Verhaltensweisen beschreiben (Achenbach et al., 2016). Auffällige Verhaltensweisen manifestieren sich bereits in früher Kindheit. Empirische Studien verweisen auf eine Prävalenzrate von 17-19 % bei der Altersgruppe der drei- bis sechsjährigen Kinder und von 22-23 % bei Kindern im Alter zwischen sieben und zehn Jahren (Hölling et al., 2014). Externalisierende Verhaltensweisen werden häufiger bei Jungen als bei Mädchen beobachtet (Card et al., 2008) und auch häufiger von Eltern und pädagogischen Fachpersonen bei Kindern aus Familien mit niedrigem sozioökonomischem Status eingeschätzt (Schreyer & Petermann, 2010). Zwischen 2003 und 2012 blieb die Zahl der Kinder mit Verhaltensauffäl- ligkeiten stabil (Hölling et al., 2014). Die Ursache von externalisierenden Verhaltensauffällig- keiten bei Kindern wird in einer Kumulation von Ursachen gesehen (Myschker & Stein, 2014). Aus einer kognitionspsychologischen Perspektive können Verhaltensauffälligkeiten mit dem Modell der sozial-kognitiven Informationsverarbeitung von Crick und Dodge (1994) als dys- funktionale Informationsverarbeitungsprozesse erklärt werden. Dieses theoretische Modell wird im Kapitel 2.3 näher erläutert. In der FOSSA-Studie fokussieren wir auf die externalisieren Verhaltensauffälligkeiten, insbe- sondere auf aggressive Verhaltensweisen. Diese Verhaltensweisen fallen im schulischen Kon- text stärker auf und rücken gerade deshalb im Unterrichtsgeschehen in den Vordergrund (Myschker & Stein, 2014). Aggressives Verhalten ist ein zielgerichtetes Verhalten, welches mit physischer und/oder psy- chischer Verletzung bzw. Schädigung einhergeht und sowohl an Subjekte als auch Objekte adressiert sein kann (Dodge, 2006). In der wissenschaftlichen Literatur wird die reaktive und 7 proaktive Aggressionsform unterschieden (Dodge et al., 1997; Lohbeck et al., 2014; Merk et al. 2005). Petermann und Lohbeck (2017) charakterisieren die reaktive Aggression als eine „defensive Vergeltungsreaktion aufgrund einer wahrgenommenen Bedrohung, Frustration oder Provokation“ (S. 388). Demgegenüber ist die proaktive Aggression ein „instrumentell, geplan- tes aggressives Verhalten, um Ziele zu erreichen oder andere … zu dominieren“ (Petermann & Lohbeck, 2017, S. 388), beispielsweise durch eine bewusste Bedrohung oder Schikanierung. Solche Verhaltensweisen können das soziale Miteinander wesentlich erschweren und sich auf die Lernprozesse und das Wohlbefinden der Kinder negativ auswirken. In den Analysen von Neuenschwander und Malti (2009) korrelieren die Verhaltensauffälligkeiten von Kindern in der Schule signifikant negativ mit standardisierten Leistungstests sowie den Noten. Zudem las- sen sich bei Kindern mit Verhaltensauffälligkeiten Hinweise für eine Benachteiligung im Über- trittsverfahren (Primarstufe – Sekundarstufe I) finden (Neuenschwander & Malti, 2009). Sig- nifikante negative Zusammenhänge zwischen Verhaltensauffälligkeiten und dem allgemeinen sowie dem schulischen Wohlbefinden konnte Müller (2015) in ihrer empirischen Untersuchung feststellen. 2.2 Sozial-emotionales Lernen (CASEL) CASEL (‘Collaborative for Academic, Social, and Emotional Learning’) bezeichnet ein inter- nationales Forschungsnetzwerk, welches ein Rahmenmodell zum sozial-emotionalen Lernen (SEL ‘social and emotional learning’) entwickelt hat. Das Ziel dabei ist es, sozial-emotionales Lernen evidenzbasiert und als festen sowie integralen Bestandteil auf allen Schulstufen zu etab- lieren (CASEL, 2022). Die Konzeption ist im englischsprachigen Raum weit verbreitet und wird vielfach rezipiert. Auch die deutschsprachige Fachliteratur bezieht sich in den letzten Jah- ren zunehmend auf diese Konzeption. In der pädagogischen Praxis der Schweiz ist es aber noch wenig bekannt. Das sozial-emotionale Lernen wird in diesem Modell „als aktiver, partizipativer Lernprozess aufgefasst, in dessen Verlauf SchülerInnen Wissen und Kompetenzen entwickeln, die grund- legend für eine Auseinandersetzung mit und Bearbeitung von Emotionen in sozialen Situatio- nen sind“ (Reicher & Matischek-Jauk, 2018, S. 250). Damit wird den Kindern eine aktive Rolle als Mitgestaltende ihrer Lebenswelt zugeschrieben (Reicher & Matischek-Jauk, 2018). Nach dem Verständnis von CASEL bilden fünf Kernkompetenzen die Grundlagen des sozial-emoti- onalen Lernens, welche miteinander verknüpft sind: Die Selbstwahrnehmung (‘self-awaren- ess’), die Selbstregulation (‘self-management’), die Fremdwahrnehmung (‘social awareness’), die Beziehungsfähigkeiten bzw. -fertigkeiten (‘relationship skills’) und verantwortliche Prob- lemlösekompetenz (‘responsible decision making’). Die Selbstwahrnehmung beschreibt die Fähigkeit, eigene Emotionen und Stärken zu erkennen, Selbstvertrauen aufzubauen und zu wis- sen, wie sich die emotionalen Gefühlszustände und Stärken auf das eigene Verhalten und Han- deln in sozialen Situationen auswirken. Unter dem Begriff der Selbstregulation wird die Regu- lation und Steuerung von Emotionen und Verhalten gefasst, um bestimmte Ziele erreichen und gleichzeitig Stresssituationen bewältigen zu können. Die Fremdwahrnehmung beinhaltet im Wesentlichen die Fähigkeit zur Perspektivenübernahme, welche durch Einfühlungsvermögen, Wertschätzung und Respekt gegenüber anderen Personen gekennzeichnet ist. Beziehungsfä- higkeiten bzw. -fertigkeiten beziehen sich auf einen positiven Beziehungsaufbau zu anderen Menschen. Für diese Art der Beziehungsgestaltung sind unter anderem das Zuhören, prosoziale sowie kooperative Verhaltensweisen und die konstruktive Konfliktbewältigung zentral. Ver- antwortliche Problemlösekompetenz meint das Erkennen, Analysieren, Lösen und Reflektieren von Problemlagen unter Rückbezug auf ethische und vorherrschende soziale Normen. Dies impliziert auch die Einschätzung der Folgen für die eigenen Handlungen sowie die Fähigkeit, Verantwortung dafür zu tragen zu können. Zusammenfassend ist die sozial-emotionale 8 Kompetenz ausgeprägt, wenn Kinder sich selbst wahrnehmen, sich erfolgreich regulieren, die Perspektive von anderen Personen einnehmen, gesunde und erfüllende Beziehungen herstellen und gestalten können sowie das persönliche Verhalten und soziale Interaktionen aufgrund von ethischen Werten und sozialen Normen steuern. Dies verdeutlicht, dass die sozial-emotionale Kompetenz für alltägliche soziale Interaktionen unabdingbar ist (Pfeffer, 2017). Das CASEL- Modell schliesst die kognitiven Grundlagen, die sozialen und emotionalen Prozesse als auch die individuellen Werte ein (Durlak et al., 2015; Elbertson et al., 2010; Harvard University, 2022). Zahlreiche empirischen Studien belegen, dass eine programmbasierte schulische Förderung des sozial-emotionalen Lernens in verschiedenen Bereichen kurz- bis mittelfristige positive Ef- fekte haben kann. Die Metaanalyse von Durlak et al. (2011) findet positive Effekte in Bezug auf das Unterrichtsverhalten und die akademischen Leistungen sowie eine Verbesserung in den sozialen und emotionalen Fähigkeiten der Kinder. Anlässlich eines Reviews von drei Längs- schnittstudien werden weitere Effekte berichtet, beispielsweise auf die Einstellung der Kinder und Jugendlichen gegenüber sich selbst, aber auch gegenüber anderen Personen und Instituti- onen (Payton et al., 2008). Ebenfalls konnte belegt werden, dass sich eine Förderung des sozial- emotionalen Lernens auf eine Reduktion von Verhaltensauffälligkeiten, einen verbesserten Umgang mit dem emotionalen Stressempfinden und einer Zunahme des prosozialen Verhaltens auswirkt (Boncu et al., 2017; Fraser et al., 2011; Sklad et al., 2012). Des Weiteren werden auch langfristige Zusammenhänge zwischen einer ausgeprägten und hohen sozial-emotionalen Kompetenz, den weiterführenden schulischen und beruflichen Erfolg, den Beziehungen, der mentalen Gesundheit und einem gesteigerten Engagement als Staatsbürger:innen angenommen (Weissberg et al., 2015). Empirische Untersuchungen stützen diese Tendenzen (Hawkins et al., 2008; Hill et al., 2014). Ist das sozial-emotionale Lernen gut im Unterricht implementiert, müs- sen die Lehrpersonen weniger Zeit in das Classroom Management (Klassenführung) investie- ren (Jennings & Greenberg, 2009). Somit können Lehrpersonen ebenfalls davon profitieren. In einer Beobachtungsstudie wurde der Frage nachgegangen, in welchen Situationen Kindergar- tenlehrpersonen Gelegenheiten für sozial-emotionales Lernen schaffen. Dabei boten vor allem Situationen in Kleingruppen im Vergleich zur gesamten Klasse und in intentionalen Lernakti- vitäten mehr Gelegenheiten (Chin Ng & Bull, 2018). Bei Kindern mit Verhaltensauffälligkei- ten und Kindern aus sozial benachteiligten Familien stellen sich sozial-emotionale Förderun- gen als besonders wirksam heraus (Carroll et al., 2020; Mondi & Reynolds, 2021). Obwohl das CASEL-Modell als schulbezogenes Rahmenmodell konzipiert wurde, spielen die fünf Kernkompetenzen des sozial-emotionalen Lernens, unter Berücksichtigung unterschiedli- cher Terminologie, auch in Familien eine zentrale Rolle. Das Konzept von Miller et al. (2018) beschreibt das sozial-emotionale Lernen in der Familie, d.h. die kindlichen sowie elterlichen sozial-emotionalen Kompetenzen und die erzieherischen Praktiken der Eltern. Für pädagogisch professionell tätige Eltern besitzt die Vermittlung sozial-emotionaler Kompetenz oberste Prio- rität, da sie glauben, dass diese für ihre Kinder einen wichtigen Stellenwert einnehmen. Den- noch wenden sie ihr pädagogisches Fachwissen über sozial-emotionales Lernen häufig nicht im familiären Setting mit ihren Kindern an (Miller et al., 2018). 2.3 Modell der sozial-kognitiven Informationsverarbeitung und sozial-emotio- nales Lernen Mit dem theoretischen Modell der sozial-kognitiven Informationsverarbeitung von Crick und Dodge (1994) lässt sich der Prozess des sozialen sowie emotionalen Erlebens und Verhaltens beschreiben und damit einhergehend auch erklären, wie differenziert sozial-emotionale Lern- prozesse zustande kommen und gesteuert werden können. Des Weiteren kann mit diesem Er- klärungsmodell die Entstehung von Verhaltensauffälligkeiten in Folge eines ungünstigen 9 Informationsverarbeitungsprozesses aufgezeigt und zugleich Fördermassnahmen abgeleitet werden, die auf die Stärkung der sozial-emotionalen Kompetenz abzielen. Blumenthal et al. (2020) formulierten daraus pädagogische Förderschwerpunkte wie die Einübung einer diffe- renziellen sozialen Wahrnehmung, das Bewusstmachen, Erkennen sowie Regulieren von Emo- tionen und das Erlernen von sozial verträglichen Handlungsstrategien sowie deren konkreten Handlungsumsetzung. Das Modell der sozial-kognitiven Informationsverarbeitung gilt als em- pirisch bestätigt und wird nachfolgend kurz erläutert (Abbildung 1). Crick und Dodge (1994) gehen in ihrem Modell der sozial-kognitiven Informationsverarbei- tung von einem zyklischen, automatisierten und internalen Prozess aus, der in mehreren Schrit- ten abläuft. Ein Schritt wird jeweils durch den vorangehenden beeinflusst (Kreisprozess). Le- merise und Arsenio (2000) erweiterten dieses Modell, indem sie der Emotionalität und Emoti- onsregulationsfähigkeit in allen Schritten eine zentrale Bedeutung zumessen. Abbildung 1 Modell der sozial-kognitiven Informationsverarbeitung (Crick & Dodge, 1994; Lemerise & Arsenio, 2000) Anmerkung. Vereinfachte eigene Darstellung. In den ersten Schritten werden soziale Hinweisreize und Informationen aus der sozialen Um- welt selektiv wahrgenommen, interpretiert und gespeichert. Kinder mit Verhaltensauffälligkei- ten bewerten soziale Informationen dabei tendenziell häufiger als Provokation oder Bedrohung gegen die eigene Person (Dodge & Coie, 1987; Price & Dodge, 1989). Es kommt zu Selbst- und Fremdwahrnehmungsverzerrungen sowie zu fehlerhaften Attributionen, wodurch soziale Informationen als Gefahr wahrgenommen und interpretiert werden (Coie et al., 1991; Nolting, 2005). In Abstimmung mit früher gemachten Erfahrungen, erlebten Emotionen, erlernten Re- geln, erwarteten Handlungskonsequenzen sowie vorhandenen sozialen Fertigkeiten werden mögliche Handlungsoptionen mit Rückgriff auf die vorhandene Wissensbasis geprüft, 10 ausgewählt und schliesslich in einer konkreten Handlung umgesetzt. Oft stehen den Kindern mit Verhaltensauffälligkeiten nur wenige und einseitige Handlungsmöglichkeiten zur Verfü- gung (Zelli et al., 1999). Nicht selten berücksichtigen sie zudem nur die kurzfristige Zielerrei- chung und Folgen einer Handlung (Coie et al., 1991). Dazu können Kinder mit Verhaltensauf- fälligkeiten ihre Emotionen weniger gut regulieren. Sie reagieren eher impulsiv, wütend oder aggressiv, weil sie beispielsweise fälschlicherweise annehmen, einer als bedrohlich eingestuf- ten Situation durch aggressive Verhaltensweisen wie Schlagen, Anschreien oder Schikanieren entkommen zu können. Des Weiteren verfügen diese Kinder häufig nur über ungenügende Strategien, um ihre Emotionen und ihr Verhalten im jeweiligen Kontext angemessen regulieren zu können. Sie zeigen Schwierigkeiten, eine sozial kompetente Reaktion in konkretes und dif- ferenziertes Sozialverhalten umzusetzen (Dodge et al., 1986). Verschiedene Studien berichten einen Zusammenhang zwischen der Selbstregulation als As- pekt des sozial-emotionalen Lernens und der Neigung zu aggressivem Verhalten (DeWall et al., 2011; Hubbard et al., 2010; Röll et al., 2012; Skripkauskaite et al., 2015). Die Selbstregu- lation beschreibt dabei die Fähigkeit, einerseits sich selbst bzw. sein Verhalten, und anderseits seine positiven und negativen Emotionen regulieren zu können (Lohaus & Glüer 2017). „Die Fähigkeit, sich selbst zu regulieren, stellt einen bedeutenden Entwicklungsschritt in der Ent- wicklung jedes Individuums dar. Sie bildet die Voraussetzung, um in sozial verträglicher Weise interagieren zu können, indem die Emotionen und das Verhalten an die Erwartungen der Um- welt angepasst werden“ (Lohaus & Glüer, S. 14). Kinder, die die eigenen Emotionen steuern können, reagieren weniger impulsiv und weniger aggressiv auf Herausforderungen, die aus der Umwelt an sie herangetragen werden (White et al., 2012). Die Selbstregulation hilft den Kin- dern zudem, langfristige Handlungs- bzw. Lernziele zu erreichen (Baumeister et al., 2007). Kinder, die in der Lage sind, mit anderen Kindern kooperativ zu interagieren, verfügen über Strategien zur Zielerreichung, die sozial akzeptiert sind (Kanning, 2009). Diese Kinder greifen daher seltener auf proaktive Aggressionsformen zurück, um ihre Ziele instrumentell erreichen zu können. Überdies kennen sie Strategien, um Konflikte in sozial akzeptierter Weise zu lösen, weshalb ihre Neigung zu aggressivem Verhalten in der Regel geringer ausgeprägt ist. Die Regulation von Emotionen und sozialem Verhalten der Kinder kann im Laufe der Ent- wicklung verbessert bzw. gefördert werden (Baumeister et al., 2007). Signifikante und positive Auswirkungen auf das Sozialverhalten und die psychosoziale Belastung von Jugendlichen aus Lehrpersonenperspektive fand Vierbuchen (2015) nach einem durchgeführten Interventions- training im sozial-kognitiven Informationsverarbeitungsprozess im Rahmen ihrer quasi-expe- rimentell angelegten Studie. Durlak et al. (2011) belegten in ihrer Metaanalyse eine Verbesse- rung des sozial-emotionalen Lernens, der akademischen Leistung und eine Reduzierung von Verhaltensauffälligkeiten nach Durchführung von spezifischen Programmen bzw. Interventio- nen, welche das sozial-emotionale Lernen (SEL) berücksichtigen. Trotz der Individuumszentrierung in dem Modell der sozial-kognitiven Informationsverarbei- tung findet der Prozess von der Informationswahrnehmung bis hin zur Handlungsausführung in der konkreten Situation stets im wechselseitigen Austausch mit der sozialen Umwelt des Kindes, wie beispielsweise der Schule und der Familie, statt (Lemerise & Arsenio, 2000; Vier- buchen, 2015). 2.4 Schule und Familie Familie und Schule sind zwei wichtige Kontexte, in welchen Kinder aufwachsen. Während die Familie langfristige Beziehungen zwischen Eltern und Kindern anbietet (Neuenschwander et al., 2005), soll die Schule Lern- und Qualifikationsprozesse initiieren (Fend, 1981). Schule und Familie tragen zum Aufbau von Kompetenzen und Verhaltensgewohnheiten von Kindern bei, 11 die sie in beiden Kontexten anwenden können. Das heisst, die Förderung sozial-emotionalen Lernens findet idealerweise sowohl in der Schule als auch in der Familie statt. Verhaltensweisen hängen aber nicht nur von den erworbenen Kompetenzen und Verhaltensge- wohnheiten ab, sondern ebenso von situativen Reizen bzw. Verhaltensauslösern. Daher kann sich das Verhalten von Kindern zwischen der Schule und der Familie unterscheiden. Beispiels- weise können Eltern im Familienalltag bestimmte Regeln einfordern (z.B. das Kind muss nach dem Essen die Zähne putzen.). Kinder lernen, dass diese Regel gegebenenfalls in einem ande- ren Kontext wie der Schule nicht gilt und sich dort entsprechend anders verhalten. Umgekehrt können Lehrpersonen im Unterricht Regeln einführen, die die Kinder in der Familie nicht be- folgen müssen (z.B. Kinder begrüssen am Morgen die Lehrerin mit Handschlag). Entsprechend können Verhaltensauffälligkeiten in einem Kontext auftreten, aber in einem anderen Kontext nicht. Sie sind demnach kontextspezifisch. Der Zusammenhang von familiären Belastungen und Erziehungsverhalten von Eltern wurde in verschiedener Hinsicht untersucht: Bedeutsame Lebensereignisse reduzieren das Engagement von Eltern für ihre Kinder (Übersicht in Grolnick, 2009). Gut untersucht ist der Zusammenhang zwischen tiefem sozioökonomischem Status und Erziehungsverhalten. Kotchick und Forehand (2002) fassten zusammen, dass Mütter mit tiefem sozioökonomischem Status dazu tendieren, ihre Kinder stärker zu kontrollieren, restriktiver und weniger wertschätzend zu erziehen als Mütter mit mittlerem oder hohem sozioökonomischem Status. Zudem sprechen Mütter mit ho- hem sozioökonomischem Status mehr mit ihrem Kind und ermutigen ihre kleinen Kinder häu- figer zum Sprechen (Übersicht in Hoff-Ginsberg & Tardif, 1995). Belastungen von Eltern kön- nen aber auch aus beruflichen Konflikten, Problemen in der Familie, aus Konflikten mit ihrem Kind oder persönlichen ungelösten Problemen resultieren (Newland, et al., 2013). Familiäre Belastungen können die Eltern-Kind-Bindung beeinträchtigen. Wenn die Eltern-Kind Bindung unsicher ist, ist die kindliche Entwicklung verzögert bzw. gefährdet (zur Attachmentforschung z.B. Bakermans-Kranenburg et al., 2003; Belsky & Fearon, 2002; Cyr et al., 2010; Diener et al., 2003; Owen & Cox, 1997). Belsky (1984) und Roberts (1989) zeigten, dass ausgeprägte Belastungen von Eltern negativ mit kindbezogenen Elternmerkmalen wie Wärme und Responsivität zusammenhängen. Belas- tungen reduzieren die Sensibilität der Eltern gegenüber den Bedürfnissen ihrer Kinder. Sie be- günstigen jedoch kontrollierende und strukturierende Erziehungsverhaltensweisen der Eltern (Gurland & Grolnick, 2005) und führen dazu, dass Eltern ihren Kindern weniger Autonomie gewähren und Unterstützung anbieten. Dieses Erziehungsverhalten führt zu emotionaler Ver- nachlässigung, Frustration, geringer kindlicher sozial-emotionaler Kompetenz und zu Entwick- lungsverzögerungen beim Kind. Es führt zu geringer sozialer Kompetenz in dreierlei Hinsicht (Sangawi et al., 2015): (1) Kinder kennen soziale Regeln des Zusammenlebens weniger gut (Wissen). (2) Kinder können sich weniger gut selbst regulieren, so dass sie das Verhalten we- niger zeigen können, welches sie zeigen möchten bzw. welches in konkreten sozialen Situati- onen erwartet wird. (3) Kinder zeigen weniger Bereitschaft, ein gefordertes Verhalten in einer sozialen Situation zu zeigen. Diese Kinder verhalten sich daher in der Schule häufiger auffällig, insofern sie Regeln und Normen der Schule bzw. des Unterrichts weniger einhalten. Zudem wurde seit vielen Jahren die Bedeutung des autoritativen Erziehungsstils für die sozio-emotio- nale und kognitive Entwicklung von Kindern untersucht und immer wieder Effekte dahinge- hend gefunden (Baumrind, 1971; Buri et al., 1988; Hurrelmann, 2002). Eine Schlüsselstellung zur Erklärung des Zusammenhangs zwischen familiären Belastungen und Verhaltensauffälligkeiten der Kinder nimmt das sozial-emotionale Lernen ein (siehe Ka- pitel 2.2). Eltern in belasteten Familien haben oft eine geringere Responsivität, was die sozio- emotionale Entwicklung verlangsamt und das Entstehen von Verhaltensauffälligkeiten begüns- tigt (Carlson, 2003; Lohaus & Glüer, 2017). 12 Verhaltensauffälligkeiten von Kindern hängen wesentlich auch von der Klassenführung der Lehrpersonen und der Zusammensetzung der Schulklasse ab (Benini, et al., 2017; Neuen- schwander & Benini, 2017). Verhaltensauffälligkeiten nehmen in Klassen mit vielen Kindern aus belasteten Familien zu (Aufschaukelungsprozess in Schulklassen, Müller et al., 2015). Zentral ist überdies die Klassenführung von Lehrpersonen (Doyle, 1986). Lehrpersonen sind für das Erstellen einer sozialen Ordnung im Unterricht zuständig. Wenn Lehrpersonen Regeln und Rituale einführen, Räume/Klassenzimmer übersichtlich gestalten, klare Verhaltenserwar- tungen an die Kinder formulieren, gleichzeitig Wärme schenken und eine gute Beziehung zu den Kindern aufbauen, treten weniger Verhaltensauffälligkeiten auf (Neuenschwander, 2006a, 2006b; Schönbächler, 2007). Kinder mit Verhaltensauffälligkeiten aus belasteten Familien können sich eher in der Klasse integrieren, wenn sie eine klare Struktur im Unterricht vorfinden und wenn sie warme Beziehungen zu ihren Peers und zu den Lehrpersonen entwickeln können. 