LIVES WORKING PAPER 2019 / 76 OBDACHLOSIGKEIT, WOHNUNGSLOSIGKEIT UND PREKÄRES WOHNEN AUSMASS, PROFIL UND BEDARF IN DER REGION BASEL MATTHIAS DRILLING JÖRG DITTMANN TOBIAS BISCHOFF Mit einem Beitrag von ZSOLT TEMESVARY RESEARCH PAPER http://dx.doi.org/10.12682/lives.2296-1658.2019.76 ISSN 2296-1658 The National Centres of Competence in Research (NCCR) are a research instrument of the Swiss National Science Foundation LIVES Working Papers – Drilling et al. A u t h o r s Drilling, M. Dittmann, J. Bischoff, T. A b s t r a c t Über Ausmass und Struktur von Obdachlosigkeit in der Schweiz gibt es aktuell wenig empirische Erkenntnisse. Mit der vorliegenden Studie wurde am Beispiel der Region Basel erstmals für die Schweiz die europäische Typologie für Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und prekäre Wohnversorgung (ETHOS) angewendet und die Quantität, Qualität und Dynamik der Thematik erforscht. Methodisch baut die Studie auf einem Methodenmix auf: (1) stichtagsbezogene Nutzendenbefragung in 12 Einrichtungen der Obdachlosenhilfe (2) ethnographische Ansätze in vier dieser Einrichtungen während mehrerer Monate, (3) teilstrukturierte Interviews mit ExpertInnen, (4) Auswertung von Statistiken der Einrichtungen. Auf Basis der stichtagsbezogenen Nutzendenbefragung und unter Hinzuziehung der Ergebnisse einer Nachtzählung sowie der Statistik der Notschlafstelle ermittelt die Studie zum Zeitpunkt der Befragung rund 100 obdachlose Menschen in Basel. Von den 469 Befragten fallen insgesamt 206 unter die Kategorien Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit, ungesichertes Wohnen oder unzureichendes Wohnen. Aus der dynamischen Analyse resultiert, dass mit 362 Befragten rund 77% aller 469 Personen mindestens einmal in ihrem Leben obdachlos, wohnungslos oder in einer unzureichenden oder ungesicherten Wohnsituation waren oder es noch sind. Zudem zeigt sich eine hohe Zahl von Nutzenden aus den zentral- und osteuropäischen Ländern und eine eher geringe Zahl von Personen, die im Asylwesen betreut werden. Entsprechende an den Auftraggeber der Studie gerichtete Empfehlungen schlagen Veränderungen in der Vergabepraxis von Notschlafplätzen vor, diskutieren eine Housing-First Strategie und weisen auf den engen Zusammenhang von Obdachlosigkeit mit dem städtischen Wohnbestand hin. K e y w o r d s Obdachlosigkeit | Wohnungslosigkeit | Armut A u t h o r s ’ a f f i l i a t i o n s Fachhochschule Nordwestschweiz; Hochschule für Soziale Arbeit; Institut Sozialplanung, Organisationaler Wandel und Stadtentwicklung ISOS C o r r e s p o n d e n c e t o matthias.drilling@fhnw.ch * LIVES Working Papers is a work-in-progress online series. Each paper receives only limited review. Authors are responsible for the presentation of facts and for the opinions expressed therein, which do not necessarily reflect those of the Swiss National Competence Center in Research LIVES. Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und prekäres Wohnen in der Region Basel 1 Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und prekäres Wohnen Ausmass, Profil und Bedarf in der Region Basel Authors Matthias Drilling Jörg Dittmann Tobias Bischoff Mit einem Beitrag von Zsolt Temesvary Keywords Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit, Armut Authors’ affiliations Fachhochschule Nordwestschweiz; Hochschule für Soziale Arbeit; Institut Sozialplanung, Organisationaler Wandel und Stadtentwicklung ISOS Correspondence to matthias.drilling@fhnw.ch Abstract Über Ausmass und Struktur von Obdachlosigkeit in der Schweiz gibt es aktuell wenig empirische Erkenntnisse. Mit der vorliegenden Studie wurde am Beispiel der Region Basel erstmals für die Schweiz die europäische Typologie für Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und prekäre Wohnversorgung (ETHOS) angewendet und die Quantität, Qualität und Dynamik der Thematik erforscht. Methodisch baut die Studie auf einem Methodenmix auf: (1) stichtagsbezogene Nutzendenbefragung in 12 Einrichtungen der Obdachlosenhilfe (2) ethnographische Ansätze in vier dieser Einrichtungen während mehrerer Monate, (3) teilstrukturierte Interviews mit ExpertInnen, (4) Auswertung von Statistiken der Einrichtungen. Auf Basis der stichtagsbezogenen Nutzendenbefragung und unter Hinzuziehung der Ergebnisse einer Nachtzählung sowie der Statistik der Notschlafstelle ermittelt die Studie zum Zeitpunkt der Befragung rund 100 obdachlose Menschen in Basel. Von den 469 Befragten fallen insgesamt 206 unter die Kategorien Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit, ungesichertes Wohnen oder unzureichendes Wohnen. Aus der dynamischen Analyse resultiert, dass mit 362 Befragten rund 77% aller 469 Personen mindestens einmal in ihrem Leben obdachlos, wohnungslos oder in einer unzureichenden oder ungesicherten Wohnsituation waren oder es noch sind. Zudem zeigt sich eine hohe Zahl von Nutzenden aus den zentral- und osteuropäischen Ländern und eine eher geringe Zahl von Personen, die im Asylwesen betreut werden. Entsprechende an den Auftraggeber der Studie gerichtete Empfehlungen schlagen Veränderungen in der Vergabepraxis von Notschlafplätzen vor, diskutieren eine Housing-First Strategie und weisen auf den engen Zusammenhang von Obdachlosigkeit mit dem städtischen Wohnbestand hin. Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und prekäres Wohnen in der Region Basel 2 Inhaltsverzeichnis Zusammenfassung................................................................................................................................. 4 1 Ausgangslage..................................................................................................................................... 9 2 Methodik ........................................................................................................................................... 10 3 Obdachlosigkeit: Verständnis und Typologie .............................................................................. 13 3.1 Obdachlosigkeit hängt immer mit Wohnsituationen zusammen .......................................................... 13 3.2 ETHOS-Typologie und die 13 unterschiedlichen Wohnsituationen ..................................................... 14 4 Obdach- und Wohnungslosigkeit: Die Zählung ........................................................................... 16 4.1 Teilnahme und Rücklauf ...................................................................................................................... 16 4.2 Ausmass und Struktur.......................................................................................................................... 16 4.3 Vergleich Männer und Frauen ............................................................................................................. 18 4.4 Altersstruktur ........................................................................................................................................ 18 4.5 Lebensmittelpunkt Basel ...................................................................................................................... 19 4.6 Staatsangehörigkeit ............................................................................................................................. 19 4.7 Dauer der aktuellen Obdachlosigkeit ................................................................................................... 20 4.8 Wohneinschränkungen von Obdach- und Wohnungslosen ................................................................. 20 4.9 Wohnsituation von Personen mit Mietvertrag ...................................................................................... 21 4.10 Eingeschränkte Qualität der Wohnungen von Sozialhilfebeziehenden ............................................... 21 5 Obdachlosigkeit und Wohnungslosigkeit im Lebensverlauf ...................................................... 23 5.1 Grosse Erfahrung mit Obdachlosigkeit ................................................................................................ 23 5.2 Häufige Wechsel von Wohnsituationen ............................................................................................... 24 5.3 Finanzielle Probleme als Grund für den Verlust der eigenen Wohnung .............................................. 25 5.4 Vorschläge zur Bekämpfung von Obdach- und Wohnungslosigkeit .................................................... 26 6 „Strassenobdachlosigkeit“: Die Nachtzählung ............................................................................ 28 7 Einschätzungen aus Sicht der Institutionen ................................................................................. 29 7.1 Auftrag, Angebot und Selbstverständnis der Institutionen ................................................................... 29 7.2 Nutzende und Zielgruppen................................................................................................................... 30 7.3 Wohnsituationen und Wohnungssuche ............................................................................................... 37 7.4 Handlungsbedarf im Bereich Wohnungs- und Obdachlosigkeit aus Sicht der interviewten Institutionen ............................................................................................... 37 8 Aktuelle Übernachtungsgebote für Obdachlose .......................................................................... 39 8.1 Notschlafstelle...................................................................................................................................... 39 8.2 Notwohnungen ..................................................................................................................................... 41 8.3 Wohn- und Wohnungslosenhilfe: Beispiele Diakonische Stadtarbeit und Heilsarmee ........................ 42 Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und prekäres Wohnen in der Region Basel 3 9 Kontextanalyse: Wohnungsmarkt.................................................................................................. 44 9.1 Auf dem Basler Wohnungsmarkt herrscht Wohnungsnot .................................................................... 44 9.2 Anstiege der Mietpreise ....................................................................................................................... 45 9.3 Nicht jede Räumungsklage ist juristisch gesehen zulässig.................................................................. 46 9.4 Massnahmen des Kantons Basel-Stadt zur Bekämpfung von Wohnungsnot ..................................... 47 10 Umfeldanalyse: Nachbarkantone und Ausland ............................................................................ 48 10.1 Kanton Aargau ..................................................................................................................................... 48 10.2 Kanton Basel-Landschaft ..................................................................................................................... 48 10.3 Landkreis Lörrach (D) .......................................................................................................................... 48 10.4 Gemeinde Saint-Louis (F) .................................................................................................................... 50 11 Empfehlungen .................................................................................................................................. 52 Vorbemerkung .................................................................................................................................................... 52 Empfehlung 1: Strassenobdachlosigkeit in Basel beenden ............................................................................... 52 Empfehlung 2: Housing First Strategie für Basel entwickeln.............................................................................. 55 Empfehlung 3: Gesundheitsversorgung und -vorsorge verbessern ................................................................... 56 Empfehlung 4: Abrutschen in Obdachlosigkeit vermeiden – Wohnungslosigkeit und prekäres Wohnen bekämpfen .............................................................. 57 Empfehlung 5: Bekämpfung und Verhinderung von Obdachlosigkeit mit den Ansprüchen der Armutsbekämpfung verknüpfen........................................................... 58 Empfehlung 6: Kooperation der Institutionen stärken ........................................................................................ 60 Empfehlung 7: Monitoring aufbauen .................................................................................................................. 60 Literatur ................................................................................................................................................. 62 Abkürzungen ETHOS European Typology on Homelessness and Housing Exclusion FEANTSA European Federation of National Organisations Working with the Homeless (Europäischer Dachverband der NGOs der Obdachlosenhilfe) GISS Gesellschaft für innovative Sozialforschung und Sozialplanung e. V. Bremen PolG BW Polizeigesetz Baden-Württemberg SEM Staatssekretariat für Migration Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und prekäres Wohnen in der Region Basel 4 Zusammenfassung Für Basel gibt es keine aktuelle Untersuchung zum Thema Obdach- und Wohnungslosigkeit, die das Ausmass und die Struktur dieses gesellschaftlichen Problems beschreibt. Weil das Bedürfnis nach mehr Fakten vonseiten der Christoph Merian Stiftung, die zahlreiche Projekte im Bereich der Armutsbekämpfung in Basel fördert, gross war, wurde die vorliegende Studie möglich. Zudem wird in Politik und Gesellschaft, Praxis und Verwaltung eine in vielerlei Hinsicht normative und wenig auf Fakten beruhende Diskussion über Obdachlosigkeit geführt. Diese mit einer seit vielen Jahren bestehenden wissenschaftlichen Debatte zu bereichern war Ziel der Autoren dieser Studie. Zentral dabei ist es, das Verständnis von Obdachlosigkeit zu erweitern und mit Problemlagen der Wohnungslosigkeit, des prekären und unzureichenden Wohnens zu verbinden – ganz so, wie es die ETHOS-Typologie der Europäischen Dachorganisation der NGOs der Obdachlosenhilfe FEANTSA vorschlägt. Denn gerade auch in der Wechselwirkung zwischen den 13 Wohnsituationen gemäss Typologie und deren dynamischen Veränderungen auf der Ebene der Betroffenen identifizieren die Autoren der vorliegenden Studie eine der zentralen Herausforderungen für eine auf die Bekämpfung und Beseitigung von Obdach- und Wohnungslosigkeit ausgerichteten Sozialpolitik in der Schweiz. Durchgeführt wurden im Rahmen der Studie (1) eine schriftliche Befragung von betroffenen Menschen in 12 Hilfeeinrichtungen (Haupterhebung am 21.3.2018), (2) eine Nachtzählung im öffentlichen Raum in ausgewählten Gebieten Basels (in der Nacht vom 21.3. auf den 22.3.2018), (3) eine teilnehmende, lebensweltorientierte Beobachtung in ausgewählten Einrichtungen der Obdachlosenhilfe (Oktober 2017 bis März 2018), (4) Leitfadeninterviews mit relevanten Einrichtungen in der Region Basel (April bis August 2018) sowie (5) eine Kontext- und Umfeldanalyse. Die folgende Tabelle 1, die die Systematik der ETHOS-Typologie aufgreift, fasst die Datenlage für Basel-Stadt zusammen. Obschon aufschlussreiche Erkenntnisse aus der Befragung in 12 Einrichtungen abgeleitet werden können, stehen daraus gewonnene Verallgemeinerungen und Hochrechnungen unter Vorbehalten. Je nach ETHOS-Kategorie, die untersucht wurde, ist die Aussagkraft der aus der Befragung zu Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und prekärem Wohnen gewonnenen Ergebnisse unterschiedlich gross. Unter Hinzuziehung der Nachtzählung waren in der Nacht vom 21.3. auf den 22.3.2018 knapp 50 Personen in Basel ohne Obdach und schliefen draussen (z.B. Strasse, Park) bzw. verbrachten die Nacht in teilöffentlichen Gebäuden (Flughafen, Bahnhof). 