fhnw.ch/wirtschaft Internes Kontrollsystem (IKS) als Führungsinstrument in sozialen Einrichtungen Referat vom 26.10.2017 am CURAVIVA-Impulstag Prof. Emilio Sutter, Hochschule für Wirtschaft FHNW, Basel Foto: Fachhochschule Nordwestschweiz mit IKS-Leitfadenbuchfoto von Tobias Sutter 26.10.2017 IKS: Führungsinstrument in soz. Einrichtungen 2 Zum Autor Prof. Emilio Sutter Leiter des Publikationsbeitrags «IKS für staatlich finanzierte NPO» Dozent / Leiter Kompetenzschwerpunkt Performance Measurement Institut für Nonprofit- und Public Management (NPPM) Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW), HSW, NPPM, Basel IKS: Führungsinstrument in soz. Einrichtungen 3 Inhaltsübersicht 1. Einleitung S. 4 2. IKS-Grundlagen − Teil des Führungsinstrumentariums S. 5 3. Soziale Einrichtungen und Kontrollbeziehungen S. 9 4. IKS-Umsetzung in sozialen Einrichtungen S. 12 5. Empfehlungen zur IKS-Umsetzung S. 15 6. Fazit und Best Practice für soziale Einrichtungen S. 19 Quellenangaben Anhang zur Rechtsgrundlage 41. Einleitung - Auch das Finanz- und Rechnungswesen für soziale Einrichtungen ist im Wandel. - Im Forschungsprojekt «IKS für NPO (2009 – 2011)»*) und den entsprechenden Publikationen wurden auch unter diesem Aspekt soziale Einrichtungen untersucht. - Die Leistungsbeiträge an die untersuchten sozialen Einrichtungen wurden mit dem Inkrafttreten der Neugestaltung der Finanzen und Aufgaben (NFA) mehrheitlich vom Bund an die Kantone delegiert (zusätzliche kantonale Auflagen). - Zudem müssen mittlere u. grosse soziale Einrichtungen – rechtsformunabhängig – in der Schweiz ordentlich revidiert werden inkl. Nachweis eines IKS (s. Folie 22). - Ziel dieses Referats: Erkenntnisse zum IKS als Führungsinstrument in sozialen Einrichtungen aus dem oben erwähnten Forschungsprojekt und dem im 2014 aktualisierten IKS-Leitfadenbuch**) vermitteln. *) Vgl. Sutter et al. (2011). **) Vgl. Sutter/Hunziker/Grab (2014). 52. IKS-Grundlagen − Teil des Führungsinstrumentariums - Die Verantwortlichen der obersten Leitungs- und Aufsichtsorgane (wie z.B. Vereinsvorstand und Stiftungsrat) von sozialen Einrichtungen sowie Revisionsstellen und Kaderangehörigen benötigen ein System zur effizienten und wirksamen Kontrolle als Teil ihres Führungsinstrumentariums. - Damit das System so aufgebaut und weiterentwickelt werden kann, dass es der wirksamen Führung mit wichtigen Kontrollprozessen dient, müssen verschiedene Aspekte und deren Wechselwirkungen berücksichtigt werden. - Als übergeordnetes Konzept werden hierzu der Fraud-Triangel und zur IKS-Handlungsbedarfsermittlung der COSO-Würfel*) angewendet. *) COSO = Committee of Sponsoring Organizations. 62.1. Fraud-Triangel Quelle: Sutter/Hunziker/Grab (2014), S. 35; in Anlehnung an Cressey (1950), s. 739ff. Nach D. R. Cressey müssen die drei Faktoren • Gelegenheit • Anreiz und • Rechtfertigung kumulativ zutreffen, damit Fraud begangen wird. Dies ist in einem funktionstüchtigen Führungssystem zu berücksichtigen. 