2.5 Situationen im Kindergarten und in der Primarstufe: Die Übertrittsphase Für viele Kinder und ihre Familien ist der Übertrittsprozess vom Kindergarten in die Primar- stufe ein bedeutungsvolles Ereignis, das mit vielfältigen Emotionen, Erwartungen und Anfor- derungen verknüpft ist (Andresen et al., 2013), und dabei sind unterschiedliche Akteure invol- viert. Die Übertrittsregelung vom Kindergarten in die Primarstufe gestaltet sich in der Schweiz kantonal unterschiedlich. Neben dem Übertritt in die Regelklasse gibt es intentionell die Opti- onen einer Rückstellung in den Kindergarten (drittes Jahr im Kindergarten), eine vorzeitige Einschulung, eine Zuweisung zur Einschulungs-/Einführungsklasse oder in eine Sonderschule. Die Kinder treten in den meisten Kantonen nach zwei Jahren Kindergarten in die Primarstufe über. Wenn der Übertritt in die Regelklasse unklar ist, werden zwischen Kindergartenlehrper- sonen, Eltern und gegebenenfalls weiteren Fachpersonen (schulpsychologischer Dienst, ärztli- ches Personal) Gespräche geführt, um Varianten zum Übertritt in die Regelklasse zu klären. Die definitive Übertrittsentscheidung wird in den meisten Kantonen von der zuständigen Lehr- person, der Schulleitung oder der Schulaufsichtsbehörde gefällt. Auch hier zeigt sich eine kan- tonale Heterogenität (Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren [EDK], 2021a). Im Durchschnitt werden rund 17 % der nicht fremdsprachigen Kinder und 22 % der fremdsprachigen Kinder in der Schweiz nicht zum regulären Zeitpunkt eingeschult, d.h. es kommt zu einem verzögerten Eintritt in die Primarstufe (Schweizerische Koordinationsstelle für Bildungsforschung [SKBF], 2018). Für Kinder mit besonderen pädagogischen Bedürfnissen stehen kantonal verschiedene Schu- lungsformen im Kindergartenalter zur Verfügung: Kleinkindergärten, Sonderkindergärten so- wie integrative Beschulung in den Regelkindergärten mit Unterstützung von schulischen Heil- pädagog:innen. In der Primarstufe können die Kinder in Kleinklassen, Sonderklassen oder in einer integrativen Beschulung in die reguläre Primarklasse beschult werden (EDK, 2021b). Die Beurteilung des individuellen Entwicklungsstandes des Kindes ist herausfordernd und komplex. Für oder gegen eine Übertrittsempfehlung und innerhalb des Entscheidungsprozesses kommt das Konzept der Schulbereitschaft bzw. -reife in unterschiedlichen Kantonen der Schweiz zum Tragen (EDK, 2021a). Das Konzept der Schulreife und dessen Begriffsverständ- nis hat sich im Laufe der letzten Jahre von einer ausschliesslichen Fokussierung auf das Kind hin zu einem interaktionistischen Verständnis entwickelt (Übersicht in Plehn, 2012). Neben dem Alter des Kindes und dessen Entwicklungsstand spielt dabei für die Entscheidung zum Übertritt heute zunehmend auch die Beurteilung der Gesamtsituation des Kindes bzw. der Fa- milie sowie der Schule eine wesentliche Rolle (SKBF, 2018). Damit einhergehend geht es um die Passung zwischen individuellen und familiären Merkmalen auf der einen Seite sowie insti- tutionellen Anforderungsprofilen der Lehrperson und der Schule auf der anderen Seite. Den- noch bleiben die kindlichen Merkmale, d.h. die sozio-emotionalen, kognitiven und 13 motorischen Entwicklungsbereiche sowie die leistungs- und schulbezogene Einstellung des Kindes besonders wichtige Bezugspunkte für die Einschätzung und Beurteilung der Schulbe- reitschaft bzw. -reife (Plehn, 2012). Für Kindergartenlehrpersonen gelten die emotionale Reife, die Selbstregulationsfähigkeit, die Einfühlsamkeit, der Respekt gegenüber anderen, die Begeis- terungsfähigkeit und Lernbegierde als subjektiv wichtige Kriterien für die Schul- bzw. Kinder- gartenreife (Cappelloni, 2010). Pädagogische Fachpersonen orientieren sich gemäss der Unter- suchung von Plehn (2015) auch am Sozialverhalten, der emotionalen Stabilität sowie der Frust- rationstoleranz der Kinder. Kinder aus sozioökonomisch benachteiligten Familien und fremd- sprachige Kinder sind mit einer höheren Wahrscheinlichkeit von einer Rückstellung in den Kindergarten betroffen (Bildungsdirektion Kanton Zürich 2016; Kratzmann & Schneider, 2009). Des Weiteren verweisen Hair et al. (2006) auf den Zusammenhang von Schulbereit- schaft bzw. -reife und sozialer Herkunft. Bei 13 % der Kinder lassen sich bereits beim Kinder- garteneintritt sozio-emotionale Risiken erkennen. Defizite in diesen Bereichen sind Prä- diktoren für die soziale Anpassungsfähigkeit und schulischen Leistungen in der Primarstufe (Hair et al., 2006). Vorschulkinder mit Verhaltensauffälligkeiten erreichen zudem gegenüber Kindern ohne Verhaltensauffälligkeiten niedrigere Werte in den kognitiven, motorischen, sprachlichen und emotionalen Entwicklungsbereichen (Korsch et al., 2013). Defizite in den sozio-emotionalen Entwicklungsbereichen können das Wohlbefinden der Kinder beeinträchti- gen (Moffitt et al. 2011; Rademacher et al. 2016). Verspätet eingeschulte Kinder müssen sig- nifikant häufiger eine Klasse repetieren als regulär eingeschulte Kinder (Bildungsdirektion Kanton Zürich, 2016). Faust und Rossbach (2013) weisen darauf hin, bei Einschulungsent- scheiden auch potenzielle Folgen für die weiteren Bildungsverläufe der Kinder einzubeziehen. Um einer kumulativen Benachteiligung entgegenzuwirken, dürfte eine frühzeitige Identifizie- rung und präventive Förderung zur Stärkung der sozial-emotionalen Kompetenz von Kindern mit Verhaltensauffälligkeiten in der Regelklasse eine zentrale Rolle spielen, da diese überfach- lichen Fähigkeiten in den weiteren Schulstufen weiterhin eine grosse Bedeutung haben. Der Kindergarten und die Primarstufe orientieren sich am Lehrplan 21 und dessen Bildungs- zielen. Im Zyklus 1 (Kindergarten, 1. und 2. Klasse) wird am Anfang ein entwicklungsorien- tierter Zugang gewählt, und der Unterricht zu Beginn fächerübergreifend gestaltet. Damit steht die motorische, kreative, soziale und sprachliche Entwicklung der Kinder, aber auch die zeitli- che und räumliche Wahrnehmung sowie Orientierung im Zentrum der Förderung. Daneben ist der Erwerb von personalen, sozialen und methodischen Kompetenzen leitend. Im Verlaufe des Zyklus 1 mündet dies dann zunehmend in einem Lernen in spezifischen Fachbereichen (z.B. Mathematik, Bewegung und Sport). Die hierbei zur Anwendung kommenden Lern- bzw. Ar- beitsformen orientieren sich in der Regel am Alter der Kinder und werden zunehmend ausdif- ferenzierter. Im Kindergarten bildet das Lernen im freien und angeleiteten Spiel die wichtigste Lerntätigkeit der Kinder. In der Primarstufe werden die Kinder dann vermehrt herangeführt, vorgegebene Aufträge systematisch bearbeiten zu können (Deutschschweizer Erziehungsdi- rektoren-Konferenz [D-EDK], 2016a). 2.6 Arbeitsmodell Zusammenfassend wird das Arbeitsmodell in Abbildung 2 als Grundlage für das geplante Pro- jekt entwickelt. Es beinhaltet die zentralen theoretischen Annahmen sowie Befunde früherer Studien, die der Entwicklung entsprechender Intervention in Schule und Familie zugrunde lie- gen. Das Modell geht davon aus, dass Verhaltensauffälligkeiten, insbesondere die reaktive und proaktive Aggression, durch die sozial-emotionale Kompetenz des Kindes beeinflusst werden. Zum einen werden Verhaltensauffälligkeiten im Unterricht durch die Struktur in der Schul- klasse (Klassengrösse, Klassenkomposition) und durch das Verhalten und die Einstellungen der Lehrperson gegenüber dem Kind mit Verhaltensauffälligkeiten und dessen Klasse 14 beeinflusst. Zum anderen wird das sozial-emotionale Lernen des Kindes durch das Erziehungs- verhalten (Strukturierung des Familienalltags, Responsivität, Erziehungsstil) und die Einstel- lungen der Eltern beeinflusst. Familiäre Belastungen (wie beispielsweise finanzielle Armut, Erkrankungen und Beeinträchtigungen, geringer sozioökonomischer Status, Migrationshinter- grund u.a.) können sich auf die Einstellungen und das Erziehungsverhalten der Eltern auswir- ken und die Lebenswelt der Kinder wesentlich prägen. Ausgehend vom Modell von Crick und Dodge (1994) werden solche sozialen Informationen aus diesem belastenden Kontext von den Kindern wahrgenommen und erhöhen damit die Wahrscheinlichkeit von aggressiven Verhal- tensweisen. Solche aggressiven Verhaltensweisen zeigen sich nicht nur in der Familie, sondern können ebenso in der Schule auftreten. Zudem werden die sozialen Informationen im Schul- kontext, insbesondere in der Klasse, wahrgenommen. Auch die Klassenzusammensetzung be- einflusst das individuelle Verhalten. Wenn in einer Klasse viele Kinder Verhaltensauffälligkei- ten zeigen, erhöht dies das Risiko, dass auch die individuellen Verhaltensauffälligkeiten beim Kind zunehmen (Müller et al., 2015). Ebenso beeinflussen das Classroom Management (Klas- senführung) und die kindbezogenen Einstellungen der Lehrperson das sozial-emotionale Ler- nen und die Neigung zu aggressiven Verhaltensweisen der Kinder (Abbildung 2). Abbildung 2 Arbeitsmodell Die Intervention setzt gemäss diesem Arbeitsmodell an zwei Punkten an: (a) bei der Weiterbil- dung von Lehrpersonen (inkl. einem Coaching), welche sich indirekt auf die Förderung der Kinder im Unterricht auswirkt und (b) bei der Befähigung der Eltern im Umgang mit ihrem Kind und der Förderung der Kinder in der Familie. Indem wichtige Bezugspersonen der Kinder (Eltern, Lehrpersonen) beraten, wirksame Massnahmen kennenlernen und ihre Einstellung ge- genüber dem Kind thematisiert werden, sollte sich das Verhalten der Bezugspersonen dem Kind gegenüber ändern. Das zentrale Ziel ist es, dass die Weiterbildung der Lehrpersonen und die Unterstützung der Eltern zeitgleich stattfindet (systemischer Ansatz). Zudem soll die För- derung der Kinder in Schule und Familie aufeinander abgestimmt erfolgen. Damit werden wichtige Ergebnisse früherer Forschung aufgegriffen und ein Ansatz für eine wirksame Inter- ventionsstrategie geschaffen. 15 Die Intervention, welche im Rahmen dieses Projekts durchgeführt wird, besteht aus zwei Ele- menten, welche im Kapitel 3 (Intervention in der Schule) und 4 (Intervention in der Familie) ausführlich erläutert werden. Die Lehrpersonen in der Interventionsgruppe absolvieren eine Weiterbildung und erhalten ein Coaching. Im Bereich des Classroom Management (Klassenführung) werden geeignete Strate- gien zur Verringerung von Unterrichtsstörungen, der Etablierung einer wertschätzenden Lern- atmosphäre und Strategien im Umgang mit Kindern mit Verhaltensauffälligkeiten vermittelt, dies sowohl auf Klassen- als auch auf Individualebene. Ebenfalls werden Ansatzpunkte für eine gelingende Zusammenarbeit zwischen Lehrpersonen und Eltern thematisiert. Ausgehend vom Arbeitsmodell wird angenommen, dass die Thematisierung der Einstellung der Lehrper- sonen und die Vermittlung konkreter Handlungsstrategien das Verhalten der Lehrpersonen ver- ändert und damit einhergehend eine Verhaltensveränderung auch gegenüber dem Kind mit Verhaltensauffälligkeiten bewirkt wird. Dies dürfte sich positiv auf das Kind mit Verhaltens- auffälligkeiten auswirken. Die Lehrpersonenweiterbildung wird durch ein individuelles Coaching in der Schule ergänzt, welches von praxiserfahrenen und wissenschaftstätigen Mit- arbeiter:innen durchgeführt wird. Die Funktion des Coachings besteht darin, den Transfer der Weiterbildungsinhalte in die eigene Unterrichtspraxis zu optimieren. Das Familienprogramm ist kompetenzorientiert ausgerichtet. Es zielt auf die Förderung der sozio-emotionalen Ent- wicklung der Kinder ab und vermittelt den Eltern in der Interventionsgruppe geeignete Strate- gien, wie sie die kindlichen Bedürfnisse besser wahrnehmen und einfühlend auf das Kind rea- gieren können. Gleichzeitig soll es eine Entlastung der Eltern ermöglichen. Der Kompetenzer- werb im Kontext der Familie setzt somit einerseits bei den Kindern, anderseits bei den Eltern an. Das Familienprogramm wurde unter der Leitung von Kitty Cassée in Form von Hausbesu- chen mit qualifizierten und geschulten Familiencoaches durchgeführt. Zusammenfassend geht das Projektteam davon aus, dass durch die Intervention in den zwei unterschiedlichen Kontexten, d.h. einerseits die Lehrpersonenweiterbildung inklusive des Coachings im schulischen Setting und andererseits dem Familienprogramm im familiärem Set- ting (a) das Handlungsrepertoire der Lehrpersonen (Klassenführung, kindsspezifische Mass- nahmen) und der Eltern (Erziehungsverhalten) zunimmt, (b) das sozial-emotionale Lernen der Kinder gefördert wird und (c) in Konsequenz aggressive Verhaltensweisen der Kinder mit Ver- haltensauffälligkeiten im Kindergarten und Primarstufenalter reduziert werden können. Daraus ergeben sich folgende Leithypothesen:  Die sozial-emotionale Kompetenz der Kinder hängt mit dem Ausmass aggressiver Verhal- tensweisen zusammen, d.h. je höher die sozial-emotionale Kompetenz bei den Kindern ausgeprägt ist, desto weniger aggressive Verhaltensweisen werden von Eltern und Lehr- personen in der Schule sowie in der Familie wahrgenommen bzw. berichtet. Wir nehmen eine wechselseitige Einflussnahme an.  Familiäre Belastungen der Eltern reduzieren die Sensitivität gegenüber den Kindern, so dass die Kinder eine geringere Ausprägung der sozial-emotionalen Kompetenz aufweisen, d.h. je höher die familiäre Belastung in den Familien sind, desto geringer ist die sozial- emotionale Kompetenz des Kindes ausgeprägt.  Die Struktur der Klasse beeinflusst das individuelle Ausmass aggressiver Verhaltenswei- sen, d.h. je mehr Kinder mit Verhaltensauffälligkeiten in einer Klasse sind und je grösser die Klasse ist, desto höher sind die aggressiven Verhaltensweisen der Kinder ausgeprägt. 16  Das Erziehungsverhalten der Eltern hängt mit dem sozial-emotionalen Lernen der Kinder zusammen, d.h. je wertschätzender und empathischer Eltern mit ihren Kindern interagie- ren, desto höher ist die sozial-emotionale Kompetenz der Kinder mit Verhaltensauffällig- keiten ausgeprägt.  Die Intervention führt bei Kindern mit Verhaltensauffälligkeiten in der Interventions- gruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe zu einer Verbesserung des sozial-emotionalen Lernens und gleichzeitiger Abnahme von aggressiven Verhaltensweisen in der Schule und in der Familie.   17 3 Intervention in der Schule Die Intervention soll das sozial-emotionale Lernen der Kinder fördern, so dass die ungünstigen Effekte des Kontexts (Familie, Schule) abnehmen und somit das Risiko von Verhaltensauffäl- ligkeiten reduziert wird. Das sozial-emotionale Lernen fokussiert ausgehend vom CASEL-Mo- dell auf die Selbstwahrnehmung (‘self-awareness’), die Selbstregulation (‘self-management’), die Fremdwahrnehmung (‘social awareness’), die Beziehungsfähigkeiten bzw. -fertigkeiten (‘relationship skills’) und die verantwortliche Problemlösekompetenz (‘responsible decision making’) (siehe Kapitel 2.2). 3.1 Weiterbildungskonzept Die Intervention in der Schule wurde als Weiterbildung für die teilnehmenden Lehrpersonen des Zyklus 1 (Kindergarten bis 3. Klasse) implementiert. Zwei wissenschaftliche Mitarbeite- rinnen mit Praxiserfahrung, der Projektleiter und zwei Lehrerinnen mit langjähriger Praxiser- fahrung konzipierten die Weiterbildung. Um die Verbindung zwischen Theorie und Praxis her- zustellen, fand eine intensive Zusammenarbeit zwischen den beiden wissenschaftlichen Mitar- beiterinnen bzw. dem Projektleiter und den beiden Lehrpersonen statt. Für die Durchführung waren die zwei Lehrerinnen verantwortlich und für die Organisation der Weiterbildung waren die zwei wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen des Projektes zuständig. Die Inhalte der Weiter- bildung wurden mit den Inhalten des Familienprogramms abgestimmt. Die Weiterbildung setzte sich aus einem Kurs in Form von Gruppenunterricht, einer Unter- richtshospitation in der Schule, einem anschliessenden individuellen Coaching sowie einem Telefongespräch zur Zielerreichung zusammen und umfasste insgesamt ca. 14 Stunden. Der Kurs wurde auf einen ganzen Tag und zwei halbe Tage aufgeteilt. Zwischen den drei Kurster- minen betrug der zeitliche Abstand jeweils etwa drei Monate. In Gruppen von jeweils ungefähr 15 Lehrpersonen wurden die Weiterbildungsinhalte erarbeitet. Die Unterrichtshospitation und das Coaching fanden zwischen dem ersten und dem zweiten Kurstermin statt. Am Ende jedes Kurstermines erhielten die Lehrpersonen Aufträge, um den Transfer der Weiterbildungsinhalte in den eigenen Unterrichtsalltag zu begünstigen. Zur Vorbereitung auf das Coaching erledigten die Lehrpersonen einen Reflexionsauftrag zu einer herausfordernden Situation mit den Kindern mit Verhaltensauffälligkeiten, indem sie das auslösende Ereignis, die Bewertung der Situation, die damit einhergehenden Gedanken und die daraus folgenden Konsequenzen erfassten. Im Coaching konnte auf die Situation der jeweiligen Lehrperson, den Klassenkontext und die individuellen Bedürfnisse der Kinder mit Verhaltens- auffälligkeiten eingegangen werden. Für jedes Kind, welches am Projekt teilnahm, wurde ein realistisches Ziel (SMART, also spezifisch, messbar, attraktiv, realistisch und terminiert) for- muliert. Etwa vier Schulwochen nach dem Coaching fand ein telefonischer Kontakt mit der jeweiligen Lehrperson statt, bei dem die Zielerreichung des einzelnen Kindes besprochen wurde. 3.2 Strategien bei der Konzeption der Weiterbildung Bei der Konzeption der Weiterbildung wurden unterschiedliche Strategien verfolgt. Die Wei- terbildung sollte sich über einen längeren Zeitraum (ca. sechs Monate) erstrecken, damit der Transfer in die Praxis besser gelingt. Zudem sollten die erteilten Aufträge die Verbindlichkeit der Weiterbildung erhöhen und die Umsetzung der Weiterbildungsinhalte begünstigen. Die Berücksichtigung der individuellen Situation der Lehrperson, der Kinder mit Verhaltensauffäl- ligkeiten und der Klasse sollte ebenso den Transfer der Weitbildungsinhalte in den Unterricht unterstützen. Ausserdem sollte das Coaching die Umsetzung der Weiterbildungsinhalte im Un- terricht erleichtern und damit die Effektivität der Weiterbildung steigern (Wahl, 1993). Mit 18 dem Telefongespräch zur Zielerreichung der am Projekt beteiligten Kinder sollte die Nachhal- tigkeit der Weiterbildung steigern und die Verbindlichkeit erhöht werden. Die Weiterbildungs- inhalte wurden theorie- und evidenzbasiert entwickelt (Neuenschwander & Benini, 2016; Neu- enschwander & Benini, 2017) (siehe Kapitel 2). Allgemein wurde auf eine möglichst hohe Standardisierung der Vermittlung der Weitebildungsinhalte geachtet (z.B. gleicher Ablauf ei- ner Kurssequenz in den verschiedenen Gruppen). 3.3 Ziele der Weiterbildung Im Rahmen der Weiterbildung wurden die folgenden Ziele verfolgt. Die Kompetenz der Lehr- personen im Umgang mit Kindern mit Verhaltensauffälligkeiten sollte erhöht werden. Sowohl die Beziehung der Lehrperson zu den Kindern sollte verbessert bzw. gefestigt als auch eine positive Verhaltenserwartung der Lehrperson gegenüber diesen Kindern aufgebaut werden. Weiter sollten die Lehrpersonen Handlungsmöglichkeiten und -strategien zur Förderung des sozial-emotionalen Lernens erarbeiten bzw. sollte das Handlungsrepertoire der Lehrpersonen in diesem Bereich erweitert werden (Neuenschwander & Benini, 2017). Weiter sollte eine ge- lingende Zusammenarbeit mit den Eltern thematisiert werden, da die Koordination der Ziele und Massnahmen zwischen Eltern und Lehrpersonen die Effektivität der Intervention erhöhen könnte (Niederbacher & Neuenschwander, 2021). 3.4 Inhalte der Weiterbildung Die Weiterbildungsinhalte basierten auf einem selbst entwickelten 6-Felder-Schema (Neuen- schwander et al., 2022) und resultieren aus Analysen zum Entstehen von Verhaltensauffällig- keiten. In der Tabelle 1 sind die Weiterbildungsinhalte ersichtlich. Tabelle 1 6-Felder-Schema: Inhalte der Weiterbildung Verhalten/Handlung Haltung/Einstellung  FOSSA-Plan  ABC-Modell  Schildkrötenplan  Selbsterfüllende Erwartungen  Wortschatz der Emotionen  Attributionen  Kleine und grosse Pausen  Feedback  Verarbeitungsheft  Rückmeldung positiver Verhaltensweisen  Soziale Konflikte unter Kindern  Problemlösedialog  Klassenführung und Rituale  Gutes Verhalten – gutes Spiel  Entspannungsverfahren  Spiele zur Förderung der Selbstregulation  Zusammenarbeit mit Eltern – drei Grund-  Engels- und Teufelskreis pfeiler  Beziehungsgestaltung – Eltern und Lehrper-  Konfliktgespräche mit Eltern son/-en  Elterngespräch – Reaktionsmöglichkeiten in schwierigen Situationen 19 Eltern Klasse Kind Dieses besteht aus drei Ebenen ‚Kind‘, ‚Klasse‘ und ‚Eltern‘ und aus zwei Dimensionen ‚Ver- halten/Handlung‘ sowie ‚Haltung/Einstellung‘ der Lehrperson. Inhalte zu allen Ebenen und Dimensionen wurden thematisiert, z.B. wie sich eine Lehrperson verhalten oder handeln kann und wie sie ihre Haltung/Einstellung reflektieren bzw. wie ihre Haltung/Einstellung dem Kind gegenüber in eine positive Weise verändert werden kann. Themen, die an den drei Kurstermi- nen bearbeitet wurden, sind z.B. die Wahrnehmung und Benennung von Emotionen (Ebene Kind, z.B. Lohaus & Glüer, 2017), der Umgang mit sozialen Konflikten unter Kindern (Ebene Klasse, z.B. Dittrich et al., 2001) und die Beziehungsgestaltung zwischen Eltern und Lehrper- son/-en (Ebene Eltern, z.B. Grolimund, 2017; Rogers & Dymond, 1954). 3.5 Beispiele – Inhalte der Weiterbildung Emotionsregulation ist ein wichtiger Bestandteil des sozial-emotionalen Lernens (vgl. die As- pekte Selbstwahrnehmung und Selbstregulation im CASEL-Modell). Wenn ein Kind Mühe hat, seine Emotionen zu regulieren, fällt es ihm schwer, sein Verhalten zu steuern. Denn Kinder müssen lernen, Emotionen wahrzunehmen und zuzulassen, aber nicht immer aufgrund ihrer Emotionen zu handeln. Das zeigt sich beispielsweise darin, dass aggressive Impulse nicht kon- trolliert werden können. Ein Beispiel dafür ist ein Kind, welches im Kindergarten manchmal verbal aggressiv reagiert, wenn es bei einem Spiel verliert. Im ersten Schritt lernt das Kind, die Gefühle von sich und von anderen Menschen wahrzunehmen. Dies ist eine Voraussetzung für die Regulation von Emotionen. Gefühle sind ein Teil der Emotionen und werden in diesem Zusammenhang jeweils gleichgesetzt. Für die Wahrnehmung der Gefühle hilft es, diese zu be- nennen. Dadurch wird es weniger von den eigenen Gefühlen überrollt und kann eher ein ange- messenes Verhalten zeigen. Die Kindergartenlehrperson baut mit dem Kind den Wortschatz der Emotionen auf und übt ihn z.B. in einem Rollenspiel ein. Auf diese Weise automatisiert und verinnerlicht das Kind einerseits das Benennen der Gefühle, andererseits einen angemes- senen Umgang damit. Ebenso kann mit der ganzen Klasse eine Gefühlsuhr eingeführt werden, auf der die Kinder ihre momentane Gefühlslage anzeigen können. Ausserdem können Gefühls- karten eingesetzt werden, um beispielsweise Gefühle pantomimisch darzustellen (z.B. Pfeffer, 2017). Anhand von Mitfühlgeschichten in Bilderbüchern kann gemeinsam mit der Klasse die dargestellten Situationen und die Gefühle der vorkommenden Figuren reflektiert werden (z.B. Heinrichs et al., 2017). Reflexionsfragen sind z.B. ‘Wie könnte sich ein Kind fühlen, das aus- gelacht wird?’ oder ‘Welche Gefühle haben die anderen Kinder, welche die Situation beobach- ten?’