50 Personen waren zur gleichen Zeit in einer Notunterkunft untergebracht, davon kamen 48 Personen in der Notschlafstelle unter. Hinzu kommen 2 Personen, die in einem Gotteshaus schliefen. Insgesamt waren im Zeitraum vom 20.3. bis 22.3.2018 schätzungsweise 100 Personen in Basel im Sinne der ETHOS-Typologie obdachlos. Was die Anzahl der Personen angeht, die in Übergangswohnungen, d.h. in einer Notwohnung der Sozialhilfe, in Einrichtungen für Menschen in Wohnungsnot und Wohnhilfen, in einer Asylunterkunft sowie Herbergen und Billigpensionen unterkommen, gibt es unterschiedlich gute Datenlagen. Zwar gibt es keine umfassende offizielle Statistik vonseiten der Sozialhilfe Basel-Stadt, doch wird die Zahl auf 200 Personen beziffert, die eine solche temporär angelegte Übergangswohnung für sich beanspruchen, wobei 103 Erwachsene und 97 Kinder in einer Notwohnung der Sozialhilfe leben. Die Anzahl der Menschen zu bestimmen, die sich in Einrichtungen für Wohnungsnot und Wohnhilfen befinden, ist kaum möglich, da die dafür infrage kommenden Einrichtungen keine Statistik über KlientInnen führen, die aufgrund einer fehlenden Wohnung in die Einrichtung kommen. In der Befragung gaben 37 Personen an, dass sie in einer solchen Einrichtung sind. Bereits die Angebote der in Basel ansässigen Heilsarmee und des ELIM stellen im stationären Bereich 113 Wohnplätze zur Verfügung. Eine solche Abweichung zwischen den in der Befragung ermittelten Personen und der Zahl der in aller Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und prekäres Wohnen in der Region Basel 5 Regel belegten Wohnplätze impliziert, dass nur ein geringer Anteil der Menschen in den stationären Wohnhilfen noch zusätzlich die in die Befragung einbezogenen Einrichtungen aufsucht. Tabelle 1: Ergebnisse zu Wohnungslosigkeit, Obdachlosigkeit, des ungesicherten und unzureichenden Wohnens, Basel 2018 Wohnsituation Befragung Ergänzende Hochrechnungen/ laut ETHOS-Typologie 2018 Informationen, Statistiken Erkenntnisse Obdachlos Menschen, die im öffentlichen 27 Personen 27 Personen (Nachtzählung; Ca. 47 Personen; Raum übernachten (z.B. 13.1% aller Überschneidung gegenüber Strasse, Park) Betroffenen Befragung ca. ¼, d.h. 7 wesentlich höhere Zahlen Personen) eher unwahrscheinlich Menschen in Notunterkünften 28 Personen 48 Personen in der 50 Personen; höhere (Notschlafstelle, Gotteshäuser) 13.6% aller Notschlafstelle (amtliche Zahlen eher Betroffenen Statistik, 21.3.18) unwahrscheinlich Wohnungslos 12 Personen 103 Erwachsene und 97 Übergangswohnungen 5.8% aller Kinder leben in einer (Notwohnung der Sozialhilfe) Betroffenen Notwohnung (amtliche 200 Personen Statistik, 9/2018) Einrichtungen Wohnungsnot 37 Personen Gesamtzahl existiert nicht Ergebnisse schwer und Wohnhilfen (z.B. 18.0% aller Heilsarmee: 84 Personen einzuordnen Heilsarmee, ELIM) Betroffenen ELIM: 29 Personen (2018) Minimum: 113 Personen Empfangs- und Verfahrenszentrum Basel: Asylunterkunft (z.B. Empfangs- 14 Personen 177 Personen (amtliche Befragungsergebnisse und amtliche Zahlen schwer und Verfahrenszentrum Basel, 6.8% aller Statistik, 21.3.18); 170 Kollektivunterkunft) Betroffenen Asylsuchende und vorläufig einzuordnen Aufgenommene in einer Kollektivunterkunft (amtliche Statistik 2017) 5 Personen in Menschen, die von der Befragung Gesamtzahl existiert nicht ; mind. 5 Personen; Einrichtungen (Gefängnissen, mit 767 aus dem Straf- und Befragungsergebnisse Psychiatrie) entlassen werden Wohnungsverlu Massnahmenvollzug schwer einzuordnen; und ohne Wohnung sind st aufgrund der Entlassene (amtliche grösseres Dunkelfeld wird Inhaftierung Statistik, 2017) vermutet mind. 5 Personen; Herbergen (Pension, Hotel, 5 Personen Gästehaus) 2.4% aller Gesamtzahl existiert nicht Ergebnisse schwer Betroffenen einzuordnen; grösseres Dunkelfeld wird vermutet Ungesichertes Wohnen 12 Personen Gesamtzahl existiert nicht; mind. 12 Personen; Wohnung ohne Mietvertrag 5.8% aller Geschätzte 4‘000 Sans- grösseres Dunkelfeld wird Betroffenen Papiers in Basel (B.S.S, 2015) vermutet Temporär wohnen müssen (bei 64 Personen mind. 64 Personen; PartnerIn, Verwandten, 31.1% aller Gesamtzahl existiert nicht grösseres Dunkelfeld wird Bekannten) Betroffenen vermutet Unzureichendes Wohnen Wohnprovisorien (Zelt, 5 Personen mind. 5 Personen; Campingwagen) 2.4% aller Gesamtzahl existiert nicht grösseres Dunkelfeld wird Betroffenen vermutet Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und prekäres Wohnen in der Region Basel 6 Die Zahlen der in einer Asylunterkunft untergebrachten Personen sind einfacher zu bestimmen. Am 21.3.2018 waren 177 Personen im Empfangs- und Verfahrenszentrum Basel untergebracht. Diese Menschen haben noch kein Bleibe- und kein Wohnrecht. Zudem waren laut Sozialhilfestatistik aus dem Jahr 2017 von den in der Sozialhilfe betreuten 457 Asylsuchenden und vorläufig Aufgenommenen insgesamt 170 in einer Kollektivunterkunft untergebracht, die im Sinne der ETHOS-Typologie als wohnungslos gezählt werden. . In der Befragung waren gerade einmal 14 Personen Asylsuchende... Bezüglich Menschen in stationären Einrichtungen, die bei Entlassung ohne Wohnung sind, liefert die durchgeführte Befragung für den Bereich Gefängnisse partielle Informationen. 5 Personen nannten in der Befragung, dass sie aufgrund ihrer Inhaftierung im Gefängnis ihre Wohnung verloren haben und derzeit wohnungslos sind. Dass sich die Wohnungsfrage für deutlich mehr Inhaftierte stellt, wird anhand der in dieser Studie einbezogenen Ausführungen der Bewährungshilfe und der Zahl von 767 Personen deutlich, die im aktuellen Zahlenspiegel des Amts für Justizvollzug im Jahr 2017 in Basel-Stadt aus dem Straf- und Massnahmenvollzug entlassen wurden. Bei wie vielen Menschen zum Zeitpunkt der Haftentlassung die Wohnsituation prekär ist und wie viele Menschen de facto ohne Wohnung bleiben, kann nicht genau beziffert werden. Viele Faktoren sprechen dafür, dass der Wohnungsverlust für Menschen mit längerer Haftverbüssung eine hohe Relevanz besitzt. Wie viele Menschen aufgrund einer fehlenden Wohnung in einer Herberge (z.B. Pension, Hotel) unterkommen, die finanziell für die Betroffenen noch erschwinglich ist, kann nicht gesagt werden. Dass 5 Befragte in einer solchen Wohnsituation sind, legt zwar eine geringe Relevanz nahe, jedoch wird ein deutlich grösseres Dunkelfeld vermutet. Was das ungesicherte Wohnen angeht, so kann weder die Zahl derjenigen ermittelt werden, die ohne Mietvertrag eine Wohnung beziehen, noch ist unklar, wie viele Menschen notgedrungen bei Bekannten oder Verwandten übernachten, weil sie keine eigene Wohnung haben. Die Befragungsergebnisse weisen darauf hin, dass ungesichertes Wohnen in Basel-Stadt weit verbreitet ist. 64 befragte Personen haben keine eigene Wohnung und bewältigen ihre Wohnungsnot, indem sie temporär bei anderen nächtigen. Der Umstand, dass diese Menschen die Einrichtungen der Obdachlosenhilfe aufsuchen, z.B. um etwas zu Essen, zeigt die prekäre materielle aber auch soziale und gesundheitliche Situation dieser Menschen auf. Mit Blick auf die 4000 Sans Papiers, die es in Basel schätzungsweise gibt und die in seltenen Fällen einen Mietvertrag haben, vermuten wir, dass ein weitaus grösserer Teil der Menschen in Wohnungsnot ohne Mietvertrag bei Dritten wohnt, diese jedoch nicht die 12 untersuchten Einrichtungen aufsuchen. Die Anzahl der Personen, die Wohnprovisorien nutzt und sich in diesem Sinne im unzureichenden Wohnen befindet, lässt sich ebenfalls schwer bestimmen. Die 5 in der Befragung ermittelten Personen als Gesamtzahl derjenigen zu verallgemeinern, die aufgrund von Wohnungslosigkeit im Zelt oder auf dem Campingplatz schlafen, ist aufgrund eines nicht abschätzbaren Dunkelfelds nicht empfehlenswert. Profil der Betroffenen Über das Profil der von Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit oder prekärem Wohnen betroffenen Personen liefert die schriftliche Befragung wichtige Erkenntnisse. Demzufolge sind mehr Männer als Frauen in Wohnungsnot und suchen die entsprechenden Einrichtungen auf. Von den 206 Betroffenen sind 167 Personen (81%) männlich und 38 Personen (19%) weiblich. Innerhalb der Altersstruktur der Betroffenen dominiert die Gruppe der 26- bis 50-Jährigen, was in Einklang steht mit vielen anderen Studien aus dem Ausland. Gleichzeitig befinden sich weniger jüngere und ältere Menschen unter den Obdach- und Wohnungslosen, und auch im ungesicherten und unzureichenden Wohnen sind jüngere Menschen unterrepräsentiert. Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und prekäres Wohnen in der Region Basel 7 An die Ergebnisse zur Altersstruktur der NutzerInnen und auch der ungleichen Geschlechterverteilung koppelt sich die Frage nach zielgruppengerechten Angeboten, ebenso wie sich die Frage stellt, ob der geringere Anteil jüngerer Menschen und Frauen in den Einrichtungen das Spiegelbild der Obdachlosensituation in Basel-Stadt ist, oder es besteht ein Dunkelfeld zu Lasten der jüngeren Altersgruppe und der betroffenen Frauen. Bemerkenswert sind die statistisch signifikanten Unterschiede in der Verteilung der Altersgruppen auf die verschiedenen Kategorien Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und prekäres Wohnen. Jüngere Menschen bewältigen Wohnungslosigkeit signifikant häufiger privat: im Fall von Wohnungslosigkeit übernachten 53% der 18- bis 25-Jährigen bei Bekannten und Verwandten. Mit zunehmendem Alter sinkt der Anteil derjenigen, die bei Dritten übernachten. Aufgrund der geringen Fallzahl ist die Aussagekraft der Ergebnisse zwar eingeschränkt, aber ältere Menschen übernachten aufgrund ihrer Wohnungsnot häufiger draussen als die Jüngeren. Zu den von Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit, ungesichertem oder unzureichendem Wohnen betroffenen Menschen gehören viele AusländerInnen. 51% der Betroffenen besitzen eine ausländische und 45% besitzen eine schweizerische Staatsangehörigkeit. Im Verhältnis zu ihrem Anteil in der Gesamtbevölkerung, deren Anteil in Basel-Stadt im Jahr 2017 36% beträgt, sind von Wohnungslosigkeit, Obdachlosigkeit und prekärem Wohnen betroffene AusländerInnen somit deutlich überrepräsentiert. Ein dezidierter Blick in die Gruppe der AusländerInnen offenbart einen höheren Anteil von Personen mit osteuropäischem Pass, deren Anteil 31% beträgt. Ursachen des Wohnungsverlusts Viele Betroffene weisen Multiproblemlagen auf, die die Wohnungsnot erklären. Eher selten sind punktuelle Belastungen aus einzelnen Lebensbereichen (Arbeit, Familie, Gesundheit) für den Verlust der Wohnung und den Weg in die Wohnungslosigkeit ausschlaggebend. Knapp die Hälfte der befragten Betroffenen, die aktuell wohnungslos ist oder früher in ihrem Leben wohnungslos war, gibt finanzielle Probleme als Ursache für den Verlust der Wohnung an. Bei 55 Personen, vornehmlich Männern, ist diese Einkommensarmut mit dem Verlust des Arbeitsplatzes gepaart. Mit der Einkommensarmut wird bei einem Teil auch die Kündigung oder das Ende des Mietvertrags wahrscheinlicher. Gesundheitliche Probleme werden am dritthäufigsten genannt, erklären aber selten alleine den Verlust der Wohnung. Hinzu kommen Beziehungsprobleme. Die Auswertungen der „offenen“ Antworten bringen vonseiten der Betroffenen als weitere Ursachen Fluchterfahrungen, Probleme mit dem Aufenthaltsstatus und Inhaftierungen hervor. Der Verlust der Wohnung ist nur sehr vereinzelt (bei 3 Personen) eine freiwillige Entscheidung. Dass vor allem Verarmungsprozesse den Wohnungsverlust erklären, wird an den finanziellen Problemen und dem Verlust der Arbeit erkennbar, welche aus Sicht der Betroffenen häufig kombiniert als Ursachen genannt werden. Kommen gesundheitliche und familiäre Problemen hinzu, setzt sich die Abwärtsspirale für diese Menschen meist fort. Das bestehende Hilfesystem stösst im Umgang mit den multiplen Problemlagen dieser Menschen offensichtlich an Grenzen. Verläufe 77%, d.h. 362 der 469 Befragten sind oder waren in ihrem Leben mindestens einmal obdachlos oder wohnungslos, oder sind oder waren in einer ungesicherten oder unzureichenden Wohnsituation gemäss ETHOS-Typologie. 180 Personen (davon 31 Frauen) haben irgendwann in ihrem Leben aufgrund einer fehlenden Wohnung draussen übernachtet. Auch im Lebensverlauf sind Männer häufiger in prekären Wohnsituationen als Frauen. Von allen 764 Nennungen der Befragten stammen 617 von Männern (81%). Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und prekäres Wohnen in der Region Basel 8 Empfehlungen Die in dieser Studie vorgeschlagenen Empfehlungen und Massnahmen resultieren aus den Ergebnissen und Erkenntnissen der quantitativen Zählung, der Lebensweltanalyse von Betroffenen, den Interviews mit VertreterInnen der Praxisinstitutionen, den Kontext- und Umfeldanalysen sowie den insgesamt 6 Workshops mit VertreterInnen der Praxiseinrichtungen und eingeladenen Fachkräften. Aufgrund des pilothaften Charakters der Studie sind die Empfehlungen grundsätzlicher Natur und gehen nur wenig auf operative Aspekte ein. Uns schien es grundsätzlich wichtig eine strategische Haltung zur Thematik zu fördern und darauf aufbauend erste Massnahmen zu formulieren. Basel hat die Möglichkeit, den vulnerabelsten Menschen unter den Obdachlosen mehr Sicherheit zu bieten; Strassenobdachlosigkeit in Basel kann beendet werden (Empfehlung 1). Dazu schlagen wir ein Pilotprojekt der „bedingungslosen Notschlafstelle“ oder einer zivilgesellschaftlichen Alternative vor. Zudem bedarf es mehr Privatheit für diejenigen Menschen, die kein Obdach haben; hierzu gehört eine Klärung der Öffnungszeiten von Hilfeeinrichtungen, von Ruheräumen und Möglichkeiten zur Aufbewahrung von persönlichen Dingen. An rund 100 Menschen muss hier gedacht werden und das erscheint uns für die Stadt Basel als sehr gut möglich. Obdach- und Wohnungslosigkeit empfehlen wir durch eine Housing First Strategie zu begegnen (Empfehlung 2). Die berichteten und erforschten Erfolge aus anderen europäischen Ländern sowie aus Nordamerika unterstreichen die Auffassung, fehlende Wohnkompetenzen nicht als Voraussetzung des Wohnens zu definieren, sondern im Prozess des Wohnens erst zu erwerben. Es braucht eine „Übersetzung“ für Basel und diese sehen wir in der Kombination mit Angeboten des begleiteten Wohnens, die eine ausgewiesen wichtige Bedeutung in der Stadt Basel haben. Aufgrund der prekären gesundheitlichen Zustände der Menschen in Obdach- und Wohnungslosigkeit und im ungesicherten und unzureichenden Wohnen ist eine Verbesserung der Gesundheitsversorgung und –vorsorge dringend geboten (Empfehlung 3). Ein Hilfesystem aus Fachpersonen medizinischer und anderer Berufe wird hierzu skizziert. Der überschaubaren Zahl von obdach- und wohnungslosen Personen in Basel steht eine weitaus grössere Anzahl an Menschen gegenüber, die in diese Situation abrutschen können (z.B. weil sie sich in prekären Wohnsituationen befinden). Empfehlung 4 schlägt eine Stärkung der IG Wohnen sowie eine grundsätzlich offenere Haltung gegenüber den Formen des experimentellen Wohnens vor. Obdach- und Wohnungslosigkeit sowie prekäres Wohnen kann aus Sicht der Betroffenen vor allem durch ein geregeltes Einkommen bekämpft werden. Daher schlagen wir eine Vertiefung der schon bestehenden Möglichkeiten vor (z.B. „Minijobs“), aber eben auch eine Verknüpfung der gesamten Thematik mit den Massnahmen im Rahmen der Armutsbekämpfung, wie sie z.B. durch das Nationale Programm gegen Armut empfohlen werden (Empfehlung 5). An diese Idee schliessen sich auch die letzten beiden Empfehlungen 6 und 7 an. Die in dieser Studie durchgeführte Zählung sollte in ein auf Dauer gestelltes Monitoring (Empfehlung 7) übergehen. Eine Beobachtung, die die guten Erfolge der Kooperation zwischen den an der Studie beteiligten Institutionen (inkl. der benachbarten Länder) weiter vertieft (Stärkung des Netzwerkes, Empfehlung 6) und damit zu einer Datenlage führt, die über eine regelmässige Beurteilung kontinuierliche Anpassungen ermöglicht. Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und prekäres Wohnen in der Region Basel 9 1 Ausgangslage Obdachlosigkeit wird mit einer akuten Notlage in Verbindung gebracht. Denn ohne Wohnung zu sein unterschreitet einen allgemein anerkannten Lebensstandard: insbesondere Bedürfnisse nach Sicherheit und Schutz, Erholung und Intimität können nicht oder nur eingeschränkt befriedigt werden. Zudem werden mit obdachlosen Menschen physische Deprivationen wie Hunger und Durst verknüpft. Obdachlosigkeit wird sowohl als unfreiwilliger Ausschluss wie auch als freiwilliger Rückzug aus der Gesellschaft verstanden. Angesichts dieser Tragweite des gesellschaftlich relevanten Problems erstaunt es, wie wenig empirisch gesichertes Wissen über Obdachlosigkeit in der Schweiz existiert. Entsprechend dünn ist deshalb auch die Aussagekraft der Sozialpolitik. Und auch professionellen AkteurInnen fehlen wissenschaftlich gesicherte Positionen, um gegen verbreitete Bilder und Stereotypen in Gesellschaft und Politik zu argumentieren. Diese Leerstellen waren Ausgangspunkt der vorliegenden Studie. In einem gemeinsam mit der Praxis der Obdachlosenhilfe in der Stadt Basel sowie Lörrach (D) konzipierten Vorgehen wurden für die Stadt Basel die Zahl und die Lebenslagen von Menschen, die von Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und Formen des prekären Wohnens betroffen sind, erfasst und analysiert. Dabei wogen wissenschaftliche Fragestellungen zu einem in der Schweiz untererforschten Phänomen gleichermassen wie umsetzungsorientierte Aspekte. Entsprechend wurde die Studie prozessorientiert angelegt (s. Abbildung 1) und auch vonseiten der Hochschule mit Eigenmitteln ausgestattet. Von ausserwissenschaftlicher Seite war die Christoph Merian Stiftung (CMS) Hauptfinanzierungspartnerin; die Sozialhilfe des Kantons BS leistete einen kleineren Finanzbetrag. Die Organisationen in der Praxis beteiligten sich auf eigene Kosten an dem insgesamt 24-monatigen Prozess. Um die oben beschriebene Zielsetzung, eine wissenschaftlich gesicherte Lageanalyse von Menschen, die von Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und Formen des prekären Wohnens betroffen sind, im Folgenden darzustellen, haben wir uns entschiedenen, die Zählung als roten Faden des vorliegenden Berichtes zu verwenden. Zum einen liegt eine solche für Basel aktuell nicht vor, und zum anderen hat die Zählung objektive Daten hervorgebracht, die von den verschiedenen AkteurInnen genutzt werden können, um sich dazu fachlich zu positionieren. Gerade auch den Praxisinstitutionen hoffen wir so eine Grundlage zur Verfügung stellen zu können. Und für die Hauptfinanzierungspartnerin, die Christoph Merian Stiftung, liefern wir ein Argumentarium, um das eigene Handeln gegenüber dem Stiftungszweck („Linderung der Noth und des Unglückes“ und die „Förderung des Wohles der Menschen““ in der Stadt Basel, siehe Leitbild CMS) zu reflektieren. Abbildung 1: Ablauf der Studie Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und prekäres Wohnen in der Region Basel 10 2 Methodik Angesichts der unterschiedlichen Zielsetzungen der Studie wurden zahlreiche Methoden angewendet: • Die quantitative Erhebung („Zählung“) diente der Erfassung der Zahl von Menschen, die von Obdach- und Wohnungslosigkeit sowie Formen des prekären Wohnens betroffen sind und zur Beschreibung von deren Lebenslagen. Die Erhebung basiert auf einem kombinierten Vorgehen, bestehend aus: o einer schriftlichen Befragung von Menschen, die Unterstützungsangebote und Hilfen der Einrichtungen der Obdachlosenhilfe in Anspruch nehmen, o einer Nachtzählung im öffentlichen Raum in ausgewählten Gebieten Basels, o Auswertungen von Statistiken und weiteren Informationen aus Einrichtungen, die mit Menschen in Obdachlosigkeit zu tun haben. In einem ersten Schritt wurden mittels Analyse der in Basel bestehenden Angebote insgesamt 12 relevante Einrichtungen identifiziert. Diese Auswahl wurde durch Fachleute aus der Basler Obdachlosenhilfe