72.2. COSO-Würfel Quelle: vgl. Sutter/Zöbeli/Dietiker (2017), S. 139; COSO (2013), S. 5. *) Expert Suisse: vor 2014 Schweizerische «Treuhand-Kammer». Als Orientierungshilfe für die IKS-Definition sind v.a. die Frontseite des Würfels und der Bereich «Finanzielle Berichterstattung» entscheidend, so z.B. nach Prüfstandard 890 von Expert Suisse.*) 8Erläuterung zur Frontseite des COSO-Würfels *) Hunziker/Dietiker/Schiltz/Gwerder (2015), S. 92. Vgl. Sutter/Zöbeli/Dietiker (2017), S. 139; basierend auf Sutter/Hunziker/Grab (2014), S. 24ff. Komponenten Zielsetzungen z. B. Zielerreichung z. B. Überwachung IKS-Weiterentwicklung periodische Überprüfung Information und Kommunikation Das gesamte Personal er- hält klare IKS-Anweisung. Die individuelle Kontrollverantwortung muss ernst genommen werden. Kontrollen als Vorschriften festgelegt zur wirksamen Risikoreaktion Risikobeurteilung Definition, was beurteilt werden soll inkl. Risikokatalog Operative Risikobereiche: Finanzen, IT, Pers., Prozesse, Immob. Strategische Risikobereiche: wirtsch., politisch-rechtlich, soziokulturell, technolog. u. ökolog.*) Kontrollumfeld Kontrollbewusstsein bei sämtlichen Mitarbeitenden Umgang mit Spenden und Sponsoring 93. Soziale Einrichtungen und Kontrollbeziehungen - In der Schweiz ist es Tradition, dass soz. Einrichtungen im Auftrag des Staates öffentliche Aufgaben übernehmen im Sinne von Public-Private-Partnership.*) - Ein bedeutender Wirtschaftszweig sind die Behinderteneinrichtungen. Nach Angaben des Branchenverbandes CURAVIVA boten im Jahr 2014 in der Schweiz 2’590 Heime und soziale Institutionen rund 117’000 stationäre und teilstationäre Plätze an.**) Hinzu kommen Einrichtungen für Suchtkranke und für sozial auffällige Jugendliche sowie Sonderschulen. - Nachfolgend werden die sozialen Einrichtungen der Schweiz spezifiziert in Bezug auf das Zusammenspiel von Finanzierung und Leistung/Qualität und für das bessere Verständnis ihrer Kontrollbeziehungen. *) Schmitz/Zöbeli (2016a), S. 41 sowie Schmitz/Zöbeli (2016b), S. 33. **) CURAVIVA Schweiz (2016), Jahresbericht 2014, S. 19. 10 3.1. Zusammenspiel von Finanzierung und Leistung/Qualität Quelle: Sutter/Hunziker/Grab (2014), S. 33. Die Kantone machen ihre Finanzierung i.d.R. abhängig von: • adäquatem Finanz-, Kosten- und Leistungsreporting • Einhaltung von gesetzlichen und behördlichen Qualitätsvorgaben. QMS = Qualitäts-Management-System 11 3.2. Kontrollbeziehungen in sozialen Einrichtungen Schmale Pfeile = Kontrollrichtung. Quelle: Sutter/Hunziker/Grab (2014), S. 77, in Anlehnung an Jäger (2007), S. 30. Achtung: Viele Fremdkontrollen geben dem Management von soz. Einrichtungen eine «Scheinsicherheit» vor! 12 4. IKS-Umsetzung in sozialen Einrichtungen Im Forschungsprojekt «IKS für NPO (2009 – 2011)» wurden die beiden folgenden Aspekte für die erfolgreiche IKS-Umsetzung in sozialen Einrichtungen als sehr wichtig eingestuft: - adäquate IKS-Definition - kompakter Arbeitsprozess für die Einführung/Weiterentwicklung von IKS. 13 4.1. IKS-Definition in sozialen Einrichtungen Quelle: Vgl. Sutter/Hunziker/Grab (2014), S. 33f und S. 82. Ziele Massnahmen COSO-Würfel Kein Fraud List, Betrug, Täuschung, deliktische Handlungen, Wirtschaftskriminalität