. Die Kindergartenlehrperson kann gemeinsam mit der Klasse besprechen, was in solchen Situationen sozial angemessene Verhaltensweisen wären. Weiter kann die Situationen nachge- spielt werden. Ziel ist es, dass die Kinder diese eingeübten Verhaltensweisen in ihren Kinder- gartenalltag integrieren. Ein weiteres Beispiel ist: Ein Kind wird von einem anderen Kind beleidigt (Reiz), dabei findet eine innerliche Bewertung des Reizes und das Abwägen von Handlungsoptionen (kognitiver Prozess) statt, aufgrund dessen die Handlung (Reaktion) folgt (Modell der sozial-kognitiven Informationsverarbeitung, Crick & Dodge, 1994, siehe Kapitel 2.3). Zur Bewertung und Inter- pretation des Reizes greift das Kind auf Erfahrungen, gelernte Regeln und soziales Wissen zurück. Diese Erfahrungen sowie das Wissen über soziale Normen und Erwartungen helfen dem Kind, sich realistische Ziele zu setzen und eine Handlungsmöglichkeit zu wählen, welche sowohl von den anderen Kindern als auch von Erwachsenen akzeptiert wird (Kanning, 2015). Eine Möglichkeit, das einzuüben, ist der Problemlösedialog in der Klasse. Beim Problemlöse- dialog werden die Kinder von der Lehrperson dazu angeleitet, (1) Probleme zu erkennen, (2) die eigenen und Gefühle anderer Personen wahrzunehmen und zu benennen, (3) Ursachen für das Verhalten der anderen Personen zu finden, (4) eine Lösung für das Problem zu suchen, (5) die Eignung der Problemlösung einzuschätzen und schliesslich (6) die gefundene Lösung 20 festzuhalten. Zunächst sollen fiktive Situationen (z.B. ein Bild mit einem Mädchen und einem Jungen, die sich streiten und sich gegenseitig an den Haaren ziehen) mit den Kindern trainiert werden, später können auch vergangene, reale Situationen thematisiert werden (Beelmann et al., 2016). Eine bestimmte Situation (z.B. Konflikt auf dem Pausenplatz) kann ebenso durch Kinder der Klasse in Form eines Rollenspiels dargestellt werden. 3.6 Coachingkonzept Bei jeder Lehrperson wurde eine Unterrichtshospitation im Umfang einer Lektion durchge- führt. Dabei wurden Beobachtungen vor allem zum Verhalten der Lehrperson und des Kindes sowie zur Interaktion zwischen der Lehrperson und den im Projekt beteiligten Kindern in ei- nem strukturieren Protokollbogen festgehalten, um eine gewisse Standardisierung zu gewähr- leisten und das beobachtete Verhalten der Lehrperson sowie des Kindes im Coaching zu the- matisieren (Kassis et al., 2022). Anschliessend an die Lektion fand das Coaching mit der Lehr- person oder dem Lehrpersonenteam (z.B. Klassenlehrperson, Fachlehrperson und der/dem Schulischen Heilpädagog:in) statt, welches 45 bis 60 Minuten dauerte. Die Abbildung 3 stellt vereinfacht den Zeitpunkt und die Inhalte des Coachings dar. Abbildung 3 Darstellung des Coachings inkl. Unterrichtshospitation Das Coaching verfolgte unterschiedliche Ziele. Zum einen reflektierte die Lehrperson die Lek- tion und zum anderen besprach sie mit dem Coach z.B. typische Unterrichtssituationen dieser Lektion. Dies sollte den Transfer der Weiterbildungsinhalte in den eigenen Unterricht begüns- tigen. Weiter sollte das Coaching einen konstruktiven Austausch zwischen Lehrperson und Coach fördern, um den Ist-Zustand des Verhaltens des Kindes zu eruieren und den Soll-Zu- stand zu definieren. Grundlage hierfür war unter anderem der Reflexionsauftrag zu je einer herausfordernden Situation (ABC-Modell, z.B. Einsle & Hummel, 2015) mit den Kindern mit Verhaltensauffälligkeiten. Mit dem ABC-Modell lassen sich Denkmuster, Gefühle und Ver- halten verändern. Dabei ist es wichtig, die Bedeutung der Gedanken für das Auftreten bestimm- ter Gefühle bzw. Verhaltensweisen zu entdecken und verstehen. Zudem soll klar werden, wie die Interpretation einer Situation bzw. eines Ereignisses und die damit verbundenen Gedanken darüber entscheiden, wie sich eine Person fühlt und verhaltet (Einsle & Hummel, 2015). Des Weiteren wurden gemeinsam Umsetzungsideen erarbeitet und weiterführende Ideen diskutiert, sei dies für das einzelne Kind oder für die ganze Klasse. Abschliessend wurde für jedes am 21 Projekt beteiligte Kind das Ziel (nach SMART) formuliert. Ein zentraler Punkt war, dass das Coaching nicht als therapeutischen Ansatz (z.B. Besprechen von persönlichen Anlie- gen/Schwierigkeiten) verstanden wurde. Insgesamt wurde darauf geachtet, dass die drei Grund- haltungen eines Coachings, nämlich Wertschätzung, Empathie und Echtheit, gezeigt wurden (Rogers, 1961/2009). 4 Intervention in der Familie1 Die Intervention in der Familie im FOSSA-Projekt (nachfolgend Familienprogramm) richtete sich an Familien mit Kindern im Kindergarten und in der Primarstufe (1. und 2. Klasse, teilweise 3. Klasse), bei denen in schulischen Settings externalisierende Verhaltsauffälligkeiten festgestellt wurden. Die Auswahl der Kinder für das Familienprogramm wird in Kapitel 5.1 beschrieben. Das Familienprogramm war aufsuchend und kompetenzorientiert ausgestaltet (Cassée, 2019), d.h. die Familien wurden in einem Zeitraum von drei bis vier Monaten zehn Mal von einem qualifizierten Familiencoach zu Hause besucht, mit dem Ziel die Eltern zum besseren Umgang mit Verhaltensauffälligkeiten zu befähigen und diese beim Kind zu reduzieren. Fibbi (2015) plädiert im Hinblick auf die Förderung belasteter Kinder ausdrücklich für einen solchen ‘outreaching’ (aufsuchenden) Ansatz. Fröhlich-Gildhoff und Rönnau-Böse (2019) for- mulieren folgende Anforderungen an wirksame Interventionen bei belasteten Kindern: – Kinder, deren Eltern und das soziale Umfeld einbeziehen und in der Lebenswelt anset- zen – Inhaltlich an der Entwicklung von Fähigkeiten und am konkreten Verhalten ansetzen (verhaltensorientiertes Üben) – Strukturierte Programme, Manuale und Curricula einsetzen; klar strukturierte, verhal- tensnahe Übungen haben bessere Effekte als ‘offenere’ Interventionen, die wenige Vor- gaben beinhalten – Zielgruppenspezifische und v.a. kulturelle Adaptation muss möglich sein (Sprache, Kultur) – Sorgfältige Evaluation als Bestandteil der Intervention Diese Anforderungen setzte das Familienprogramm in einer klar erkennbaren und ritualisierten Programmstruktur (Standardisierung), mit kindgerechten Materialien, Aufgaben und Spielse- quenzen um. Über definierte Programmziele und ausformulierte Programmbausteine wurde eine hohe Programmtreue gewährleistet. Das Programm liess aber Spielraum, spezielle Gegebenheiten und Anliegen der einzelnen Familien aufzunehmen. Im Pool der Familiencoaches, die im Familien- programm eingesetzt wurden, waren die häufigsten Fremdsprachen vertreten, so dass in der jeweili- gen Familiensprache gearbeitet werden konnte. Für die Strukturierung und die didaktische Gestaltung der Familieneinsätze wurde ein Toolkit für die einzelnen Themen entwickelt. Dieses Toolkit enthielt Arbeitstafeln, Bildkarten und wei- tere Materialien für die direkte Arbeit mit den Familien. Das Familienprogramm wurde formativ (Verlaufsmonitoring) und summativ bei allen involvierten Personen (Eltern, Lehrpersonen, Familiencoaches) evaluiert. 1 Das Kapitel 4, Intervention in der Familie, wurde von Kitty Cassée verfasst. 22 4.1 Der Verlauf des Familienprogramms Auf der Zeitachse stellte sich das Familienprogramm wie folgt dar (Abbildung 4). Abbildung 4 Das Familienprogramm auf der Zeitachse Nach einem Erstgespräch mit den Eltern und einer Kontaktaufnahme mit der zuständigen Lehr- person folgten acht Familieneinsätze, welche jeweils 1,5 Stunden dauerten. In einem Auswer- tungsgespräch mit den Eltern wurde der Prozess summativ durch die Eltern und den Familien- coach beurteilt. Drei Monate nach Programmschluss folgte ein telefonisches Follow-up-Ge- spräch mit den Eltern und mit der jeweiligen Lehrperson. Dokumentation der Einsätze: Familienbuch und Prozessmonitoring Im Verlaufe des Familienprogramms wurden die Einsätze in der Familie in einem Familien- buch dokumentiert, in dem kurz festgehalten wurde, was gemacht und mit welchen Tools ge- arbeitet wurde. Im Familienbuch sammelten die Eltern alle Unterlagen, die im Rahmen des Familienprogramms erstellt oder abgegeben wurden: Wochenblätter, Bildtafeln, Hausaufga- ben, Kinderzeichnungen, Fotos von gemeinsamen Situationen und weitere Dokumente. Das Familienbuch blieb als Dokument bei der Familie und sollte die Nachhaltigkeit der bearbeiteten Themen unterstützen. Die Familiencoaches dokumentierten ihren Einsatz in einem digitalen Tool, in dem sie den Ablauf der jeweiligen Einsätze protokollierten und vermerkten, ob sie manualgetreu vorgehen konnten. Auch hielten sie für jede Sequenz fest, wie sie sich während des Einsatzes gefühlt hatten, und ob es Themen für ein Coaching im Rahmen der Supervision gab (z.B. weitere Kin- der in der Familie, getrenntlebende Eltern, weitere Belastungen in der Familie). Das Institut kompetenzhoch3 evaluierte das Familienprogramm mit qualitativen und quantita- tiven Methoden mit Fokus auf die Prozessgestaltung, die Zielerreichung, die Zufriedenheit der Familien und der Familiencoaches mit dem Programm. Die subjektiv erlebte Verbesserung der sozial-emotionalen Fähigkeiten des Kindes aus Sicht der Eltern und der Lehrpersonen wurde ebenso erfasst. 23 4.2 Die Programmziele Folgende sieben Ziele mit Fokus auf Befähigung/Psychoedukation der Eltern, direkte Förde- rung des Kindes, Entlastung der Familie sowie Vernetzung mit der Schule und mit hilfreichen Personen/Angeboten in der Lebenswelt standen im Zentrum: 1. Das Kind kennt die wichtigsten Emotionen, spürt diese bei sich selbst und erkennt sie bei anderen. 2. Das Kind kennt Strategien, wie es mit schwierigen Emotionen umgehen und seine po- sitiven Emotionen nutzen kann. 3. Das Kind kennt Strategien, wie es mit anderen Personen Kontakte knüpfen und auf- rechterhalten kann. 4. Eltern verstehen das Verhalten ihres Kindes besser. 5. Eltern kennen neue Strategien, um mit dem Verhalten ihres Kindes umzugehen. 6. Eltern wissen, wer sie in der Rolle als Mutter/Vater unterstützen kann. 7. Eltern kennen die Schule und die Lehrperson besser und können mit ihnen zusammen- arbeiten. 4.3 Die Sequenzen des Familienprogramms im Überblick In den acht strukturierten Sequenzen des Familienprogramms ging es um folgende Themen: Psychoedukation mit den Eltern/mit einem Elternteil zur kindlichen Entwick- lung. Sequenz 1 ‐ Stärken und Lernthemen des Kindes (Silhouette) ‐ Entwicklungstreppe, Entwicklungs- und Erziehungsaufgaben ‐ Grundlegende Entwicklungsbedürfnisse, tägliche Routine/Regeln/Rituale Verhalten und Gefühle des Kindes im Fokus: Beobachten und Benennen ‐ Emotionsentwicklung Sequenz 2/3 ‐ Primäre Emotionen wahrnehmen und benennen ‐ Schlüsselfähigkeiten emotionaler Kompetenz ‐ Emotionen von anderen erkennen Gefühlsregulation des Kindes im Fokus Sequenz 4/5 ‐ Strategien und Techniken der Emotionsregulation ‐ Bedeutung der Eltern: von der Fremdsteuerung zur Selbststeuerung ‐ Förderung/Hemmung der Entwicklung durch die Eltern Erziehungsverhalten der Eltern im Fokus ‐ Erziehungsaufgaben/Erziehungsstil Sequenz 6/7 ‐ Lernfördernde Settings gestalten im Alltag der Familie ‐ Entwicklungsförderung: Sicherung der grundlegenden Entwicklungsbe- dürfnisse ‐ Arbeit mit Wenn-Dann-Plänen und Arbeit mit der Ampel 24 Ressourcen erschliessen und Kontakt zur Schule festigen ‐ Mit den Eltern werden wichtige Personen/Systeme in ihrer Lebenswelt ermittelt und Schritte geplant, sich mit externen Personen/anderen Fami- Sequenz 8 lien/Fachstellen zu vernetzen. ‐ Der Kontakt zur Schule wird in jeder Familie besprochen und je nach Si- tuation unterschiedlich gestaltet (z.B. telefonischer Kontakt von Seiten des Familiencoaches, gemeinsamer Besuch in der Schule u.a.m.). Jede Sequenz hatte einen ritualisierten Anfang und Schluss. Es wurde jeweils in unterschiedli- chen Settings gearbeitet: Situationen nur mit den Eltern, Spiel- und Übungssequenzen mit dem Kind, bei denen die Eltern zuschauten, Eltern-Kind-Sequenzen mit Nachbesprechung sowie Spiel- und Entspannungssequenzen für alle gemeinsam. Der Wechsel der Settings wurde klar deklariert und visualisiert. 5 Methode 5.1 Forschungsdesign, Rekrutierung der Stichprobe Zur Bearbeitung der Fragestellungen wurde ein quasi-experimentelles Design mit Pre-Posttest- Messung in einer Interventions- und Kontrollgruppe verwendet. In dieser Interventionsstudie fand im Projektjahr 2019 für die Kohorte 1 und 2020 für die Kohorte 2 die erste und im Jahr 2020 für die Kohorte 1 und 2021 für die Kohorte 2 die zweite Erhebungsphase statt. Es handelte sich um Kinder, die Verhaltensauffälligkeiten zeigten und deren Familien belastet waren. In der Kohorte 2 wurden in der Kontrollgruppe pro Klasse zusätzlich drei bis fünf zufällig ausge- wählte Kinder rekrutiert. Mit dieser Kontrollgruppe 2 wurde die Stigmatisierungsgefahr der ausgewählten Kinder reduziert und somit die Stichprobe vergrössert. Von Interventionseffekten wird dann gesprochen, wenn eine Verhaltensänderung eines Kindes in der Interventionsgruppe signifikant stärker bzw. schwächer ist als dies im Entwicklungsrah- men der Kontrollgruppe auftritt, in welcher keine Intervention stattfindet. Die Ergebnisse be- legen die Notwendigkeit, eine Kontrollgruppe zu verwenden, weil die sozial-emotionale Kom- petenz in der Kontrollgruppe zugenommen und die Verhaltensauffälligkeiten abgenommen ha- ben – unabhängig von der Intervention. Ohne Kontrollgruppe würden positive Veränderungen beim Kind fälschlicherweise als Interventionseffekt interpretiert, obwohl es sich um einen Ent- wicklungseffekt handelt. Die Stichprobengewinnung erfolgte in mehreren Teilschritten. Im ersten Schritt wurden grös- sere deutschsprachige Kantone zur Mitarbeit angefragt. Die Schulen wurden randomisiert der Interventions- oder Kontrollgruppe zugeordnet und entsprechend angefragt. In der Kohorte 1 wurden vom Projektteam für die Interventionsgruppe insgesamt 663 und für die Kontroll- gruppe 476 Schulleitungen aus den Kantonen Aargau, Basel-Landschaft, Basel-Stadt, Bern, Luzern, Solothurn, St. Gallen und Zürich angefragt. Der Prozentsatz der Zusagen für die Inter- ventionsgruppe betrug 8.3 %, jener für die Kontrollgruppe 4.8 %. Für die Kohorte 2 wurden aus diesen Kantonen und zusätzlich aus den Kantonen Glarus, Graubünden, Schwyz und Wallis für die Interventionsgruppe 651 Schulen bzw. Schulleitungen und 508 für die Kontrollgruppe kontaktiert. Die Zusagen betrugen 3.7 % für die Interventionsgruppe sowie 3.7 % für die Kon- trollgruppe. Es wurde darauf geachtet, dass pro Kanton gleich viele Klassen in der Interven- tions- und Kontrollgruppe teilnahmen. Die Zahl der Klassen pro Kanton sollte nach Möglich- keit proportional zur Kantonsgrösse sein, d.h. in Kantonen mit einer grösseren Bevölkerungs- zahl wurden mehr Klassen angefragt als in Kantonen mit einer kleineren Bevölkerungszahl. 25 Weil es im FOSSA-Projekt um Kinder aus belasteten Familien geht, wurden zuerst Gemeinden mit einem hohen Sozialindex angefragt. Nachdem nicht genügend Familien rekrutiert werden konnten, wurde die Anfrage auf andere Gemeinden mit mindestens 3000 Einwohner:innen aus- geweitet. Den Lehrpersonen der Kontrollgruppe wurde in der Kohorte 2 ein Gutschein im Wert von CHF 50 für die Klassenkasse zugesichert, wenn sie alle Fragebogen ausfüllten. Es konnten Lehrpersonen sowie Schulische Heilpädagog:innen des 1. und 2. Kindergartenjah- res oder der 1. bzw. 2. Klasse am FOSSA-Projekt teilnehmen. Ausgeschlossen wurden in der Regel Einführungs- und Kleinklassen mit Kindern mit besonderem Förderbedarf, um Mehr- fachbelastungen (Komorbidität) auszuschliessen, welche ein komplexeres Programm erforder- ten. Pro Schule wurden maximal drei Klassen einbezogen, sodass eine Einzelschule nicht zu einer Klumpenstichprobe führte. Es wurden nur Schulen angefragt, die sowohl über einen Kin- dergarten als auch eine Unterstufenklasse verfügten. Bei einer Bereiterklärung zur Teilnahme wurde den Lehrpersonen eine Einladung zu einem Online-Fragebogen (Screening) gesendet. Kinder, welche aufgrund des Screenings Verhaltensauffälligkeiten sowie familiäre Belastun- gen aufwiesen, wurden ausgewählt und die Lehrpersonen fragten die Eltern für die Studienteil- nahme an. Ausgenommen waren Kinder, die eine klinische Diagnose oder reduzierte Lernziele aufwiesen, um die Doppelbelastung zu vermeiden. In der Kohorte 2 wurden auch Kinder, die in einer Einschulungsklasse waren, ausgeschlossen. Die Eltern, die zur Mitarbeit bereit waren, unterschrieben auf dieser Grundlage ein Formular, dass sie mit der Teilnahme an der Studie einverstanden waren. In der Interventionsgruppe waren 119 Eltern von 216 angefragten Eltern zur Teilnahme bereit, in der Kontrollgruppe 40 von 73 Eltern. Von 289 angefragten Eltern waren 45 % nicht zur Teilnahme bereit. Um die Stichprobe zu vergrössern, wurden in der Ko- horte 2 in den Kontrollgruppenklassen zusätzlich Eltern von drei bis fünf Kinder pro Klasse angefragt (Kontrollgruppe 2), welche zufällig ausgewählt wurden. Die teilnehmenden Eltern füllten einen Fragebogen in Papierversion jeweils vor und nach der Intervention aus. Pro Familie wurde ein Fragebogen von einem Elternteil ausgefüllt. Zudem wurden mit den Kindern Teile der IDS-1 (Intelligence and Development Scales) nach Grob et al. (2009) durchgeführt. Die Lehrpersonen füllten einen Online-Fragebogen jeweils vor und nach der Intervention aus. Pro Kind füllten in manchen Fällen mehrere Lehrpersonen einen Fragebogen aus (Klassenlehrperson, Fachlehrperson und/oder schulische Heilpädagog:in). Bei den zusätzlich angefragten Kindern der Kontrollgruppe 2 füllten die Eltern den ganzen Frage- bogen und die Lehrpersonen einen verkürzten Fragebogen aus. Der Entwicklungstest wurde mit diesen Kindern ebenfalls durchgeführt. 5.2 Stichproben Die Gesamtstichprobe (Kohorten 1 und 2, Pretest) umfasst N = 201 Kinder aus dem Kinder- garten sowie der 1., 2. und 3. Klasse der Primarstufe aus deutschsprachigen Kantonen der Schweiz (detaillierte Auflistung siehe Tabelle 2). Davon werden 55 (27 %) dem weiblichen und 146 (73 %) dem männlichen Geschlecht zugeordnet (N = 201). In Übereinstimmung mit früheren Studien zeigen mehr Jungen als Mädchen externalisierende Verhaltensauffälligkeiten (Card et al., 2008), was die Repräsentativität der vorliegenden Stichprobe unterstützt. Die Kin- der waren zum Zeitpunkt des Pretests zwischen 5 und 10 Jahre alt (M = 7.09, SD = 1.2). Von den 201 Kindern der Pretest Gesamtstichprobe gehörten 117 Kinder der Interventions-gruppe an. Davon besuchten 32 Kinder den Kindergarten und 85 Kinder die Primarstufe. Zur Kon- trollgruppe 1 gehörten 41 Kinder. Davon waren 18 im Kindergarten und 23 in der Primarstufe. In der Kontrollgruppe 2 waren 43 Kinder, 19 im Kindergarten und 24 in der Primarstufe. Die Tabelle 2 gibt einen Überblick über die Anzahl der Kinder in der jeweiligen Kohorte sowie über beide Kohorten hinweg. 26 Tabelle 2 Häufigkeiten der Kinder im Pretest Gruppe Kindergarten Primarstufe Gesamt Kohorte 1 IG 26 35 61 KG1 13 11 24 Kohorte 2 IG 6 50 56 KG1 4 13 17 KG2 19 24 43 Kohorte 1 und 2 IG 32 85 117 KG1 17 24 41 KG2 19 24 43 Summe 68 133 201 Anmerkung. IG: Interventionsgruppe, KG1: Kontrollgruppe 1, KG2: Kontrollgruppe 2. Die Elternfragebogen wurden im Pretest zu 88.9 % (N = 169) von der Mutter, in 11.1 % (N = 21) vom Vater des Kindes ausgefüllt. Von 11 Kindern fehlen diese elterlichen Angaben. Das Alter desjenigen Elternteils, welches den Fragebogen zum ersten Messzeitpunkt ausgefüllt hat, lag zwischen 27 und 53 Jahren (M = 38.4, SD = 5.2, 11 Angaben fehlen). 22 Eltern wurden beim Ausfüllen von Familiencoaches in der jeweiligen Fremdsprache unterstützt. Die Lehrpersonenfragebogen wurden im Pretest in 68 % (N = 87) von Klassenlehrpersonen, in 18 % (N = 23) von schulischen Heilpädagog:innen und in 14 % (N = 18) von Partnerlehrper- sonen (d.h. Fachlehrpersonen oder Lehrpersonen ohne Klassenlehrfunktion) ausgefüllt. Die durchschnittliche Unterrichtserfahrung der teilnehmenden Lehrpersonen lag bei 14 Jahren (SD = 10.2), wobei die Erfahrung zwischen 1 Jahr und 39 Jahren variiert. Zwei Lehrpersonen haben keine Angaben zur Unterrichtserfahrung gemacht. Das Alter der pädagogischen Fachpersonen, welche den Fragebogen zum ersten Messzeitpunkt ausgefüllt haben, lag zwischen 22 und 63 Jahren (M = 41.3, SD = 11.6). Von drei Lehrpersonen fehlt die Altersangabe. Von den Lehr- personen ordneten sich 127 dem weiblichen und eine dem männlichen Geschlecht zu. Alle Daten wurden pseudonymisiert erfasst und Kontaktangaben wurden separat von den Er- hebungsdaten aufbewahrt. Der Datenschutz wurde damit gewährleistet. 5.3 Instrumente Im nachfolgenden Abschnitt werden die Instrumente beschrieben, welche für die Datenerhe- bung verwendet wurden. 