und der Wohnbegleitung, den Auftraggebenden und weiteren ExpertInnen unterstützt. Bei den Einrichtungen handelt es sich um: Café ELIM – Diakonische Stadtarbeit www.stadtarbeitelim.ch/index.php/cafe Frauenoase www.frauenoase.ch Gassenküche Basel www.gassenkueche-basel.ch Kontakt- und Anlaufstelle Dreispitz www.suchthilfe.ch/kontakt-und-anlaufstellen.html Kontakt- und Anlaufstelle Riehenring www.suchthilfe.ch/kontakt-und-anlaufstellen.html Notschlafstelle Kanton Basel-Stadt www.sozialhilfe.bs.ch/notwohnen/notschlafstellen.html Schwarzer Peter-Verein für Gassenarbeit www.schwarzerpeter.ch Soup and Chill www.soupandchill.com Tageshaus für Obdachlose www.stiftungsucht.ch/tageshaus-fuer-obdachlose Treffpunkt Glaibasel www.treffpunktglaibasel.ch Treffpunkt Gundeli www.treffpunktgundeli.ch Werkstatt Jobshop www.stiftungsucht.ch/werkstatt-jobshop Da die NutzerInnen häufig mehrere Einrichtungen aufsuchen, bestand bei der Befragung das Risiko der Doppelzählung. Um eine solche Doppelzählung und eine damit verbundene Überschätzung und verzerrte Struktur der Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und des prekären Wohnens zu vermeiden, wurde die Befragung mit Ausnahme der Befragung im „Schwarzen Peter“ am gleichen Tag durchgeführt. Jeweils zu Beginn des Interviews wurden die Teilnehmenden gefragt, ob sie an diesem Tag oder am Vortag in der Einrichtung „Schwarzer Peter“ an einer solchen Befragung bereits teilgenommen haben. Für die Durchführung der Befragung wurden 40 Studierende aus der Sozialen Arbeit und benachbarter sozialwissenschaftlicher Fächer (z.B. Soziologie) als InterviewerInnen eingesetzt. Diese wurden auf die Interviews und das Interviewsetting vorbereitet. In Einrichtungen, die mit Blick auf die Befragung als besonders herausfordernd eingeschätzt wurden, wurden Studierende als InterviewerInnen herangezogen, die das Befragungssetting (d.h. Orte, Menschen, Abläufe) z.B. aufgrund eines Studienpraktikums bereits gut kennen. Die Befragung wurde in enger Kooperation mit allen 12 Einrichtungen durchgeführt. Um die NutzerInnen der Angebote für die Teilnahme zu motivieren, wurden Incentives, u.a. Essensbons, Speichersticks und Gutscheine der Caritas beider Basel für den Erwerb von Lebensmitteln, eingesetzt. Die Befragung wurde am 21.3.2018 durchgeführt bzw. am 20.3.2018 und 22.3.2018 im „Schwarzen Peter“. An diesen beiden Tagen werden diejenigen NutzerInnen, Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und prekäres Wohnen in der Region Basel 11 die eine Meldeadresse beim „Schwarzen Peter“ hinterlegt haben, gebeten, ihre Post abzuholen. Dadurch wurde für diese Einrichtung eine möglichst grosse NutzerInnenzahl sichergestellt. Zusätzlich zur Befragung in 12 Einrichtungen wurde eine Nachtzählung in ausgewählten Gebieten Basels durchgeführt. Auf eine flächendeckende Zählung der Strassenobdachlosigkeit in Basel wurde bewusst verzichtet. Denn die Erfahrungswerte (Gespräche mit den Fachpersonen, eigene Beobachtungen, Vorstudien) gaben wenig Anlass zur Annahme, dass der quantitative Schwerpunkt in der offenen Strassenobdachlosigkeit zu suchen ist. Für die Nachtzählung wurden unter Hinzuziehung zahlreicher ExpertInnen 10 Erhebungsgebiete ausgewählt: Claramatte SBB-Areal Horburgquartier/-park Flughafen Euro Airport Lysbüchel St. Johannspark und Rheinufer Matthäuskirchplatz Badischer Bahnhof Erlenmatt Hafengebiet Klybeck Die genauere Lokalisierung der Örtlichkeiten, in denen Obdachlose angetroffen wurden, wird im folgenden Bericht bewusst vermieden, dies vor allem aus Rücksichtnahme gegenüber den Betroffenen. Eine solche Zählung ist in der Schweiz nach bisherigem Kenntnisstand noch nicht durchgeführt worden. Um ein besseres Gesamtbild der Obdachlosigkeit zu erhalten, wurde die Nachtzählung zum Zeitraum der Hauptbefragung, d.h. in der Nacht vom 21.3. auf den 22.3.2018 in der Zeit von 23 Uhr bis 2 Uhr mit insgesamt 16 FeldbeobachterInnen durchgeführt. In diesem Zeitraum sind die FeldbeobachterInnen das ihnen zugewiesene Gebiet jeweils zu zweit mindestens zwei Mal durchgegangen. Die Temperatur lag in dieser Nacht knapp um den Gefrierpunkt. Während der Feldbeobachtung wurde die grosse Herausforderung bei der Identifikation von Strassenobdachlosigkeit deutlich. Die Zählung basiert vor allem auf reiner Augenscheinnahme, d.h. die vorher geschulten BeobachterInnen analysierten die Situation anhand eines Kriterienkatalogs, sprachen die Person jedoch nicht an. In teilprivaten Gebäuden (Flughafen, Bahnhof) war es nahezu unmöglich, Obdachlose anhand der gegebenen (Schlaf)- Situation zu bestimmen. Aus diesem Grund nahmen die FeldbeobachterInnen dort zusätzlich Kontakt mit den dort anzutreffenden Personen auf. Es stellte sich heraus, dass einige der angesprochenen Personen obdachlos waren. Sie wären aufgrund der reinen Beobachtung, d.h. ohne Kontaktaufnahme nicht als obdachlos eingestuft worden. • Für die Herausarbeitung der Bedarfslagen aus der Sicht der Menschen, die von Obdach- und Wohnungslosigkeit betroffen sind, wurden ethnographische Methoden angewendet: Während rund 3 Monaten nahm eine Person des Forschungsteams an den Arbeiten der Teams in den Institutionen „Soup and Chill“, „Verein Gassenküche Basel“, „Treffpunkt Glaibasel“ sowie „Tageshaus für Obdachlose“ teil (z.B. Küche, Essensausgabe) und knüpfte dabei Kontakte zu den Betroffenen. Im Prozessverlauf konnte diese Rolle als „ehrenamtlicher Mitarbeiter“ immer mehr verlassen werden, denn die Person war den NutzerInnen bekannt und die Gespräche konnten auch spontan stattfinden. Die Gespräche wurden in Feldtagebüchern festgehalten, teils in Form von Gedächtnisprotokollen, teils als Mitschriften während der Gespräche. Zudem konnten einzelne Gespräche aufgenommen werden und liegen als Transkripte vor. Diese Transkripte waren Ausgangspunkt für weitere Gespräche mit denselben Betroffenen. Insgesamt wurden Gespräche mit rund 40 Personen in 4 Einrichtungen geführt, mit 12 Personen fanden Gespräche über mehrere Monate statt. Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und prekäres Wohnen in der Region Basel 12 • Um Bedarfslagen zu vertiefen und gezielt auf die Themen „Sans-Papiers“, „mittellose mobile BürgerInnen aus Zentral- und Osteuropa“ sowie „Personen mit psychischen Erkrankungen“ einzugehen, wurden 16 Interviews mit Institutionenvertretungen durchgeführt. Zu den interviewten Institutionen gehören die Tageseinrichtungen im Bereich Schadensminderung und Überlebenshilfe, ausgewählte Institutionen aus dem Bereich des betreuten und begleiteten Wohnens, welche dem Thema Obdachlosigkeit nahestehen, sowie Institutionen, welche mit dem Thema Wohnungs- und Obdachlosigkeit konfrontiert sind. Ergänzend wurde mit je einer zentralen Stelle aus den benachbarten Gemeinden Lörrach und Saint-Louis ein Interview durchgeführt. Folgende Institutionen wurden in die Interviews einbezogen: Centre Communal d’Action Sociale Saint-Louis (F) www.saint-louis.fr/Action-sociale/8 ELIM – Diakonische Stadtarbeit www.stadtarbeitelim.ch Frauenoase www.frauenoase.ch Gassenküche Basel www.gassenkueche-basel.ch Heilsarmee Wohnen wohnen.heilsarmee-basel.ch IG Wohnen www.ig-wohnen.ch JuAr Jugendberatung www.jugendberatung-juarbasel.ch Kontakt- und Anlaufstellen Suchthilfe www.suchthilfe.ch/kontakt-und-anlaufstellen.html Schwarzer Peter–Verein für Gassenarbeit www.schwarzerpeter.ch Soup and Chill www.soupandchill.com Sozialdienst UPK www.upk.ch/erwachsene/behandlungsangebote/hilfe-im-alltag.html Stiftung Wohnhilfe www.wohnhilfebasel.ch Tageshaus für Obdachlose www.stiftungsucht.ch/tageshaus-fuer-obdachlose Treffpunkt Glaibasel www.treffpunktglaibasel.ch Treffpunkt Gundeli www.treffpunktgundeli.ch Wohnungslosenhilfe Lörrach (D) www.wohnungslosenhilfe-loerrach.de Die Interviews dauerten im Durchschnitt rund 45 Minuten und wurden zusammengefasst. Den Interviews lag ein Leitfaden mit 4 thematischen Blöcken zugrunde: (1) Fragen nach dem Auftrag, Verantwortungsbereich und Selbstverständnis der Institution (2) spezifische NutzerInnengruppen sowie Entwicklung in den letzten Jahren (3) Wohnsituationen und Erfahrungen bei der Wohnungssuche des Klientels bzw. der Gäste mit eine besonderen Fokus auf den Wohnungsmarkt und Wohnarrangements, (4) Handlungsbedarf im Bereich der Wohnungs- und Obdachlosigkeit und konkrete Projektideen. Mit folgenden weiteren Stellen wurden im Rahmen der Vorstudie Interviews durchgeführt: Anlaufstelle für Sans-Papiers www.sans-papiers.ch/index.php?id=105 Internetcafé Planet 13 https://planet13.ch Interprofessionelle Gewerkschaft der ArbeiterInnen viavia.ch/iga Sozialhilfe Basel-Stadt: Notwohnen www.sozialhilfe.bs.ch/notwohnen.html Surprise www.surprise.ngo • Die Analyse der Lebenslagen mittelloser mobiler BürgerInnen aus Zentral- und Osteuropa wird in einem gesonderten Projekt vertieft und läuft deshalb noch. In dieser Studie wurden explorative Interviews durchgeführt. Die Gespräche wurden während mehrerer Wochen in verschiedenen Institutionen geführt. Im Zentrum standen Menschen aus Ungarn. Die Gespräche wurden auf Ungarisch geführt, aufgenommen und transkribiert. Zum Zeitpunkt dieses Berichtes lagen Beschreibungen von insgesamt 6 Personen vor. • Die ebenfalls noch andauernde Analyse der Lebenslagen von Geflüchteten in den Institutionen der Obdachlosenhilfe basiert auf der Befragung von Menschen aus Eritrea und Äthiopien. Sie wurden mithilfe von Leitfrageninterviews in den Sprachen Tigrinya und Amharisch geführt. Zum Zeitpunkt dieses Berichtes liegen noch keine Transkripte vor. Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und prekäres Wohnen in der Region Basel 13 3 Obdachlosigkeit: Verständnis und Typologie 3.1 Obdachlosigkeit hängt immer mit Wohnsituationen zusammen Zu obdachlosen Personen werden in der Fachliteratur häufig diejenigen Menschen gezählt, die auf der Strasse leben, auf öffentlichen Plätzen wohnen oder ohne Unterkunft sind, die als solche bezeichnet werden kann. Als obdachlos gilt zudem, wer in Notunterkünften (Notschlafstellen) untergebracht ist oder in niederschwelligen Einrichtungen übernachtet (Drilling/Dittmann, im Erscheinen). In der vorliegenden Studie greifen wir dieses Verständnis von Obdachlosigkeit auf, folgen zugleich aber auch einem erweiterten Blick auf die Thematik, welcher problematische bzw. problematisierte Wohnsituationen einschliesst und damit über die oben genannten Formen von Obdachlosigkeit hinausgeht. Für diesen Zweck wurde vom Europäischen Dachverband der Obdach- und Wohnungslosenhilfe (FEANTSA 2018) die europäische Typologie für Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und prekäre Wohnversorgung (ETHOS) entwickelt. Die ETHOS-Typologie setzt die fehlende Wohnung als Bezugspunkt und erweitert das Verständnis um weitere Formen des prekären Wohnens. Nach Edgar (2012) ist Wohnen dann gegeben, wenn (1) es dafür einen legalen Rechtstitel gibt (rechtlicher Bereich), (2) die Person (und ihre Familie) die ausschliesslichen Besitz- und Nutzungsrechte ausüben kann (physischer Bereich) und (3) Privatheit aufrechterhalten und Beziehungen gepflegt werden können (sozialer Bereich). Was unterscheidet Obdachlosigkeit von Wohnungslosigkeit? Obdachlosigkeit im Sinne der ETHOS- Typologie rekurriert auf die anfangs beschriebenen Situationen: Menschen leben auf der Strasse, auf öffentlichen Plätzen oder sind in einer nicht für Wohnzwecke (gemäss Edgar 2012) gedachten Unterkunft. Auch wer in Notunterkünften wie der Notschlafstelle in Basel-Stadt schläft, gilt als obdachlos. Wohnungslos im Sinne der ETHOS-Typologie sind Menschen, diefür eine befristete Dauer in Einrichtungen für Wohnungslose wohnen. Durch den Erhalt einer Notwohnung der Sozialhilfe Basel- Stadt sind die drei Voraussetzungen des Wohnens im Sinne Edgars zwar unmittelbar erfüllt. Dennoch subsumieren wir diejenigen mit einer Notwohnung unter wohnungslos, weil die Notwohnungen als befristete Übergangswohnungen für von Wohnungslosigkeit betroffenen Menschen bestimmt sind (siehe Kapitel 8.2). Zudem werden auch Frauen, die wegen häuslicher Gewalt ihre Wohnung verlassen haben und kurz- bis mittelfristig in einer Schutzeinrichtung beherbergt sind, als wohnungslos gezählt. Auch Geflüchtete und andere ImmigrantInnen gelten als wohnungslos, wenn sie in Aufnahmeeinrichtungen für Geflüchtete oder GastarbeiterInnen untergebracht sind. Als wohnungslos gelten zudem Personen in stationären, die aufgrund einer fehlenden Wohnung in Strafanstalten, medizinischen Einrichtungen oder Jugendheimen freiwillig bleiben. Zusätzlich zu den Kategorien „obdachlos“ und „wohnungslos“ integriert die ETHOS-Typologie die Kategorien zu prekärer Wohnversorgung, womit das ungesicherte und unzureichende Wohnen gemeint sind. Unter ungesichertes Wohnen fallen Menschen, die keinen regulären Wohnraum für sich deklarieren können und deshalb temporär Unterschlupf suchen müssen, z.B. bei FreundInnen, Bekannten, Verwandten, oder die aufgrund der Wohnungslosigkeit beim Partner bzw. bei der Partnerin wohnen müssen, oder die von Zwangsräumungen bedroht sind. Unzureichendes Wohnen bezieht das Wohnen in Behausungen ein, welche für konventionelles Wohnen nicht gedacht sind. Dazu gehören z.B. Garagen, Keller, Dachböden und Zelte. Zudem gehören unzweckmässige Räume in die Kategorie des unzureichenden Wohnens, wenn diese Räume z.B. kurz vor Abbruch stehen oder weil sie überbelegt sind oder Mindestgrössen unterschreiten. Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und prekäres Wohnen in der Region Basel 14 3.2 ETHOS-Typologie und die 13 unterschiedlichen Wohnsituationen Insgesamt differenziert die ETHOS-Typologie zwischen 13 unterschiedlichen Wohnsituationen (siehe Tabelle nächste Seite). Damit öffnet sie sich gegenüber der Komplexität des Phänomens. Die Typologie sensibilisiert nicht nur für den Zusammenhang zwischen Obdachlosigkeit und der Wohnsituation, sondern auch für die unterschiedlichen und häufig versteckten Formen prekären Wohnens: insbesondere das unfreiwillige Übernachten bei FreundInnen, Bekannten oder Verwandten. Die Typologie ist zudem gegenüber den in der Praxis häufig zu beobachtenden Pendelbewegungen zwischen unterschiedlichen Formen der Wohnungslosigkeit offen. Die Verwendung der Typologie bietet einen weiteren Vorteil: International wird bei der Messung von Wohnungsnot zunehmend auf die ETHOS-Typologie Bezug genommen, womit ein Vergleich des Ausmasses und der Struktur von Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und prekärer Wohnsituationen möglich wird. Die Verwendung der Typologie ist methodisch herausfordernd und es gibt auch inhaltliche Kritik: So ist die begriffliche Unterscheidung zwischen Obdachlosigkeit und Wohnungslosigkeit auslegebedürftig.1 Obdachlosigkeit wird im deutschsprachigen Fachdiskurs entweder mit Wohnungslosigkeit gleichgesetzt, als besondere Ausformung von Wohnungslosigkeit verstanden oder als eigene Kategorie gesetzt (Ludwig-Meyerhofer 2008). Jemand kann durchaus ein Obdach (z.B. bei FreundInnen und Bekannten oder in einer Institution) haben, jedoch keine eigene Wohnung: Diese Person gilt als „wohnungslos“, jedoch nicht als „obdachlos“. Eine Wohnung kann aber auch als institutionalisierte Form eines Obdachs verstanden werden. In diesem Sinne wären Obdach und Obdachlosigkeit Oberbegriffe, welche Wohnen und Wohnungslosigkeit miteinschliessen. Weiterhin bestehen inhaltliche Abgrenzungsschwierigkeiten zwischen den in der Typologie verwendeten Kategorien. So etwa die Abgrenzung von obdachlosen Menschen, die in Verschlägen wohnen, gegenüber Menschen, die ungesichert wohnen, weil sie in einer Garage unterkommen. Zudem können die Grenzen des Übergangs von einer zu anderen Wohnformen fliessend sein, wie das bei Frauen der Fall ist, die in Frauenhäusern wegen Gewalt durch den Partner Schutz suchen. Sie gelten in dem Moment des Eintritts in das Frauenhaus als wohnungslos. Wenn sie jedoch in ihre Wohnung zurückkehren, hängt ihr Wohnstatus nach der ETHOS-Typologie davon ab, ob sie die Wohnung mit der Person teilen (z.B. Partner) und ob sie weiterhin von Gewalt bedroht werden oder nicht. Werden Frauen in ihrer Wohnung nach ihrer Rückkehr weiterhin bedroht, sind sie laut ETHOS-Typologie der Kategorie des ungesicherten Wohnens zugehörig; ist dies nicht der Fall befindet sich die betreffende Person im Bereich des gesicherten Wohnens und fällt somit aus dem gesamten Raster der ETHOS-Typologie. Zudem werden einige Kategorien z.B. die Kategorie der Unterbringung in einem Asylzentrum als eine Form der Wohnungslosigkeit in der internationalen Debatte kritisch diskutiert (Mouzourakis/Taylor 2016). Auch liefert die Typologie keine Antworten auf Zuständigkeiten und Regelungen: Weder ist die juristische Relevanz und staatliche Verantwortlichkeit durch Vorliegen einer beschriebenen Wohnsituation geklärt, noch liefert die Typologie Antworten auf Fragen der sozialrechtlichen Zuständigkeit. Entscheidend für unsere Wahl der ETHOS-Typologie ist, dass sie die zahlreichen prekären Wohnsituationen anerkennt, denen Menschen ausgesetzt sein können und von denen gravierende und bedrohliche, z.B. die Gesundheit beeinträchtigende Belastungen ausgehen. Diese Belastungen begründen Hilfen und professionelle Unterstützung, welche Ausgangspunkt dieser Studie sind. 1 Die englische Unterscheidung zwischen „rooflessness“ für Obdachlosigkeit und „houselessness“ für Wohnungslosigkeit ist etwas präziser und beide Formen fallen unter die Kategorie von „homelessness, wofür es im Deutschen zwei Übersetzungsangebote „Wohnungslosigkeit“ und „Obdachlosigkeit“ gibt, was begrifflich verwirrend ist. Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und prekäres Wohnen in der Region Basel 15 Tabelle 2: ETHOS – Europäische Typologie für Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und prekäre Wohnversorgung (FEANTSA 2018) ETHOS Europäische Typologie für Wohnungslosigkeit Operative Kategorie Wohnsituation Definition im öffentlichen Raum, in Verschlägen, Auf der Straße lebend, an öffentlichen Plätzen 1 Obdachlose Menschen 1.1 unter Brücken etc. wohnend, ohne eine Unterkunft, die als solche bezeichnet werden kann Menschen ohne festen Wohnsitz, die in 2 Menschen in Notunterkünften 2.1 Notschlafstellen, Wärmestuben Notschlafstellen und niederschwelligen Einrichtungen übernachten 3.1 Übergangswohnheime 3 Menschen, die in Menschen die in Einrichtungen wohnen, in denen Wohnungsloseneinrichtungen wohnen 3.2 Asyle und Herbergen die Aufenthaltsdauer begrenzt ist und keine Dauerwohnplätze zur Verfügung stehen 3.3 Übergangswohnungen Frauen, die wegen häuslicher Gewalt ihre 4 Menschen, die in Frauenhäusern 4.1 Frauenhäuser Wohnung verlassen haben und kurz- bis wohnen mittelfristig in einer Schutzeinrichtung beherbergt sind Aufnahmeeinrichtungen für Flüchtlinge ImmigrantInnen und AsylwerberInnen in 5.1 und andere Zuwanderer/-innen, spezielllen Übergansunterkünften, bis ihr 5 Menschen, die in Einrichtungen für Auffangstellen, Aufenthaltsstatus geklärt ist AusländerInnen wohnen 5.2 Gastarbeiterquartiere Quartiere für Ausländerinnen und Ausländer mit befristeter Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis 6.1 Gefängnisse, Strafanstalten Nach Haftentlassung kein ordentlicher Wohnsitz vorhanden 6.2 Medizinische Einrichtungen, Bleiben weiter hospitalisiert, weil kein Wohnplatz 6 Menschen, die von Institutionen Psychiatrie, Reha-Einrichtungen etc. zur Verfügung steht entlassen werden Fallen nicht mehr unter die Jugendwohlfahrt, 6.3 Jugendheime bleiben aber weiterhin im Heim, weil keine andere Wohnmöglichkeit zur Verfügung steht 7.1 Langzeitwohnheime für ältere Langzeitwohneinrichtungen mit 7 Menschen, die in Dauereinrichtungen für Wohnungslose Betreuungsangeboten für ältere und ehemals Wohnungslose wohnen 7.2 ambulante Wohnbetreuung in wohnungslose Menschen (Unterstützung dauer Einzelwohnungen normalerweise länger als ein Jahr) Wohnen in regulärem Wohnraum, aber ohne 8.1 temporäre Unterkunft bei Freunden / einen Hauptwohnsitz zu begründen und nur als Bekannten / Verwandten vorübergehender Unterschlupf, weil kein eigener 8 Menschen, die in ungesicherten Wohnraum verfügbar ist Wohnverhältnissen wohnen 8.2 Wohnen ohne mietrechtliche Wohnen ohne Rechtstitel, illegale Absicherung, Hausbesetzung Hausbesetzung 8.3 Illegale Landbesetzung Landbesetzung ohne rechtliche Absicherung 9.1 nach Räumungsurteil (bei gemietetem Wohnungen, für die bereits ein Räumungstitel 9 Menschen, die von Zwangsräumung Wohnraum) vorliegt bedroht sind 9.2 bei Zwangsversteigerung (von Gäubiger sind bereits zur Zwangsversteigerung selbstgenutztem Wohnungseigentum) berechtigt 10 Menschen, die in ihrer Wohnung von mit Strafanzeige gegen Täter, trotz Wohnen in Wohnungen, in denen man trotz Gewalt bedroht sind 10.1 Wegweisungsbeschluss Polizeischutz nicht vor Gewalt sicher ist 11.1 Wohnwägen Wohnen in Behausungen, die für konventionelles 11 Menschen, die in Wohnprovisorien 11.2 Garagen, Keller, Dachböden, Wohnen nicht gedacht sind, die notdürftig hausen Abbruchhäuser etc. zusammengebaut oder als Wohnwägen und 11.3 Zelte, vorübergehende Behausungen Zelte gedacht sind Wohnen in Gebäuden, die für Wohnzwecke 12 Menschen, die in ungeeigneten Räumen Abbruchgebäude und andere wohnen 12.1 bewohnte Gebäude, die nicht (mehr) gesperrt oder ungeeignet sind, die kurz vor zum Wohnen geeignet sind einem Abbruch stehen oder die durch die Bauordnung als ungeeignet klassifiziert sind Wohnen in Räumen, die entgegen den 13 Menschen die in überbelegten Räumen Unterschreitung der zulässigen wohnen 13.1 Mindestgröße pro Kopf; höchste Mindestanforderungen völlig überbelegt sind und nationale Grenze für Überbelegung von mehr Menschen als zulässig bewohnt werden UNZUREICHENDES WOHNEN UNGESICHERTES WOHNEN WOHNUNGSLOS OBDACHLOS Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und prekäres Wohnen in der Region Basel 16 4 Obdach- und Wohnungslosigkeit: Die Zählung 4.1 Teilnahme und Rücklauf Tabelle 3: Teilnahme und Verweigerungen Die schriftliche Befragung in den 12 Einrichtungen stiess auf grosse Teilnehmende Verweigerungen Bereits Befragte Rücklaufquote in %* Grundgesamtheit Unterstützung. Von den 674 Personen, die Notschlafstelle 3 12 12 20.0 48 für eine Teilnahme infrage kamen, Frauenoase 6 1 1 85.7 16 konnten die Wohnsituationen von 469 Tageshaus 13 9 27 59.1 59 Treffpunkt Glaibasel 15 8 15 65.2 55 Personen ermittelt und ausgewertet Café ELIM 19 4 2 82.6 28 werden. 178 Personen verweigerten die Treffpunkt Gundeli 20 5 0 80.0 40 Teilnahme. Dies entspricht einer Jobshop 22 6 3 78.6 33 Rücklaufquote von 73.6%. Gassenküche, abends 41 25 47 62.1 144 K+A Dreispitz 42 20 5 67.7 150 4.2 Ausmass und Struktur Schwarzer Peter, Do 49 9 27 84.5 91 K+A Riehenring 51 50 15 50.5 200 Insgesamt fallen 206 der 469 befragten Gassenküche, morgens 56 14 0 80.0 78 Personen (43.9%) am Tag der Befragung Schwarzer Peter, Di 59 11 0 84.3 67 Soup+ Chill 73 4 13 94.8 92 unter die Kategorien Obdachlosigkeit, Summe 469 178 167 72.5 1101 Wohnungslosigkeit, ungesichertes *Anteil der Interviewten an der Summe der Angetroffenen (Teilnehmende und Verweigerungen) Wohnen oder unzureichendes Wohnen im Die Befragung wurde zwischen dem 20.3. und 22.3.2018 durchgeführt Sinne der ETHOS-Typologie. Von ihnen geben 93 Personen (45.1%) an, dass sie selbst Kinder haben (ob diese ebenfalls betroffen sind, lässt sich nicht weiter untersuchen). Umgekehrt heisst das, dass auf 263 Personen (53.5%) zum Zeitpunkt der Befragung keine der ETHOS-Kategorien zutreffen. Ein grosser Teil davon, d.h. 165 der 263 Personen (62.7%) gehört allerdings zu der Personengruppe, die bereits Erfahrungen mit diesen Situationen gemacht haben: 77.2%, also 362 der 469 Befragten sind aktuell oder waren in ihrem Leben mindestens einmal obdachlos, wohnungslos oder sie befanden sich in einer ungesicherten oder unzureichenden Wohnsituation. Um das gegenwärtige Ausmass von Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und die weiteren prekären Wohnsituationen zu beschreiben, wenden wir uns zunächst der Gruppe der 206 Personen zu, die aktuell (d.h. am Tag der Befragung) davon betroffen ist. Wenn es um in der Vergangenheit liegende Erfahrungen mit Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und prekären Wohnsituationen geht (siehe Kap. 5), werden wir uns wieder allen 469 befragten Personen zuwenden. In Tabelle 4 sind die verschiedenen Wohnsituationen im Sinne der ETHOS-Typologie dargestellt. Diejenigen, die sich in einer ungesicherten Wohnsituation befinden, weil sie keine Wohnung oder keinen Zugang zu einer Wohnung haben und deshalb bei Dritten unterkommen müssen, bilden mit 31.1% aller 206 Personen die grösste Gruppe. 18.0% der aktuell Betroffenen wohnen in einer Einrichtung für Menschen in Wohnungsnot. Die drittgrösste Gruppe besteht aus 28 Personen (13.6% aller Befragten) und ist derzeit in einer Notunterkunft untergebracht. Bei den Notunterkünften handelt es sich vor allem um die Notschlafstelle Basel-Stadt, die von 26 Personen als Übernachtungsort angegeben wurde. 2 Personen gaben an, wegen Wohnungslosigkeit in einem Gotteshaus (Kirche, Moschee) zu übernachten. 27 Befragte, d.h. 13.1% sind aktuell obdachlos und übernachten draussen; die Strassenobdachlosigkeit stellt also die viertgrösste Gruppe dar. Die restlichen Wohnsituationen stellen sich wie folgt dar: 14 Befragte, d.h. 6.8% haben keine eigene Wohnung, weil sie aktuell in einer Asylunterkunft untergebracht sind. 12 Personen (5.8%) befinden sich in einer ungesicherten Wohnsituation, da sie über keinen eigenen Mietvertrag verfügen. 12 Personen (5.8%) wohnen in einer Notwohnung der Sozialhilfe Basel-Stadt. Ebenfalls 5 Personen befinden sich in einer unzureichenden Wohnsituation, da sie aufgrund fehlender Wohnung in einem Wohnprovisorium Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und prekäres Wohnen in der Region Basel 17 leben, wie z.B. einem Wohnwagen. Zusätzlich wurden diejenigen Menschen berücksichtigt, die in (Billig)-Pensionen, Hotels oder Gasthäusern beherbergt sind, weil sie wohnungslos sind (subsumiert unter ETHOS Kategorie 3, „Asyle und Herbergen“). 5 Personen (2.4%) geben an, dass sie aufgrund ihrer Wohnungslosigkeit in einer Pension, in einem Hotel oder in einem Gästehaus wohnen. Tabelle 4: Wohnsituationen nach ETHOS in Basel, gesamt und gruppiert nach Geschlecht* Wohnsituation laut Mann Frau Gesamt ETHOS-Typologie Anzahl Anteil (%) Anzahl Anteil (%) Anzahl Anteil (%) Obdachlos Menschen, die im öffentlichen Raum übernachten 23 13.8 4 10.5 27 13.1 Menschen in Notunterkünften (insbes. Notschlafstelle) 24 14.4 4 10.5 28 13.6 Wohnungslos Übergangswohnungen (Notwohnung der Sozialhilfe) 8 4.8 3 7.9 12 5.8 Einrichtungen Wohnungsnot/Wohnhilfen 27 16.2 10 26.3 37 18.0 Asylunterkunft 13 7.8 1 2.6 14 6.8 Herbergen (Pension, Hotel, Gästehaus) 3 1.8 2 5.3 5 2.4 Ungesichertes Wohnen Wohnung ohne Mietvertrag 9 5.4 3 7.9 12 5.8 Temporär wohnen müssen (Part- nerIn/Verwandten/Bekannten) 55 32.9 9 23.7 64 31.1 Unzureichendes Wohnen Wohnprovisorien (Zelt, Campingwagen) 3 1.8 2 5.3 5 2.4 Wohnungslos, weiss nicht wo ich übernachte 2 1.2 0 0 2 1.0 GESAMT 167 100 38 100 206 100 *Eine Person blieb ohne Angaben des Geschlechts. Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und prekäres Wohnen in der Region Basel 18 4.3 Vergleich Männer und Frauen Von den 206 Betroffenen sind 167 Personen (81%) Exkurs 1: Mehr Männer als Frauen – männlich und 38 Personen (18.4%) weiblich. Was die internationaler Vergleich Geschlechterverteilung angeht, so zeigen sich zum Teil Das in der Studie festgestellte deutlich unterschiedliche Profile. 14.4% der Männer und Verhältnis zwischen Männern und 10.5% der Frauen übernachten draussen. 22 der 167 Frauen wird von Untersuchungen vieler Männer (13.5%) und lediglich 4 Frauen (10,5%) nutzen die anderer europäischer Länder bestätigt, Notschlafstelle in Basel. 32.9% der Männer und 23.7% der denen zufolge Männer häufiger Frauen bewältigen ihre Wohnungsnot, indem sie bei einem obdachlos und wohnungslos sind oder Partner/einer Partnerin, bei einem Verwandten oder bei sich in einer prekären Wohnsituation befinden als Frauen (FEANTSA 2014). FreundInnen übernachten. 16.2% der Männer, aber 26.3% In einer der letzten grossen europäisch der Frauen sind in einer Einrichtung untergebracht, die sich vergleichenden Studien lagen die an Wohnungslose richtet (zumeist Wohnen für besondere Anteile der Männer an allen Obdach- Zielgruppen, wie Suchterkrankte oder psychisch erkrankte und Wohnungslosen bei vier Fünftel der Personen). Von den 14 befragten Personen, die in einer untersuchten 15 Länder zwischen 75% Asylunterkunft wohnen, waren 13 Personen männlich. und 85%. Der höhere Männeranteil wird Insgesamt nutzen in Basel sehr wenige Personen im mit der bei ihnen häufiger Asylverfahren die Angebote der Einrichtungen, denn laut festzustellenden Kumulation von Angaben des Staatssekretariats für Migration waren am belastenden Faktoren begründet (FEANTSA 2014: 62). Auch qualitative Tag der Befragung im Empfangs- und Verfahrenszentrum Studien bestätigen, dass Männer eher für Asylsuchende in Basel (EVZ) insgesamt 177 Personen als Frauen in Lebensbereiche gemeldet. übergreifende Verarmungsprozesse geraten und gleichzeitig über wenig 4.4 Altersstruktur soziales Kapital verfügen, um z.B. private Lösungen für ihre prekäre Lage Unter den Betroffenen befinden sich vergleichsweise wenig zu finden (Deutschland: Fichtner 2009: junge und wenig alte Menschen. Von den 206 Betroffenen, 53). sind 13 (6.3%) im Alter von 66 Jahren und älter und 15 Die Fachliteratur verweist aber auch auf Personen (7.3%) sind im Alter von 18 bis 25 Jahren. Die das grosse Dunkelfeld, da von meisten obdachlosen Menschen sind in den mittleren Wohnungsnot betroffene Frauen auf Altersgruppen zu finden. 47 Befragte (22.8%) sind im Alter keine frauenspezifischen Angebote zurückgreifen können. Aber auch aus zwischen 26 und 35 Jahren und 66 Personen (32.0%) Scham und aus zwischen 36 und 50 Jahren. 59 Personen (28.7%) sind Sicherheitsüberlegungen heraus zwischen 51 und 65 Jahre alt. Ein Blick in die versuchen Frauen ihre Wohnungsnot verschiedenen Altersgruppen zeigt unterschiedliche unter allen Umständen zu verhindern Wohnsituationen auf: (Deutschland: Gerull 2006, 2014; Irland: Mayock et al. 2016). Vor diesem • Jüngere Menschen bewältigen Wohnungslosigkeit eher Hintergrund ist davon auszugehen, privat. 53.3% der 18- bis 25-Jährigen übernachten bei dass sich die markanten Unterschiede FreundInnen, Bekannten und Verwandten. Mit zwischen Männern und Frauen im zunehmendem Alter sinkt der Anteil derjenigen, die bei Gesamtbild der Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und des prekären Dritten übernachten, weil sie wohnungslos sind. Wohnens auch in Basel-Stadt etwas • Obschon die Fallzahlen gering sind, ist markant, dass relativieren. die Menschen in den höheren Altersgruppen häufiger draussen übernachten als die Jüngeren. • Ältere Betroffene nutzen ebenfalls häufiger die Notschlafstelle als Jüngere. • Die mittleren Altersgruppen (26- bis 50-Jährige) nehmen die Einrichtungen der Wohnungsnot/Wohnhilfen eher in Anspruch als die höheren Altersgruppen. • Asylsuchende sind deutlich jünger als die Betroffenen, die sich in den anderen Kategorien von Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit, des ungesicherten oder unzureichenden Wohnens befinden. Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und prekäres Wohnen in der Region Basel 19 4.5 Lebensmittelpunkt Basel Die meisten Menschen, die von Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und prekärer Wohnversorgung betroffen sind, leben in Basel. 74.7%, d.h. 154 der 206 Betroffenen bezeichnen Basel als ihren Lebensmittelpunkt, 20.4%, d.h. 42 Personen leben in einem anderen Kanton als Basel-Stadt und 9 Personen (4.4%) leben überwiegend im Ausland; drei Betroffene halten sich wegen einer Arbeit in Basel auf. Von den 42 Personen, die aus einem anderen Kanton stammen, leben 31 Personen im Kanton Basel-Landschaft, 6 Personen bezeichnen den Kanton Aargau als Lebensmittelpunkt, die restlichen 5 Personen stammen aus den Kantonen Zürich, Solothurn und dem Tessin. Den Ergebnissen zufolge ist die These zu relativieren, dass viele Wohnungslose aus dem Ausland die Angebote für Wohnungslose nutzen. 4.6 Staatsangehörigkeit Tabelle 5: Länder/Regionen ausserhalb CH Etwas mehr als die Hälfte (50.5%) der Menschen, die von Region/Länder Anzahl % Obdachlosigkeit/Wohnungslosigkeit betroffen Osteuropa 32 30.8 sind oder deren Wohnsituation ungesichert oder Länder Afrikas 24 23.1 unzureichend ist, besitzen eine ausländische Länder Asiens, TR, RUS 18 17.3 Westeuropa (D, F, NL, A) 15 14.4 Nationalität. 9 Personen geben an staatenlos Südeuropa (I, E, P) 13 12.5 sein oder verweigern die Angabe ihrer Länder Nord-/Mittelamerika 2 1.9 Staatsangehörigkeit. Unter den ausländischen Gesamt 104 100 Betroffenen stammen 32 Personen (30.8%) aus den Ländern Osteuropas, wovon die meisten Menschen die slowakische (8), ungarische (7) und rumänische (7) Staatsangehörigkeit besitzen. Aus den Ländern Afrikas stammen 24 Personen. Aus dieser Gruppe bilden die Menschen mit eritreischem Pass (10) die grösste Gruppe. Der grösste Teil der Personen aus Westeuropa besitzt eine deutsche Nationalität (10); 13 Personen besitzen eine Staatsangehörigkeit der Länder Südeuropas (d.h. Spanien, Italien, Portugal), wovon 7 Personen mit italienischem Pass die grösste Gruppe darstellen. Schliesslich besitzen 18 Personen eine Staatsangehörigkeit aus Ländern Asiens einschliesslich Türkei und Russland; zwei Personen stammen aus Mittel- und Nordamerika. Insgesamt wird die grosse Ländervielfalt unter den Betroffenen deutlich: Die Exkurs 2: Mehr AusländerInnen in der betroffenen Personen stammen aus insgesamt Obdachlosenhilfe? 39 Ländern. Die überwiegende Mehrheit, d.h. 94.2% der betroffenen AusländerInnen lebt in Wenn die Ergebnisse der Befragung in den der Schweiz. 83.3% der ausländischen Einrichtungen verallgemeinert werden, sind AusländerInnen häufiger von Obdachlosigkeit, Personen, die aus der EU stammen, geben Wohnungslosigkeit und prekärem Wohnen Basel als ihren Lebensmittelpunkt an, bei den betroffen als es ihrem Anteil an der ausländischen Personen von ausserhalb der EU Wohnbevölkerung entspricht. Dieser lag in Basel- sind es mit einem Anteil von 56.0% deutlich Stadt im Jahr 2017 bei 36% (Statistisches Amt weniger. Ein kleiner Anteil der AusländerInnen Basel-Stadt, Bevölkerungsstatistik 2018). Was die hat eine unbeschränkte Aufenthaltsberechtigung Nationalität angeht, gibt es uneinheitliche in Form der Niederlassungsbewilligung C. 29.6% Länderergebnisse. In der internationalen der EU-BügerInnen und 16% der Nicht EU- Vergleichsstudie von FEANTSA (2014) waren z.B. BürgerInnen gaben an, einen solchen Ausweis in Deutschland, Finnland, Irland, Portugal ausländische Personen mit wenigen Ausnahmen zu besitzen. Für die Mehrheit, d.h. 52% der Nicht (Menschen aus sogenannten Flüchtlingsländern) EU-BürgerInnen ist die Aufenthaltsdauer in der nicht stärker von Obdachlosigkeit betroffen als es Schweiz deutlich begrenzt. 13 Personen gaben ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung an, eine F-Bewilligung zu besitzen (vorläufig entspricht. In anderen Ländern, wie z.B. aufgenommene AusländerInnen, auf ein Jahr Frankreich, Italien und den Niederlanden, lagen begrenzt), ebenfalls 13 Personen besassen die die Anteile von AusländerInnen dagegen höher als N-Bewilligung (Asylsuchender, ein halbes Jahr in der Gesamtbevölkerung. gültig). Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und prekäres Wohnen in der Region Basel 20 4.7 Dauer der aktuellen Obdachlosigkeit Die Befragten sind meist länger von Obdachlosigkeit und Wohnungslosigkeit betroffen oder befinden sich länger in einer der untersuchten prekären Wohnungssituationen: • Das Übernachten im öffentlichen Raum hält bei den 23 Betroffenen, die hierzu Auskunft geben, im Durchschnitt 2.5 Jahre an. 60.9% aller Betroffenen sind mehr als ein Jahr in dieser Form obdachlos. • Notunterkünfte, d.h. vor allem die Notschlafstelle, werden weitaus weniger lang aufgesucht: Im Median dauert die Aufenthaltsdauer 0.5 Jahre. Doch es gibt deutliche Unterschiede: 24% der Befragten nutzten im Durchschnitt bereits seit einem Jahr die Notschlafstelle. Einige wenige beanspruchen die Notschlafstelle deutlich länger. Es stellt sich die Frage, warum die als temporär angelegte Notschlafstelle im Durchschnitt so lange genutzt wird (evtl. fehlen Anschlusslösungen). • Wohnsituationen, in denen die Betroffenen aufgrund der Wohnungslosigkeit bei anderen Personen privat unterkommen und dort übernachten, dauern ebenfalls lange an. 55% und damit 33 von 60 Betroffenen befinden sich bereits länger als ein Jahr in diesen ungesicherten Wohnverhältnissen. Im Durchschnitt übernachten die Personen bereits seit 2.6 Jahren bei Bekannten, FreundInnen, Verwandten oder beim Partner bzw. der Partnerin, weil sie keine eigene Wohnung haben. • Einrichtungen der Wohnungsnot und Wohnhilfen werden von den 36 Personen, die hierzu Auskunft gaben, im Durchschnitt bereits seit 1.6 Jahren in Anspruch genommen. An dieser Stelle sei anzumerken, dass die durchschnittliche Dauer von Obdach- und Wohnungslosigkeit und den weiteren prekären Wohnsituationen in unserer Befragung methodisch bedingt höher ausfällt, da es sich bei der vorliegenden Studie um eine sogenannte zeitpunktebezogene Zählung (Point-in- Time-Count) handelt. Im Gegensatz zu den aufwändigen kontinuierlichen Zählungen (z.B. Erhebungen über das ganze Jahr) führen zeitpunktebezogene Zählungen zu einer Überschätzung der Langzeitobdachlosen bzw. Langzeitwohnungslosen, da die Wahrscheinlichkeit in den untersuchten Einrichtungen auf Menschen zu stossen, die länger von Obdachlosigkeit oder Wohnungslosigkeit betroffen sind, bei einer Stichtagszählung grösser ist. 4.8 Wohneinschränkungen von Obdach- und Wohnungslosen Menschen, die im öffentlichen Raum übernachten, sind am stärksten von Einschränkungen im Wohnen betroffen. Diese Einschränkungen betreffen grundlegende Voraussetzungen des Wohnens. Von den 28 Personen, die draussen übernachten, klagen 70% über Kälte und 44% über Feuchtigkeit. 56% der Personen haben keine Möglichkeit (z.B. auch nicht bei Bekannten), eine Dusche oder Badewanne zu benutzen, 42% haben keinen Zugang zu Strom und 41% haben kein WC zur Verfügung. Anders als diejenigen Menschen, die von Strassenobdachlosigkeit betroffen sind, klagen Menschen in der Notschlafstelle deutlich weniger über fehlende und unzureichende Wohnstandards. Sie bemängeln häufiger die bestehenden Konflikte mit anderen Personen (36%). Für Personen, die in Einrichtungen für Menschen in Wohnungsnot und Wohnhilfen untergebracht sind, gilt das ebenfalls, wobei dies nicht so deutlich ausgeprägt ist (19%). Vergleichsweise wenige Personen, die bei Bekannten, FreundInnen und Verwandten vorübergehend Unterschlupf finden, weisen auf Probleme hin. Lediglich 5 Personen (11%) klagen an ihrem Übernachtungsort über Kälte. Menschen, die in Wohnprovisorien leben, wurden zwar kaum befragt, aber diejenigen 5 Personen, die in Campingwagen oder anderen Behausungen unterkommen, klagen alle über Probleme mit Kälte. Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und prekäres Wohnen in der Region Basel 21 4.9 Wohnsituation von Personen mit Mietvertrag 263 der 469 befragten Personen sind zum Zeitpunkt der Befragung weder obdachlos noch wohnungslos. 251 Personen leben in einer mietvertraglich abgesicherten Wohnung, 12 Personen besitzen eine eigene Wohnung. Ein erheblicher Anteil der Menschen mit eigenem Mietvertrag ist allerdings nicht in der Lage, die Wohnung selbst zu finanzieren. 58% der 251 Personen mit Mietvertrag erhalten finanzielle Wohnhilfen von Dritten, und zwar zu 97% in Form staatlicher Hilfen. Sie erhalten insbesondere Sozialhilfe. Dies ist als ein deutliches Indiz zu werten, dass viele NutzerInnen trotz einer gewissen Sicherheit im Bereich des Wohnens von Armut betroffen sind, sich in einer prekären Lebenslage befinden und ihre Wohnung mit den eigenen finanziellen Mitteln nicht finanzieren können. Tabelle 6: Finanzierung der Wohnung bei Personen mit Mietvertrag Anzahl % Keine Fremdfinanzierung 105 41.8 Finanzierung, durch Komplette Wohnkostenübernahme durch Sozialhilfe 75 29.9 Teilweise Wohnkostenübernahme durch Sozialhilfe 36 14.3 Ergänzungsleistungen (EL) 24 9.6 Familienangehörige, FreundInnen 5 2.0 Nicht näher bekannte staatliche Beiträge 4 1.6 Institutionen/Stiftungsgelder 1 0.4 Arbeitslosengeld 2 (Deutschland) 1 0.4 Gesamt 251 100 Es handelt sich um Personen mit einem eigenen Mietvertrag für die Wohnung. 4.10 Eingeschränkte Qualität der Wohnungen von Sozialhilfebeziehenden In der jüngeren Vergangenheit wurde in den Medien häufig über die schlechten Wohnbedingungen von einigen Sozialhilfebeziehenden diskutiert (Stichwort: „Gammelhäuser“). In der Kritik stehen Liegenschaften, die für Sozialhilfebeziehende inadäquate Wohnungen oder Zimmer bereitstellen. Deren Kosten werden von der Sozialhilfe oftmals komplett getragen. Vor allem steht in der Kritik, dass Liegenschaften den Mietzins an den aufgrund der Teuerungen auf dem Wohnungsmarkt steigenden Richtsätzen der Sozialhilfe für Wohnen anpassen. Gleichzeitig nimmt die Wohnqualität jedoch ab. An dieser Stelle ist wichtig zu erwähnen, dass laut Angaben der Sozialhilfe Basel-Stadt bei mehr als 90% der durch Sozialhilfe finanziell unterstützten Wohnungen die Sozialhilfebeziehenden bereits in der Wohnung gelebt haben, bevor sie Sozialhilfeleistungen in Form der (Teil-)Übernahme der Wohnkosten benötigten. Die vorliegende Befragung ermöglicht einen Blick auf die Wohnbedingungen von Personen, die ihre Wohnung nicht selbst finanzieren können und deshalb auf Sozialhilfe angewiesen sind. In Tabelle 7 ist dargestellt, wie Personen ihre Wohnqualität einschätzen, deren Wohnungen durch Sozialhilfe teilweise oder vollständig finanziert werden. Zur besseren Einschätzung der Ergebnisse zur Wohnqualität ist zusätzlich eine Vergleichsgruppe aufgeführt. Diese setzt sich aus den Personen zusammen, die gemäss ETHOS-Typologie gegenwärtig von Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit, unzureichendem oder ungesichertem Wohnen betroffen sind. Dabei zeigt sich, dass auch die befragten Sozialhilfebeziehenden Einschränkungen im Bereich des Wohnens aufweisen, die basale Standards betreffen. 11% klagen über Kälte in der Wohnung, bei 10% ist die Heizung defekt, 5% problematisieren die Feuchtigkeit in ihrer Wohnung, 7% haben keine eigene Dusche oder Badewanne zur Verfügung, ebenfalls 7% besitzen kein eigenes WC und 2% fehlt der Zugang zu Strom. Dass Wohnen nicht konfliktfrei ist, trifft für einen nicht unerheblichen Teil der Sozialhilfebeziehenden zu. 19% bemängeln die bestehenden Konflikte mit der Nachbarschaft und wiederum 13% nehmen den Lärm von aussen als Problem wahr. Bei den Sozialhilfebeziehenden Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und prekäres Wohnen in der Region Basel 22 bestehen Mehrfachbelastungen im Bereich des Wohnens. Die Auswertungen zeigen, dass 26 Personen, d.h. 23% der 111 Sozialhilfebeziehenden, 3 und mehr Wohnmängel wahrnehmen. Tabelle 7: Probleme mit der Wohnung – Sozialhilfebeziehende im Vergleich zu Obdachlosen, Wohnungslosen oder Menschen in ungesicherter oder inadäquater Wohnsituation gemäss ETHOS- Typologie (Mehrfachnennungen) 111 Sozialhilfebeziehende 206 Personen in einer mit Mietvertrag der ETHOS-Kategorien Nennungen %-Anteil an Sozial- Nennungen %-Anteil an hilfebeziehenden Personen Nachbarschaftskonflikte 21 18.9 49 23.8 Lärm aussen 14 12.6 9 4.4 Kälte 12 10.8 38 18.4 Heizung defekt 11 9.9 16 7.8 Schimmel 8 7.2 4 1.9 Keine Dusche/Badewanne 8 7.2 21 10.2 Kein eigenes WC 8 7.2 29 14.1 Überbelegung 8 7.2 31 15.0 Keine Möglichkeit, 7 6.3 17 Kleidung waschen 8.3 Feuchtigkeit 5 4.5 20 9.7 Kein Strom 2 1. 8 16 7. 8 Gesamt Nennungen 104 250 Exkurs 3: Sandra (59 Jahre, schläft seit Jahren auf der Strasse, manchmal in einer Notschlafmöglichkeit) über den Kältebrand Also wenn man Tag und Nacht draussen ist über längere Zeit: Zuerst unterkühlt man, und dann, wenn man dann nicht die Möglichkeit hat, in die Wärme zu gehen und sich wieder ausgleichen kann, dann kühlt man noch mehr und dann ist es wie bei einer Verbrennung. Das ist schlimmer als Sonnenbrand, weil du dann durch und durch verbrannt bist. Es geht dann wirklich durch den Körper durch und durch alles, auch die Organe, die Muskulatur, die Knochen, alles. Und man friert und friert und wenn du dann einmal die Möglichkeit hast, in ein Tram einzusteigen oder irgendwo in die Bahnhofshalle zu sitzen oder in den Treffpunkt irgendwo reingehst und es ist schön warm, und du sitzt noch auf die Heizung, da hast du wochenlang bis du nur ein bisschen weniger frierst – du frierst Tag und Nacht, auch bei der grössten Wärme, wenn du verbrannt bist. Draussen merkst du nichts vom Brennen. Aber wenn du dann in die Wärme kommst, dann ... ja, manchmal hat man schon das Gefühl, es brennt. Und es braucht lang, bis du dann vom Kältebrand dann geheilt bist oder nicht mehr darunter leidest. Und wenn dann das wieder geschieht, dass du wieder obdachlos draussen bist und dann in der Winterzeit, wenn du wieder traumatisiert wirst, dann – das wird dann immer heftiger. Die Verbrennung, du bist schneller verbrannt, also du bist schneller unterkühlt, schneller verbrannt, es geht länger bis du dann wieder auskuriert bist wenn du die Möglichkeit hast. Interviewer: ... Wie schläft man dann in so einer Situation nachts ein? Wenn es dann so kalt ist, wenn du im Schlafsack liegst – also früher als ich keinen so guten Schlafsack hatte, oder gar keinen – dann schläfst du vor Kälte einfach nicht bis die Müdigkeit dich übermannt. Aber spätestens nach einer halben Stunde bist du auf und ... da möchtest du aufstehen und die Beine und alles ist einfach geschwollen und du bist gefühlslos... und aufstehen kannst du fast nicht, die Hände spürst du fast nicht. Aber du musst ja aufstehen. Am besten du machst das an einem frühen Morgen und an einem Ort, wo keine Leute sind, sonst denken die, dass da jemand ist, der etwas Schräges vorhat. Das ist heftig. Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und prekäres Wohnen in der Region Basel 23 5 Obdachlosigkeit und Wohnungslosigkeit im Lebensverlauf 5.1 Grosse Erfahrung mit Obdachlosigkeit Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und prekäre Wohnsituationen sind keine statischen Zustände. Je nachdem wie lange die Wohnsituation anhält, kann es sich um chronische, d.h. dauerhafte Zustände handeln bzw. länger andauern oder auch eher episodenhaft, d.h. von kurzer Dauer sein. Die dynamische Betrachtungsweise kann aufzeigen, ob es bei den Menschen, die prekären Wohnsituationen ausgesetzt sind, zu Pendelbewegungen zwischen verschiedenen Formen des ungesicherten, unzureichenden Wohnens, der Obdachlosigkeit und der Wohnungslosigkeit und des gesicherten Wohnens kommt. Diesen Fragen konnten wir in der vorliegenden Studie dadurch nachgehen, dass wir die NutzerInnen in den Einrichtungen nach ihren Wohnsituationen im Lebensverlauf gefragt haben. 77.2%, d.h. 362 aller 469 befragten NutzerInnen der 12 Einrichtungen waren in ihrem Leben mindestens einmal obdachlos oder wohnungslos oder in einer unzureichenden oder ungesicherten Wohnsituation oder sind es (noch). Das sind mehr als drei Viertel aller NutzerInnen der untersuchten 12 Einrichtungen. Viele Befragte erfahren im Laufe ihres Lebens gleich mehrere unterschiedliche prekäre Wohnsituationen. Auf jeden Betroffenen kommen im Durchschnitt zwei unterschiedliche Formen von Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit oder den anderen prekären Wohnsituationen im Sinne der ETHOS-Typologie – das gilt sowohl für Männer als auch für Frauen. 29.8% der Betroffenen gaben sogar drei und mehr Wohnsituationen an: Beispielsweise haben sie in der Vergangenheit auf der Strasse und Exkurs 4: Markus auch schon in der Notschlafstelle Ich lerne Markus bei soup & chill kennen. Er ist sehr übernachtet und mussten aufgrund der zurückhaltend, sucht das Gespräch aber nach einer Weile Wohnungslosigkeit auch bei Bekannten, und berichtet mir, dass er diese Nacht noch nicht wisse, wo FreundInnen oder beim Partner oder er schläft. Geld habe er auch keines mehr, das letzte habe der Partnerin übernachten. Unklar ist er gestern einem Kollegen für die Notschlafstelle gegeben – allerdings, wie häufig und wie lange sie der hätte doch Fieber gehabt und sollte nicht draussen diesen unterschiedlichen schlafen. Markus hat Koch gelernt, in vielen auch guten Wohnsituationen ausgesetzt waren. Die Hotels gearbeitet, die Schweiz so kennengelernt. Dann die Scheidung, Alimente, Schulden. Er sei sehr sparsam, aber aktuell von Obdachlosigkeit, das habe er nicht geschafft; sein Chef merkte seine Wohnungslosigkeit und ungesichertem neuerlichen Unzuverlässigkeiten. Seit er die Stelle verlor, oder unzureichendem Wohnen lebt er bei Freunden und Freundinnen, sein Gepäck ist bei betroffenen Menschen befanden sich ihnen verteilt, manchmal geht er in die Notschlafstelle, auch noch häufiger in unterschiedlichen wenn es ihm dort am wenigsten gut geht. Bei der Sozialhilfe prekären Wohnsituationen. 111 ist er gemeldet, wartet auf den Erfolg bei der Befragte, d.h. 53.9% der 206 Wohnungssuche. Dieses Warten und Suchen dauert bereits Betroffenen gaben drei und mehr ein Jahr. Markus nimmt es wie es ist; seinen Tagesablauf Wohnsituationen im Sinne der ETHOS- beschreibt er als ein Wandern zwischen den Institutionen, den Essensabgabestellen und FreundInnen. Das Gefühl, Typologie an, die sie insgesamt einmal eine Tür hinter sich zu schliessen und zu sagen, dass erfahren haben. das sein Raum sei und niemand hineinkomme, ohne dass er zustimmt, vermisst er am meisten. Ein erheblicher Teil der NutzerInnen, welche einen ordentlichen Mietvertrag oder ein eigenes Haus besitzen und sich somit aktuell im gesicherten Wohnen befinden, war früher einmal von Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit oder einer anderen prekären Wohnsituation betroffen. 165, d.h. 62.7% der 263 Personen im gesicherten Wohnen, gaben an, früher einmal obdachlos, wohnungslos gewesen zu sein oder in ungesicherten bzw. unzureichenden Wohnverhältnissen gelebt Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und prekäres Wohnen in der Region Basel 24 zu haben. Durch ihre frühere prekäre Wohnsituation sind sie womöglich in Kontakt mit den Einrichtungen gekommen, in denen sie auch gegenwärtig anzutreffen sind. 5.2 Häufige Wechsel von Wohnsituationen Folgende (Wohn-)Situationen werden am häufigsten genannt (siehe Tabelle 8, nächste Seite). • Am häufigsten wird das Übernachten bei Dritten aufgrund von Wohnungslosigkeit genannt. 61%, d.h. 222 aller 362 Betroffenen, mussten in ihrem Leben mindestens einmal bei Verwandten, bei FreundInnen oder beim Partner bzw. bei der Partnerin wohnen, weil keine Wohnung vorhanden war oder kein Zugang zu einer Wohnung bestand. • Bereits am zweithäufigsten wurde die Strassenobdachlosigkeit genannt: Von den 362 Personen mussten 50% irgendwann einmal in ihrem Leben aufgrund von Wohnungslosigkeit draussen übernachten. • 126 Menschen, d.h. 35% aller Betroffenen, mussten in ihrem Leben in einer Notunterkunft (insbesondere Notschlafstelle) nächtigen. • Einrichtungen für Menschen in Wohnungsnot oder Wohnhilfen wurden oder werden von 79 Personen in Anspruch genommen, was einem Anteil von 22% am Total aller Betroffenen entspricht. • 38 Personen (11% aller Betroffenen) gaben an, dass sie in ihrem Leben auf eine Übergangswohnung, d.h. auf eine Notwohnung der Sozialhilfe, angewiesen waren, um ihre Wohnungslosigkeit zu bewältigen. • Die Unterkunft in einer Herberge, Billigpension oder in einem Billighotel Exkurs 5: Anna aufgrund fehlender Wohnung wurde Ich treffe die 46-jährige Anna, die vorher in Südungarn als 46 Mal (13% am Total der Putzfrau gearbeitet hat, in der Gassenküche. Betroffenen) genannt. Anna hat in einem kleinen Dorf in der Nähe von Pécs mit • Unzureichendes Wohnen in Form ihrem arbeitslosen Ehemann und ihren 6 Kindern gelebt. von Wohnprovisorien (z.B. Wohnen Als Anna ihre Arbeit verlor, musste die Familie von in einem Campingwagen, Zelt) wurde Sozialhilfe und Kindergeld leben. Die Beiträge waren so 42 Mal genannt (12% am Total der gering, dass sie davon nicht leben konnten. Betroffenen). Nach der Sozialreform in Ungarn im Jahr 2014 hat die ungarische Regierung die Sozialhilfe halbiert und nur ein Die Befragung der NutzerInnen in den Mitglied je Haushalt darf sie seitdem geltend machen. Das Kindergeld wurde seit 2006 nicht indexiert, weshalb die 12 Einrichtungen deutet darauf hin, dass finanzielle Entlastung der Familie durch Kindergeld auch im Lebensverlauf die Männer deutlich abgeschwächt wurde. häufiger in prekären Wohnsituationen Weil sich die ganze Familie verschuldet hat, musste Anna sind als Frauen. 