sowie Schwindel durch die Schaffung und die Pflege eines angemessenen Kontrollumfelds verhindern bzw. vermindern Kontrollumfeld Vermögens- Schutz Wesentliche operative Risiken eliminieren – mindestens aber minimieren, damit das Organisationsvermögen (das Vermögen der sozialen Einrichtung) geschützt ist. Risikobeurteilung Wahrheits- getreue Bericht- erstattung Finanzielle Lage durch ein optimales Reporting (FiBu und BeBu) wahrheitsgetreu abbilden Berichterstattung Einhaltung von Vorschriften und internen Richtlinien Einhaltung der wesentlichen Erlasse und Vorschriften in Bezug auf die Leistungs- vereinbarung und Rechnungslegungs- vorschriften Compliance 14 4.2. IKS- Arbeitsprozess Quelle: Sutter/Hunziker/Grab (2014), S. 84. «dreiphasige» Orientierungshilfe bei der IKS-Einführung und –weiterentwicklung in soz. Einrichtungen 15 5. Empfehlungen zur IKS-Umsetzung Im eingangs erwähnten Forschungsprojekt benötigten alle untersuchten sozialen Einrichtungen - ein Auswahlverfahren für die Bestimmung ihrer Schlüsselprozesse (als integralem Bestandteil der «Risiko-Kontroll-Matrix») - eine Art Skala für die Definition des zu erreichenden IKS-Reifegrades im Führungsinstrumentarium. 16 5.1. Schlüssel- prozesse Quelle: Sutter/Hunziker/ Grab (2014), S. 116. Im Forschungs- projekt wurden 17 Schlüssel- prozesse für grosse soziale Einrichtungen eruiert. Diese unterliegen einem Auswahl- verfahren. 17 Risiko-Kontroll-Matrix mit Schlüsselprozessen Quelle: Sutter/Hunziker/Grab (2014), S. 139ff. Am Beispiel der «TOP-FIVE-Prozesse» (P1 bis und mit P5): Verbindung von Prozessen mit Risiken und Kontrollen in sozialen Einrichtungen (Vorgehen von «links nach rechts»). Schlüsselprozesse zu Schlüsselrisiken (mit Nr.-Beispiel) Schlüsselkontrollen (mit Nr.-Beispiel) P1 Zahlungsverkehr / Flüssige Mittel R 1.1. K 1.1. P2 Fakturierung / Debitoren R 2.1. K 2.1. P3 Leistungsbezug / Kreditoren R 3.1. K 3.1. P4 Löhne / Personaladministration R 4.1. K 4.1. P5 Berichtswesen / Rechnungslegung R 5.1. K 5.1. 18 5.2. IKS-Reifegrad Quelle: Sutter/Hunziker/Grab (2014), S. 48. Orientierungshilfe für die Zieldefinition: Welche IKS-Stufe soll in sozialen Einrichtungen erreicht werden? 6. Fazit und Best Practice für soziale Einrichtungen 6.1. Fazit - IKS-Diskussionen bei gewinn- und sachziel-orientierten Organisationen wurden auch in der Schweiz intensiv geführt (z. B. Swiss Foundation Code). - Folge davon war u.a. die Anpassung des Obligationenrechts (OR) und des Zivilgesetzbuchs (ZGB) im Jahre 2008 sowie 2012. - Seither gilt ein IKS als Pflichtelement jeder angemessenen Unternehmens- führung und somit des Führungsinstrumentariums. - IKS sollte aber nicht nur für die Erfüllung der gesetzlichen Mindestanforderungen betrieben werden. Es leistet auch als Instrument zur strategischen und operativen Führung in sozialen Einrichtungen hilfreiche Dienste. 