5.3.1 Screening Um geeignete Kinder auswählen zu können, füllten die teilnehmenden Lehrpersonen für alle Kinder ein Screening aus. In der Kohorte 1 schätzte die Klassenlehrperson die Kinder ein, in der Kohorte 2 konnten jeweils alle teilnehmenden Lehrpersonen einer Klasse ihre Einschät- zungen abgeben. Einerseits sollten Kinder erreicht werden, die durch ihr Verhalten im schuli- schen Umfeld auffallen. Dazu beantworteten die Lehrpersonen 5 Items zur Subskala ‘externa- lisierende Verhaltensauffälligkeit der deutschsprachigen Version des SDQ-Fragebogens (Strengths and Difficulties Questionnaire, Goodman, 1997). Für die vorliegende Studie wurde der Cut-Off-Wert für die Kategorie ‘auffällig’ (= 3) aus der Originalstudie als 27 Orientierungsrahmen herangezogen. Wegen fehlenden aktuellen Normierungsdaten aus dem deutschsprachigen Raum für die Version für Lehrer:innen-/Erzieher:innenbeurteilung auf der Primarstufe wurde die Einstufung der Verhaltensauffälligkeit bei Schüler:innen der Primar- stufe basierend auf der Verteilung innerhalb der aktuellen Stichprobe vorgenommen. Ein Min- destwert von 3 schloss Kinder direkt in die Zielgruppe des Projekts ein. Ein Wert von 2 führte zu einer weiteren Überprüfung der Auswahl. In diesen Fällen wurde mit den Lehrpersonen telefoniert und basierend auf weiteren Informationen aus der mündlichen Schilderung sowie unter Berücksichtigung weiterer Angaben zur familiären Situation und Belastung eine Ent- scheidung getroffen, ein Kind für das Anfragegespräch aufzunehmen oder davon auszuschlies- sen. Andererseits sollten Kinder aufgenommen werden, bei denen eine familiäre Belastung vorhan- den ist. In Anlehnung an die Fachtagung Frühförderung (Stadt Zürich, 2014) wurde ein Item- pool für das Screeningverfahren definiert, welcher mit möglichst wenig Zeitaufwand zu beant- worten war. Daraus resultierten sieben Faktoren wie beispielsweise Arbeitslosigkeit/finanzielle Sorgen, migrationsbedingte Schwierigkeiten, psychische oder körperliche Krankheit etc. In Bezug auf den familiären Belastungsgrad existieren keine standardisierten Grenzwertnormen. Die Belastungsfaktoren wurden auf einer Ratingskala von 1-4 bewertet. Familien, bei welchen mindestens zwei Belastungsfaktoren mit mindestens einer 3 (deutlich belastet) eingeschätzt wurden, wurden als belastet eingestuft. Alternativ wurden auch Kinder aufgenommen, bei wel- chen ein Item mit mindestens einer 4 (stark belastet) beurteilt wurde. Weiter wurde erfragt, ob die Eltern des entsprechenden Kindes fremdsprachig waren. Zur Aus- wahl standen die gemäss Bundesamt für Statistik (BFS, 2022) in der Deutschschweiz am meis- ten gesprochenen Sprachen Albanisch, Portugiesisch, Serbokroatisch und zusätzlich Türkisch. Zudem stand die Kategorie ‘andere Sprache’ zur Verfügung. Auf Wunsch der Lehrperson konnten basierend auf diesen Angaben übersetzte Elterndokumente bezogen werden. Zusätz- lich wurde gefragt, ob das Kind innerhalb der letzten zwei Jahre in die Schweiz geflüchtet ist. Diese Kinder wurden aufgrund der besonderen, von der Norm stark abweichenden Lebensum- ständen als nicht zur Zielgruppe zugehörig erachtet und von der Studie ausgeschlossen. Aus- führlicher wird das Screening in Neuenschwander et al. (2022a) beschrieben. 5.3.2 Entwicklungstest Vor und nach der Intervention wurde mit allen Kindern ein standardisierter Entwicklungstest durchgeführt. Dazu wurden Teile des IDS-1 Intelligence and Development Scales (Grob et al. 2009) ausgewählt, die sowohl den sozio-emotionalen Bereich als auch den sprachlichen Ent- wicklungsstand abdeckten. Es wurde der IDS-1 gewählt, da dieser inhaltlich gut zum Projekt passte, das Alter der Zielstichprobe genau abdeckte, geringe Kosten verursachte und gut zu- gänglich war. Die folgenden sechs Untertests wurden durchgeführt: Emotionen erkennen, Emo- tionen regulieren, soziale Situationen verstehen, sozial kompetent handeln sowie rezeptive und expressive Sprache. Den Kindern wurden verschiedene Karten mit Emotionen und sozialen Situationen vorgelegt und sie mussten jeweils erzählen, wie sich die Kinder auf den Bildern fühlen oder wie sie sich in ähnlichen Situationen verhalten würden. Bei jeder Karte erhielten die Kinder 0-2 Punkte. Um die expressive Sprache zu erfassen, wurden den Kindern Kärtchen mit Gegenständen vorgelegt, zu welchen sie Sätze bilden mussten. Bei der rezeptiven Sprache wurde von den Testleiter:innen ein Satz vorgelesen, welchen die Kinder mit Holzfiguren nach- spielen sollten. Für die sprachlichen Aufgaben erhielten die Kinder jeweils 0-1 Punkte. Die geschulten Kodierer:innen vergaben die Punkte anhand einer Punktetabelle. In Zweifelsfällen wurden die Punkte im Konsensverfahren nach einer Diskussion im Team vergeben. Die Punkte wurden anschliessend mithilfe einer Normtabelle und dem Alter zu einem Entwicklungswert verrechnet. In Neuenschwander et al. (2022d) ist das Vorgehen und die Auswertung des Ent- wicklungstests ausführlich beschrieben. 28 Für die Durchführung des Entwicklungstests wurden für die Kohorten 1 und 2 wissenschaftli- che Hilfsassistent:innen rekrutiert, welche als Testleiter:innen fungierten. Um eine möglichst hohe Standardisierung der Durchführung zu gewährleisten und Fehlerquellen zu minimieren, mussten die Testleiter:innen ein paar Wochen vor der ersten Durchführung des Entwicklungs- tests eine Schulung absolvieren. Das benötigte Material für den Entwicklungstest (z.B. Proto- kollbogen, Excel-Tabelle) erhielten die Testleiter:innen im Vorfeld. Bei Fragen oder Unklar- heiten konnten sich die Testleiter:innen jederzeit bei einer Ansprechperson (Mitarbeiter:in des Projekts) melden. Die Durchführung des Entwicklungstests dauerte pro Kind etwa 30 Minuten und fand in einem ruhigen Raum des Kindergartens/der Schule im Einzelsetting mit der Test- leiter:in statt. Während des Entwicklungstests füllten die Testleiter:innen einen Protokollbogen aus. 5.3.3 Elternfragebogen Der standardisierte Elternfragebogen bestand aus einem familiären und einem kindbezogenen Teil. Im ersten Abschnitt füllten die Eltern soziodemographische Angaben, Angaben zu sich selbst, zu einer weiteren Bezugsperson und dem Kind aus. Beispielsweise waren das Fragen zur beruflichen Tätigkeit, zu den Sprachkenntnissen, zur Haushaltsgrösse und zur Betreuungs- situation. Weiter folgte ein Block zum Erziehungsstil und dem Familienklima, in welchem die Atmosphäre in der Familie, die Belastung in der Familie und durch das Kind, das Erziehungs- verhalten sowie die Lerneinstellung erfragt wurden. Im kindbezogenen Teil folgten Fragen zu den Dimensionen des sozial-emotionalen Lernens und zum Verhalten des Kindes. Die Kon- zepte stammten aus überprüften und validierten Fragebogen wie beispielsweise der Lehrerein- schätzliste für Sozial- und Lernverhalten (LSL, Petermann & Petermann, 2013), dem Strenghts and Difficulties Questionnaire (SDQ, Lohbeck et al., 2005) sowie weiteren Instrumenten. In einem Schlussteil wurden Fragen zur Zusammenarbeit mit der Lehrperson gestellt, welche sich auf die Qualität der Zusammenarbeit, das gegenseitige Unterstützungsangebot, den Informati- onsaustausch und die Einstellung zur Institution Schule bezogen. In der Interventionsgruppe wurden zusätzlich Erwartungen zum Familienprogramm zum ersten Messzeitpunkt (t1) sowie Evaluationsfragen nach der Durchführung zum zweiten Messzeitpunkt (t2) gestellt. Eine aus- führliche Beschreibung und Dokumentation des Fragebogens sind in Neuenschwander et al. (2022b) zu finden. Aufgrund der Covid-19 Pandemie wurden in beiden Kohorten zusätzlich eigene Items zur Si- tuation während des Fernunterrichts und zur Situation zu Hause aufgrund der Pandemie entwi- ckelt. Somit konnte überprüft werden, ob dieses unerwartete Ereignis die Ergebnisse und Ent- wicklung der Kinder beeinflusste. Der Elternfragebogen wurde auf Papier gedruckt und den zuständigen Lehrpersonen ver- schickt. Die Lehrpersonen erhielten den Auftrag, diesen den Eltern mit der Bitte zu übergeben, ihn innerhalb von zwei Wochen wieder an sie zu retournieren. Die Lehrpersonen sammelten anschliessend alle Fragebogen ihrer Klasse ein und sendeten sie an das Projektteam zurück. Wenn eine Familie eine Übersetzungshilfe angefordert hat, wurde der Fragebogen direkt an die Übersetzungshilfe geschickt und von dieser auch wieder retourniert. Die Rücklaufquote der Elternfragebogen im Posttest gemessen an der Zahl der teilnehmenden Kinder ist in beiden Kohorten sehr hoch ausgefallen. Während sie in der Kohorte 1 bei 94 % lag, konnte sie in der Kohorte 2 auf 100 % erhöht werden, d.h. in der Kohorte 2 sendeten die Eltern von allen ausgewählten Kindern den ausgefüllten Fragebogen zurück. 5.3.4 Lehrpersonenfragebogen Der Lehrpersonenfragebogen bestand aus einem schulischen Teil und einem kindbezogenen Teil. Neben soziodemografischen Variablen beinhaltete der Lehrpersonenfragebogen Fragen zur Klassenzusammensetzung wie beispielsweise die Anzahl Schüler:innen mit 29 Doppelbürgerschaft und die Anzahl weiblicher Schüler:innen. Weiter beantworteten die Lehr- personen Fragen zur Klassenführung und zum Schulklima, welche z.B. das Klassenklima, die Regeln in der Klasse, Unterrichtsprozeduren und weiteres beinhalteten. Im kindbezogenen Teil folgten Fragen zur Einstellung und zum Verhalten gegenüber dem Kind. Zudem gab es analog zum Elternfragebogen Fragen zur zum sozial-emotionalen Lernen und zum Verhalten des Kin- des. Im Schlussteil wurden Fragen zur Zusammenarbeit mit den Eltern gestellt. In der Inter- ventionsgruppe gab es einen zusätzlichen Block mit Fragen zu den Erwartungen an die Wei- terbildung zum ersten Messzeitpunkt (t1) und Fragen zur Umsetzung der Weiterbildungsinhal- ten bzw. Coaching sowie Bewertung der Weiterbildung nach der Durchführung zum zweiten Messzeitpunkt (t2). Ebenfalls wurden einige Fragen zur Corona-Pandemie gestellt. Eine aus- führliche Beschreibung und Dokumentation des Fragebogens sind in Neuenschwander et al. (2022c) zu finden. Die Lehrpersonenfragebogen wurden als Online-Umfrage mittels Questback erstellt. Das Pro- jektteam hat allen teilnehmenden Lehrpersonen ein Mail mit dem Link sowie dem individuel- len Passwort zu den Fragebogen zukommen lassen. Falls die Fragebogen nach einigen Wochen nicht ausgefüllt waren, wurden die Lehrpersonen per E-Mail nochmals daran erinnert. Die Rücklaufquote der Lehrpersonenfragebogen im Posttest gemessen an der Zahl der teilneh- menden Kinder ist in beiden Kohorten hoch ausgefallen. Während sie in der Kohorte 1 bei 80 % lag, konnte sie in der Kohorte 2 auf 84 % erhöht werden. 5.4 Covid-19 Pandemie Die Covid-19 Pandemie beeinflusste verschiedene Projektarbeiten. Die Rekrutierung der Per- sonen in Kohorte 2 war erschwert, weil zwischen März 2020 und Mai 2020 in den Kindergärten und Primarstufen in der Schweiz Fernunterricht stattfand. Aufgrund des hohen Arbeitsaufkom- mens konnten die Lehrpersonen weniger gut erreicht werden. Als der Präsenzunterricht wieder aufgenommen wurde, wurde die Anfrage der Lehrpersonen bzw. Eltern fortgesetzt. Während dieser Zeit konnten keine Entwicklungstests durchgeführt werden, da die Kinder zu Hause wa- ren. Gleichwohl konnten bis im August 2020 bei allen Kindern die geplanten Entwicklungs- tests durchgeführt werden. Weiter ist unklar, ob der Fernunterricht die Wahrnehmung von El- tern und Lehrpersonen bezüglich der Kinder beeinflusste, weil die Lehrpersonen die Kinder während mehreren Wochen nicht persönlich trafen und die Kinder in der Familie möglicher- weise andere Verhaltensgewohnheiten entwickelten. Allfällige Effekte des Fernunterrichts auf das Ausfüllen des Posttestfragebogens würden sich sowohl in der Interventionsgruppe als auch in der Kontrollgruppe zeigen, so dass durch einen Gruppenvergleich allfällige Störungen kon- trolliert werden können. Zudem wurden im Posttestfragebogen einzelne zusätzliche Fragen aufgenommen, die mögliche Wirkungen des Fernunterrichts auf das Verhalten der Kinder auf- zeigen könnten. Analysen zeigten allerdings keine systematischen Einflüsse der Pandemie auf die Wahrnehmung der Lehrpersonen und Eltern bei den untersuchten Items in dieser Stich- probe. 30 6 Ergebnisse 6.1 Deskriptive Ergebnisse Die Zusammenhänge zwischen den Variablen des Arbeitsmodells wurden mittels Pearson- Korrelationen untersucht. Im nachfolgenden Abschnitt werden für die zwei Perspektiven (Lehrpersonen und Eltern) einige Zusammenhangsmuster berichtet. Um die Bedeutsamkeit der Ergebnisse bzw. die Stärke des Zusammenhangs zu beurteilen, dient die Einteilung nach Cohen (1992) als Orientierung für die Interpretation. Ein Korrelationskoeffizient von r = .10 entspricht einem schwachen, r = .30 einem mittleren und r = .50 einem starken Effekt. Die Daten beziehen sich auf Kinder mit Verhaltensauffälligkeiten (Interventions- und Kontrollgruppe 1) der Ko- horte 1 und 2 aus dem Kindergarten und der Primarstufe zum ersten Messzeitpunkt (t1). Tabelle 3 zeigt die Interkorrelationen der Variablen aus Eltern-Perspektive. Die Tabelle ist in drei Blöcke aufgeteilt. In einem ersten Block befinden sich familiäre Variablen wie der wahr- genommene Stress, der sozioökonomische Status ISEI und das Erziehungsverhalten. Im zwei- ten Block sind die Variablen der Dimensionen des sozial-emotionalen Lernens aufgeführt. Im dritten Block werden die Aggressionseinschätzungen durch die Eltern ergänzt. Es wird ersichtlich, dass die Mehrheit der analysierten Variablen signifikant miteinander kor- relieren. Bei den familiären Variablen weisen vor allem der wahrgenommene Stress, die wert- schätzende Erziehungsverhalten, das inkonsistente Erziehungsverhalten und die sensitive Responsivität (Empathie) viele signifikante Zusammenhänge mit den Dimensionen des sozial- emotionalen Lernens auf. Das wertschätzende Erziehungsverhalten der Eltern korreliert positiv mit der sensitiven Responsivität (Empathie) der Eltern. Dieser Zusammenhang entspricht ei- nem starken Effekt von r = .53. Keine signifikanten Korrelationen finden sich zwischen dem ISEI der Bezugsperson und den Dimensionen des sozial-emotionalen Lernens des Kindes aus der Eltern-Perspektive. Im zweiten Block wird ersichtlich, dass fast alle Variablen der Dimen- sionen des sozial-emotionalen Lernens signifikante Zusammenhänge mit den Aspekten der Aggression aufweisen. Hervorzuheben sind die Zusammenhänge der geringen Anpassungsfä- higkeit, der allgemeinen (r = .71) sowie der reaktiven (r = .59) Aggression und der Konzentra- tion und der Aufgabenorientierung (r = .65), die positiv zusammenhängen und bei allen einen starken Effekt nachweisbar ist. Im letzten Block kommen die Aggressionseinschätzungen dazu. Die allgemeine Aggression hängt sowohl mit der reaktiven Aggression (r = .78) als auch der proaktiven Aggression (r = .61) signifikant positiv zusammen. Die reaktive und proaktive Ag- gression korrelieren ebenfalls signifikant (r = .52). Alle drei Zusammenhänge weisen einen starken Effekt auf. 31 Tabelle 3 Interkorrelationen (Pearson): Wahrgenommener Stress, ISEI, Erziehungsverhalten, Dimensionen des sozial- emotionalen Lernens und aggressive Verhaltensweisen der Kinder aus Eltern-Perspektive Anmerkung. N: Anzahl Kinder mit Elternantworten, M: Mittelwert, SD: Standardabweichung, Signifikanzniveau: *: p ≤. 05, **: p ≤. 01, ***: p ≤. 001, zweiseitige Signifikanzprüfung. 32 In der Tabelle 4 sind die Interkorrelationen aus Lehrpersonen-Perspektive aufgeführt. Es gibt drei Blöcke. Der erste Block beinhaltet Variablen zur Klassenzusammensetzung und zum Klas- senklima sowie zum sozioökonomischen Status der Bezugsperson des Kindes. Im zweiten Block sind analog zur Elterntabelle (Tabelle 3) die Variablen der Dimensionen zum sozial- emotionalen Lernen, im dritten Block die Aggressionseinschätzungen der Kinder aus der Lehr- personen-Perspektive aufgeführt. Im ersten Block gibt es nur wenige signifikante Zusammen- hänge. Die Klassen- und Klassenführungsvariablen korrelieren nicht bzw. teilweise nur schwach mit den Variablen des sozial-emotionalen Lernens und den Aggressionseinschätzun- gen der Lehrpersonen. Im zweiten Block gibt es hingegen viele signifikante positive Korrela- tionen. Starke Effekte weisen die Korrelationen der Selbstwahrnehmung mit dem Einfühlungs- vermögen und Hilfsbereitschaft (r = .63) sowie der Kooperation (r = .57) der Kinder auf. Eben- falls starke Zusammenhänge finden sich bei der Geringen Anpassungsfähigkeit und Aggres- sion (r = .75) und reaktive Aggression (r = .57), Konzentration und Aufgabenorientierung (r =.80) sowie Kooperation und Aufgabenorientierung (r = .55). Im dritten Block sind die Er- gebnisse ähnlich wie aus der Eltern-Perspektive. Die allgemeine Aggression hängt sowohl sig- nifikant mit der reaktiven (r = .70) als auch mit der proaktiven Aggression (r = .62) zusammen. Die reaktive und proaktive Aggression korrelieren ebenfalls signifikant (r = .56). Alle drei Zusammenhänge lassen sich als starke Effekte interpretieren. 33 Tabelle 4 Interkorrelationen (Pearson): Klassenzusammensetzung, ISEI, Klassenklima und Dimensionen des sozial-emoti- onalen Lernens und aggressive Verhaltensweisen der Kinder aus Lehrpersonen-Perspektive Anmerkung. N: Anzahl Kinder mit Lehrpersonenantworten, M: Mittelwert, SD: Standardabweichung, Signifi- kanzniveau: *: p ≤. 05, **: p ≤. 01, ***: p ≤. 001, zweiseitige Signifikanzprüfung. 34 Tabelle 5 enthält in einem ersten Block die Einschätzungen der Dimensionen des sozial-emo- tionalen Lernens und der Aggression der Kinder aus Eltern- und Lehrpersonen-Perspektive. Im zweiten Block wurden die Ergebnisse des Entwicklungstests aufgeführt. Es ist ersichtlich, dass Eltern- und Lehrpersoneneinschätzungen teilweise korrelieren. Insbesondere bei den Aggres- sionseinschätzungen sind alle Zusammenhänge signifikant. Die Entwicklungstests weisen so- wohl mit den Elterneinschätzungen als auch den Lehrpersoneneinschätzungen nur wenige Zu- sammenhänge auf. Am meisten signifikante Korrelationen gibt es bei den Subtests sozial kom- petent handeln sowie Sprache rezeptiv und den Lehrpersoneneinschätzungen der Dimensionen zum sozial-emotionalen Lernen und zur Aggression. Bei den Elterneinschätzungen findet sich das gleiche Phänomen, wobei weniger Zusammenhänge signifikant sind. Die Subtests unterei- nander korrelieren bis auf zwei Ausnahmen alle signifikant und positiv miteinander. Keine Zusammenhänge wurden bei Emotionen erkennen und Emotionsregulation sowie bei Emoti- onsregulation und Sprache expressiv gefunden. 35 Tabelle 5 Korrelationen (Pearson), Dimensionen des sozial-emotionalen Lernens und aggressive Verhaltensweisen der Kinder aus Eltern und Lehrpersonenperspektive sowie Entwicklungstest Anmerkung. Signifikanzniveau: *: p ≤. 05, **: p ≤. 01, ***: p ≤. 001, zweiseitige Signifikanzprüfung, N = 158; Emotionen erkennen (M = 8.23, SD = 3.45), Emotionsregulation (M = 9.57, SD = 3.05), Soziale Situationen ver- stehen (M = 7.36, SD = 2.52), Sozial kompetent handeln (M = 8.18, SD = 3.90), Sprache rezeptiv (M = 7.81, SD = 3.37), Sprache expressiv (M = 7.46, SD = 2.93). 36 6.2 Überprüfung des Arbeitsmodells Frühere Forschung fand immer wieder Zusammenhänge zwischen sozial-emotionalem Lernen (wie beispielsweise kooperativem Verhalten, Emotionsregulation) und proaktiver bzw. reakti- ver Aggression (Lohbeck et al., 2014). Während viele Studien aggressives Verhalten von Ju- gendlichen untersuchten, wurde dieses in der Kindheit seltener untersucht (Olson et al., 2011). Zudem wurde aggressives Verhalten oft in der Selbstwahrnehmung erfasst und seltener aus verschiedenen Perspektiven (z.B. Eltern und Lehrpersonen) und in verschiedenen Kontexten vergleichend untersucht (Gratz & Roemer, 2004). Eine kontextvergleichende Sicht liefert Hin- weise, wie spezifische Kontextmerkmale, beispielsweise Belastung von Eltern bzw. Lehrper- sonen und kooperatives Verhalten bzw. die Emotionsregulation mit proaktiver und reaktiver Aggression zusammenhängen. Im folgenden Abschnitt werden daher Aspekte des Arbeitsmo- dells überprüft und die Frage bearbeitet, wie Belastung von erwachsenen Bezugspersonen mit Kooperation bzw. Emotionsregulation und reaktiver sowie proaktiver Aggression von Kindern im Kindergarten bzw. in der Primarstufe zusammenhängen und wie übereinstimmend Eltern- und Lehrpersonenurteile darüber ausfallen (Neuenschwander et al., 2022). Zuerst werden die verwendeten Konzepte vorgestellt. 6.2.1 Methode Die reaktive und proaktive Aggression wurde mit Items von Dodge und Coie (1987) operatio- nalisiert, die aus dem Englischen ins Deutsche übersetzt und angepasst worden waren. Beide Konzepte umfassen je drei Items und wurden auf einer Skala von 1 ‘trifft überhaupt nicht zu’ bis 6 ‘trifft voll und ganz zu’ eingeschätzt (Beispielitem reaktive Aggression: "Wenn das Kind geärgert oder bedroht wird, wird es schnell wütend und schlägt zu". Lehrpersonen: α = .78, M = 4.3, SD = 1.0, N = 152; Eltern: α = .78, M = 3.2, SD = 1.2, N = 146 / Beispielitem proaktive Aggression: "Das Kind bringt andere Kinder dazu, sich gegen ein Kind zu verbünden, das es nicht mag". Lehrpersonen: α = .82, M = 3.0, SD = 1.1, N = 152; Eltern: α = .81, M = 1.9, SD = 0.9, N = 144). Die Emotionsregulation umfasst vier Items aus dem Eltern-Belastungs-Inventar (EBI, Tröster, 2010). Ein Beispielitem ist: Das Kind reagiert oft sehr heftig, wenn etwas passiert, das es nicht mag (Lehrpersonen: α = .84, M = 3.6, SD = 1.1, N = 153; Eltern: α = .82, M = 3.3, SD = 1.1, N = 146). Die Items wurden auf einer Skala von 1 ‘trifft überhaupt nicht zu’ bis 6 ‘trifft voll und ganz zu’ bewertet, wobei ein hoher Wert eine geringe Emotionsregulation bedeutete. Für das kooperative Verhalten wurden vier Items eingeschätzt, welche aus der Lehrereinschätzliste für Sozial- und Lernverhalten von Petermann und Petermann (2013) entnommen wurden (Bei- spielitem: Das Kind arbeitet mit anderen in einer Gruppe zusammen. Lehrpersonen: α = .84, M = 2.9, SD = 0.5, N = 151; Eltern: α = .65, M = 3.3, SD = 0.4, N = 136). Für das kooperative Verhalten wurde eine Skala von 1 ‘Verhalten tritt nie auf’ bis 4 ‘Verhalten tritt häufig auf’ verwendet. Da sich der Kontext zwischen der Eltern- und Lehrpersonenbefragung unterscheidet, wurde das Konzept der Belastung durch Verhaltensauffälligkeiten des Kindes in Familie und Schule unterschiedlich operationalisiert. Die Items haben vergleichbare Inhalte, beziehen sich aber auf die unterschiedlichen Kontexte (Schule, Familie). Bei den Lehrpersonen enthält das Konzept vier Items, welche von Benini et al. (2017) erprobt wurden (Beispielitem: Das wütende, auf- brausende oder schädigende Verhalten des Kindes im Unterricht macht mir schwer zu schaffen. α = .93, M = 3.1, SD = 1.3, N = 152). Bei den Eltern wurde das Konzept ebenfalls mit vier Items operationalisiert (Tröster, 2010, Beispielitem: Ich habe bisweilen das Gefühl, dass mich mein Kind pausenlos in Anspruch nimmt, α = .81, M = 3.5, SD = 1.1, N = 142). Beide Belas- tungskonzepte wurden auf einer Skala von 1 ‘trifft überhaupt nicht zu’ bis 6 ‘trifft voll und ganz zu’ eingeschätzt. 