Sozialraumorientierte Gesundheitsförderung Prof. Carlo Fabian Institut Soziale Arbeit und Gesundheit ISAGE, HSA-FHNW carlo.fabian@fhnw.ch Agenda Referat • Was ist ein Sozialraum? • Sozialraum und Gesundheit / Gesundheitsförderung • Zwei Projekte o QuAKTIV: Partizipatives Projekt für und mit Kindern o Alte Menschen, Stadtentwicklung und Stereotype xx • xx Plan vs. Realität Carlo Fabian June 21st 2016 3 Lefebvre The city and the urban are not places, but social conditions of mutual inspiration and collective action. (Lefebvre, 1991) -> Menschen, Gemeinschaften und die Gesellschaft sowie die Wechselwirkungen und Dynamiken zwischen Menschen und dem Quartier/der Lebensumgebung prägen, was ein Quartier/eine Stadt ist, und nicht (nur) das, was gebaut wird. Sozialraum «Der Raum als wissenschaftliche Kategorie umfasst nicht nur geografische Orte, sondern besteht vor allem aus Beziehungen zwischen den Menschen, die sich in ihm befinden.» (Klöti, Fabian & Drilling 2012, S. 4) Zwei Betrachtungsweisen von Raum Absolutistisches Raumverständnis Der Raum ist ein Behälter / Container, welcher unabhängig von seinen gesellschaftlichen und sozialen Inhalten existiert. Relationales Raumverständnis Der Raum existiert nicht unabhängig von den Objekten, sondern wird erst durch die Beziehungen (Relationen) zwischen den Menschen und Gütern, die sich im Raum befinden, gebildet. Das soziale Verhalten und die sozialen Beziehungen im Raum sind massgeblich bestimmend. (Löw 2001) http://www.sandiego.gov/park-and-recreation/parks/regional/presidio/missionhills.shtml Foto: Christian Jaeggi Foto: Christian Jaeggi Fotos: Christian Jaeggi Sozialräumliche Gesundheitsförderung Gesundheit: körperliches, psychisches, soziales Wohlbefinden  ist ein Produkt der Wechselwirkungen zwischen dem Individuum und seiner sozialräumlichen Umwelt  Gesundheit ist als Prozess zu sehen (WHO 1946) Gesundheitsdeterminanten – Social Model of Health (Dahlgren & Whitehead 1991) Sozialräumliche Gesundheitsförderung • Stärkung der unterschiedlichen sozialen Netzwerke der Menschen, wie Familie, Freundeskreis, Nachbarschaft, Gemeinde etc. • Stärkung der Inklusion / Teilhabe von Menschen in sozialen Netzwerken. • Förderung gesundheitsbezogener Gemeinschaftsaktionen in Nachbarschaften und sozialen Netzwerken. (Hurrelmann, Laaser, Richter 2012) Zwei Projekte • Die Entwicklung von kinderfreundlichen und naturnahen Freiräumen für und mit Kindern Umsetzungs- und Forschungsprojekt - 2013-2016 Finanzierung: Swisslos Kanton Aargau, Stiftung Mercator Schweiz Carlo Fabian, Timo Huber, Nadine Käser, Magdalene Schmid • Connecting elderly people to urban life: Towards a better understanding of ageing in place by rethinking stereotypes Forschungsprojekt - 2016-2018 Finanzierung: Swiss National Science Foundation Carlo Fabian, Sandra Janett, Tobias Bischoff, Timo Huber, Matthias Drilling Die Entwicklung von kinderfreundlichen und naturnahen Freiräumen für und mit Kindern www.quaktiv.ch Kinderfreundlich, naturnah und gesundheitsförderlich? Fotos: Carlo Fabian Kinderfreundlich, naturnah und gesundheitsförderlich? www.manor.ch www.erento.ch Kinderfreundlich, naturnah und gesundheitsförderlich? Fotos: Timo Huber •Akzeptanz, dass Kinder ExpertInnen ihrer Lebenswelt sind. •Zugestehen, dass Kinder das Recht auf Meinungsäusserung haben. Kindergerechte •Haltung, diese Meinungen aufnehmen und integrieren zu wollen. Gestaltungsprozesse? •Mehrwert in partizipativen Prozessen zu