19 6.2. Best Practice - Der im Forschungsprojekt erarbeitete «Best Practice-»Ansatz wurde u.a. mittels eines IKS-Leitfadenbuches, -Online-Tools und Kursen umgesetzt. - Das im Jahr 2011 publizierte IKS-Leitfadenbuch für NPO wurde 2012 in die französische und in die italienische Sprache übersetzt sowie 2014 aktualisiert herausgegeben. - Für die Stärkung des Führungsinstruments in sozialen Einrichtungen sollen die IKS-Erkenntnisse den Führungsverantwortlichen mehr Sicherheit bieten. - Dieser Sicherheitsaspekt lässt sich z. B. auch mit den Worten von Konfuzius ausdrücken: «Wer das Ziel kennt, kann entscheiden, wer entscheidet, findet Ruhe, wer Ruhe findet, ist sicher, wer sicher ist, kann überlegen, wer überlegt, kann verbessern», und somit auch zur Bewältigung des Wandels im Finanz- und Rechnungswesen von sozialen Einrichtungen beitragen. 20 21 21 Quellenangaben: Committee of Sponsoring Organizations of the Treadway Commission (2013). COSO for Smaller and Medium Enterprises (SME): Guidance for Smaller Public Companies Reporting on Internal Control over Financial Reporting. American Institute of Certified Public Accountants (AICPA), Jersey City, NJ. CURAVIVA Schweiz (2016), Jahresbericht 2014 abgerufen am 17.04.2016 unter: http://www.curaviva.ch/files/87RK8UO/jahresbericht_2014_von_curaviva_schweiz.pdf. Hunziker, St., Dietiker, Y., Schiltz, K. und Gwerder, L. (2015). Ganzheitliche Risikosteuerung in 10 Schritten – Risikomanagement und IKS für Schweizer Gemeinden, Haupt Verlag, Bern. Jäger, St. (2007). Managerkontrolle und Unternehmenswert. Verlag Neue Zürcher Zeitung, Zürich. Schmitz, D. und Zöbeli, D. (2016a). Finanzierung der sozialen Institutionen im Umbruch. Sozialpolitik, Soziale Sicherheit / CHSS / 1 / 2016, Zürich. Schmitz, D. und Zöbeli, D. (2016b). Soziale Institutionen: Finanzierung im Umbruch. Journal 21, 22.01.2016. Sutter, E., Zöbeli, D. und Dietiker, Y. (2017). Internes Kontrollsystem für staatlich finanzierte Nonprofit- Organisationen (S. 137 – 147); Hrsg. Theuvsen, L. et al. in Nonprofit-Organisationen und Nachhaltigkeit. Springer Verlag, Wiesbaden. Sutter, E., Hunziker, St. und Grab, H. (2014). IKS-Leitfadenbuch – Internes Kontrollsystem für Nonprofit- Organisationen. Haupt Verlag, Bern. Sutter, E. et al. (2011). Forschungsprojekt: Internes Kontrollsystem (IKS) für staatlich subventionierte NPOs ̶ Schlussbericht. FHNW, NPPM, Basel. Treuhand-Kammer (2007). Schweizerischer Prüfungsstandard: Prüfung der Existenz des Internen Kontrollsystems (PS 890). Abgerufen am 20. Februar 2014, von http://www.treuhandsuisse.ch/documents/PS_890.pdf. 22 Anhang: Rechtsgrundlage: Änderung im OR und ZGB ab 2012 Insbesondere Art. 728a Abs. 1 OR fordert: «Die Revisionsstelle prüft, ob: (…) 3. ein internes Kontrollsystem existiert (…).» Ordentliche Revision gemäss Art. 727 Abs. 1 Ziffer 2 OR: «Gesellschaften, die zwei der nachstehenden Grössen in zwei aufeinanderfolgenden Geschäftsjahren überschreiten: [1.1.2008 – 31.12.2011*)] [gültig ab 1.1.2012] a. Bilanzsumme von CHF 10 Millionen, CHF 20 Millionen b. Umsatzerlös von CHF 20 Millionen, CHF 40 Millionen c. 50 Vollzeitstellen im Jahresdurchschnitt.» 250 Vollzeitstellen Änderung gilt für alle Rechtsformen – also auch für Genossenschaften, Stiftungen etc. *) Achtung: Vereine in Art. 69b, Abs. 1 ZGB gemäss der bisherigen «10-20-50»-Regel).