37 6.2.2 Ergebnisse Im ersten Schritt wurde anhand von Medianvergleichen und Wilcoxon-Tests überprüft, ob sich die Einschätzungen von Lehrpersonen und Eltern signifikant unterscheiden. Es zeigt sich, dass die reaktive und proaktive Aggression von Lehrpersonen signifikant höher eingeschätzt werden als von Eltern (reaktive Aggression: z = 7.5, p < .001, N = 144, r = .62; proaktive Aggression: z = 8.1, p < .001, N = 143, r = .67). Im Gegenzug wird von den Eltern die geringe Emotionsre- gulation tiefer und das kooperative Verhalten höher eingeschätzt als von den Lehrpersonen (geringe Emotionsregulation: z = 3.5, p < .001, N = 146, r = .29; kooperatives Verhalten: z = - 6.2, p < .001, N = 145, r = .51). Tabelle 6 gibt einen Überblick über die Einschätzungen der Eltern und Lehrpersonen. Tabelle 6 Median aus den Perspektiven Lehrperson und Eltern Lehrpersonen Eltern N Mdn N Mdn Sig. Reaktive Aggression 152 4.33 146 3.00 *** Proaktive Aggression 152 2.86 145 1.67 *** Geringe Emotionsregulation 153 3.50 147 3.25 *** Kooperatives Verhalten 152 3.00 147 3.40 *** Im nächsten Schritt wurde überprüft, ob die Einschätzungen der reaktiven und proaktiven Ag- gression von Eltern und Lehrpersonen miteinander korrelieren. Dazu wurde ein Strukturglei- chungsmodell (SEM) berechnet (χ2 = 76.2, df = 46, p < 0.05, χ2/df = 1.7, CFI = 0.95, RMSEA = 0.07, SRMR = 0.05, N = 154, Abbildung 5, Darstellung ohne Messmodelle). Es zeigt, dass die Einschätzungen der reaktiven und proaktiven Aggression aus Eltern- und Lehrpersonen- sicht korrelieren, wenn auch auf unterschiedlichen Niveaus. Wenn die Lehrpersonen die Ver- haltensauffälligkeiten eines Kindes hoch einschätzen, schätzen die Eltern sie auch hoch ein, wobei die Lehrpersonen durchschnittlich die Verhaltensauffälligkeiten als ausgeprägter beur- teilen als die Eltern. Sowohl aus Lehrpersonen- als auch aus Elternsicht zeigt sich, dass eine Person, welche die reaktive Aggression hoch einschätzt, auch die proaktive Aggression hoch einschätzt. Reaktive und proaktive Aggression messen zwei Facetten von Aggression. 38 Abbildung 5 Strukturgleichungsmodell zur reaktiven und proaktiven Aggression aus der Perspektive von Lehrpersonen und Eltern Reaktive Reaktive Aggression .34** Aggression Lehrpersonen Eltern .27* .73*** .63*** .42*** Proaktive Proaktive Aggression .38*** Aggression Lehrpersonen Eltern Anmerkung. Darstellung ohne Messmodelle, Signifikanzniveau: ***: p <. 001, **: p <. 01, *: p <. 05, einseitige Signifikanzprüfung. Anschliessend wurden die Zusammenhänge zwischen der Belastung der Eltern durch das Kind sowie geringer Emotionsregulation/Kooperation und Aggression untersucht. In Abbildung 6 ist ein weiteres Strukturgleichungsmodell (χ2 = 184.6, df = 142, p < 0.01, χ2/df = 1.3, CFI = 0.95, RMSEA = 0.05, SRMR = 0.06, N = 147) mit Elterndaten dargestellt. Je stärker die Eltern belastet sind, desto tiefer bewerten sie die Kooperationsfähigkeit ihres Kindes bzw. desto ge- ringer beurteilen sie die Fähigkeit des Kindes zur Emotionsregulation. Dies hängt mit ausge- prägter reaktiver und proaktiver Aggression zusammen. Kooperation korreliert mit reaktiver Aggression, aber nicht mit der proaktiven Aggression. Elternbelastung hat einen signifikanten indirekten Effekt auf die reaktive und proaktive Aggression. Die Belastung hängt somit indi- rekt über die Kooperation und die geringe Emotionsregulation mit der reaktiven sowie proak- tiven Aggression zusammen. Zur Prüfung der Robustheit wurde das Modell unter der Annahme neu gerechnet, dass das Geschlecht einen direkten Effekt auf alle latenten Variablen aufweist. Der Effekt des Ge- schlechts auf die proaktive Aggression war signifikant (p < .05), auf alle anderen latenten Va- riablen war er jedoch nicht signifikant. Die Signifikanz der Pfade zwischen den latenten Vari- ablen blieb nach Einbezug der Kontrollvariable Geschlecht gleich. Das Geschlecht beeinflusst offenbar die berichteten Effekte nicht. 39 Abbildung 6 Strukturgleichungsmodell zur Erklärung von reaktiver und proaktiver Aggression aus Elternperspektive Kooperation Reaktive (14%) -.26* Aggression(61%) -.37** Belastung durch -.14 ns Verhaltensauffälligkeit -.29* .49*** Kind .63*** .66*** Geringe Proaktive Emotionsregulation .42*** Aggression (44%) (25%) Anmerkung. Darstellung ohne Messmodelle, Signifikanzniveau: ***: p <. 001, **: p <. 01, *: p <. 05, einseitige Signifikanzprüfung. Das Modell aus der Lehrpersonenperspektive zeigt ähnliche Ergebnisse (Abbildung 7). Die Belastung durch die Verhaltensauffälligkeiten des Kindes hängt wie bei den Eltern sowohl mit der Kooperation als auch der geringen Emotionsregulation zusammen. Emotionsregulation korreliert mit reaktiver und proaktiver Aggression. Kooperation korreliert mit proaktiver Ag- gression, aber nicht mit der reaktiven Aggression. Die Belastung hat einen signifikanten indi- rekten Effekt auf die reaktive und proaktive Aggression. Ein Robustheitscheck mit dem Geschlecht wurde auch für das Modell aus Lehrpersonenper- spektive durchgeführt. Die Ergebnisse waren gleich, d.h. das Geschlecht hatte einen signifi- kanten Effekt auf die proaktive Aggression (p < .05), nicht aber auf die anderen latenten Vari- ablen. Nach Einbezug des Geschlechts waren die Effekte zwischen den latenten Variablen nicht wesentlich anders als in Abbildung 6 dargestellt. 40 Abbildung 7 Strukturgleichungsmodell zur Erklärung von reaktiver und proaktiver Aggression aus Lehrpersonenperspektive Kooperation Reaktive (16%) -.15 ns Aggression (51%) -.40*** Belastung durch -.21* Verhaltensauffälligkeit -.37*** .58*** Kind .63*** .57*** Geringe Proaktive Emotionsregulation .40*** Aggression (32%) (29%) Anmerkung. Darstellung ohne Messmodelle, Signifikanzniveau: ***: p < .001, **: p <. 01, *: p <. 05, einseitige Signifikanzprüfung. Die Ergebnisse zeigen, dass Belastungen der Eltern bzw. Lehrpersonen aufgrund von Verhal- tensauffälligkeiten der Kinder ungünstig mit der Emotionsregulation und dem kooperativen Verhalten von Kindern im Kindergarten bzw. in der Primarstufe zusammenhängen. Sie haben einen indirekten Effekt auf die reaktive und proaktive Aggression. Damit können die Teile des Arbeitsmodells, die der FOSSA-Intervention zu Grunde gelegt wurden, bestätigt werden. Die Modelle zeigen die Wichtigkeit auf, die Spirale von der Belastung der Erwachsenen auf die Aggression der Kinder und zurück auf die Belastung der Erwachsenen zu durchbrechen. Es wird ersichtlich, dass sozial-emotionales Lernen für die Entwicklung aggressiver Verhaltens- weisen bereits im Kindergarten und in der Primarstufe relevant ist. Mit der Förderung der Emo- tionsregulation und des kooperativen Verhaltens können Kinder angemessen gefördert sowie die Erwachsenen entlastet werden. Deshalb sollten Interventionen für die Schule und die Fa- milie entwickelt werden, die das sozial-emotionale Lernen der betroffenen Kinder unterstützen. 6.3 Beurteilung der Dimensionen des sozial-emotionalen Lernens Seit der Einführung des Lehrplans 21 müssen Lehrpersonen auch überfachliche Kompetenzen der Schüler:innen beurteilen. Dazu gehören beispielsweise Aspekte des sozial-emotionalen Lernens wie die Selbstwahrnehmung, die Emotionsregulation, das Einfühlungsvermögen so- wie die Kooperation mit Mitschüler:innen (Deutschschweizer Erziehungsdirektoren-Konfe- renz [D-EDK], 2016b). Diese Fähigkeiten sind für die Steuerung des Lernens sowie des Sozi- alverhaltens relevant und spielen bei Kindern mit Verhaltensauffälligkeiten eine zentrale Rolle (Skripkauskaite et al., 2015). Neuenschwander et al. (2015) zeigen, dass die Beurteilung von überfachlichen Kompetenzen für Lehrpersonen eine Herausforderung darstellen kann. In früherer Forschung wurden immer wieder Unterschiede in den Urteilen von Eltern und Lehr- personen gefunden (Dinnebeil et al. 2013; Kuschel et al. 2007). Eltern beurteilen die überfach- lichen Kompetenzen ihrer Kinder im Durchschnitt positiver als Lehrpersonen (Korsch & Pe- termann, 2014; Schönmoser et al., 2018). Den Gründen für diese Unterschiede wurde jedoch bisher wenig Beachtung geschenkt. Einerseits könnte die Kontextabhängigkeit des sozial-emo- tionalen Lernens eine Rolle spielen, da in verschiedenen Lebensbereichen (Familie und Schule) unterschiedliche Kompetenzen von Kindern gefordert werden. Die Kinder zeigen in Schule 41 und Familie unterschiedliches Verhalten (Rademacher et al., 2016). Andererseits haben die Lehrpersonen eine professionelle Distanz zu den Schüler:innen und pflegen unterschiedlich nahe Beziehungen zu den einzelnen Schüler:innen (Schönmoser et al., 2018). Eltern im Ge- genzug haben eine intensivere und innigere Beziehung zum Kind und vertreten dessen Interes- sen (Koch et al., 2011). Unterschiedliche Beziehungen in Schule und Familie könnten bei der Beurteilung eine Rolle spielen. Das Verhalten der Kinder wird daher von Eltern und Lehrper- sonen unterschiedlich wahrgenommen. Deshalb wird nachfolgend erstmals der Frage nachgegangen, wie übereinstimmend die Beur- teilung von Lehrpersonen sowie Eltern verschiedener Dimensionen des sozial-emotionalen Lernens der Kinder mit Verhaltensauffälligkeiten ausfällt und wie diese Unterschiede erklärt werden können. Dazu wurden Regressionsanalysen berechnet. Zuerst werden die verwendeten Konzepte vorgestellt, anschliessend die Ergebnisse beschrieben. 6.3.1 Methode Für die vorliegende Analysen wurden vier Dimensionen ausgewählt: die Selbstwahrnehmung, die Emotionsregulation, das Einfühlungsvermögen sowie das kooperative Verhalten. Alle Konzepte beinhalteten je vier Items. Die Selbstwahrnehmung, das Einfühlungsvermögen und die Kooperation wurden auf einer Skala von 1 ‘Verhalten tritt nie auf’ bis 4 ‘Verhalten tritt häufig auf’ bewertet, die Emotionsregulation auf einer Skala von 1 ‘trifft überhaupt nicht zu’ bis 6 ‘trifft voll und ganz zu’. Ein Beispielitem für die Selbstwahrnehmung ist ‘Das Kind sieht bei Konflikten mit anderen eigene Fehler’ (Lehrpersonen: α = .83, N = 153, 5 missing, Eltern: α = .76, N = 147, 11 missing, Petermann und Petermann, 2013). Die Emotionsregulation bein- haltet beispielsweise folgendes Item: ‘Das Kind reagiert oft sehr heftig, wenn etwas passiert, das es nicht mag’ (Lehrpersonen: α = .88, N = 153, 5 missing, Eltern: α = .82, N = 147, 11 missing, Tröster, 2010). Beim Einfühlungsvermögen wurde beispielsweise folgendes Item be- wertet: ‘Das Kind erkennt, wenn andere Hilfe brauchen’ (Lehrpersonen: α = .91, N = 153, 5 missing, Eltern: α = .82, N = 147, 11 missing, Petermann und Petermann, 2013). Ein Beispieli- tem für das kooperative Verhalten ist: ‘Das Kind arbeitet mit anderen in einer Gruppe zusam- men’ (Lehrpersonen: α = .82, N = 152, 6 missing, Eltern: α = .71, N = 147, 11 missing; Peter- mann und Petermann, 2013). Als Kontrollvariablen wurden das Alter, das Geschlecht, der sozioökonomische Status sowie der Subtest ‘sozial kompetent handeln‘ aus einem standardisierten Entwicklungstest einbezo- gen. Das Alter wurde anhand des Geburtsdatums des Kindes und des Stichtags der Durchführung des Entwicklungstests berechnet. Das Geschlecht beinhaltete die zwei Kategorien ‘weiblich’ und ‘männlich’. Der sozioökonomische Status der Familie des Kindes wurde im Fragebogen erhoben. Jedem Beruf wurde der Wert des International Socio-Economic Index of Occupation Status (ISEI, Ganzeboom & Treiman, 2010) zugeordnet. Anschliessend wurde der höchste ISEI der beiden Bezugspersonen verwendet. Weiter wurde der Subtest ‘sozial kompetent Han- deln’ der Intelligence and Development Scales (IDS-1; Grob et al. 2009) einbezogen, um zu prüfen, wie sehr die Urteile mit den Ergebnissen des Subtests ‘sozial kompetent handeln‘ über- einstimmen (siehe Kapitel 5.3.2). Die unabhängige Variable war die Beziehung zum Kind aus Lehrpersonensicht. Das Konzept umfasst sieben Items (Neuenschwander & Benini, 2016). Die Items wurden von Gruppensitu- ationen zu Einzelsituationen umformuliert. Ein Beispielitem ist: ‘Ich habe während des Unter- richts genügend Zeit, um mit dem Kind arbeiten zu können oder Einzelgespräche zu führen’ (α = .80, N = 153 Kinder, 5 missing). Die Einschätzungen wurden auf einer Skala von 1 = ‘trifft überhaupt nicht zu’ bis 6 = ‘trifft voll und ganz zu’ vorgenommen. 42 6.3.2 Ergebnisse Im ersten Schritt wurden Pearson-Korrelationen zwischen allen verwendeten Konzepten der abhängigen Variablen berechnet. Es zeigt sich, dass die Einschätzungen der Selbstwahrneh- mung, der Emotionsregulation, des Einfühlungsvermögens sowie der Kooperation innerhalb einer Akteur:innengruppe als auch zwischen Eltern und Lehrpersonen signifikant zusammen- hängen. Die Korrelationen innerhalb der Lehrpersoneneinschätzungen und innerhalb der Elter- neinschätzungen sind stärker ausgeprägt als die Korrelationen zwischen Eltern und Lehrperso- nen. Die Ergebnisse der Regressionsmodelle zeigen, dass die Eltern bei allen vier Konzepten eine signifikant positivere Beurteilung abgaben als die Lehrpersonen. D.h. die Selbstwahrnehmung, die Emotionsregulation, das Einfühlungsvermögen sowie die Kooperation der Kinder werden von Eltern signifikant höher eingeschätzt als von Lehrpersonen. Bei der Selbstwahrnehmung und beim Einfühlungsvermögen sind zusätzlich signifikante Alterseffekte ersichtlich. Die Ein- schätzungen des sozial-emotionalen Lernens fallen umso höher aus, je älter ein Kind ist. Beim Geschlecht gibt es keine signifikanten Zusammenhänge mit den Dimensionen des sozial-emo- tionalen Lernens. Der sozioökomischen Status hängt signifikant negativ mit der Selbstwahr- nehmung und der Emotionsregulation zusammen. Je höher der sozioökonomische Status ist, desto tiefer fallen die Urteile bezüglich der genannten Dimensionen aus. Das Testergebnis des Entwicklungssubtests ‘sozial kompetent handeln’ hängt mit allen vier abhängigen Variablen signifikant zusammen. Je besser ein Kind im Entwicklungstest abschnei- det, desto höher wird es in der Selbstwahrnehmung, der Emotionsregulation, dem Einfühlungs- vermögen sowie der Kooperation eingeschätzt. Unter Kontrolle der oben genannten Variablen (beurteilende Person, Alter, Geschlecht, sozio- ökonomischer Status, sozial kompetent handeln) hängt die Beziehung zum Kind aus Lehrper- sonensicht signifikant mit der Selbstwahrnehmung, dem Einfühlungsvermögen und der Ko- operation zusammen, nicht aber mit der Emotionsregulation. Je besser die Beziehung zum Kind aus Lehrpersonensicht ist, desto höher werden die drei Dimensionen des sozial-emotionalen Lernens eingeschätzt. Die Moderation beurteilende Person (Eltern vs. Lehrpersonen)*Beziehung zum Kind aus Lehr- personensicht fällt bei der Selbstwahrnehmung und der Kooperation signifikant aus. Bei tiefen Werten der Beziehung zum Kind aus Lehrpersonensicht sind die Urteilsunterschiede von El- tern und Lehrpersonen grösser. Wenn die Beziehung besser wird, nähern sich die Urteile der beiden Akteur:innen an. Dasselbe gilt sowohl für die Selbstwahrnehmung als auch für die Ko- operation. Die Ergebnisse zeigen, dass die Beziehung zwischen Lehrpersonen und Kinder die Beurteilung der ausgewählten Aspekte des sozial-emotionalen Lernens beeinflussen kann. Die Urteilsun- terschiede von Eltern und Lehrpersonen können folglich teilweise auf Wahrnehmungseffekte zurückgeführt werden. Da die Urteilsunterschiede jedoch nicht vollständig erklärt werden konnten, könnten Verhaltensunterschiede von Kindern in Schule und Familie auch eine Rolle spielen. In der Aus- und Weiterbildung von Lehrpersonen ist es wichtig, die Beurteilung des sozial-emotionalen Lernens zu thematisieren, um Lehrpersonen für diese Beurteilungstenden- zen zu sensibilisieren und um die Urteilsabhängigkeit von der Lehrperson-Kind-Beziehung zu reduzieren. 43 6.4 Ausgewählte Evaluationsergebnisse zur Familienintervention2 Die Eltern und die Lehrpersonen wurden gebeten, das Emotionswissen und die Emotionswahr- nehmung, die Strategien zur Emotionsregulationen sowie Strategien für soziale Beziehungen auf einer fünfstufigen Likert-Skala einzuschätzen. Die Daten für diese Analysen wurden von den Familiencoaches in der Interventionsgruppe gesammelt. 6.4.1 Einschätzungen durch die Eltern Es liegen aus 49 Familien Daten zu drei Messpunkten vor: Beginn, Abschluss (PB) und Follow- up (FU), drei Monate nach Abschluss. In der Kohorte 1 wurde die Einschätzungen vor der Intervention nicht erfasst, weshalb hier nur die Daten aus der Kohorte 2 präsentiert werden (Studiendesign und weitere Ergebnisse finden sich unter www.kompetenzhoch3.ch/berichte). Abbildung 8 Elterneinschätzungen zu Fähigkeitsbereichen Kind Stimme nicht zu Stimme eher nicht zu Teilweise Stimme eher zu Stimme zu 0% 4% 4% 2% 3% 2% 2% 6% 10% 12% 6% 6% 2% 8% 10% 10% 12% 20% 33% 33% 20% 28% 25% 33% 29% 28% 30% 37% 40% 50% 22%33% 25% 60% 53% 41% 70% 65% 63% 65% 47% 80% 41% 33% 33% 90% 8% 18% 100% 2% Beginn PB FU Beginn PB FU Beginn PB FU Kind: Emotionswissen und Kind: Strategien zur Kind: Strategien für soziale Emotionswahrnehmung Emotionsregulation Beziehungen In den Einschätzungen der Eltern (Abbildung 8) zeigen sich Verbesserungen in allen drei Fä- higkeitsbereichen des Kindes (Emotionswissen und Emotionswahrnehmung, Strategien zur Emotionsregulation und Strategien für soziale Beziehungen) über die drei Messpunkte. Beim Emotionswissen und bei den Strategien für soziale Beziehungen starteten die Kinder bereits auf einem guten Kompetenzniveau, konnten ihre Fähigkeiten gemäss Einschätzung der Eltern im Verlaufe des Familienprogramms aber noch deutlich verbessern. Vor allem bei den Strate- gien zur Emotionsregulation ist der Kompetenzzuwachs sehr deutlich: zu Beginn stellten die Eltern hier deutliche Defizite fest, die sich jedoch beim Programmschluss und noch ausgepräg- ter im Follow-up nach drei Monaten erheblich reduzierten. 2 Das Kapitel 6.4, Ausgewählte Evaluationsergebnisse zur Familienintervention, wurde von Kitty Cassée verfasst. 44 6.4.2 Einschätzungen durch die Lehrpersonen Die Lehrpersonen beobachteten zwischen dem ersten Messpunkt zu Beginn des Familienpro- gramms und dem Follow-up (drei Monate nach Abschluss) Kompetenzverbesserungen in allen drei Verhaltensbereichen. Ausgeprägt ist der Kompetenzzuwachs beim Emotionswissen und bei der Emotionswahrnehmung. Deutlich, aber weniger ausgeprägt ist der Zuwachs bei den Strategien für soziale Beziehungen. Bezogen auf die Strategien zur Emotionsregulation starte- ten die Kinder auf einem tiefen Niveau (Abbildung 9). Die Verbesserung im Verlaufe des Fa- milienprogramms ist sehr deutlich, aber insgesamt sind in diesem Bereich sowie auch bei den Strategien für soziale Beziehungen weitere Anstrengungen zur Verbesserung der emotionalen Kompetenzen wichtig. Abbildung 9 Lehrpersoneneinschätzungen zu Fähigkeitsbereichen Kind Stimme nicht zu Stimme eher nicht zu Teilweise Stimme eher zu Stimme zu 0% 2% 3% 3% 4% 9% 10% 17% 6%21% 17% 17% 20% 30% 34% 26% 40% 28% 37% 40% 36% 50% 34% 60% 26% 34% 17% 70% 34% 80% 43% 90% 23% 23% 26% 31% 9% 100% Beginn FU Beginn FU Beginn FU Kind: Emotionswissen und Kind: Strategien zur Kind: Strategien für soziale ‐wahrnehmung Emotionsregulation Beziehungen 6.5 Wirkungen der Intervention bei den Lehrpersonen 6.5.1 Ausgewählte deskriptive Analysen zur Intervention in der Schule und die Akzep- tanz der Intervention in der Schule In der Weiterbildung lernten die Lehrpersonen verschiedene Massnahmen auf den Ebenen Kind, Klasse und Eltern und zu den zwei Dimensionen Verhalten/Handlung der Lehrperson sowie Haltung/Einstellung der Lehrperson kennen (siehe Kapitel 3). Die Weiterbildungsinhalte sind bei Kohorte 1 und 2 weitgehend gleich. Änderungen der Intervention in Kohorte 2 wurden lediglich aufgrund von Rückmeldungen der Lehrpersonen der Kohorte 1 und zur Optimierung vorgenommen. In der Tabelle 7 ist dargestellt, von wie vielen Lehrpersonen die einzelnen Massnahmen im Unterricht umgesetzt wurden. Die Angabe zum Einsatz des Verarbeitungshefts im Unterricht basiert lediglich auf einer kleinen Stichprobe (Kohorte 2). 45 Tabelle 7 Häufigkeiten der Umsetzung der Massnahmen Massnahme Häufigkeit Prozent FOSSA-Plan 99 84.6 Rituale 91 77.8 Rückmeldung positiver Verhaltensweisen 86 73.5 Feedback 82 70.1 Wortschatz der Emotionen 80 68.4 Entspannungsverfahren 71 60.7 Attributionen 69 59.0 Konflikte unter Kindern 68 58.1 Kleine und grosse Pausen 67 57.3 Spiele zur Förderung des sozial-emotionalen Lernens 59 50.4 Problemlösedialog 59 50.4 Schildkrötenplan 58 49.6 Selbsterfüllende Erwartungen 35 29.9 Gutes Verhalten – gutes Spiel 35 29.9 Engels-/Teufelskreis 17 14.5 Verarbeitungsheft 7 6.0 Anmerkung. Lehrpersonen: N = 117 (Kohorte 1 und 2), fett markiert = Kernmassnahmen, die Option Verarbei- tungsheft wurde nur der Kohorte 2 vorgelegt. Die Unterrichtshospitation und das Coaching waren ein Bestandteil der Weiterbildung. Diese zwei Elemente der schulischen Intervention sollten die Umsetzung der Weiterbildungsinhalte in den eigenen Unterricht begünstigen. Sie sollten zudem die Lehrperson unterstützen, das ei- gene Verhalten sowie die Einstellung gegenüber dem Kind positiv zu verändern. Frühere Stu- dien zeigten, dass die Beziehung zum Coach einen wichtigen Erfolgsfaktor bildet (Rogers, 1961/2009). Die wahrgenommene Beziehung zum Coach aus Sicht der 99 Lehrpersonen kann als positiv eingestuft werden kann (M = 3.79, SD =0.39, vierstufige Likert-Skala, 1 = ‘trifft nicht zu’ bis 4 = ‘trifft zu’). Nicht nur die Beziehung zum Coach wurde von den 99 Lehrpersonen beurteilt, sondern ebenso die wahrgenommene Wirkung der Unterrichtshospitation und des Coachings auf ihr Verhalten (z.B. Umgang mit dem Kind) und ihre Einstellung gegenüber dem Kind. Die Lehrpersonen schätzten die Wirkung der Unterrichtshospitation und des Coachings eher hoch (M = 3.78, SD = 0.93, sechsstufige Likert-Skala, 1 = ‘trifft überhaupt nicht zu’ bis 6 = ‘trifft voll und ganz zu’) ein. Am Ende des dritten Kurstermins füllten die Lehrpersonen einen Evaluationsbogen zur Wei- terbildung aus. Die allgemeine Zufriedenheit mit der Weiterbildung ist als hoch einzustufen. In der Tabelle 8 sind die einzelnen Variablen aufgelistet. Als positiv wurden z.B. Anregungen 46 im Kurs und Umsetzungsideen für die Praxis bewertet. Aufgrund der Covid-19 Pandemie fan- den in der Kohorte 2 der zweite und dritte Kurstermin online statt. Deshalb wurden bei der Evaluation der Kohorte 2 die zwei Items zum Online-Kurs ergänzt. Die online-Durchführung wurde mittelmässig bewertet. Tabelle 8 Ausgewählte Evaluationsergebnisse der Weiterbildung für Lehrpersonen N M SD Ich bin mit diesem Kurs insgesamt zufrieden. 