sehen. -> UN-Kinderrechtskonvention: Recht auf Meinungsäusserung -> Europäische Charta: Beteiligung der Jugend am Leben der Partizipation Gemeinden /Region) ist Methode und Haltung! Mitverantworten •Pflege Freiraum Mitentscheiden •Weiterentwicklung •Diskussionen Ebene FreiraumMitwirken Kinder •Ideenfindung •Rückkopplungen Informieren •Planungsschritte «Planung» – Kinder •Verfahren •Umsetzungen •Gemeinsame •Rolle Kinder Lösungen •Rolle Erwachsene •Rahmenbedingungen •Anhörung Exkurs Exkurs Partizipation /Empowerment (Neuenschwander & Fabian 2019 , nach M. Wright et al. 2010) − Partizipation als Prozess − Partizipation / Empowerment als Werthaltung und Arbeitsweise − Ziel: Betroffene werden zu Beteiligten Planungsprozess -> Wegweiser für Gemeinden, Behörden und Kommissionen. Arbeitshilfe für die Ortsplanung. Planungswegweiser des Kt. Bern (2002). file:///C:/Users/carlo.fabian/Downloads/planungswe gweiser-de.pdf (Download 15.11.22) Partizipation in jeder Projektphase (Fabian et al., 2016) Warum Partizipation in Gestaltungsprojekten von Lebenswelten? Naturnah und kindergerecht gestaltete Freiräume sowie deren partizipative Entwicklung… …unterstützen als Lern- und Erfahrungsräume eine gesunde Entwicklung von Kindern. …stärken die Kompetenzen und Ressourcen der Kinder. …ermöglichen Begegnungen zwischen Menschen unterschiedlicher Generationen und Herkunft. …begünstigen die Identifikation mit dem Ort. …sensibilisieren Kinder für Natur und Gestaltungsproz. …fördern die Demokratieerfahrung der Kinder sowie der Erwachsenen. (Fabian et al. 2016) Partizipation und Gesundheit Förderung gesundheitsbezogener Faktoren • Empowerment & Autonomie: Aktivierung und Mobilisierung, Förderung von Selbstbestimmung und Selbstverantwortung • Selbstwirksamkeit : Konsequenzerwartung & Kompetenzerwartung. -> Hauptquellen: eigenes Erleben und Beobachtung • Kontrollüberzeugung (locus of control): internale und externale • Kohärenzgefühl • Verstehbarkeit: Kognitive Kompo. -> Nachvollzielbarkeit / Erklärbarkeit der Umwelt • Handhabbarkeit: kognitiv-emotionale Komponente ->Herausforderungen lösbar • Sinnhaftigkeit: emotionale Komponente -> Gefühl von sinnhaftem Leben (Fabian, 2016; Fabian & Huber, 2018) Connecting elderly people to urban life: Towards a better understanding of ageing in place by rethinking stereotypes Alte Menschen, Stadt und Quartier → Wie werden Quartiere geplant und umgesetzt? → Haben altersbedingte Stereotypen einen Einfluss auf diese Prozesse? → Wie können ältere Menschen durch einen angemesseneren und reflektierten alterssensitiven Ansatz zur Quartiersentwicklung in das städtische Leben eingebunden werden? http://www.schmidtreuter.at/berichte/publikationen/tga-planung-2012/ http://www.roche.ch/standorte/basel-hq/basel-site-future.htm http://www.oldottawasouth.ca/ Ageism und Quartier - Hypothesen • Der professionelle Diskurs ist geprägt von einseitigen Altersbildern (Stereotype). • Diese Stereotype sind unbewusst, werden kaum reflektiert und beeinflussen Planungs- und Gestaltungsprozesse. http://www.wz- newsline.de/polopoly_fs/1.1830108.1420481754!