80.9% aller Betroffenen eine schwierige Entscheidung über die Zukunft treffen und sind männlich,18.8% sind weiblich. ins Ausland ziehen, um dort genug Geld zu verdienen, Entsprechend stammen von allen 764 damit sie ihre Familie unterstützen kann. Nennungen zu Obdachlosigkeit, Anna arbeitet jetzt als Putzfrau bei mehreren Wohnungslosigkeit oder ungesichertem Privathaushalten in Basel. Sie wohnt in Lörrach in einer oder unzureichendem Wohnen 617 von Massenunterkunft mit vielen anderen Personen um ihre Ausgaben zu reduzieren und ihrer Familie so viel Geld wie Männern. Die betroffenen Frauen sind möglich überweisen zu können. mit 47.5 Jahren im Durchschnitt um 1.7 Jahre älter als die Männer. Frauen übernachten im Lebensverlauf aufgrund einer prekären Wohnsituation häufiger bei Dritten als es die befragten Männer tun. 69.1% d.h. 47 aller 145 weiblichen Betroffenen beziehen sich auf diese Form ungesicherten Wohnens bei Dritten, während 59.7%, d.h.175 der 293 betroffenen Männer, auf das Übernachten bei Dritten verweisen. Diese Ergebnisse relativieren die in der Erhebung der aktuellen Wohnsituation beobachteten geringeren Anteile bei den Frauen, die bei Dritten übernachten. Wie auch bei der Erhebung der aktuellen Wohnsituation deutlich wird, gelangen Männer im Lebensverlauf häufiger in eine Situation, in der sie auf der Strasse übernachten müssen. Mit 50.9%, Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und prekäres Wohnen in der Region Basel 25 d.h. 149 aller betroffenen 293 Männer, liegt der Anteil um 5 Prozentpunkte höher als bei den Frauen, deren Anteil 45.6%, d.h. 31 der 68 betroffenen Frauen, beträgt. Tabelle 8: Erfahrungen mit Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und anderen Formen des prekären Wohnens gruppiert nach Geschlecht (Mehrfachnennungen) Wohnsituation laut ETHOS- Mann Frau Gesamt Typologie Anzahl Anteil (%) Anzahl Anteil (%) Anzahl Anteil (%) Obdachlos Menschen, die im öffentlichen Raum übernachten 149 50.9 31 45.6 180 49.7 Menschen in Notunterkünften (insbes. Notschlafstelle) 105 35.8 21 30.9 126 34.8 Wohnungslos Übergangswohnungen (Notwohnung der Sozialhilfe) 29 9.9 8 11.8 38 10.5 Einrichtungen Wohnungsnot/Wohnhilfen 62 21.2 17 25 79 21.8 In Spitälern, Gefängnissen oder Psychiatrien und ohne Wohnung 6 2.0 1 1.5 7 1.9 Asylunterkunft 21 7.2 1 1.5 22 6.1 Herbergen (Pension, Hotel, Gästehaus) 35 11.9 11 16.2 46 12.7 Ungesichertes Wohnen Temporär wohnen müssen (bei PartnerIn Verwandten, 175 59.7 47 69.1 222 61.3 Bekannten) Unzureichendes Wohnen Wohnprovisorien (Zelt, Campingwagen) 33 11.3 8 11.8 42 11.6 Wohnungslos, weiss nicht wo ich übernachte 2 0.7 2 0.6 GESAMT NENNUNGEN 617 145 764 GESAMT PERSONEN 293 100 68 100 362 100 Die Prozentangaben beziehen sich jeweils auf die Betroffenen (Mann, Frau, Gesamt), nicht auf die Nennungen. Eine Person mit zwei Nennungen blieb ohne Angabe des Geschlechts. Formen vergangener und aktueller Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit, ungesicherten und unzureichenden Wohnens (Wohnprovisorien) fliessen mit ein. 5.3 Finanzielle Probleme als Grund für den Verlust der eigenen Wohnung Als häufigster Grund für den Verlust der eigenen Wohnung werden finanzielle Probleme genannt (154 Nennungen). 104 Mal wird das Ende oder die Kündigung des Mietvertrags als Grund für den Verlust der Wohnung genannt. Gesundheitsprobleme werden 99 Mal angesprochen. Beziehungsprobleme sind bei 92 Betroffenen der Auslöser für den Verlust ihrer Wohnung und 83 Personen nennen den Verlust der Arbeit (einschliesslich Konkurs bei Selbstständigkeit) als Ursache. Das Profil der Gründe, warum Frauen ihre Wohnung verlieren, unterscheidet sich nicht wesentlich von denen der Männer. Am häufigsten werden bei beiden Geschlechtern finanzielle Probleme genannt, wobei dies bei den Männern mit einem Anteil von 44% stärker ausgeprägt ist als bei den betroffenen Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und prekäres Wohnen in der Region Basel 26 Frauen, deren Anteil 37% beträgt. Frauen begründen den Verlust der eigenen Wohnung mit einem Anteil von 31% etwas häufiger mit Gesundheitsproblemen als Männer (26%). .25% der Männer geben den Verlust der Arbeit bzw. den Konkurs als Grund für den Wohnungsverlust an, bei Frauen liegt der Anteil gerade einmal bei 12%. Tabelle 9: Gründe für den Verlust der Wohnung (Mehrfachnennungen) Alle Betroffene Frauen Männer Gründe Anzahl % Anzahl % Anzahl % Finanzielle Probleme 154 46 25 36.8 129 44.0 Ende/Kündigung Mietvertrag 104 31.3 21 30.9 83 28.3 Gesundheitsprobleme 99 29.6 21 30.9 77 26.3 Beziehungsprobleme 92 27.5 20 29.4 72 24.6 Verlust Arbeitsplatz, Konkurs 83 24.8 8 11.8 73 24.9 Andere Gründe (Flucht, Spital/Psychiatrie/Inhaftierung) 66 19.7 11 16.2 55 18.8 Total Betroffene 362 (598 Nennungen) 68 293 Die Prozentanteile beziehen sich auf das Total der Betroffenen (362) bzw. auf Frauen (68) und Männer (293); 2 Personen, die sich als wohnungslos bezeichneten, aber nicht nannten, wo sie übernachten, wurden nicht berücksichtigt; eine Person blieb ohne Angabe des Geschlechts. Exkurs 6: Mehrfachbelastungen als Grund für den Wohnungsverlust Knapp die Hälfte (48%) der von Wohnungsverlust betroffenen Menschen gibt mehrere Gründe für den Wohnungsverlust an. Das zeugt von Multiproblemlagen aufseiten der Betroffenen: • 17% (61 Personen) nannten drei und mehr Gründe, die zu ihrer Wohnungslosigkeit führten, • 31% (111 Personen) nannten zwei Gründe, • 43% (156 Personen) nannten lediglich eine Ursache und 9% (34 Personen) nannten keinen Grund. Was das Zusammenspiel der Gründe für den Wohnungsverlust angeht, zeigen sich folgende Konstellationen: • 15% der Betroffenen (55 Personen): Finanzielle Probleme und Verlust des Arbeitsplatzes (oder Konkurs), • 13% (47 Befragte): Finanzielle Probleme und Gesundheitsprobleme, • 12% (43 Befragte): Finanzielle Probleme und Kündigung/Beendigung des Mietvertrags, • 9% (32 Befragte): Gesundheitsprobleme und Beziehungsprobleme. Unter den 156 Personen, die einen einzigen Grund für den Wohnungsverlust nennen, sticht die finanzielle Problematik hervor: • 39 Personen (25%) nennen finanzielle Probleme, • 32 Personen (21%) nennen die Kündigung oder das Ende des Mietvertrags, • 25 Personen (16%) nennen Beziehungsprobleme und lediglich • 17 Personen (11%) nennen Gesundheitsprobleme. 5.4 Vorschläge zur Bekämpfung von Obdach- und Wohnungslosigkeit Nachfolgend wenden wir uns allen 469 Befragten zu. Wir gehen davon aus, dass alle Befragte direkte (als Betroffenen) oder indirekte Erfahrungen (als Bekannte von Betroffenen) mit Obdach- und Wohnungslosigkeit gemacht haben. Die von ihnen gemachten Vorschläge zur Bekämpfung von Obdach- und Wohnungslosigkeit gehen in unterschiedliche Richtungen und weisen einen unterschiedlichen Konkretisierungsgrad auf; zur besseren Übersicht sind sie in Tabelle 10 kategorisiert. Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und prekäres Wohnen in der Region Basel 27 Was den Wohnraum angeht, so steht die Erschwinglichkeit von Wohnungen im Fokus: 142 Befragte schlagen tiefere Mieten vor, um Wohnungslosigkeit zu bekämpfen. 68 Personen raten zu mehr Übergangswohnungen sowie mehr und bessere Notschlafstellen. 44 Mal wurde mehr (bezahlbarer) Wohnraum und 5 Mal wurde der Erhalt von altem bzw. bestehendem Wohnraum eingefordert. Ein breites Spektrum an Vorschlägen zielt auf eine Verbesserung der bestehenden Wohnhilfen ab. In 64 Vorschlägen wird allgemein die Stärkung und Erweiterung der bestehenden Angebote betont. 26 Personen schlagen eine bessere finanzielle Unterstützung vor. In 20 Fällen wird angeregt, die bestehenden Beratungsangebote zu verbessern. Andere Vorschläge zur Bekämpfung von Wohnungslosigkeit sind struktureller und sozialpolitischer Natur. Mit 64 Nennungen wird häufig mehr politische Unterstützung und mehr Unterstützung durch Behörden, insbesondere die Sozialhilfe gefordert. Der Erlass bzw. ein verbesserter Umgang mit Schulden wird 46 Mal genannt. 8 Personen fordern eine erleichterte Vergabe und eine Regelung von Aufenthaltsbewilligungen, damit der Zugang zum Wohnungsmarkt für wohnungslose Menschen besser gelingt. Die Vorschläge, die die Gesellschaft stärker in die Verantwortung nehmen, beinhalten vor allem mehr gesellschaftliche Akzeptanz gegenüber Wohnungslosen (63 Nennungen). Zudem werden gesellschaftliche Strukturen angesprochen, wie etwa die verbesserte Integration in den Arbeitsmarkt. Allerdings ist die Zahl der Nennungen mit 25 Nennungen vergleichsweise niedrig, bedenkt man, dass 83 befragte Personen den Verlust der Arbeit (einschliesslich Konkurs) zuvor als Ursache für die eigene prekäre Wohnsituation sehen. Nur wenige Vorschläge richten sich an die Betroffenen selbst: 23 Befragte verweisen auf mehr Selbstverantwortung, um die Wohnungslosigkeit zu bekämpfen. 13 Personen sehen keinen Veränderungsbedarf. Tabelle 10: Vorschläge zur Bekämpfung von Wohnungslosigkeit (Mehrfachnennungen) Nennungen Befragte Anzahl %-Anteil %-Anteil Wohnraum alten Wohnraum erhalten 5 0.8 1.1 mehr alternative Wohnkonzepte 16 2.5 3.4 mehr Wohnraum 44 6.8 9.4 mehr Übergangswohnungen/Notschlafstellen 68 10.5 14.5 tiefere Mieten 142 21.9 30.3 Wohnhilfen spezifische Einrichtung schaffen 11 1.7 2.3 mehr Beratungsangebote 20 3.1 4.3 mehr finanzielle Unterstützung 26 4.0 5.5 Stärkung/Erweiterung der bisherigen Angebote 64 9.9 13.6 Gesellschaft Herkunftsbenachteiligung verhindern 9 1.4 1.9 verbesserte Integration in Arbeitsmarkt 25 3.9 5.3 mehr gesellschaftliche Akzeptanz 63 9.7 13.4 Politik Aufenthalt leicher bewilligen 8 1.2 1.7 Problem Betreibung und Schulden lösen 46 7.1 9.8 Unterstützung durch Politik und Behörden 64 9.9 13.6 Individuum mehr Selbstverantwortung der Betroffenen 23 3.6 4.9 Sonstiges kein Veränderungsbedarf 13 2.0 2.8 Gesamt 647 469 Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und prekäres Wohnen in der Region Basel 28 6 „Strassenobdachlosigkeit“: Die Nachtzählung Abbildung 2: Die Gebiete der Nachtzählung in Basel vom 21.3. auf den 22.3.2018 Unter die sogenannte Strassenobdachlosigkeit, fallen „rough sleeper“ und damit diejenigen, die keine eigene Wohnung haben und deshalb im Freien übernachten müssen (Kategorie 1 der ETHOS- Typologie). Der häufig dafür verwendete Begriff der „offenen Strassenobdachlosigkeit“ ist irreführend, denn nur selten übernachten diese Menschen direkt an einer Strasse, vielmehr halten sie sich an öffentlichen Plätzen wie z.B. Parks auf, in denen sie beispielsweise eine öffentliche Toilette nutzen können, sich aufwärmen, sich waschen oder den Schutz des Ortes z.B. vor Kälte oder Übergriffen nutzen. Die Strassenobdachlosigkeit betrifft nicht nur öffentliche, sondern auch halböffentliche oder private Gebiete, die eine öffentliche Funktion haben, wie z.B. Flughäfen und Bahnhöfe oder auch Tiefgaragen. Die Ergebnisse der in der Nacht vom 21.3. auf den 22.3. zwischen 23 Uhr und 2 Uhr in Basel durchgeführten Nachtzählung bestätigen die Einschätzung, dass offene Strassenobdachlosigkeit nicht weit verbreitet ist. Insgesamt wurden in allen Beobachtungsgebieten Situationen mit insgesamt 27 Personen beobachtet, die auf Strassenobdachlosigkeit hindeuten, z.B., weil die Person mit Schlafsack auf einem Karton draussen schlief. Ein grosser Teil, d.h. 22 der in diesem Sinne als obdachlos identifizierten Personen, hielt sich nicht draussen, sondern in einem Gebäude (z.B. Flughafen, Bahnhof) auf. Am gleichen Tag gaben in der Hauptbefragung in den 12 Einrichtungen ebenfalls 27 Personen an, dass sie draussen übernachten. Zwar lässt sich nicht genau quantifizieren, wie viele der in der Nacht beobachteten obdachlosen Personen auch an der Befragung tagsüber teilgenommen haben, dieser Anteil wird jedoch auf etwa ¼ geschätzt. Würden die obdachlosen Personen aus der Befragung mit denen in der Nachtzählung zusammengezählt, wobei diejenigen nicht berücksichtigt werden, die tagsüber in einer der Einrichtungen bereits gezählt wurden, käme man auf einen Wert von 47 „rough sleeper“ in Basel. Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und prekäres Wohnen in der Region Basel 29 7 Einschätzungen aus Sicht der Institutionen In Basel beschäftigen sich mehrere Institutionen auf unterschiedlichen Ebenen mit Personen, die von Wohnungs- und Obdachlosigkeit betroffen sind: • Die Sozialhilfe Basel-Stadt betreibt Notwohnungen sowie jeweils eine eigene Notschlafstelle für Männer und Frauen. • Tageseinrichtungen im Bereich von „Schadensminderung“ und Überlebenshilfe bieten Aufenthaltsmöglichkeiten, Essensabgaben, Hygienemöglichkeiten sowie weitere unterstützende Angebote an. • Im Bereich des betreuten und begleiteten Wohnens gibt es mehrere Institutionen mit einem engeren Bezug zum Thema Obdachlosigkeit. • In Bezug auf eine breiter verstandene Wohnhilfe stellt die IG Wohnen eine zentrale Institution dar, welche für die Sozialhilfe und andere Institutionen Leistungen im Bereich Wohnungsvermittlung und Wohnberatung erbringt. • Daneben gibt es noch weitere Stellen und Institutionen, welche mit dem Thema Wohnungs- und Obdachlosigkeit zu tun haben, u.a. im Rahmen der Beratung und sozialarbeiterischen Unterstützung von spezifischen Zielgruppen wie Haftentlassene oder Opfer von häuslicher Gewalt. 7.1 Auftrag, Angebot und Selbstverständnis der Institutionen Von einem grossen Teil der interviewten VertreterInnen der Institutionen im Bereich der Tagesangebote wird die Essensausgabe oder überhaupt eine Aufenthaltsmöglichkeit ohne Konsumationszwang als Kern der eigenen Tätigkeit angesehen. In verschiedenen Einrichtungen wird auch bewusst von „Gästen“ gesprochen und betont, dass kein pädagogisch-therapeutischer Auftrag verfolgt würde, um den Gästen eine gewisse Auszeit zu ermöglichen. Im Vordergrund steht hier die Möglichkeit, eine kostengünstige Mahlzeit zu sich zu nehmen, sich zu treffen und auszutauschen und wenn nötig einen warmen Ort zu haben, wo man sich ohne Konsumationszwang aufhalten kann. Gleichzeitig werden Personen, welche weiteren Unterstützungsbedarf geltend machen, an entsprechende Institutionen weitervermittelt. Das Essensangebot wird in den verschiedenen Einrichtungen mehr oder weniger ausgeprägt mit anderen Angeboten wie Dusch- und Waschmöglichkeiten, Arbeitsgelegenheiten, Kleiderabgaben oder Beratung ergänzt. Neben diesem Typ von Institutionen, bei welchem die Essensausgabe ein zentraler Teil darstellt, gibt es auch stärker auf Beratung fokussierte Institutionen, welche zum Teil auch aufsuchende Sozialarbeit leisten (vgl. Tabelle 11). Mehrere Institutionen im Bereich der Tagesangebote entstanden als Reaktion auf die in Basel verbreitete Arbeitslosigkeit in den 1970er Jahren oder auf die offene Drogenszene in den 1980er und 1990er Jahren und richteten sich zunächst entsprechend an arbeitslose bzw. suchtmittelabhängige Personen. Die verschiedenen Einrichtungen haben sich im Laufe der Zeit gegenüber anderen Zielgruppen allmählich geöffnet und umfassen heute oftmals Armutsbetroffene im Allgemeinen. Zum Teil stehen die Institutionen generell allen Personen offen, die die Angebote in Anspruch nehmen möchten. Obdachlosigkeit stellt dabei in der Regel nur ein Thema unter „Vielen“ dar. Die Institutionen im Bereich der Tagesangebote verorten sich einerseits entsprechend der kantonalen Steuerungslogik als Anbietende im Bereich der „Schadensminderung“ und Überlebenshilfe, andererseits bezeichnen sich viele Institutionen generell als niederschwellige Einrichtungen. Verschiedene Institutionen wollen dabei auch bewusst über die Überlebenshilfe oder die „Schadensminderung“ im engeren Sinn hinausgehen und setzen sich weiterführend für eine Verbesserung der Situation ihrer Zielgruppen ein. Die interviewten Institutionen im Bereich des betreuten und begleiteten Wohnens sehen den Kern ihrer Tätigkeit darin, Wohnraum für Personen zur Verfügung zu stellen, welche ansonsten aufgrund einer Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und prekäres Wohnen in der Region Basel 30 Suchtproblematik oder aufgrund ihrer psychischen Situation nirgendwo unterkommen würden, und gleichzeitig die notwendige Betreuung bzw. Begleitung zu bieten, damit kritische Lebenssituationen stabilisiert und Entwicklungsräume geschaffen werden können. Ein wichtiger Bezugspunkt stellt dabei die Förderung von Wohnkompetenzen dar. Dementsprechend werden auch nur Personen aufgenommen, welche einen entsprechenden Unterstützungsbedarf aufweisen. Die Professionalisierung im Bereich des betreuten und begleiteten Wohnens, welche sich in den letzten Jahren vollzogen hat, kommt durch Regelungen und Kriterien zum Ausdruck, die Anbietende von betreutem und begleitetem Wohnen und auch die aufgenommenen KlientInnen zu erfüllen haben, damit eine Finanzierung durch die öffentliche Hand gewährleistet ist. Diese Finanzierung ist auch an klare Bestimmungen in Bezug auf den Wohnsitz geknüpft, wodurch der Kreis der Nutzenden mit Ausnahme kurzfristiger Überbrückungsmöglichkeiten wie bei der Heilsarmee oder ELIM entsprechend eingeschränkt ist. Während das Wohnen in einer Institution eine relativ umfassende Betreuung beinhaltet, ermöglicht und erfordert das begleitete Wohnen mehr Selbstständigkeit bei den Betroffenen. 7.2 Nutzende und Zielgruppen In verschiedenen Interviews wurde berichtet, dass das Spektrum der Personen, welche die Tageseinrichtungen nutzen, über die Jahre breiter geworden ist. Neben „Leuten von der Gasse“ und Personen mit einem Suchtmittelhintergrund, nutzen heute auch viele armutsbetroffene Personen die Angebote. Während die Personen in den Tageseinrichtungen früher noch eher dem Klischee eines „Clochards“ entsprochen hätten, scheint man heute vielen Personen ihre prekäre Situation gar nicht mehr anzusehen. Es wurde auch darauf hingewiesen, dass der soziale Abstieg heutzutage sehr rasch vonstattengehen kann, gerade bei Personen über 50 Jahre, die ihre Stellen verlieren, weil sie (insbesondere die geringer Qualifizierten) keine Arbeit mehr finden, oder wenn mehrere Faktoren hineinspielen z.B. Verlust der Arbeit und Trennung. In verschiedenen Tageseinrichtungen wird eine Zunahme an älteren Personen festgestellt, unter anderem auch bedingt durch die Alterung des bereits bestehenden Klientels. Im Zusammenhang mit „psychisch auffälligen Personen“ wurde in den Interviews von verschiedenen Seiten auf die Veränderungen in der Art und Weise, wie die Psychiatrie organisiert ist, hingewiesen, insbesondere auf die Umstellung hin zur „offenen Psychiatrie“. In den Tageseinrichtungen scheinen sich „Personen mit psychischer Erkrankung“ weniger lange in stationären Einrichtungen (Universitätskliniken) aufzuhalten als früher, sodass sie schneller wieder in den Tageseinrichtungen verkehren und diese auch während eines Aufenthaltes in der Psychiatrie regelmässig aufsuchen, um sich im gewohnten Umfeld aufzuhalten. Mehrfach wurde darüber berichtet, dass „psychisch auffällige Personen“, welche in den niederschwelligen Einrichtungen verkehren, oft weiblich sind. Einzelne „psychisch auffällige Personen“ würden in den Tageseinrichtungen angesichts der ohnehin schon hohen Auslastung zur Herausforderung: Weil ihr Verhalten zum Teil nur schwer eingeschätzt werden könne, weil es von ihrer Seite eher zu aggressivem Verhalten käme oder weil allgemein eine erhöhte Aufmerksamkeit erforderlich sei. Die Zunahme von „psychisch auffälligen Personen“ in den Tageseinrichtungen wird als Herausforderung wahrgenommen, auf welche sich niederschwellige Einrichtungen ein Stück weit einstellen. So haben manche Einrichtungen etwa die Zusammenarbeit mit Fachpersonen aus dem Bereich der Psychiatrie verstärkt oder bei der Personalrekrutierung gezielt Personen mit einem entsprechenden fachlichen Hintergrund berücksichtigt. Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und prekäres Wohnen in der Region Basel 31 Exkurs 7: Schnittfeld Spital/Psychiatrie In der ETHOS-Typologie gelten Menschen als wohnungslos, wenn sie in stationären Einrichtungen, z.B. Spital oder Psychiatrie, verweilen, weil noch keine Anschlusslösung im Bereich des Wohnens gefunden wurde. Eine solche Statistik wird in der Regel nicht geführt, auch nicht für die Spitäler Basels. Dennoch ist Wohnungs- und Obdachlosigkeit für die Spitäler ein relevantes Thema, insbesondere, weil PatientInnen ins Spital kommen, die bereits obdachlos sind. Das Universitätsspital Basel (USB) ist das grösste Gesundheitszentrum der gesamten Nordwestschweiz. Der Sozialdienst führt keine systematischen Fallzahlen darüber, ob die Person von Obdachlosigkeit betroffen ist. Ein Blick in die elektronische Dokumentation zeigt aber die Relevanz auf. So gab es im Jahr 2017 21 Vermerke darüber, dass der Patient bzw. die Patientin obdachlos ist, während dies im Jahr 2016 24 Vermerke waren. Ist ein(e) obdachlose(r) PatientIn bereits an ambulante Stellen angebunden, läuft hierüber eine mögliche Vermittlung zur Heilsarmee und anderen Anbietern; auch bei Bestehen einer Beistandschaft erfolgt die Vermittlung in eine geeignete Wohnform zumeist über diese Personen. Die Universitären Psychiatrischen Kliniken sind, vor allem im Zusammenhang mit Personen mit einer Suchtmittelabhängigkeit oder mit einer akuten Psychose, immer wieder mit Fällen von drohender oder bereits bestehender Wohnungs- und Obdachlosigkeit konfrontiert. Zum einen kommt es in diesem Bereich oft zu Pendelbewegungen zwischen betreutem Wohnen, prekären Wohnformen und der Psychiatrie. Häufig sind beispielsweise Kriseninterventionen, nachdem es in einem Wohnheim zu einer Eskalation kam. Zum andern kommt es oft vor, dass Personen beim Eintritt in die Klinik gerade dabei sind, ihre Wohnung zu verlieren, wobei es bedingt durch den langen Prozess bis zum Klinikeintritt häufig schon zu spät ist, um den Wohnungsverlust noch zu verhindern. Beim Sozialdienst auf den entsprechenden Akutstationen ist deshalb die Suche nach einer tragfähigen Wohnlösungen ein häufiges Thema. Bei wohnungslosen Personen wird dann in der Regel versucht, diese in ein betreutes oder begleitetes Wohnen zu vermitteln. Sofern sich die betreffende Person dafür gewinnen lässt, gelingt dies im Allgemeinen. Zum Teil bestehen aber auch Engpässe bei passenden Plätzen und es kommt zu einem längeren Suchprozess. In gewissen Fällen ist es dann möglich, den Aufenthalt in der Klinik zu verlängern, um eine Anschlusslösung zu finden. Gerade in Fällen, in welchen eine betreute Wohnform abgelehnt wird, kann nicht immer eine sofortige Wohnlösung gewährleistet werden und der Austritt erfolgt dann zum Beispiel in die Notschlafstelle oder in eine selbst organisierte prekäre Wohnform. Exkurs 8: Schnittfelder Kirche, Polizei, Campingplatz Die Rückmeldungen aus den religiösen Gemeinden zeigen, dass es in den Gotteshäusern und religiösen Gemeinden keine offiziellen Schlafplätze für Menschen ohne Obdach gibt; es kommt jedoch vereinzelt vor, dass eine Person aufgrund ihrer Wohnungsnot vorübergehend in einem der Gebäude übernachten kann. Die Auskunftgebenden verwiesen darauf, dass zivilgesellschaftlich gehandelt wird und die von Wohnungsnot betroffene Person oder die betroffene Familie bei Mitgliedern der jeweiligen Glaubensgemeinde vorübergehend unterkommt. In die erweiterte Recherche wurden die Polizei, zwei lokale Campingplätze und auch die Stadtgärtnerei einbezogen. Diese gaben zwar an, dass sie bei ihrer Arbeit mit obdachlosen Menschen in Kontakt kommen, hierzu keine konkreten und aussagkräftigen Zahlen liefern können. Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und prekäres Wohnen in der Region Basel 32 Tabelle 11: Übersicht über das Angebot der interviewten Institutionen Sozialhilfe: Notwohnen x x (x) Elim x (x) (x) x x Heilsarmee Wohnen (x) x Stiftung Wohnhilfe x FrauenOase (x) x (x) (x) x x (x) x x Gassenküche x x (x) Internetcafé Planet 13 x (x) x Kontakt- und Anlaufstellen (x) (x) x x Schwarzer Peter (x) x x x Soup&Chill x x x x (x) Tageshaus x x (x) x (x) x Treffpunkt Glaibasel x x (x) x x x Treffpunkt Gundeli x x (x) x x x Anlaufstelle für Sans-Papiers x x IG Wohnen x x JuAr Jugendberatung x Sozialdienst UPK x Surprise x x CCAS Saint-Louis x Wohnungslosenhilfe Lörrach x x x x x x X x x x x Anmerkungen: Beim betreuten Wohnen ist auch Tagesaufenthalt, Essen und Duschmöglichkeiten etc. eingeschlossen; dies wird hier aber nur dann ausgewiesen, wenn sich das Angebot auch an Aussenstehende richtet. Eine weitere thematisierte Personengruppe ist diejenige der „Destitute Mobile Eastern and Central European Citizens“ (mittellose mobile BürgerInnen aus Zentral- und Osteuropa). Hier handelt es sich um Personen, die sich in der Schweiz auf Stellensuche befinden oder einer temporären Beschäftigung im prekären Bereich nachgehen. Einerseits gibt es die Einschätzung, dass diese Personen häufig kaum Chancen haben eine Stelle zu finden. Andererseits gibt es auch Hinweise auf Bereiche, in welchen doch immer wieder eine Beschäftigung gefunden wird, beispielsweise auf Messebaustellen. In den Interviews wiesen die befragten VertreterInnen der Institutionen darauf hin, dass mittellose EU- BürgerInnen formell Nothilfe beantragen könnten, und dass dies mit der Inanspruchnahme der niederschwelligen Einrichtungen zu umgehen versucht wird, um nicht den Prozess der Ausweisung auszulösen, welcher mit der Inanspruchnahme von Nothilfe verbunden ist. Die Unterstützung für diese Notunterkunft betreutes/ begleitetes Wohnen Tagesaufenthalt Essensangebot Kleiderabgabe medizinische Versorgung Duschen/Waschen Arbeitsangebot aufsuchende Arbeit Beratung Weiteres Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und prekäres Wohnen in der Region Basel 33 Menschen wird daher in verschiedenen Einrichtungen auf ein Minimum beschränkt, auch weil befürchtet wird, dass ansonsten die Kapazitätsgrenzen überschritten würden. Auf der anderen Seite sind mehrere Einrichtungen auch für diese Personengruppe offen. Exkurs 9: Ungarische Obdachlose in Basel – ein Beitrag von Dr. Zsolt Temesvary Zusätzlich zur Studie und den darin erhobenen Daten wurde ein Gutachten an Dr. Zsolt Temesvary in Auftrag gegeben, welches die Lebenslagen mittelloser mobiler BürgerInnen aus Zentral- und Osteuropa untersucht. Die hier interessierenden Personen sind zumeist im Zusammenhang mit den wirtschaftlichen und sozialen Veränderungen in Ungarn seit den 1990er Jahren in die Schweiz gekommen. Es sind zwei Gruppen: • Fachpersonen und FacharbeiterInnen (z.B. Maler, Maurer, Krankenschwestern und Mechaniker) mit Berufsbildung, die ihre Existenz auch in Ungarn gesichert haben, aber wegen besseren Arbeitsmöglichkeiten in die Schweiz kamen. Sie arbeiteten manchmal vorher in Deutschland oder Österreich und haben die deutsche Sprache angemessen gelernt, um individuelle Arbeiten übernehmen zu können. Sie sind in der Schweiz gegenwärtig extrem prekären Arbeitsbedingungen ausgesetzt. • Obdachlose, Prostituierte und „Tramps“, die vor Armut, geringer Existenzsicherung und sozialer Ausgrenzung aus Ungarn flohen. Obwohl sie einen ungarischen Reisepass haben, gehören viele von ihnen der ungarischen Minderheit in Rumänien, der Ukraine oder der Slowakei an. Sie sind manchmal gegen ihren Willen oder auf „Schmuggelwegen“ in die Schweiz gekommen. Obwohl ich ein Duzend ungarischer Wohnungsloser über ihre Lebensumstände befragen konnte, sagte niemand von ihnen, dass sie geplant und zielorientiert nach Basel kamen. Basel ist eine relativ kleine Stadt und ziemlich unbekannt in Ungarn. Wenn ich in ungarischen Notschlafstellen mit Obdachlosen, die eine Auswanderung geplant haben, gesprochen hatte, benannten sie eher Wien oder München als Zielorte der Wanderung. In den Interviews, die ich in Basel mit ungarischen Wohnungslosen geführt habe, erzählten alle, dass sie nach mehreren Zwischenstationen in Westeuropa eigentlich zufällig in Basel landeten und aufgrund der vergleichsweise guten Bedingungen dortgeblieben sind. Die Reise aus Ungarn in die Schweiz ist einfach. Obdachlose kommen nie mit dem Flugzeug, sie fahren mit Zügen. Es gibt einen direkten Zug aus Budapest (Ostbahnhof) nach Zürich HB; Fahrkarten kann man schon für 100 Euro kaufen. Deshalb fahren viele Obdachlose auch mehrmals pro Jahr nach Ungarn, um dort ihre Kinder und Familien wiederzusehen und andere Angelegenheiten zu erledigen. Die von Obdachlosen erfahrenen „push“ ‘ und „pull“–Faktoren haben sehr wichtige Einflüsse auf Migration und Wanderung. Orte, an denen sie kriminalisiert und benachteiligt werden, verlassen die Obdachlosen zugunsten jener Orte, wo die Behörden unterstützend, die Polizei toleranter und die sozialen Dienstleistungen grosszügiger sind. Mehrere Erzählungen bestätigen, dass ungarische Obdachlose Basel als einen guten und freundlichen Ort empfinden, wo man mit Betteln oder Strassenmusik relativ viel Geld sammeln kann, die Suppenküchen kostenloses Essen abgeben und die Polizei tolerant ist. Dies sind ganz überzeugende „pull“ Faktoren, denen Grossstädte anderer westeuropäischer Länder gegenüberstehen, in denen Obdachlosigkeit eher verfolgt und kriminalisiert wird. . Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und prekäres Wohnen in der Region Basel 34 Fortsetzung Die Mehrheit der ungarischen Obdachlosen, mit denen ich sprechen konnte, kann nur niederschwellige soziale Dienstleistungen in Anspruch nehmen, aber auch davon nur einen Teil. Von zwölf befragten Personen hatten nur zwei Anspruch auf Sozialhilfe und lediglich eine Person hat auch Wohnhilfe erhalten. Nur ein Mann hat darüber erzählt, seine Nächte regelmässig in einer Notschlafstelle zu verbringen. Die anderen haben ausschliesslich die Suppenküchen der Stadt genutzt. Die wichtigste Ursache dieser Nichtberechtigung ist das Fehlen einer gültigen Aufenthaltsbewilligung, deren Vorhandensein von vielen Einrichtungen jedoch eingefordert wird um Unterstützung zu erhalten. Dementsprechend schlafen die befragten Obdachlosen auch im Winter eher auf der Strasse, in Parks, in verlassenen Gebäuden oder unter Brücken. Diese Lebensführung kann lebensgefährlich sein, denn diese Menschen sind durch Unterkühlung, Strassengewalt und Krankheiten gefährdet. Die am häufigsten erwähnten Ursachen der Nichtbenutzung der Notschlafstelle (neben den fehlenden Ausweisen), waren die unangemessenen Bedingungen und die Gebühr, die KlientInnen jeden Tag bezahlen müssen. Da viele von ihnen vom Müllsammeln, Betteln und prekären Arbeiten leben und das so verdiente Geld nur für die Aufrechterhaltung der vitalen Funktionen ausreicht, können sie sich den Beitrag von 7,50 CHF (oder 40 CHF falls sie keinen Wohnsitz in Basel haben) pro Nacht nicht leisten. Andere haben sich über den Lärm, die unberechenbaren und manchmal gefährlichen Personen und die strengen Regeln beschwert. Auch ein relativ häufig genanntes Problem ist, dass Menschen in der Notschlafstelle keinen Alkohol und keine Rauschmittel konsumieren dürfen. Deswegen mussten jene, die ich bis zur Notschlafstelle begleitet hatte, ihre letzte Zigarette und ihr letztes Bier im Park neben dem Wettsteinplatz konsumieren. Für einen befragten Mann, der einen Hund besitzt, war es ein zu grosses Problem, diesen nicht in die Notschlafstelle mitnehmen zu dürfen, sodass er auf die Notschlafstelle verzichtete. Es gibt keine typisierbaren Überlebenstechniken der ungarischen Obdachlosen in Basel. Die angewandten Überlebenstechniken hängen vornehmlich vom Alter, dem physischen Zustand, dem Geschlecht und den vorhandenen persönlichen Beziehungen ab. Ein gemeinsames Merkmal ist, dass sie die sozialen Geldleistungen und Dienstleistungen, für deren Inanspruchnahme sie als EU-BürgerInnen berechtigt sind, mehhrheitlich nutzen. Suppenküchen sind zum Beispiel ein beliebter Ort, an dem sie kostenlos oder günstig essen können. Wenn sie auch für den Bezug von Sozialhilfe berechtigt sind, zögern sie nicht, diese in Anspruch zu nehmen. Manche verkaufen Strassenzeitungen, wenn diese Möglichkeit gegeben ist. In den von mir geführten 12 Interviews kam heraus, dass die Mehrheit der befragten ungarischen Wohnungslosen zum Zeitpunkt der Befragung oder kurz zuvor noch arbeitete. Diese Arbeiten waren hauptsächlich temporäre und informelle Arbeiten, manchmal unter prekären Umständen. Zwei Frauen haben zum Beispiel als Putzfrauen für schweizerische Familien gearbeitet, aber sie lebten in Deutschland, weil dort die Mietzinsen günstiger sind. Zwei Männer haben seit mehreren Monaten Strassenzeitungen verkauft und zwei andere ältere Männer waren in einem Restaurant als Hilfskräfte tätig. Ich habe auch drei Musiker kennengelernt, die aus Siebenbürgen gekommen sind, um in Basel auf der Strasse zu musizieren. Sie wurden von den anderen Betroffen hoch respektiert und sie haben auch in der Suppenküche mit den anderen zusammen gegessen. Einer der Musiker war vorher professioneller Geiger und Mitglied eines Orchesters in Rumänien, aber er hat alles verloren nach seiner Scheidung und wurde zum Alkoholiker. Fast alle Befragten kennen sich im Basler Sozialsystem gut aus und sprechen genug deutsch, um sich mit den Behörden und SozialarbeiterInnen verständigen zu können. Natürlich ist es wichtig zu bemerken, dass diese Leute ausnahmslos in Suppenküchen befragt worden waren; ich hatte keinen Kontakt mit jenen, die in Verschlägen lebten oder sich auf den Strassen verbargen. Niemand von den befragten Obdachlosen beabsichtigt innerhalb kurzer Zeit nach Ungarn zurückzukehren. Auch Anna, die zu Hause 6 Kinder hat, plant keine Heimkehr. Sie schliesst es allerdings nicht aus, in eine andere Stadt inner- oder ausserhalb der Schweiz weiterzugehen und dort zu leben. Sie betrachtet die Schweiz und Basel nicht als ihre Heimat und hat auch keine besondere emotionale Beziehung zu der Stadt. Sie behandelt und nutzt Basel als einen Ort zum Überleben, der momentan bessere Möglichkeiten bietet als ihr eigenes Heimatland. Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und prekäres Wohnen in der Region Basel 35 Im Bereich des betreuten und begleiteten Wohnens ist die Zielgruppe wie bereits erwähnt deutlich eingeschränkter, da hier nur Personen mit einem bestimmten Betreuungs- bzw. Begleitungsbedarf aufgenommen werden. Darüber hinaus ergeben sich als Voraussetzung für eine staatliche Finanzierung klare Anforderungen in Bezug auf den Wohnsitz. In den Interviews wurde geschildert, dass Personen, die in ein betreutes oder begleitetes Wohnen kommen, im Vorfeld oftmals von einer Wohnungskündigung oder bereits –-räumung–betroffen sind, unter anderem in Verbindung mit einer wahrgenommenen „Verwahrlosung“, psychisch auffälligem Verhalten oder auch im Zusammenhang mit einer Suchtproblematik und der damit einhergehenden Vernachlässigung von anderen Kompetenzen im Hygiene- und Wohnbereich. Dabei kann auch die Auflösung einer bestehenden Partnerschaft eine Rolle spielen, welche bis dahin ein weiteres Abrutschen in eine Krise verhindern konnte. Ausserdem wurde berichtet, dass es auch immer wieder Personen gibt, welche schon eine Zeit lang obdachlos waren und dann ab einem gewissen Alter auf ein betreutes oder begleitetes Wohnen angewiesen sind. Eine weitere Gruppe von Personen, welche oftmals in ein begleitetes Wohnen kommen, sind junge Erwachsene, die aufgrund ihrer Volljährigkeit aus einem Jugendheim austreten. Weiter kommt es auch nach einem Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik oder nach einem Entzug immer wieder zu Übertritten in ein betreutes oder begleitetes Wohnen. Auch hier wurden zum Teil die kürzeren Aufenthalte in der Psychiatrie thematisiert und darauf hingewiesen, dass diese Entwicklung dazu führt, dass gewisse Personen „zwar nicht mehr genug auffällig sind“, um in der psychiatrischen Klinik stationär betreut zu werden, jedoch „noch zu auffällig sind für ein betreutes Wohnen.