58 3.38 .73 Ich bin angeregt worden, mich mit dem Thema weiter auseinander- zusetzen. 58 3.60 .65 Ich habe Ideen für die Praxis bekommen. 58 3.35 .76 Ich konnte vom Austausch mit den anderen Kursteilnehmenden pro- fitieren. 58 3.17 .76 Der Online-Kurs war methodisch sinnvoll aufgebaut und didaktisch geführt. 25 3.18 1.02 Ich konnte mich online gleichermassen mit den Inhalten auseinan- dersetzen wie in der Präsenzveranstaltung. 25 2.54 1.08 Anmerkung. N: Anzahl antwortende Lehrpersonen, M: Mittelwert, SD: Standardabweichung, vierstufige Likert- Skala (1 = ‘stimme nicht zu’ bis 4 = ‘stimme zu’). 6.5.2 Ausgewählte deskriptive Analysen zur Intervention in der Familie und die Akzep- tanz des Familienprogramms Der Nutzen der Intervention in der Familie sowie mögliche Veränderungen bezogen auf das Elternverhalten und das Verhalten des Kindes wurde von den Eltern beurteilt. In der Tabelle 9 sind die einzelnen Variablen ersichtlich. Beispielsweise stellen die Eltern nach der Intervention eine deutliche Veränderung beim Beobachten und Verstehen des Verhaltens und den Gefühlen des Kindes fest. Zudem trug die Intervention in der Familie aus Sicht der Eltern zu einer posi- tiven Veränderung im Umgang mit dem Kind bei. Ebenso veränderte sich gemäss den Eltern der Umgang mit den eigenen Ressourcen und den Ressourcen des Kindes. 47 Tabelle 9 Nutzen des Familienprogramms aus Elternsicht Eltern N M SD Das Familienprogramm hat dazu beigetragen, … … dass ich jetzt mehr zur kindlichen Entwicklung und zu 92 4.37 1.24 Entwicklungsaufgaben von Kindern im Schulalter/Kindergartenalter weiss. … dass ich jetzt das Verhalten sowie die Gefühle meines Kindes beobachten und besser verstehen kann. 92 4.74 1.12 … dass mein Kind schwierige Gefühle besser steuern kann. 91 4.22 1.04 … dass ich einen besseren Umgang mit dem Kind gefunden habe. 92 4.49 1.08 … dass ich meine eigenen Ressourcen und die Ressourcen des Kindes besser erkennen und nutzen kann. 91 4.41 .98 … dass ich einen besseren Kontakt zur Schule habe. 90 3.39 1.50 … dass ich ein Netzwerk habe, wo ich bei Bedarf zusätzliche Unterstützung holen kann. 92 3.74 1.49 Anmerkung. N: Anzahl antwortende Eltern, M: Mittelwert, SD: Standardabweichung, sechsstufige Likert-Skala (1 = ‘trifft überhaupt nicht zu’ bis 6 = ‘trifft voll und ganz zu’). Die Eltern schätzten ein, wie sich ihr Umgang mit dem Kind aufgrund der Intervention der Familiencoaches veränderte. Mit einem Mittelwert von 2.84 (SD = 0. 90, auf einer sechsstufi- gen Likert-Skala (1 = ‘sehr verändert’ bis 6 = ‘überhaupt nicht verändert’) berichteten 91 El- tern, dass sich ihr Umgang mit den Kindern veränderte. Ein relevanter Erfolgsfaktor des Familienprogramms bildet die Beziehung zum Familiencoach (Rogers, 1961/2009). Die wahrgenommene Beziehung zum Familiencoach aus Elternsicht wurde auf einer sechsstufigen Likert-Skala (1 = ‘trifft überhaupt nicht zu’ bis 6 = ‘trifft voll und ganz zu’) im Durchschnitt als positiv eingestuft (N = 92, M = 5.22, SD = 0.72). Die Eltern beurteilten im Fragebogen (Posttest = t2), wie zufrieden sie mit dem Familienpro- gramm sind. Ihre Zufriedenheit fällt hoch aus (N = 92, M = 5.17, SD = 0.90, sechsstufige Likert- Skala, 1 = ‘überhaupt nicht zufrieden’ bis 6 = ‘voll und ganz zufrieden’). 6.5.3 Wirkung der Intervention auf Lehrpersonen Um mögliche Unterschiede aufgrund der Covid-19 Pandemie und des Fernunterrichts zwi- schen den Kohorten 1 und 2 ausschliessen zu können, wurden für die vorliegende Thematik ausgewählte Konzepte aus dem Pretest (t1) zwischen den beiden Kohorten (Kohorte 1 (K1): n = 82, Kohorte 2 (K2): n = 116) verglichen. Dazu wurden Varianzanalysen berechnet. Diese Methode untersucht, ob sich die Mittelwerte verschiedener Variablen zweier unabhängiger Stichproben (z.B. Interventions- und Kontrollgruppe) unterscheiden. Die Unterschiede bei den Unterrichtsstrategien mit Schüler:innen mit Verhaltensauffälligkei- ten, den Unterrichtsprozeduren und den Regeln in der Klasse sind in der Kohorte 1 und 2 sta- tistisch nicht signifikant. Die Kohorte 1 und 2 unterscheiden sich auch nicht bezüglich der Belastungen durch die Verhaltensauffälligkeiten des Kindes statistisch signifikant. 48 Jedoch gibt es einen statistisch signifikanten Unterschied zwischen der Kohorte 1 (M = 4.56, SD = 0.86) und Kohorte 2 (M = 4.83, SD = 0.65) bei der Sensitiven Responsivität: Empathie (F(1,151) = 4.75, p = .031, Cohen’s d = .354) und bei der Sensitiven Responsivität: Promptheit der Kohorte 1 (M = 4.10, SD = 0.77, Cohen’s d = .367) und Kohorte 2 (M = 4.35, SD = 0.58, F(1,151) = 5.11, p = .025). Bei der emotionalen Beziehung zum Kind ist ebenfalls ein Unter- schied zwischen der Kohorte 1 (M = 4.05, SD = 0.50) und Kohorte 2 (M = 4.44, SD = 0.64) feststellbar (F(1, 195) = 21.69, p < .001, Cohen’s d = .403). Ebenso beim konsequenten Um- gang mit Unterrichtsstörungen ist ein statistisch signifikanter Unterschied (F(1,149) = 7.53, p < .007, Cohen’s d = .449) zwischen der Kohorte 1 (M = 4.47, SD = 0.50) und 2 (M = 4.68, SD = 0.45) vorhanden. Weil sich die ausgewählten Konzepte zwischen den Kohorten 1 und 2 nur punktuell und un- systematisch unterschieden bzw. die Effektstärken klein bis mittel waren, wurden sie in den weiteren Analysen gemeinsam ausgewertet. In Tabelle 10 werden die Effekte der Intervention in der Schule auf die Strategien der Klassenführung und des Unterrichts sowie Beziehung auf- gezeigt. Tabelle 10 Effekte der Intervention auf Klassenführung, Beziehung und Lehrpersonenverhalten aus Lehrpersonensicht Haupteffekt: Haupteffekt: Interventions- Effektstärke N df Gruppe Zeit effekt f Interven-F F (Gruppe x Zeit) tionseffekt F Unterrichtsstrategien mit Schüler:in- nen mit Verhaltensauffälligkeiten 129 1,127 0.01 44.28*** 24.03*** .44 Unterrichtsprozeduren 129 1,127 4.69* 4.12* 7.12** .24 Regeln in der Klasse 129 1,127 0.76 4.04* 4.84* .20 Emotionale Beziehung zum Kind 124 1,122 2.92 31.26*** 3.91 Sensitive Responsivität – Promptheit gegenüber Kind 123 1,121 1.11 0.16 0.22 Sensitive Responsivität – Empathie gegenüber Kind 123 1,121 2.91 20.98*** 0.24 Konsequenter Umgang mit Unter- richtsstörungen 122 1,120 0.00 3.21 2.31 Belastungen durch Verhaltensauffäl- ligkeiten des Kindes 123 1,121 2.71 8.42** 1.49 Anmerkung. N: Anzahl antwortende Lehrpersonen (EG: n = 99 und KG: n = 30), df: Freiheitsgrade, F: F-Test, Signifikanzniveau: *: p ≤. 05, **: p ≤. 01, ***: p ≤. 001, zweiseitige Signifikanzprüfung, sechsstufige Likert- Skala (1 = ‘trifft überhaupt nicht zu’ bis 6 = ‘trifft voll und ganz zu’). Die Tabelle soll am Beispiel der Unterrichtsstrategien mit Schüler:innen mit Verhaltensauffäl- ligkeiten kurz erläutert werden. In der Spalte ‘Haupteffekt: Gruppe F’ ist angegeben, ob sich die Interventionsgruppe und die Kontrollgruppe in den Einschätzungen bezüglich Unterrichts- strategien signifikant unterscheiden. In diesem Beispiel ist der Effekt signifikant, d.h. es gibt einen Unterschied zwischen den Gruppen. Die Spalte ‘Haupteffekt Zeit F’ gibt an, ob sich die Unterrichtsstrategien der Kontroll- und Interventionsgruppe vom ersten Messzeitpunkt (t1) zum zweiten Messzeitpunkt (t2) signifikant veränderten. Auch hier wurden signifikante Ef- fekte gefunden. In beiden Gruppen veränderte sich die Unterrichtsstrategien während des 49 Schuljahres. Mit dem Interventionseffekt wird überprüft, ob sich die Unterrichtsstrategien der Interventionsgruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe von vom ersten Messzeitpunkt (t1) zum zweiten Messzeitpunkt (t2) signifikant verbesserten. Wenn der Interventionseffekt signifikant ist, bedeutet dies, dass die Intervention Wirkung zeigte und die Lehrpersonen der Interventi- onsgruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe hinsichtlich der Unterrichtsstrategien profitierten. In der Interventionsgruppe nahmen die Unterrichtsstrategien zu, in der Kontrollgruppe aber nicht. Die Effektstärke f gibt jeweils an, wie stark die gefundenen Interventionseffekte sind. Nach Cohen (1988) entspricht ein Wert von f = .10 einem schwachen Effekt, von f = .25 einem mittleren Effekt und von f = .4 einem starken Effekt. Bei den Konzepten Unterrichtsstrategien mit Schüler:innen mit Verhaltensauffälligkeiten, Un- terrichtsprozeduren und Regeln in der Klasse sind Interventionseffekte feststellbar. Die Inter- vention hat demnach einen Einfluss auf die Klassenführung in die erwartete Richtung. Sie be- einflusst jedoch nicht die Sensitive Responsivität (Empathie und Promptheit) der Lehrpersonen gegenüber den Kindern, die emotionale Beziehung zum Kind, die Belastungen sowie den kon- sequenten Umgang mit Unterrichtsstörungen. Die signifikanten Interventionseffekte sind in den nachfolgenden Abbildungen 10-12 dargestellt. In der Abbildung 10 ist ersichtlich, wie sich die Unterrichtsstrategien mit Schüler:innen mit Verhaltensauffälligkeiten aus Lehrpersonensicht vom ersten Messzeitpunkt (t1, vor der Inter- vention) zum zweiten Messzeitpunkt (t2, nach der Intervention) veränderten. Die Interventi- onsgruppe weist zum ersten Messzeitpunkt (t1) einen leicht tieferen Wert als die Kontroll- gruppe auf, der sich aber nicht signifikant vom Wert der Kontrollgruppe unterscheidet. Beim zweiten Messzeitpunkt (t2) hat die Interventionsgruppe die Kontrollgruppe überholt. Folglich haben sich die Unterrichtsstrategien mit Schüler:innen mit Verhaltensauffälligkeiten in der In- terventionsgruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe signifikant verbessert vom ersten Mess- zeitpunkt (t1) zum zweiten Messzeitpunkt (t2). Die Intervention war also wirksam. Analog können die nachfolgenden Grafiken gelesen werden. Abbildung 10 Interventionseffekt bei den Unterrichtsstrategien 50 Abbildung 11 Interventionseffekt bei den Unterrichtsprozeduren Abbildung 12 Interventionseffekt bei den Regeln in der Klasse 6.5.4 Wirkung der Intervention auf die Eltern Bei den Eltern wurden die Werte im Pretest (t1) zwischen den Kohorten 1 (K1) und 2 (K2) auch auf Unterschiede überprüft. Ausprägungen von familiären Belastungen, forderndem Ver- halten des Kindes, wertschätzendem Erziehungsverhalten, inkonsistentem Elternverhalten, und Sensitiver Responsivität – Promptheit und Empathie der Eltern wurden zwischen der Kohorte 1 und 2 verglichen. Zwischen den Eltern der Kohorten 1 und 2 sind keine signifikanten Unter- schiede bei der ersten Erhebung (t1) feststellbar. Die Covid-19 Pandemie hatte demnach keinen Effekt auf die Ausgangssituation der Studie. Aufgrund fehlender statisch signifikanter Unterschiede wurden die Werte dieser Variablen aus den Kohorten 1 und 2 für die weiteren Analysen gemeinsam verwendet. In der Tabelle 11 sind die Effekte der Intervention in der Familie ersichtlich. 51 Tabelle 11 Effekte der Intervention auf das Eltern- und Erziehungsverhalten aus Elternsicht Haupteffekt: Haupteffekt: Interventions- Effektstärke N df Gruppe Zeit effekt f Interven-F F (Gruppe x Zeit) tionseffekt F Forderndes Verhalten/Stress durch das Kind 116 1,114 0.82 9.98** 0.41 Wertschätzendes Erziehungsverhal- ten 118 1,116 1.53 1.50 3.81 Inkonsistentes Elternverhalten 118 1,116 1.27 3.96* 0.15 Sensitive Responsivität: Empathie 120 1,118 0.07 0.50 4.56* .20 Sensitive Responsivität: Promptheit 115 1,113 0.07 1.45 0.05 Anmerkung. N: Anzahl antwortende Eltern (EG: n = 93 und KG: n = 27), df: Freiheitsgrade, F: F-Test, Signifi- kanzniveau: *: p ≤. 05, **: p ≤. 01, ***: p ≤. 001, zweiseitige Signifikanzprüfung, Forderndes Verhalten/Stress durch Kind sechsstufige Likert-Skala (1 = ‘gar nicht’ bis 6 = ‘sehr stark’), alle anderen Konzepte sechsstufige Likert-Skala (1 = ‘trifft überhaupt nicht zu’ bis 6 = ‘trifft voll und ganz zu’). Bei der Empathie der Eltern findet sich ein statistisch signifikanter Interventionseffekt: Die Intervention hatte demzufolge einen Effekt auf die Empathie der Eltern. Der Effekt ist in der Abbildung 13 dargestellt. Beim fordernden Verhalten/Stress durch das Kind, beim wertschät- zenden Erziehungsverhalten, beim inkonsistenten Elternverhalten sowie bei der Sensitiven Responsivität (Promptheit) konnten keine Interventionseffekte gefunden werden. Abbildung 13 Intterventtiionseffffektt bfüeri sensiittiive Responsiiviittätt/:E Emmppaaththieie 52 6.5.5 Wirkung auf Verhalten des Kindes Der Vergleich der Kohorte 1 und 2 wurde bei den Dimensionen des sozial-emotionalen Ler- nens und der proaktiven und reaktiven Aggression perspektivenübergreifend, also aus der Per- spektive der Lehrpersonen und Eltern, vorgenommen. Bei der Mehrheit der Konzepte konnten keine Kohortenunterschiede festgestellt werden bzw. sind die Effektstärken gering. Bei den Konzepten ‘Allgemeine Aggression, reaktive Aggression, proaktive Aggression, Aufgabenori- entierung, Konzentration und Anpassungsfähigkeit’ wurden keine signifikanten Kohortenun- terschiede gefunden. Signifikante Kohortenunterschiede wurden beim Einfühlungsvermögen und Hilfsbereitschaft (K1: M = 2.82, SD = 0.72 / K2: M = 3.05, SD = 0.71, F(1,298) = 7.98, p = .005, Cohen’s d = .327), bei der Kooperation (K1: M = 3.10, SD = 0.52 / K2: M = 3.21, SD = 0.47, F(1,297) = 3.90, p = .049, Cohen’s d = .229) und bei der Selbstwahrnehmung (K1: M = 2.65, SD = 0.59 / K2: M = 2.79, SD = 0.54, F(1,298) = 5.08, p = .025, Cohen’s d = .261) gefunden. Aufgrund der fehlenden statisch signifikanten Unterschiede bzw. der geringen Effektstärken bei den untersuchten Variablen wurden die Kohorten 1 und 2 in den weiteren Analysen ge- meinsam ausgewertet. Zudem wurden die Einschätzungen der Lehrpersonen und der Eltern bezüglich des Verhaltens des Kindes gemeinsam berücksichtigt, um allfällige Urteilsverzer- rungen von Lehrpersonen bzw. Eltern zu kontrollieren und die Reliabilität der Beurteilung zu erhöhen (siehe Kapitel 6.3). In der Tabelle 12 sind die Effekte der Intervention auf das Verhal- ten der Kinder aus Lehrpersonen- und Elternsicht aufgeführt. Tabelle 12 Effekte der Intervention auf das Verhalten des Kindes aus Lehrpersonen- und Elternsicht Haupteffekt: Haupteffekt: Interventions- Effektstärke f N df Gruppe Zeit effekt Interventions-F F (Gruppe x Zeit) effekt F Allgemeine Aggression 240 1,238 9.18** 43.82*** 0.53 Reaktive Aggression 243 1,241 2.89 16.23*** 0.50 Proaktive Aggression 242 1,240 4.56* 5.30* 0.00 Einfühlungsvermögen und Hilfs- bereitschaft 244 1,242 1.47 16.50*** 0.23 Kooperation 243 1,241 5.42* 4.16* 2.24 Selbstwahrnehmung 240 1,238 0.76 37.71*** 0.06 Aufgabenorientierung 241 1,239 1.41 23.47*** 5.01* .14 Konzentration 243 1,241 0.67 14.13*** 0.08 Anpassungsfähigkeit 244 1,242 3.74 19.27*** 2.23 Anmerkung. N: Anzahl antwortende Eltern & Lehrpersonen (EG: n = 184 & KG: n = 56), df: Freiheitsgrade, F: F-Test, Signifikanzniveau: *: p ≤. 05, **: p ≤. 01, ***: p ≤. 001, zweiseitige Signifikanzprüfung, Allgemeine, reaktive und proaktive Aggression, Anpassungsfähigkeit: sechsstufige Likert-Skala (1 = ‘trifft überhaupt nicht zu’ bis 6 = ‘trifft voll und ganz zu’), Einfühlungsvermögen und Hilfsbereitschaft, Kooperation, Selbstwahrneh- mung, Konzentration vierstufige Likert-Skala (1 = ‘Verhalten tritt nie auf’ bis 4 = ‘Verhalten tritt häufig auf’), Aufgabenorientierung fünfstufige Likert-Skala (1 = ‘sehr selten/nie’ bis 5 = ‘sehr häufig’, Items 1-3) / (1 = ‘trifft nicht zu’ bis 5 = ‘trifft voll und ganz zu’, Items 4-5). 53 Die Ergebnisse zeigen bei der Aufgabenorientierung einen signifikanten Interventionseffekt der Faktoren Zeitpunkt und Gruppe (F (1,239) = 5.01, p = .026) auf. Das bedeutet eine signi- fikante Verbesserung der Aufgabenorientierung bei den Kindern in der Interventionsgruppe vom ersten Messzeitpunkt (t1) zum zweiten Messzeitpunkt (t2) sowie im Vergleich zur Kon- trollgruppe. Die Intervention steigerte demzufolge die Fähigkeit der Aufgabenorientierung, ei- ner Dimension des sozial-emotionalen Lernens (Abbildung 14). Abbildung 14 I nterventionseffekt bei der Aufgabenorientierung Im nächsten Schritt wurden stufengetrennte Analysen durchgeführt, um mögliche Effekte aus der Perspektive der Lehrpersonen und der Eltern getrennt für den Kindergarten bzw. die Pri- marstufe zu erkennen (Tabelle 13). Die Interventionseffekte bei der Aufgabenorientierung in der Primarstufe (F (1,159) = 6.78, p = .010) und die Selbstwahrnehmung im Kindergarten (F (1,80) = 4.55, p = .036) und in der Primarstufe (F (1,156) = 3.95, p = .049) fielen statistisch signifikant aus, was bedeutet, dass die Intervention die Selbstwahrnehmung der Kinder im Kin- dergarten und in der Primarstufe sowie die Aufgabenorientierung der Kinder in der Primarstufe veränderte. Bei den anderen Variablen fanden sich keine Interventionseffekte. 54 Tabelle 13 Effekte der Intervention auf das Verhalten des Kindes (Kindegarten und Primarstufe getrennt) aus Lehrperso- nen- und Elternsicht Haupteffekt: Haupteffekt: Interventions- Effektstärke f N df Gruppe Zeit effekt Interventions- F F (Gruppe x Zeit) effekt F Allgemeine Aggression (Kiga) 82 1,80 2.06 27.20*** 0.40 Allgemeine Aggression (Prim) 158 1,156 8.92** 13.75*** 2.66 Reaktive Aggression (Kiga) 82 1,80 0.15 12.11*** 0.02 Reaktive Aggression (Prim) 161 1,159 3.66 5.50* 0.72 Proaktive Aggression (Kiga) 82 1,80 0.31 0.27 0.85 Proaktive Aggression (Prim) 160 1,158 5.89* 4.32* 0.07 Einfühlungsvermögen und Hilfs- bereitschaft (Kiga) 83 1,81 5.67* 22.80*** 0.01 Einfühlungsvermögen und Hilfs- bereitschaft (Prim) 161 1,159 0.02 1.81 1.64 Kooperation (Kiga) 83 1,81 5.88* 5.45* 0.69 Kooperation (Prim) 160 1,158 1.74 0.35 2.50 Selbstwahrnehmung (Kiga) 82 1,80 2.74 35.77*** 4.55* .24 Selbstwahrnehmung (Prim) 158 1,156 0.00 5.39* 3.95* .16 Aufgabenorientierung (Kiga) 82 1,80 0.28 25.49*** 0.98 Aufgabenorientierung (Prim) 159 1,157 1.20 3.84 6.78** .21 Konzentration (Kiga) 83 1,81 0.09 5.08* 0.04 Konzentration (Prim) 160 1,158 0.34 7.33** 0.18 Anpassungsfähigkeit (Kiga) 83 1,81 1.42 7.41** 0.40 Anpassungsfähigkeit (Prim) 161 1,159 2.83 11.66*** 2.02 Anmerkung. N: Anzahl antwortende Eltern und Lehrpersonen (EG: N = 184 und KG: N = 56), df: Freiheitsgrade, F: F-Test, Signifikanzniveau: *: p ≤. 05, **: p ≤. 01, ***: p ≤. 001, zweiseitige Signifikanzprüfung, Allgemeine, reaktive und proaktive Aggression, Anpassungsfähigkeit: sechsstufige Likert-Skala (1 = ‘trifft überhaupt nicht zu’ bis 6 = ‘trifft voll und ganz zu’), Einfühlungsvermögen und Hilfsbereitschaft, Kooperation, Selbstwahrneh- mung, Konzentration vierstufige Likert-Skala (1 = ‘Verhalten tritt nie auf’ bis 4 = ‘Verhalten tritt häufig auf’), Aufgabenorientierung fünfstufige Likert-Skala (1 = ‘sehr selten/nie’ bis 5 = ‘sehr häufig’, Items 1-3) / (1 = ‘trifft nicht zu’ bis 5 = ‘trifft voll und ganz zu’, Items 4-5), Kiga: Kindergarten, Prim: Primarstufe. Die Interventionseffekte wurden in den Abbildungen 15-17 dargestellt. 55 Abbildung 15 Interventionseffekt bei der Selbstwahrnehmung Kindergarten Abbildung 16 Interventionseffekt bei der Selbstwahrnehmung Primarstufe Abbildung 17 Interventionseffekt bei der Aufgabenorientierung Primarstufe 56 Überdies wurden Kohortenunterschiede im Hinblick auf die Konzepte berechnet, die mit Ent- wicklungstests gemessen worden sind. Unterschiede zwischen den Kohorten 1 und 2 bei der Entwicklung der sozio-emotionalen Kompetenz sind bei der Sprache expressiv feststellbar (K1: M = 7.27, SD = 3.43 / K2: M = 8.44, SD = 3.22, F(1,157) = 15.9, p = .030, Cohen’s d = .350. Bei Emotionen erkennen, Emotionsregulation, soziale Situationen verstehen, sozial kom- petent handeln und der expressiven Sprache wurden keine signifikanten Unterschiede gefun- den. Die Effekte der Intervention auf die Entwicklung des sozial-emotionalen Lernens der Kinder sind in der Tabelle 14 dargestellt. Tabelle 14 Effekte der Intervention auf den Entwicklungstest Haupteffekt: Haupteffekt: Interventions- Effektstärke f N df Gruppe Zeit effekt Interventions-F F (Gruppe x Zeit) effekt F Emotionen erkennen 130 1,128 0.71 0.00 5.13* .20 Emotionsregulation 130 1,128 0.01 3.05 0.01 Soziale Situationen verstehen 130 1,128 0.01 0.51 0.26 Soziale kompetent handeln 130 1,128 0.12 1.90 0.00 Sprache rezeptiv 130 1,128 0.14 0.27 0.27 Sprache expressiv 130 1,128 0.26 5.39* 1.74 Anmerkung. N: Anzahl antwortende Lehrpersonen (EG: N = 184 und KG: N = 56), df: Freiheitsgrade, F: F-Test, Signifikanzniveau: *: p ≤. 05, **: p ≤. 01, ***: p ≤. 001, zweiseitige Signifikanzprüfung, Normwerte. Die Richtung der Effekte gehen bei den ausgewählten Konzepten in die erwartete Richtung, auch wenn einige Effekte nicht signifikant geworden sind. Der Interventionseffekt beim Faktor Erkennen der Emotionen (F (1,128) = 5.13, p = .025) ist statistisch signifikant. D.h. die Inter- vention förderte die Fähigkeit der Kinder, Emotionen zu erkennen (Abbildung 18). Abbildung 18 Interventionseffekt bei Emotionen erkennen (Normwerte) 57 In der Tabelle 15 sind die Effekte der Intervention auf das Abschneiden beim Entwicklungstest getrennt für den Kindergarten und die Primarstufe ersichtlich. Es wurde kein Interventionsef- fekt signifikant. Tabelle 15 Effekte der Intervention auf den Entwicklungstest (Kindegarten und Primarstufe getrennt) Haupteffekt: Haupteffekt: Interventionsef- N df Gruppe Zeit fekt F F (Gruppe x Zeit) F Emotionen erkennen (Kiga) 43 1,41 4.92* 1.50 2.89 Emotionen erkennen (Prim) 87 1,85 0.33 1.66 0.87 Emotionsregulation (Kiga) 43 1,41 0.48 3.11 0.13 Emotionsregulation (Prim) 87 1,85 1.49 0.75 0.00 Soziale Situationen verstehen (Kiga) 43 1,41 0.03 0.02 0.04 Soziale Situationen verstehen (Prim) 87 1,85 0.01 0.77 0.38 Soziale kompetent handeln (Kiga) 43 1,41 2.42 0.52 0.02 Soziale kompetent handeln (Prim) 87 1,85 0.29 5.32* 0.40 Sprache rezeptiv (Kiga) 43 1,41 8.59** 1.25 0.17 Sprache rezeptiv (Prim) 87 1,85 7.28** 0.01 0.30 Sprache expressiv (Kiga) 43 1,41 2.58 3.95 1.38 Sprache expressiv (Prim) 87 1,85 2.59 1.70 0.41 Anmerkung. N: Anzahl antwortende Lehrpersonen (EG: N = 184 und KG: N = 56), df: Freiheitsgrade, F: F-Test, Signifikanzniveau: *: p ≤. 