/httpImage/onlineImage.jpg_gen/derivatives/landscape_550/onlineImage.jp g Stereotypes Wie werden ältere Menschen in den Medien porträtiert? (Australian Human Rights Commission, 2013) Differenzierung vs. Generalisierung - ExpertInnen Differenzierte Aussagen und Beschreibungen ⌐ «Es gibt vielleicht solche, die eher die Ruhe suchen und andere, die vielleicht eher, ja den Zusammenhang oder den Zusammenhalt suchen oder einen Kontakt zu anderen Leuten. Vielleicht gibt es beides.» Generalisierte Aussagen und Beschreibungen / Stereotype ⌐ Alte Menschen wollen nicht in Planungsprozesse involviert sein. Differenzierung vs. Generalisierung - Frauen 75+ Differenzierte Aussagen und Beschreibungen ⌐ «Auf Strassen ohne Trottoir fühle ich mich unwohl, auch wenn sie verkehrsberuhigt sind.» Generalisierte Aussagen und Beschreibungen / Stereotype ⌐ «In unserem Alter können wir keine steilen Strassen mehr zu Fuss gehen.» Mit den Augen betagter Frauen: Analyse und Visualisierung des öffentlichen Raums aus Sicht betagter Frauen zur Förderung des gesunden Alterns. Bachmann, N., Süsstrunk, S., Huber, T., Bleisch, S., Hollenstein, D., Fabian, C., Janett, S. et al (2016) Fazit • Der Sozialraum spielt für die Gesundheit eine wichtige Rolle. • Die Art und Weise der Entwicklungs-und Gestaltungsprozesse von Sozialräumen ist bedeutsam und kann einen Nutzen für die Gesundheitsentwicklung haben. • Partizipation ist ein Schlüsselelement: Partizipation ist Haltung und Methode. • Partizipation bedeutet eine Investition in die Zukunft, ist aufwändig aber machbar und bringt einen Mehrwert! • Stereotype existieren nicht nur bei alten Menschen, sondern existieren für alle Altersgruppen und Typen von Menschen. -> bei partizipativen Prozessen ist achtsam damit umzugehen. Hinweis auf Fachsemiar 2023 https://www.fhnw.ch/g63 Literatur Australian Human Rights Commission, 2013. Fact or fiction? Stereotypes of older Australians. URL: http://www.humanrights.gov.au/sites/default/files/document/publication/Fact%20or%20Fiction_2013_WebVersion_FINAL_0.pdf Fabian, C., Drilling, M., Niermann, O., & Schnur, O. (2017). Quartier und Gesundheit – Klärungen eines scheinbar selbstverständlichen Zusammenhangs. In C. Fabian, M. Drilling, N. Olivier, & O. Schnur (Eds.), Quartier und Gesundheit. Impulse zu einem Querschnittsthema in Wissenschaft, Politik und Praxis (pp. 9-37). Wiesbaden: VS Verlag Fachmedien. Fabian, C., & Huber, T. (2019). Participating in creating open spaces with and for children - A kind of participatory action research? In I. R. Berson, M. J. Berson, & C. Gray (Eds.), Participatory Methodologies to Elevate Children’s Voice and Agency (pp. 153-179): Information Age Publishing IAP. Fabian, C., Huber, T., Käser, N., & Schmid, M. (2016). Naturnahe Freiräume für Kinder und mit Kindern planen und gestalten. Grundlagen, Vorgehensweise und Methoden. Praxishilfe. Basel: FHNW. -> siehe auch quaktiv.ch Fabian, C., Janett, S., Bischoff, T., Pardini, R., Leitner, J., & Knöpfel, C. (2019, accepted). The Development of ‘Age Appropriate’ Living Environments: Analysis of Two Case Studies from a Social Work Perspective. Urban Planning, 4(2), 123–133. doi:10.17645/up.v4i2.2060 Früchtel, Frank; Cyprian, Gudrun; Budde, Wolfgang. (2007). Sozialer Raum und Soziale Arbeit. Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften. Klöti, Tanja; Fabian, Carlo; Drilling, Matthias (2012). Sozialräume: verstehen gestalten verteidigen. In: SuchtMagazin. (6). S. 4 – 11. Lefebvre, H. (1991). The Production of Space (D. Nicholson-Smith, Trans.). Oxford: Blackwell. Buch Online – open access: Contemporary Perspectives on Ageism: Ayalon, Liat & Tesch-Römer, Clemens (Eds.), 2018 -> https://www.springer.com/de/book/9783319738192 YouTube-Channel zum Thema Ageism -> https://www.youtube.com/channel/UCKqyH4QAXsUHs5vvRqOKQHg