05, **: p ≤. 01, ***: p ≤. 001, zweiseitige Signifikanzprüfung, Normwerte. 6.5.6 Überprüfung des Weiterbildungskonzepts Die Lehrpersonen mussten nicht alle Weiterbildungsinhalte umsetzen, allerdings war es vom Projektteam intendiert, dass sie zu allen Ebenen und Dimensionen (Haltung/Einstellung und Verhalten/Handlung, Klasse- und Kindsebene) (siehe Kapitel 3.4) eine Auswahl treffen und im Unterricht umsetzen sollten. Damit sollte die Motivation der Lehrperson gefördert und ihre Autonomie gestärkt werden. Entsprechend setzten nicht alle Lehrpersonen der Interventionsgruppe die Weiterbildungsin- halte bzw. die vermittelten Massnahmen in ihrem Unterricht um. Die Gründe der Lehrpersonen sind vielfältig und in der Abbildung 19 dargestellt. Es waren Mehrfachnennungen möglich. 58 Abbildung 19 Gründe für die Nicht-Umsetzung der Weiterbildungsinhalten Das Kind hat sich verweigert. 7 Ich war unsicher, wie ich die Inhalte in… 2 Die Inhalte wurden im Kurs zu wenig… 2 Ich wende ähnliche Inhalte bereits an. 53 Die Inhalte waren nicht passend für das Kind. 24 Die Inhalte waren nicht passend für meine… 21 Es war generell zu viel los, so dass ich dafür… 33 Ich hatte die Umsetzung geplant, aber hatte… 11 0 10 20 30 40 50 60 Anmerkung. Mehrfachbenennung möglich. Oftmals wendeten die Lehrpersonen ähnliche Inhalte/Massnahmen (Lehrpersonenselbsturteil), welche in der Weiterbildung vermittelt wurden, in ihrem Unterricht bereits an. Die zeitlichen Ressourcen waren ein weiterer Grund, weshalb die Lehrpersonen die Massnahmen nicht in den Unterricht integrierten. Es besteht ein statistisch signifikanter Zusammenhang zwischen der allgemeinen beruflichen Zufriedenheit und der Umsetzung der Weiterbildungsinhalte (r = .31, p < .05). Lehrpersonen setzten umso mehr Weiterbildungsinhalte um, je unzufriedener sie mit ihrer aktuellen Unter- richtssituation waren. Wie viele Massnahmen die Lehrperson in ihren Unterricht integrierten, hing zudem mit der beruflichen Selbstwirksamkeit (r = .27, p < .05) zusammen. Lehrpersonen setzten umso mehr Massnahmen um, je selbstwirksamer sie sich in ihrem Beruf erlebten. Of- fenbar erforderte die Umsetzung der Massnahmen eine erhöhte Selbstwirksamkeit. Gestützt auf unseren theoretischen Überlegungen nahmen wir an, dass vor allem der Transfer von acht Weiterbildungsinhalten (Kernmassnahmen) in den Unterricht wichtig ist: FOSSA- Plan, Schildkrötenplan, Wortschatz der Emotionen, Attributionen, Rückmeldung positiver Verhaltensweisen, soziale Konflikte unter Kindern, Rituale und Problemlösedialog. Diese acht Kernmassnahmen wurden vergleichsweise häufiger umgesetzt und waren für die meisten Lehr- personen neu. Zudem nahmen wir an, dass die Weiterbildungsinhalte zur Emotionsregulation (Wortschatz der Emotionen, soziale Konflikte unter Kindern, Problemlösedialoge) und Wei- terbildungsinhalte zur Verhaltensregulation (FOSSA-Plan, Schildkrötenplan) das sozial-emo- tionale Lernen besonders förderten. Das Verstärken des positiven Verhaltens z.B. durch Feed- back (Rückmeldung positiver Verhaltensweisen und Attributionen) und klare Strukturen (Ri- tuale) sind ebenso relevant. Weil das sozial-emotionale Lernen nur aufgrund zahlreicher guter Massnahmen effektiv geför- dert werden kann, nahmen wir an, dass mindestens sieben dieser acht Kernmassnahmen von einer Lehrperson pro Kind umgesetzt werden müssen, um einen Effekt zu erzielen. Die Lehr- personen, welche weniger als sieben Kernmassnahmen in ihren Unterricht integrierten, wurden für die weiteren Analysen ausgeschlossen. In Konsequenz wurde eine Neugruppierung der In- terventionsgruppe gebildet (EG: n = 39, KG: n = 30), welche die Kernmassnahmen der Inter- vention in ihrem Unterricht tatsächlich umsetzten. Es sollte überprüft werden, welchen Effekt die Umsetzung von mindestens sieben dieser acht Kernmassnahmen auf das Verhalten der 59 Kinder hat. Damit sollte die Wirksamkeit der entwickelten Kernmassnahmen am Beispiel der Lehrpersonen, die diese Kernmassnahmen tatsächlich umsetzten, überprüft werden. Möglich- erweise traten bei gewissen Indikatoren keine Interventionseffekte auf, weil die entwickelten Massnahmen nicht umgesetzt worden sind. Die Analyse mit dieser Neugruppierung soll zei- gen, wie wirksam die entwickelten Massnahmen tatsächlich sind. Nachfolgend werden Ergeb- nisse zur Wirksamkeit der Massnahmen gemäss dieser Neugruppierung der Kinder vorgestellt. Exemplarisch ausgewählte Analysen der Neugruppierung zum Verhalten der Lehrperson sind in der Tabelle 16 dargestellt. Tabelle 16 Effekte der Intervention auf Klassenführung, Beziehung und Lehrpersonenverhalten der Neugruppierung aus Lehrpersonensicht Haupteffekt: Haupteffekt: Interventions- Effektstärke f N df Gruppe Zeit effekt Interventions-F F (Gruppe x Zeit) effekt F Unterrichtsstrategien mit Schüler:in- nen mit Verhaltensauffälligkeiten 69 1,67 0.30 50.48*** 28.57*** .65 Unterrichtsprozeduren 69 1,67 2.31 5.97* 8.72** .36 Regeln in der Klasse 69 1,67 0.40 1.86 2.46 Emotionale Beziehung zum Kind 64 1,62 0.32 28.23*** 3.90 Sensitive Responsivität – Promptheit gegenüber Kind 63 1,61 0.03 0.64 0.73 Sensitive Responsivität – Empathie gegenüber Kind 63 1,61 1.84 14.15 0.60 Konsequenter Umgang mit Unter- richtsstörungen 62 1,60 0.07 5.22* 4.16* .26 Belastungen durch Verhaltensauffäl- ligkeiten des Kindes 63 1,61 4.94* 11.87** 4.26* .26 Anmerkung. N: Anzahl antwortende Lehrpersonen (EG: n = 39 und KG: n = 30), df: Freiheitsgrade, F: F-Test, Signifikanzniveau: *: p ≤. 05, **: p ≤. 01, ***: p ≤. 001, zweiseitige Signifikanzprüfung, sechsstufige Likert- Skala (1 = ‘trifft überhaupt nicht zu’ bis 6 = ‘trifft voll und ganz zu’) Die Interventionseffekte bei den Unterrichtsstrategien mit Schüler:innen mit Verhaltensauffäl- ligkeiten (F (1,67) = 28.57, p < .001), den Unterrichtsprozeduren (F (1,67) = 8.72, p < .01), den konsequenten Umgang mit Unterrichtsstörungen (F (1,60) = 4.16, p < .05) und den Belas- tungen durch die Verhaltensauffälligkeiten des Kindes (F (1,61) = 4.26, p < .05) in der Neu- gruppierung sind statistisch signifikant. In der Gruppe der Lehrpersonen, welche mindestens sieben von acht Kernmassnahmen umsetzten, förderte die Intervention den Umgang mit Un- terrichtsstörungen und reduzierte die wahrgenommenen Belastungen der Lehrperson durch das Kind (Abbildungen 20-23). 60 Abbildung 20 Interventionseffekt bei den Unterrichtsstrategien Abbildung 21 Interventionseffekt bei den Unterrichtsprozeduren Abbildung 22 Interventionseffekt bei konsequentem Umgang mit Unterrichtsstörungen 61 Abbildung 23 Interventionseffekt bei Belastungen durch die Verhaltensauffälligkeiten des Kindes In der Tabelle 17 wurde das Elternverhalten mit der Stichprobe der Neugruppierung überprüft. Es wurden nur Elterndaten ausgewertet, bei welchen mindestens eine Lehrperson des Kindes sieben von den acht Kernmassnahmen umsetzte. Tabelle 17 Effekte der Intervention auf das Eltern- und Erziehungsverhalten der Neugruppierung aus Elternsicht Haupteffekt: Haupteffekt: Interventions- Effektstärke f N df Gruppe Zeit effekt Interven-F F (Gruppe x Zeit) tionseffekt F Forderndes Verhalten/Stress durch das Kind 61 1,59 0.52 11.59** 0.06 Wertschätzendes Erziehungsverhal- ten 62 1,60 1.62 1.32 3.00 Inkonsistentes Elternverhalten 62 1,60 1.38 2.26 0.20 Sensitive Responsivität: Empathie 63 1,61 0.02 0.02 6.68* .33 Sensitive Responsivität: Promptheit 62 1,60 0.12 2.84 0.69 Anmerkung. N: Anzahl antwortende Eltern (EG: n = 36 und KG: n = 27), df: Freiheitsgrade, F: F-Test, Signifi- kanzniveau: *: p ≤. 05, **: p ≤. 01, ***: p ≤. 001, zweiseitige Signifikanzprüfung, Forderndes Verhalten/Stress durch Kind sechsstufige Likert-Skala (1 = ‘gar nicht’ bis 6 = ‘sehr stark’), alle anderen Konzepte sechsstufige Likert-Skala (1 = ‘trifft überhaupt nicht zu’ bis 6 = ‘trifft voll und ganz zu’). Der Interventionseffekte bei der Sensitiven Responsivität (Empathie) der Eltern (F (1,67) = 28.57, p < .001) ist in der Neugruppierung statistisch signifikant (Abbildung 24). Die Empathie der Eltern gegenüber ihrem Kind wurde durch die Intervention gesteigert. Das ist ein zentrales Ergebnis, weil die Empathie der Eltern eine Rolle beim Entstehen von Verhaltensauffälligkei- ten von Kindern spielt. Bei den anderen Konzepten konnten keine signifikanten Interventions- effekte gefunden werden. 62 Abbildung 24 Interventionseffekt bei sensitive Responsivität: Empathie Im nächsten Schritt wurden die Effekte der Intervention auf das Verhalten des Kindes aus der Perspektive der Lehrpersonen und der Eltern analysiert, wiederum mit der Neugruppierung (Tabelle 18). Tabelle 18 Effekte der Intervention auf das Verhalten des Kindes der Neugruppierung aus Lehrpersonen- und Elternsicht Haupteffekt: Haupteffekt: Interventions- Effektstärke f N df Gruppe Zeit effekt Interventions-F F (Gruppe x Zeit) effekt F Allgemeine Aggression 125 1,123 5.42* 48.79*** 4.50* .19 Reaktive Aggression 126 1,124 1.84 27.93*** 5.81* .22 Proaktive Aggression 125 1,123 2.42 20.56*** 6.38* .23 Einfühlungsvermögen und Hilfs- bereitschaft 127 1,125 0.23 12.04*** 0.13 Kooperation 126 1,124 6.42* 2.38 1.13 Selbstwahrnehmung 124 1,122 0.17 30.54*** 0.18 Aufgabenorientierung 125 1,123 1.69 21.76*** 6.13* .22 Konzentration 126 1,124 1.57 11.89*** 0.31 Anpassungsfähigkeit 127 1,125 4.02* 17.70*** 0.40 Anmerkung. N: Anzahl antwortende Eltern und Lehrpersonen (EG: n = 70 und KG: n = 57), df: Freiheitsgrade, F: F-Test, Signifikanzniveau: *: p ≤. 05, **: p ≤. 01, ***: p ≤. 001, zweiseitige Signifikanzprüfung, Allgemeine, reaktive und proaktive Aggression, Anpassungsfähigkeit: sechsstufige Likert-Skala (1 = ‘trifft überhaupt nicht zu’ bis 6 = ‘trifft voll und ganz zu’), Einfühlungsvermögen und Hilfsbereitschaft, Kooperation, Selbstwahrneh- mung, Konzentration vierstufige Likert-Skala (1 = ‘Verhalten tritt nie auf’ bis 4 = ‘Verhalten tritt häufig auf’), Aufgabenorientierung fünfstufige Likert-Skala (1 = ‘sehr selten/nie’ bis 5 = ‘sehr häufig’, Items 1-3) / (1 = ‘trifft nicht zu’ bis 5 = ‘trifft voll und ganz zu’, Items 4-5). 63 Der Interventionseffekte bei der allgemeinen Aggression (F (1,123) = 4.50, p < .05, Abbildung 25), der reaktiven Aggression (F (1,124) = 5.81, p < .05, Abbildung 26) und der proaktiven Aggression (F (1,123) = 6.38, p < .05, Abbildung 27) sind bei der Neugruppierung statistisch signifikant. Die umgesetzten Kernmassnahmen reduzierten das aggressive Verhalten der Kin- der nachweisbar. Zudem ist der Interventionseffekt bei der Aufgabenorientierung (F (1,123) = 6.13, p < .05, Abbildung 28) statistisch signifikant, was bedeutet, dass sich die umgesetzten Kernmassnahmen auf die Aufgabenorientierung der Kinder positiv auswirken. Die Ergebnisse zeigen, dass die umgesetzten Kernmassnahmen das aggressive Verhalten sowie die Aufga- benorientierung der Kinder wie erwartet begünstigten. Wir fanden aber keine signifikanten In- terventionseffekte bei den anderen hier untersuchten Aspekten. Abbildung 25 Interventionseffekt bei allgemeine Aggression Abbildung 26 Interventionseffekt bei reaktive Aggression 64 Abbildung 27 Interventionseffekt bei proaktive Aggression Abbildung 28 Interventionseffekt bei der Aufgabenorientierung Im letzten Schritt wurden die Interventionseffekte für die Entwicklungstestkonzepte in der Stichprobe der Neugruppierung untersucht. Die Effekte sind in der Tabelle 19 dargestellt. 65 Tabelle 19 Effekte der Intervention auf den Entwicklungstest der Neugruppierung Haupteffekt: Haupteffekt: Interventions- Effektstärke f N df Gruppe Zeit effekt Interventions-F F (Gruppe x Zeit) effekt F Emotionen erkennen 66 1,64 0.12 0.84 8.12** .36 Emotionsregulation 66 1,64 0.07 0.70 0.22 Soziale Situationen verstehen 66 1,64 0.03 2.81 0.25 Sozial kompetent handeln 66 1,64 0.18 0.76 0.01 Sprache rezeptiv 66 1,64 0.62 2.76 2.76 Sprache expressiv 66 1,64 0.92 9.01** 0.07 Anmerkung. N: Anzahl antwortende Lehrpersonen (EG: n = 36 und KG: n = 30), df: Freiheitsgrade, F: F-Test, Signifikanzniveau: *: p ≤. 05, **: p ≤. 01, ***: p ≤. 001, zweiseitige Signifikanzprüfung, Normwerte. Der Interventionseffekte beim Erkennen von Emotionen (F (1,64) = 8.12, p = .006, Abbildung 29) ist in der Neugruppierung statistisch signifikant. Demnach förderten die schulischen Kern- massnahmen in Kombination mit der Familienintervention das Erkennen der Emotionen bei den Kindern nachweisbar. Bei den anderen Konzepten wurden keine signifikanten Interven- tionseffekte gefunden. Abbildung 29 Interventionseffekt bei Emotionen erkennen (Normwerte) 6.5.7 Zusammenfassung Die Intervention wurde aus vier Perspektiven evaluiert: (a) Die Lehrpersonen und Eltern wurden um eine Einschätzung der Akzeptanz und Zufrieden- heit mit der Intervention gebeten. Die Ergebnisse zeigen, dass die teilnehmenden Lehrpersonen und Eltern mit dem Programm insgesamt zufrieden waren. 66 (b) Die Eltern und Lehrpersonen wurden gebeten, subjektiv die Wirksamkeit der Intervention zu beurteilen. Die Ergebnisse zeigen, dass die befragten Personen die Intervention als wirksam erachten. (c) Im Unterschied zu Wirkungseinschätzungen basiert die Wirkungsmessung auf Urteilen vor (t1) und nach der Intervention (t2) im Vergleich zu einer Kontrollgruppe. Mit diesem Zugang wird nicht nur eine eingeschätzte Wirkung erfasst, sondern eine objektiv nachweisbare Wir- kung durch die Intervention in der Schule und in der Familie. Die Effekte wurden in einer kombinierten Beurteilung von Eltern und Lehrpersonen erfasst, weil eine getrennte Beurteilung der Wirkfaktoren das Risiko von Fehlurteilen birgt. Die Ergebnisse zeigen, dass die realisierten Interventionen zu einer Erweiterung des Handlungsrepertoires und zu einer Verbesserung der Einstellungen der Lehrpersonen und der Eltern gegenüber den Kindern führten. Interventions- effekte wurden aus Lehrpersonensicht bezüglich Unterrichtsstrategien mit Schüler:innen mit Verhaltensauffälligkeiten, Unterrichtsprozeduren und Regeln in der Klasse gefunden, aus El- ternsicht bezüglich sensitiver Responsivität Empathie. Zudem gab es einen nachweisbaren Ef- fekt auf die Dimension Aufgabenorientierung des sozial-emotionalen Lernens sowie auf den Subtest ‘Emotionen erkennen’. Die Aufgabenorientierung von Kindern bezieht sich auf die Fähigkeit, sich anzustrengen und angefangene schulische Aufgaben abzuschliessen. Die Inter- vention in der Schule und Familie trug dazu bei, dass Kinder mehr Durchhaltevermögen bei schulischen Aufgaben entwickelten. Zudem führten die Trainingseinheiten zum Erkennen von Emotionen in Schule und Familie dazu, dass die Kinder in einem standardisierten Test zuver- lässiger Emotionen von Kindern auf Bildern erkennen konnten. Auf zahlreiche Dimensionen des sozial-emotionalen Lernens sowie des Eltern- und Lehrper- sonenverhaltens wurde aber kein signifikanter Effekt gefunden, obwohl der Ergebnistrend in die erwartete Richtung zeigt. Ein Grund für die eingeschränkte Wirkung könnte sein, dass viele Massnahmen nicht planmässig umgesetzt wurden. Es genügt nicht, die Massnahmen den Lehr- personen und den Eltern zu vermitteln, sondern diese müssen die neuen Massnahmen und er- lernte Strategien auch tatsächlich und nachhaltig umsetzen. Eine zweite Interpretation könnte sein, dass bei den meisten untersuchten Variablen Veränderungen in die erwartete Richtung gefunden werden, diese Effekte aber aufgrund der kleinen Stichprobe manchmal nicht signifi- kant wurden. In kleinen Stichproben müssen Effekte sehr stark sein, um signifikant zu werden. (d) Weil bei zahlreichen Variablen kein Interventionseffekt nachweisbar war, wurde überprüft, ob die erarbeiteten Massnahmen bei den Lehrpersonen wirksam waren, die diese auch umge- setzt hatten. Die Ergebnisse zeigen mehr und stärkere Interventionseffekte. Beim Verhalten des Kindes wurden Effekte bei den abhängigen Variablen allgemeine, reaktive und proaktive Aggression sowie Aufgabenorientierung gefunden. Das sind wichtige Befunde, da die Reduk- tion der verschiedenen Facetten von Aggression ein Hauptziel der Intervention war. Offenbar erwiesen sich die erarbeiteten Konzepte als wirksam, wenn sie tatsächlich umgesetzt wurden. Folglich nimmt beispielsweise die reaktive und proaktive Aggression der Kinder stärker ab aufgrund der Intervention im Vergleich zu Klassen, in welchen mit traditionellen Methoden und Massnahmen gearbeitet wird. Zusätzliche Effekte konnten ebenso bei den Lehrpersonen bezüglich des konsequenten Umgangs mit Unterrichtsstörungen und der Belastungen durch die Verhaltensauffälligkeiten des Kindes gefunden werden. Auf das Verhalten und die Einstellung der Eltern hatte die Bildung der Neugruppierung aber keinen Einfluss, gleiches gilt für den Entwicklungstest. Die Neugruppierung wurde nur aufgrund von schulischen Merkmalen gebil- det, weshalb vor allem stärkere Effekte im schulischen Kontext erwartet werden konnten. Eine Subgruppenbildung der Eltern war aber nicht sinnvoll, weil die Familiencoaches in den Fami- lien arbeiteten und daher diese Art von Implementationsproblemen nicht auftraten. 67 Diese Befunde weisen in die Richtung, dass es möglich ist, mit ausgewählten Strategien, die konsequent angewendet werden, die Verhaltensauffälligkeiten von Kindern nachweisbar zu reduzieren. 68 7 Schlussfolgerungen Kinder mit Verhaltensauffälligkeiten sind in ihrer sozio-emotionalen Entwicklung gefährdet und fordern Lehrpersonen sowie Schulen heraus. Es ist daher wichtig, Kinder mit Verhaltens- auffälligkeiten früh zu erkennen und Programme zu konzipieren, Massnahmen zu ergreifen sowie Strategien zur Förderung des sozial-emotionalen Lernens dieser Kinder anzuwenden, um Verhaltensauffälligkeiten zu reduzieren (Prävention). Frühere Reviews und Metaanalysen zu dieser Thematik zeigen, dass das sozial-emotionale Lernen von Kindern wirksam gefördert werden kann, sowohl im schulischen als auch im familiären Kontext (Durlak et al., 2011, Dur- lak et al., 2015; Greenberg et al., 2017; Hövel et al., 2019). Hier setzt das FOSSA-Projekt an. Die Ergebnisse verdeutlichen, dass das FOSSA-Projekt wissenschaftsbasiert, praxisbezogen und wirksam sowohl zur Förderung von sozial-emotionalem Lernen der Kinder in Schule und Familie als auch zu einer Abnahme der Verhaltensauffälligkeiten der Kinder beiträgt. Es ist möglich, Verhaltensauffälligkeiten von Kindern bereits im Kindergarten und in der Primarstufe im integrativen Setting zu reduzieren. Die Ergebnisse belegen, dass sich das zugrunde liegende Arbeitsmodell bewährte. Die Förderung des sozial-emotionalen Lernens scheint daher ein viel- versprechender Zugang zu sein, um Verhaltensauffälligkeiten von Kindern zu minimieren. 7.1 Koordinierte Förderung in Schule und Familie Das FOSSA-Projekt interpretiert Verhaltensauffälligkeiten von Kindern als Ausdruck des so- zio-emotionalen Entwicklungsstands, der von Erfahrungen in der Schule und der Familie be- einflusst wird. Obwohl die Schule durch kontextspezifische Normen und Regeln das Verhalten der Kinder in der Schule beeinflusst und umgekehrt die Familie das Verhalten der Kinder in der Familie aufgrund der Familienkultur, der emotionalen Dichte und der Dauerhaftigkeit stark prägt, werden auch kontextübergreifende Verhaltenseffekte angenommen. Schulische Verhal- tensnormen beeinflussen das Verhalten der Kinder ebenso in der Familie. Umgekehrt bestim- men familiäre Normen und Gewohnheiten das Verhalten der Kinder in der Schule (Bronfen- brenner, 1981/1979; Neuenschwander et al., 2005). Zugleich gibt es im Rahmen der Forschung zur Zusammenarbeit von Lehrpersonen und Eltern (engl. Parental involvement) Befunde, die zeigen, dass pädagogische Interventionen im Bereich des sozial-emotionalen Lernens wirksa- mer sind, wenn sie zwischen der Familie und den Lehrpersonen inhaltlich koordiniert werden (Henderson & Berla, 2004). Aus diesen Gründen kombiniert der FOSSA-Ansatz die Interven- tion in der Schule mit der Intervention in der Familie, was als innovativ gilt. Kinder werden dadurch mit ähnlichen Förderansätzen und Verhaltenserwartungen in der Familie und in der Schule konfrontiert, so dass die Kinder mehr Gelegenheiten erhalten, in verschiedenen Kon- texten entsprechende Lernschritte zu erzielen. Der zeitliche Umfang der Intervention in Schule und Familie war ähnlich. Die Interventionsstrategie unterschied sich allerdings zwischen den Kontexten: (1) Im schulischen Kontext arbeiteten die Kursleiter:innen ausschliesslich mit den Lehrperso- nen, nicht mit den Kindern. Die Intervention in der Schule basierte auf mehreren Schritten: (1) wissenschaftliche Identifikation wirksamer Ansatzpunkte zur Modifikation des Verhaltens von Kindern, (2) Erarbeiten von wirksamen Formen der Lehrpersonenweiterbildung, (3) erfolgrei- che Umsetzung dieser Intervention, (4) erfolgreiche Umsetzung der neuen Strategien durch die Lehrperson im eigenen Unterricht, (5) Unterstützung des sozial-emotionalen Lernens des Kin- des aufgrund der umgesetzten Strategien und (6) Reduktionen der Verhaltensauffälligkeiten. Der Ansatz, Verhaltensauffälligkeiten von Kindern über eine Lehrpersonenweiterbildung an- zugehen, erhöht die Nachhaltigkeit der Intervention, da die Lehrpersonen die neuen Konzepte in mehreren Klassen bzw. bei vielen Kindern mit Verhaltensauffälligkeiten einsetzen können. Zudem ist eine Lehrpersonenweiterbildung im Gruppensetting kostengünstig. Schliesslich 69 wird mit diesem Ansatz die Lehrperson gestärkt, die anstehenden Herausforderungen selbst- wirksam anzugehen und zu bearbeiten. (2) Im familiären Kontext erarbeiteten die Familiencoaches mit den Eltern bzw. einem Eltern- teil neue Strategien im Umgang mit ihrem Kind und förderten zudem das sozial-emotionale Lernen der Kinder in der Familie. Das Setting in der Familie erlaubte es, die Förderung der Kinder und die Beratung der Eltern auf ihre individuelle Situation sowie auf konkrete Interak- tionen auszurichten. Die Interaktionen zwischen den Eltern und den Kindern können im All- tagskontext konkret beobachtet und den Eltern gespiegelt werden. Eine Intervention in einem Gruppensetting für Eltern und Kinder wäre sowohl auf dem Hintergrund des lebensweltlichen Ansatzes des Familienprogramms als auch aufgrund der geografischen Distanz zwischen den ausgewählten Familien nicht indiziert gewesen. Ebenso gibt es Belege dafür, dass die aufsu- chende Familienarbeit, die bei der konkreten Lebenswelt des Kindes ansetzt und auf die Ent- wicklung von Fähigkeiten fokussiert, effektiver ist als eine Intervention in Form von Eltern- gruppen oder Elternberatungen (Fröhlich-Gildhoff & Rönnau-Böse, 2019). Daher wurde die Familienintervention als aufsuchende Familienarbeit konzipiert. Das aufsuchende Familienprogramm erreicht zudem Eltern mit Migrationshintergrund besser, weil diese seltener an Veranstaltungen für Eltern teilnehmen (Moret & Fibbie, 2010). Die Gründe dafür können beispielweise sprachliche Barrieren oder zu wenig Kenntnisse über das Schweizer Bildungssystem sein. 3) Zwischen den Familiencoaches und den Lehrpersonen gab es während der Intervention zwei telefonische Kontakte, in welchen die Programminhalte ausgetauscht und das Follow-Up-Ge- spräch durchgeführt wurden. Unter Einhaltung der Datenschutzvorschriften wurden punktuell kindsspezifische Informationen geteilt. Diese Koordinationsgespräche wurden gemäss den Rückmeldungen der involvierten Lehrpersonen von beiden Seiten geschätzt. Insgesamt bewährte sich diese Koppelung von Intervention in der Schule und in der Familie, insofern die pädagogischen Akteur:innen beider Kontexte direkt in ihrer pädagogischen Ver- antwortung angesprochen und in ihrer Kompetenz im Umgang mit den Kindern gestärkt wur- den. Das Forschungsdesign erlaubt aber nicht, die spezifische Wirkung des Familienpro- gramms bzw. der Lehrpersonenweiterbildung zu bestimmen. 7.2 Stufenbezug Im Sinne der Früherkennung war ein Ziel des FOSSA-Projekts, das sozial-emotionale Lernen der Kinder frühzeitig im Bildungsverlauf, d.h. bereits im Kindergarten, zu fördern. Damit soll- ten Entwicklungsunterschiede zwischen den Kindern identifiziert und pädagogisch aufgefan- gen werden. Auffallend ist, dass weniger Kindergartenlehrpersonen als Primarlehrpersonen am FOSSA-Projekt teilnahmen. Eine mögliche Erklärung könnte sein, dass Kinder mit Verhal- tensauffälligkeiten im Kindergarten aufgrund der unterschiedlichen Settings und der verschie- denen Aktivitäten (z.B. freies und angeleitetes Spiel, Kreissituationen) weniger auffallen. Mög- licherweise wird im Kindergarten angenommen, dass die Verhaltensauffälligkeiten im Laufe der sozio-emotionalen Entwicklung abnehmen, ohne dass eine spezifische Förderung erforder- lich ist. Der Handlungsbedarf bei Kindern mit Verhaltensauffälligkeiten wurde wohl deshalb von den Lehrpersonen in der Primarstufe höher eingeschätzt als im Kindergarten. Die Erfahrungen des Projektteams und die Rückmeldungen der Lehrpersonen weisen darauf hin, dass die entwickelten Strategien im Kindergarten gleicherweise umsetzbar waren wie in der Primarstufe. 70 7.3 Wirksamkeit der Intervention Trotz der Mehrschrittigkeit und Komplexität des gewählten Interventionsansatzes nahmen die Verhaltensauffälligkeiten aus einer kombinierten Sicht von Eltern und Lehrpersonen ab. Zu- dem konnten Effekte mittels eines standardisierten Entwicklungstests (IDS-1) hinsichtlich des Erkennens von Emotionen nachgewiesen werden. Diese Ergebnislage weist darauf hin, dass es möglich ist, das sozial-emotionale Lernen der Kinder im Kindergarten und in der Primarstufe zu fördern, so dass Verhaltensauffälligkeiten nachweisbar und im Vergleich zu der Kontroll- gruppe abnehmen. Im vorliegenden Projekt wurde ein anspruchsvolles Forschungsdesign gewählt, um Wirkungen der Intervention angemessen beurteilen zu können. Obwohl nicht bei allen Indikatoren Inter- ventionseffekte nachgewiesen werden konnten, fanden sich bei allen untersuchten Merkmalen Veränderungen in der erwarteten Richtung, die bei einigen Merkmalen auch statistisch signi- fikant wurden. Diese Befundlage belegt, dass der gewählte Ansatz, die sozial-emotionale Kom- petenz der Kinder zu fördern, angemessen ist und evidenzbasiert die Nachteile der Kinder mit Verhaltensauffälligkeiten reduzieren kann. Überdies zeigen die Befunde, dass es möglich ist, die Klassenführung von Lehrpersonen sowie die Empathiefähigkeit der Eltern zu verbessern. Allerdings muss einschränkend angemerkt werden, dass der Erziehungsstil der Eltern nicht verändert und die wahrgenommenen Belastungen der Eltern nicht verringert werden konnten. 7.4 Herausforderungen und Limitationen 7.4.1 Methodische Herausforderungen Die Studie war mit Herausforderungen der Wirkungsmessung konfrontiert. Leider gibt es keine objektiven, reliablen und validen Tests zur Messung von Verhaltensauffälligkeiten. Analog zu vielen anderen Studien wurden die Verhaltensauffälligkeiten der Kinder daher in Form einer Fremdeinschätzung der Bezugspersonen (Lehrpersonen und Eltern) erfasst. Dieses Verfahren unterliegt der Herausforderung, dass es zwischen dem effektiven Verhalten und der Beurtei- lung dieses Verhaltens nicht unterscheiden kann. Weil Verhaltensauffälligkeiten eine Norm- verletzung darstellen, hängt die Beurteilung von Verhaltensauffälligkeiten nicht nur vom ge- zeigten Verhalten des Kindes ab, sondern auch von den Normen bzw. Erwartungen, welche an das Verhalten der Kinder gerichtet werden. Entsprechend zeigen die Ergebnisse erhebliche Unterschiede zwischen den Lehrpersonen und den Eltern bei der Beurteilung des Verhaltens der Kinder im sozial-emotionalen Bereich. Diese Beurteilungsunterschiede sind abhängig von der Beziehung zum Kind aus Lehrpersonensicht. Diese neuen Ergebnisse zeigen, dass die Be- urteilungsunterschiede der Verhaltensauffälligkeiten zwischen Schule und Familie teilweise auf Beurteilungseffekte (d.h. Wahrnehmungseffekte) zurückzuführen sind, aber dass auch das unterschiedliche Verhalten der Kinder in Schule und Familie eine Rolle spielen könnte. Daher ist es wichtig, in der Aus- und Weiterbildung von Lehrpersonen die Bedeutung der Beziehung zum Kind für die Beurteilung der sozial-emotionalen Kompetenz des Kindes, die in vielen Kantonen und im Lehrplan 21 gefordert werden, zu thematisieren. Lehrpersonen brauchen bes- sere Grundlagen, um die sozial-emotionale Kompetenz der Kinder zu beurteilen, so dass die eigene Beziehung zum Kind die Beurteilungen weniger beeinflusst. Beispielsweise könnten mehrere Lehrpersonen, die an der gleichen Klasse unterrichten, ihre Beurteilung des sozial- emotionalen Lernens untereinander vergleichen, um die Urteilsabhängigkeit von der persönli- chen Beziehung zu reduzieren. Zudem könnten Lehrpersonen sensibilisiert werden, ihre Be- ziehung zum Kind zu reflektieren, bevor sie Urteile zum sozial-emotionalen Lernen eines Kin- des abgeben. Die beschriebene Schwierigkeit der Wirkungsmessung wurde mittels des mehrperspektivi- schen Urteils der Verhaltensauffälligkeiten von Lehrpersonen und Eltern angegangen, womit 71 Beurteilungsverzerrungen von einer einzelnen Person korrigiert werden können. Zudem wur- den Subskalen eines standardisierten Entwicklungstests (IDS-1) verwendet, welche die As- pekte der sozio-emotionalen Entwicklung des Kindes unabhängig von der Wahrnehmung von Lehrpersonen und Eltern erfasst. Diese mehrperspektivische Analyse soll zu reliableren und valideren Urteilen über die Verhaltensauffälligkeiten von Kindern führen und daher schlüssi- gere Urteile über die Wirksamkeit der Intervention ermöglichen. Eine weitere Herausforderung war, die Lehrpersonen zufällig zwischen der Interventions- und Kontrollgruppe zu verteilen. Die Schulen wurden für die Anfrage zwar zufällig in die eine oder anderer Gruppe eingeteilt, allerdings sagte ein relevanter Anteil von Lehrpersonen die Teil- nahme ab, weil ihnen der zeitliche Aufwand der Studie zu hoch erschien, obwohl die Relevanz des Themas als hoch bewertet wurde (Interventionsgruppe Zusage Schulen ca. 6 %, Kontroll- gruppe ca. 4.3 %). Es gibt daher ein Risiko einer Selbstselektion, wonach Lehrperson mit hohen Belastungen eher in der Interventionsgruppe mitmachten als in der Kontrollgruppe. Das Prob- lem wurde so angegangen, dass sehr viele Schulen für die Teilnahme am Projekt angefragt wurden und in einem weiteren Schuljahr die Intervention erneut angeboten wurde. Zudem wur- den die Werte in der Eingangserhebung zwischen der Interventions- und Kontrollgruppe ver- glichen. Bei vielen Variablen fanden sich keine signifikanten Unterschiede zwischen der Inter- ventions- und Kontrollgruppe, so dass sich das Problem nicht gravierend auf die Ergebnisse ausgewirkt haben dürfte. 7.4.2 Herausforderungen bei der Umsetzung der Weiterbildung im Unterricht Eine Herausforderung zeigte sich bei der Implementation der präsentierten Fördermassnahmen im schulischen Kontext. Nur ein Teil der Lehrpersonen setzte die in der Weiterbildung vermit- telten Massnahmen um. Die Ergebnisse zeigen, dass die Verhaltensauffälligkeiten der Kinder deutlich abnahmen, wenn Lehrpersonen die präsentierten Massnahmen programmkonform umsetzten. Offenbar gelingt es nicht allen Lehrpersonen, die Weiterbildungsinhalte in den ei- genen Unterricht zu transferieren. Mögliche Gründe dafür könnten z.B. zu wenig Zeit für die Auseinandersetzung mit den Themen oder schulische Rahmenbedingungen, welche die Um- setzung erschweren, sein. Als Umsetzungshilfe wurde im FOSSA-Projekt ein Coaching angeboten. Die Gespräche mit den Coaches zeigen, dass die Lehrpersonen diese Unterstützung bei der Umsetzung der Wei- terbildungsinhalte in den eigenen Unterricht benötigten. Dieser Schritt, wie neue Inhalte im Bereich der Förderung des sozial-emotionalen Lernens im eigenen Unterricht angewendet wer- den können, ist für den Erfolg der Lehrpersonenweiterbildung entscheidend. Frühere Studien belegen zwar, dass die Klassenführung von Lehrpersonen gelernt werden kann (Durlak et al., 2015), allerdings kann dies bedeuten, dass gewisse Verhaltensgewohnheiten und eigene Intui- tionen zum Umgang mit Kindern geändert werden müssen. Bei manchen Lehrpersonen kann das die Überprüfung angewöhnter Verhaltensweisen und des pädagogischen Umgangs mit Kindern einschliessen. Lehrpersonen brauchen bei diesem Prozess Unterstützung, so dass sie sich intensiv mit diesen Themen beschäftigen und ebenso darüber reflektieren können. 72 8 Ausblick Es liegt ein ausgearbeitetes und erprobtes Programm für Lehrpersonen und Eltern zur Förde- rung des sozial-emotionalen Lernens von Kindern vor, welches von Schulen und Familien ge- bucht werden kann und in der ganzen Deutschschweiz angeboten wird. Damit erhalten Schulen und Familien ein wissenschaftlich gestütztes Programm zur Förderung der Kinder mit Verhal- tensauffälligkeiten. Es zeigt Wege, wie Kinder mit Verhaltensauffälligkeiten im integrativen Schulsetting und in der Familie gefördert werden können, damit die Chancengleichheit erhöht werden kann. Das Programm für die Schule und die Familie wurde aufgrund der Evaluationsergebnisse punk- tuell weiterentwickelt. So wird das Programm zukünftig für die ganze Primarstufe (bis 6. Schuljahr) angeboten. Zudem sollen Interventionen für internalisierende Verhaltensauffällig- keiten wie Schüchternheit/Ängstlichkeit angeboten werden (Cassée, 2019). Im FOSSA-Projekt waren die zur Anwendung gekommenen Fördermassnahmen zur Reduktion von Verhaltens- auffälligkeiten von Kindern im Kindergarten und in der Primarstufe umfassend und breit an- gelegt. In einem nächsten Schritt könnte es sinnvoll sein, spezifische Trainingsprogramme für die Schule und die Familie zu entwickeln, um die einzelnen Dimensionen des sozial-emotio- nalen Lernens nach dem CASEL-Modell zu fördern. Ergebnisse aus Metaanalysen zum CA- SEL-Programm aus dem internationalen Kontext können dabei genutzt und in die Schweizer Bildungsstrukturen übertragen, angepasst und überprüft werden (Durlak et al., 2015; Green- berg et al., 2017; Hövel et al., 2019). Dadurch resultiert spezifisches Wissen zur Förderung des sozial-emotionalen Lernens und wie dieses Verhaltensauffälligkeiten von Kindern beeinflusst. Die resultierenden Strategien können wiederum in der Aus- und Weiterbildung von Lehrper- sonen eingesetzt und vermittelt werden. 8.1 Offene Fragen Aus dieser Studie resultieren Desiderate und weiterführende Fragen, die sich im Kontext der Wissenschaft, des schulischen Kontexts und der Bildungs- bzw. Familienpolitik ansiedeln las- sen: 1) Familienprogramm: Die aufsuchende Familienarbeit bewährte sich insbesondere für Familien mit nicht deutscher Familiensprache, mit tieferem sozioökonomischem Status und hohen Belastungen, in welchen die Kinder in ihren schulischen Chancen benachteiligt sind und geringe Förderung erhalten. Dies zeigen weitere Ergebnisse, die im vorliegenden Bericht aus Platzgründen nicht dargestellt werden konnten. Diese Eltern nehmen oft nicht an Elternbildungsveranstaltungen teil, sind mit der Erziehung ihrer Kinder stark gefordert und empfinden Scham oder fürchten Identitätsver- lust, Hilfe in der Erziehung ihrer Kinder anzunehmen (Moret & Fibbi, 2010; Neuenschwander & Fräulin, 2013). Die Kosten der aufsuchenden Familienarbeit erscheinen vordergründig als eher hoch. Es stellt sich daher die Frage, wie das Programm angesichts der hohen Kosten breit implementiert werden kann. Wenn durch diese Präventionsarbeit einschneidenden schulischen Massnahmen (Timeouts, Platzierungen, Kindesschutzmassnahmen oder jugendstrafrechtliche Massnahmen) vorgebeugt werden kann, sind die Kosten gerechtfertigt. Gleichwohl sind For- men der Familienarbeit im Gruppensetting zu prüfen, wonach kleine Gruppen von Eltern ge- meinsam in ihrer Erziehungsarbeit unterstützt und zu einer positiven Bildungshaltung zum Wohl ihrer Kinder ermutigt werden, um das Verhältnis von Kosten und Nutzen zu optimieren. 2) Beurteilung: Ein weiteres Desiderat resultiert aus den Befunden zur Beurteilung des sozial-emotionalen Ler- nens. Weil das sozial-emotionale Lernen nicht nur für die Leistungen, sondern auch für 73 schulische Selektionsentscheidungen zentral ist, fordern mehrere Schweizer Kantone die Be- urteilung des sozial-emotionalen Lernens im Beurteilungsbericht. Allerdings zeigen die berich- teten Ergebnisse in Übereinstimmung mit früheren Ergebnissen, (Neuenschwander et al., 2015), dass die Beurteilung der sozial-emotionalen Kompetenz von Kindern eine Herausfor- derung darstellt. Es stellt sich daher die Frage, wie Lehrpersonen zu einer reliablen und validen Beurteilung der sozial-emotionalen Kompetenz bzw. der überfachlichen Kompetenzen gemäss Lehrplan 21 gelangen können. Das CASEL-Modell könnte eine klare begriffliche Grundlage bieten, die dem Begriff der überfachlichen Kompetenzen im Lehrplan 21 überlegen ist. Ein klares Konzept könnte beitragen, dass Lehrpersonen die sozial-emotionale Kompetenz von Kindern akkurater beurteilen können. Zudem sollten einerseits Hilfsmittel zur Beurteilung die- ser Kompetenz für Lehrpersonen erarbeitet werden. Solche Hilfsmittel zur zuverlässigen Be- urteilung der sozio-emotionalen Entwicklung der Kinder bilden eine unentbehrliche Grundlage zur Förderung dieser Kinder. Andererseits müssen Lehrpersonen im Rahmen ihrer Aus- und Weiterbildung auf die Beurteilung dieser Kompetenz vorbereitet werden. 8.2 Kinder im Schnittfeld von Bildungs- und Familienpolitik Die Auseinandersetzung mit Verhaltensauffälligkeiten von Kindern in der Schule wird als Auf- gabe der Schule gesehen. Die Ergebnisse zeigen, dass diese Verhaltensauffälligkeiten zwar primär von Akteur:innen in der Schule signalisiert werden, dass aber ausserschulische Ak- teur:innen wie die Familie einen wichtigen Beitrag leisten müssen. Insbesondere Eltern mit tieferem sozioökonomischem Status, mit sozialen, psychischen oder finanziellen Belastungen oder mit anderen Nachteilen (z.B. Migrationshintergrund) benötigen niederschwellige Unter- stützungsangebote für die Förderung ihrer Kinder. Während in manchen Kantonen überfor- derte Familien bei der Betreuung ihrer Kinder vom Sozialdienst unterstützt werden, sind Fa- milien in vielen anderen Kantonen auf sich allein gestellt. Obwohl die Familie als autonom und eigenverantwortlich interpretiert wird, stellt sich die sozialpolitische Frage, ob überforderte Eltern im Interesse der Kinder Unterstützung erhalten dürfen bzw. sollten, und zwar bevor eine klinische Diagnose gestellt oder eine soziale Zuschreibung (z.B. Armut, Vernachlässigung) vorgenommen wird. Denn diese Zuschreibungen können mit Stigmatisierung (negativen La- bels) und Diskriminierungen verbunden sein. Kinder aus belasteten Familien brauchen auf- grund des Rechts auf Chancengleichheit sowie zur Förderung einer günstigen Entwicklung Unterstützung. Das FOSSA-Projekt zeigt Ansatzpunkte zur Unterstützung von Kindern aus belasteten Familien, die nun in vielen Schulen und Familien angewendet werden können. Das Angebot kann den Familien zum Wohl der Kinder zur Verfügung gestellt werden. Möglicher- weise müsste in Zukunft der Beitrag der Familienpolitik zur Förderung von Chancengleichheit im Bildungsbereich und zur Reduktion von Verhaltensauffälligkeiten verstärkt diskutiert wer- den. 74 9 Literatur Achenbach, T. M., Ivanova, M. Y., Rescorla, L. A., Turner, L. V., & Althoff, R. R. (2016). Internalizing/externalizing problems: Review and recommendations for clinical and re- search applications. Journal of the American Academy of Child & Adolescent Psychia- try, 55(8), 647–56. https://doi.org/10.1016/j.jaac.2016.05.012 Andresen, S., Seddig, N., & Künstler, S. (2013). Schulfähigkeit des Kindes und Befähigung der Eltern. Empirische und normative Fragen an die "Einschulung" der Familie. Bil- dungsforschung, 10(1), 45–63. https://doi.org/10.25656/01:8537 Bakermans-Kranenburg, M. J., van Ijzendoorn, M. H., & Juffer, F. (2003). Less is more: Meta-analyses of sensitivity and attachment interventions in early childhood. 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Unterrichtshospitation ........................................................... 21 Abbildung 4 Das Familienprogramm auf der Zeitachse ................................................................................ 23 Abbildung 5 Strukturgleichungsmodell zur reaktiven und proaktiven Aggression aus der Perspektive von Lehrpersonen und Eltern ................................................................................................... 39 Abbildung 6 Strukturgleichungsmodell zur Erklärung von reaktiver und proaktiver Aggression aus Elternperspektive ...................................................................................................................... 40 Abbildung 7 Strukturgleichungsmodell zur Erklärung von reaktiver und proaktiver Aggression aus Lehrpersonenperspektive .......................................................................................................... 41 Abbildung 8 Elterneinschätzungen zu Fähigkeitsbereichen Kind ................................................................. 44 Abbildung 9 Lehrpersoneneinschätzungen zu Fähigkeitsbereichen Kind ..................................................... 45 Abbildung 10 Interventionseffekt bei den Unterrichtsstrategien ..................................................................... 50 Abbildung 11 Interventionseffekt bei den Unterrichtsprozeduren .................................................................. 51 Abbildung 12 Interventionseffekt bei den Regeln in der Klasse ..................................................................... 51 Abbildung 13 Interventionseffekt bei sensitive Responsivität: Empathie ....................................................... 52 Abbildung 14 Interventionseffekt bei der Aufgabenorientierung .................................................................... 54 Abbildung 15 Interventionseffekt bei der Selbstwahrnehmung Kindergarten ................................................ 56 Abbildung 16 Interventionseffekt bei der Selbstwahrnehmung Primarstufe ................................................... 56 Abbildung 17 Interventionseffekt bei der Aufgabenorientierung Primarstufe ................................................ 56 Abbildung 18 Interventionseffekt bei Emotionen erkennen (Normwerte) ...................................................... 57 Abbildung 19 Gründe für die Nicht-Umsetzung der Weiterbildungsinhalten ................................................. 59 Abbildung 20 Interventionseffekt bei den Unterrichtsstrategien ..................................................................... 61 Abbildung 21 Interventionseffekt bei den Unterrichtsprozeduren .................................................................. 61 Abbildung 22 Interventionseffekt bei konsequentem Umgang mit Unterrichtsstörungen .............................. 61 Abbildung 23 Interventionseffekt bei Belastungen durch die Verhaltensauffälligkeiten des Kindes ............. 62 Abbildung 24 Interventionseffekt bei sensitive Responsivität: Empathie ....................................................... 63 Abbildung 25 Interventionseffekt bei allgemeine Aggression ........................................................................ 64 Abbildung 26 Interventionseffekt bei reaktive Aggression ............................................................................. 64 Abbildung 27 Interventionseffekt bei proaktive Aggression ........................................................................... 65 Abbildung 28 Interventionseffekt bei der Aufgabenorientierung .................................................................... 65 Abbildung 29 Interventionseffekt bei Emotionen erkennen (Normwerte) ...................................................... 66 87