“ Exkurs 10: Austritt aus dem Gefängnis Eine Statistik zur Zahl von Strafgefangenen, die aufgrund ihrer Haft ihre Wohnung verlieren und bei Haftentlassung eine Wohnung suchen, gibt es nicht. Dennoch ist in den „Basler Gefängnissen“, d.h. im Untersuchungsgefängnis, im Gefängnis Bässlergut und im Vollzugszentrum Klosterfiechten sowie in den Konkordats-Strafanstalten insbesondere bei der Entlassungsvorbereitung das Wohnen ein wichtiges Thema. Bereits in der Phase der U-Haft droht der Verlust der Wohnung. Wenn die rechtlichen Grundlagen und Vorgaben für eine Unterstützung durch die Sozialhilfe erfüllt sind, kann die Sozialhilfe die Wohnkosten für die maximale Dauer eines halben Jahres (Fälle des Kantons Basel-Stadt) übernehmen. Sie folgt damit dem Prinzip der Unschuldsvermutung von Tatverdächtigen. In diesen Fällen wird, wenn die Haft länger als 6 Monate dauert, in der Regel die Wohnung aufgelöst (Wohnungsräumung). Für die meisten U-Häftlinge führt diese Sachlage zum Verlust des persönlichen „Hab und Gutes“, weil dieses auf 2 bis3 Kartonschachteln reduziert werden muss, da die Sozialhilfe in Basel-Stadt keine Einlagerungskosten mehr übernimmt. Bei längeren Freiheitsstrafen sowie bei stationären Massnahmen gem. Art. 60, Art. 61, Art. 59 und Art. 64 StGB verlieren die meisten Verurteilten während des Straf- und Massnahmenvollzugs ihre Wohnung. Als grosse Hürde erweist sich die Versorgung mit Wohnraum nach Verbüssung einer Haftstrafe. Viele Haftentlassene sind verschuldet und mit ihren Vorstrafen (Eintrag im Strafregisterauszug/Lücken im Lebenslauf) sind die Zugangschancen zum freien Wohnungsmarkt in Basel sehr gering. Es kann vorkommen, dass Personen eine Bestätigung einer Wohnadresse zur frühzeitigen Entlassung aus der Haft vorlegen müssen. Die Bewährungshilfe Basel-Stadt unterstützt den Prozess der Wohnungssuche im Rahmen des Art. 93 StGB (Bewährungshilfe) und der Sozialen Betreuung gemäss Art. 96 StGB. Ihre Unterstützung bei der Wohnungssuch ist trotz Einbezugs von Dritten (z.B. Beispiel IG Wohnen) begrenzt. Als Wohnlösungen kommen dann „Billigpensionen“ oder Männer-/Frauenwohnheime infrage, oder die Haftentlassenen finden einen Platz in der ambulanten Wohnbegleitung. Obschon nicht einmal ein Zehntel der Gefängnisinsassen weiblich ist, stehen auch die Frauen nach Verbüssung ihrer Gefängnisstrafe gleichermassen vor dem Problem eine Wohnung zu finden. Im Rahmen des offenen und alternativen Straf- und Massnahmenvollzugs wie es im Vollzugszentrum Klosterfiechten Basel-Stadt mit Electronic Monitoring, Wohn- und Arbeitsexternat angeboten wird, kann die Selbstständigkeit der strafrechtlich verurteilten Personen (z.B. auch Wohnkompetenzen) aufrechterhalten und gefördert werden. Diese Vollzugsformen schaffen bzw. halten soziale Kontakte aufrecht, welche die Chancen auf eine zukünftige, adäquate Wohnform erhöhen können und dies wiederum die Legalprognose positiv beeinflussen kann. Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und prekäres Wohnen in der Region Basel 36 Fortsetzung Nicht immer liegt nach Haftentlassung ein mietrechtlich abgesichertes Wohnen vor, und die Haftentlassenen haben keine andere Möglichkeit als bei FreundInnenen, Bekannten oder Verwandten unterzukommen. Der Wegzug in ländliche Gebiete (z.B. Basel-Landschaft) verbessert nicht unbedingt die Chancen auf dem Wohnungsmarkt, da das Marktangebot der von der Sozialhilfe finanzierten bzw. selbst finanzierbaren 1- bis 2-Zimmerwohnungen auch dort gering ist. Da vorbestrafte Menschen sehr geringe Chancen auf dem freien Wohnungsmarkt haben und auch im Bereich des subventionierten Wohnens eher nachrangig behandelt werden, ist nach Auffassung der Bewährungshilfe Basel-Stadt die Schaffung eines geschützten Wohnangebotes für Haftentlassene überlegenswert: Gesicherter Wohnraum kann zu einer gelingenden Resozialisierung und Reintegration in die Gesellschaft beitragen. Nimmt man die Bedürfnisse der Haftentlassenen ernst, gehören das gesicherte Wohnen und adäquate Wohnbedingungen, so die ExpertInnen der Bewährungshilfe Basel-Stadt, zu ihren zentralen Anliegen nach Verbüssung einer Strafe. Wie viele Menschen während ihrer Haftzeit ihre Wohnung aufgeben müssen und vor Entlassung eine Wohnung benötigen, kann nicht bestimmt werden. Doch die Zahl von 767 Personen, die im Jahr 2017 laut Zahlenspiegel des Amts für Justizvollzug im Kanton Basel-Stadt aus dem Straf- und Massnahmenvollzug entlassen wurden, legt die Vermutung nahe, dass es sich um keine Einzelfälle handelt, für die sich die Wohnungsfrage dringlich stellt. Exkurs 11: Menschen im Asylverfahren und Sans-Papiers Gemäss der ETHOS-Typologie werden Menschen als wohnungslos gezählt, die in einer Asylunterkunft untergebracht sind. Für diejenigen Menschen, die sich im Asylverfahren befinden, besteht Unklarheit darüber, ob ihr Asylantrag genehmigt wird, welches Aufnahmeland zuständig ist oder ob die Antragstellenden in ihre Ursprungsländer zurückkehren müssen. Offensichtlich besitzen diese Menschen keine eigene Wohnung. Asylsuchende halten sich in der Schweiz zunächst in sogenannten Empfangs- und Verfahrenszentren (EVZ) auf. Im Kanton Basel-Stadt existiert für die Asylregion Nordwestschweiz – bestehend aus den Kantonen SO, BS, BL und AG ein Empfangs- und Verfahrenszentrum. Was die Anzahl von Menschen im EVZ in Basel angeht, so können die Zahlen bereits innerhalb weniger Tage recht stark schwanken. Über das gesamte Jahr besteht eine hohe Varianz in der Belegung. Laut Auskunft des Staatssekretariats für Migration waren am 21.3., dem Tag der Befragung, im EVZ Basel 177 Personen gemeldet. Für die Unterbringung und Betreuung sind die Kantone zuständig. Die Sozialhilfestatistik zählte im Jahr 2017 für den Bereich Asyl insgesamt 457 Dossiers im Kanton Basel-Stadt. 129 der 223 Asylsuchenden und 41 der 234 vorläufig aufgenommenen Personen waren danach in einer Kollektivunterkunft (z.B. Siedlung Dreispitz) untergebracht. 6 Asylsuchende und 28 vorläufig Aufgenommene befanden sich in einer stationären Einrichtung. Nach Angaben der Sozialhilfe Basel-Stadt leben zu Jahresbeginn 2019 im Kanton rund 1‘650 anerkannte Flüchtlinge und vorläufig Aufgenommene (Status B und F). Aktuell werden 1‘370 von ihnen von der Sozialhilfe unterstützt und betreut. 800 sind Flüchtlinge mit Status B oder F und 570 Personen gelten als vorläufig Aufgenommen (F). In diesem Zusammenhang sei auf die Ergebnisse der Befragung zu den Ursachen von Obdachlosigkeit hingewiesen. Darin wurden auch der Aufenthaltsstatus und die Flucht als Ursache für eine bestehende oder früher einmal erfahrene Obdachlosigkeit genannt. Solche Menschen befinden sich oftmals in keinem offiziellen Asylverfahren. Teilweise leben sie als Sans-Papiers in der Schweiz. Allein aufgrund des illegalen Aufenthalts befinden sich diese Menschen häufig im ungesicherten Wohnen. Die allergrösste Mehrheit der Sans-Papiers dürften auch keinen Mietvertrag abgeschlossen haben, weil dies für die Vermietenden strafrechtliche Konsequenzen hätte. Eine genaue Zahl über Sans-Papiers gibt es nicht, Schätzungen des Staatssekretariats für Migration und des B,S,S. Volkswirtschaftliche Beratung AG zufolge leben 4‘000 Sans- Papiers in Basel (SEM, B,S,S. 2015). Allein diese Zahl legt nahe, dass eine erhebliche Zahl an Personen in Basel keinen einklagbaren Mietvertrag besitzt und auf den guten Willen des Vermietenden angewiesen ist. Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und prekäres Wohnen in der Region Basel 37 Bezüglich Personen aus dem Asylbereich sieht die Situation ähnlich aus: Während einige Einrichtungen mit Verweis auf ein anderes Netzwerk von Organisationen in diesem Bereich oder auf die Verantwortung des Bundes keine Zuständigkeit sehen, richten sich die Angebote anderer Einrichtungen ebenfalls an diese Menschen. Personen aus der Gruppe der Sans-Papiers tauchen zwar in gewissen Tageseinrichtungen ohne Zugangsbeschränkung vereinzelt auf, jedoch wird ihr Status hier grundsätzlich auch nicht direkt sichtbar. Wenn spezifischer Unterstützungsbedarf besteht, erfolgt in aller Regel eine Vermittlung an die Anlaufstelle für Sans-Papier 7.3 Wohnsituationen und Wohnungssuche Die interviewten InstitutionenverteterInnen weisen auf unterschiedliche Formen von Wohnungs- und Obdachlosigkeit und prekärem Wohnen hin, in welchen sich die Nutzenden ihrer Einrichtungen befinden. Die Institutionenvertretenden berichten von Personen, die bei FreundInnen und Bekannten unterkommen, von Personen, die in einem Keller, in einer Garage oder seit längerem in der Notschlafstelle oder im Freien übernachten. Daneben gibt es auch Personen, welche in der psychiatrischen Klinik untergebracht sind, und sich tagsüber in den Tageseinrichtungen aufhalten. Die interviewten Institutionen weisen zudem darauf hin, dass unter den Nutzenden auch Personen sind, welche über eine eigene Wohnung verfügen. Mehrfach wird darüber berichtet, dass prekäre Wohnformen unter anderem dadurch zustande kommen, dass Personen, die dringend gebotene Betreuung ablehnen. Von verschiedenen Seiten wurde auch darauf verwiesen, dass die Notschlafstelle einen schlechten Ruf hat und Personen zum Teil lieber draussen übernachten als in der Notschlafstelle. In fast allen Interviews ist die Suche nach einer günstigen Wohnung als äusserst schwierig beschrieben worden, wobei man mit Betreibungen und insbesondere mit bestehenden Mietschulden, aber auch in dem Moment, wo man äusserlich nicht mehr den Normen der Vermietenden entspricht, offenbar kaum eine Chance hat, auf dem ersten Wohnungsmarkt eine Wohnung zu finden. Diese Schwierigkeit stellt sich nicht nur für Personen, welche ihre Wohnung verloren haben oder von einem Wohnungsverlust bedroht sind, sondern sie stellt sich auch für Menschen im Bereich des betreuten und begleiteten Wohnens, wenn es darum geht, dass eine Person daraus abgelöst werden könnte, aber innert der vorgesehenen Frist keine Wohnung gefunden wird. Hier kommt es dann vor, dass AnbieterInnen von betreutem Wohnen vor der Wahl stehen, eine bisher begleitete Person ohne Anschlusslösung zu entlassen oder auf die Finanzierung durch den entsprechenden Kostenträger zu verzichten. Zusätzlich zu den schwierigen Umständen auf dem freien Wohnungsmarkt wurden die sogenannten „Gammelhäuser“ angesprochen Hier werden möblierte Zimmer zum Maximaltarif an Sozialhilfebeziehende vermietet, wobei Menschen auf engstem Raum und unter schlechten Wohnbedingungen (z.B. defekte Heizung oder Schimmel) leben. Dieses Wohnumfeld sei – so die Interviewten – nicht nur durch schlechte Hygienebedingungen und fehlende Privatsphäre, sondern auch durch den gegenseitigen negativen Einfluss, den beispielsweise suchtmittelabhängige Personen unter Umständen aufeinander ausüben, geprägt und stelle insofern eine „Scheinlösung“ dar, welche unter Umständen den Eintritt in ein betreutes Wohnen verhindere. 7.4 Handlungsbedarf im Bereich Wohnungs- und Obdachlosigkeit aus Sicht der interviewten Institutionen Ein mehrfach angesprochener Themenbereich stellt die allgemeine und psychische Gesundheit von wohnungs- und obdachlosen Personen dar. Aus den Interviews geht ein Bedarf nach verstärkter aufsuchender (Sozialer) Arbeit im öffentlichen Raum hervor, um einer Verschlechterung der gesundheitlichen Situation von obdachlosen Personen frühzeitig begegnen zu können. Ebenfalls im Bereich der psychiatrischen Versorgung wurde eine Stärkung der aufsuchenden Arbeit gefordert, unter anderem auch zur Entlastung der niederschwelligen Einrichtungen. Weiter wurde dargelegt, dass mit Blick auf die Heilung und Verschlimmerung bereits leichte Erkrankungen eine Herausforderung für Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und prekäres Wohnen in der Region Basel 38 Menschen ohne Obdach darstellen können, was durch spezifische Aufenthaltsmöglichkeiten aufgefangen werden könnte. Im Bereich von temporären Wohnmöglichkeiten wurde von verschiedenen Seiten darauf hingewiesen, dass es noch mehr Zwischenlösungen bräuchte. Junge Erwachsene betreffend wurde betont, dass weitere Alternativen zur bestehenden Unterbringung in der Notschlafstelle wünschenswert wären, da diese dort verschiedenen negativen Einflüssen ausgesetzt bzw. mit der „Gasse“ konfrontiert sind. Ausserdem wurde im Hinblick auf Wartelisten im Bereich des betreuten und begleiteten Wohnens die Frage aufgeworfen, ob es nicht zusätzliche Plätze bräuchte. Ein weiterer Themenbereich sind niederschwellige Wohnmöglichkeiten jenseits institutioneller Angebote. Bezüglich den kritisierten „Gammelhäusern“ wurde gefordert, dass gegenüber den VermieterInnen vonseiten der Behörden Auflagen gemacht werden, um einer Kumulierung und Verfestigung von Problemlagen entgegenzuwirken. Alternativ sollte einfach ausgestatteter Wohnraum geschaffen werden, der auch Personen zur Verfügung steht, welche ansonsten auf dem Wohnungsmarkt wenig Chancen haben. Weiter wurden kreative und kurzfristige Zwischennutzungen vorgeschlagen, um wohnungs- und obdachlose Personen unterbringen zu können. Zudem wurde immer wieder betont, dass grundsätzlich mehr bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden sollte, sei dies über Umnutzungen oder gezielten Neubau. Der Zugang zu Wohnraum für sozial benachteiligte Personen könnte zum Beispiel dadurch erleichtert werden, dass die Förderung von Genossenschaften mit bestimmten Quoten für sozial benachteiligte Personen verknüpft wird. Die Verhinderung von Wohnungsverlusten wurde ebenfalls von verschiedenen Seiten zum Thema gemacht. Hier wurde eine allgemeine Anlaufstelle für Vermietende vorgeschlagen, welche bei Schwierigkeiten in Mietverhältnissen zur Verfügung steht und etwa bei bestehenden Mietausständen nach Lösungsmöglichkeiten sucht, sowie gegebenenfalls in einem bestimmten Rahmen Mietgarantien übernimmt. Hierbei könnte auch ein aktiveres Anbieten einer Wohnbegleitung in kritischen Mietverhältnissen zu einer Entspannung der Situation führen. Weiter wurde auf die Fachstelle in Lörrach verwiesen, welche bei Räumungsklagen systematisch und frühzeitig einschreitet und in vielen Fällen den Erhalt des Mietverhältnisses erwirken kann, was auch für Basel ein prüfenswertes Modell sein könnte. Ein Themenfeld, welches mehrfach angesprochen wurde, betrifft den Umgang mit mittellosen BürgerInnen aus EU-Ländern und mit Personen aus anderen Kantonen. Entsprechenden Zugangskriterien wurde auf der einen Seite Verständnis entgegengebracht, auf der anderen Seite wurde ein pragmatischerer Umgang mit ihnen gewünscht. Im Falle der angrenzenden Kantone wurde auch betont, dass sich diese in verschiedenen Bereichen stärker finanziell beteiligen oder mehr eigene Angebote schaffen sollten. Einzelne Nennungen bezogen sich im Weiteren auf eine Stärkung der aufsuchenden Beratung in den Tageseinrichtungen, den Ausbau von Aufenthaltsmöglichkeiten und den Ausbau von niederschwelligen Beschäftigungsmöglichkeiten. Vereinzelt wurde auch vor einer „Überbetreuung“ gewarnt und betont, dass bei der Schaffung weiterer Angebote darauf geachtet werden sollte, diese wenn möglich an bestehende Strukturen anzuschliessen. Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und prekäres Wohnen in der Region Basel 39 8 Aktuelle Übernachtungsgebote für Obdachlose 8.1 Notschlafstelle In Basel gibt es eine Notschlafstelle, für die die Sozialhilfe des Kantons Basel-Stadt zuständig ist. Sie gilt als zentrale Notunterkunft für Menschen ohne Obdach. Die Notschlafstelle kann zwischen 20 Uhr und 8 Uhr morgens (Sonntag bis 9 Uhr) in Anspruch genommen werden, wobei der Einlass zwischen 20 Uhr und 24 Uhr ist. Im Sozialbericht 2017 (Statistisches Amt Basel Stadt) ist die Notschlafstelle wie folgt beschrieben: „Im Erdgeschoss steht ein Aufenthaltsraum mit Fernseher zur Verfügung, der bis 1.00 Uhr benutzt werden kann. In der Frauenabteilung gibt es ebenfalls einen kleinen Aufenthaltsraum, der nur von diesen betreten werden darf. Auf diversen Stockwerken gibt es je drei Toiletten und drei Waschmöglichkeiten (Dusche, bis 1.00 Uhr benutzbar). Zudem besteht für die Gäste die Möglichkeit, ihre Wäsche zu waschen (Waschküche mit zwei Waschmaschinen und zwei Tumblern, bis 24.00 Uhr benutzbar). Jeder Gast darf ein Gepäckstück mitbringen, Wertsachen können über Nacht an der Réception deponiert werden. Nicht erlaubt ist das Mitbringen von Haustieren. Die anwesenden Aufsichtspersonen können bei Bedarf Informationen zu weiteren Hilfsangeboten vermitteln, es wird jedoch momentan keine sozialarbeiterische/sozialpädagogische Beratung oder Betreuung angeboten. Die Nichteinhaltung der Hausordnung (z.B. Verstoss gegen das strikte Verbot des Mitbringens oder Konsumierens von Drogen und Alkohol oder gegen das generelle Rauchverbot, der Aufenthalt in den Abteilungen des jeweils anderen Geschlechts, Gewalt, Sachbeschädigung) kann je nach Schwere zu Ausweisungen und Hausverboten führen…. Das Übernachten in der Notschlafstelle ist gegen Barzahlung oder Vorlage einer Kostengutsprache möglich. Personen die im Kanton Basel-Stadt angemeldet sind, zahlen pro Nacht Fr. 7.50. Alle anderen Personen bezahlen in der Regel Fr. 40.00 pro Übernachtung“ (Statistisches Amt Basel Stadt 2017, S. 26). Die Sozialhilfe führt Zahlen zur Notschlafstelle. Das Statistische Amt des Kantons bereitet die Daten auf und führt seit 2009 eine jährliche Statistik. Die Statistik für das Jahr 2017 weist auf das gesamte Jahr bezogen insgesamt 415 unterschiedliche Personen aus, die für unterschiedlich lange Zeiträume die Notschlafstelle aufgesucht haben. Die Statistik zur Anzahl der in der Notschlafstelle verbrachten Nächte zeigt, dass 53% der 415 Personen die Notschlafstelle für 1 bis 7 Nächte aufgesucht haben, nur ein geringer Teil bleibt länger in der Notschlafstelle: 9% verbrachten dort 61 bis 150 Nächte; 8% verweilten mehr als 150 Nächte in der Notschlafstelle. Im Vergleich zur durchgeführten Befragung der Personen in den 12 untersuchten Institutionen fällt die in der Jahresstatistik 2017 ausgewiesene Verweildauer in der Notschlafstelle kürzer aus. In der Befragung gaben von den 23 Personen, die in der Notschlafstelle übernachten, bereits 28% an, dass sie 3 bis 12 Monate (also 90 bis 365 Tage) dort übernachten; 24% suchen bereits seit mehr als einem Jahr die Notschlafstelle auf. Eine Erklärung für die im Vergleich zur Jahresstatistik der Notschlafstelle längere durchschnittliche Dauer, wie sie in der schriftlichen Befragung festgestellt wurde, könnte sein, dass die befragten Personen die Wohnsituation gesamthaft einschätzten und z.B. kurze Austritte aus der Notschlafstelle nicht berücksichtigten. Ein weiterer Grund hängt mit der Stichtagsbefragung und der damit erhöhten Wahrscheinlichkeit zusammen auf Menschen zu stossen, die bereits länger die Einrichtung, also die Notschlafstelle aufsuchen. Im Jahr 2017 waren im Durchschnitt 65% aller für Frauen vorgesehenen Plätze (12 Betten) belegt, während die Belegungsquote für die 63 Plätze bei den Männern bei 57% lag. In den Wintermonaten ist die Belegungsquote in aller Regel höher als in den Sommermonaten. Die vergleichsweise geringe Auslastungsquote wird unterschiedlich gedeutet. Auf der einen Seite wird sie als Hinweis für eine geringe Obdachlosigkeit gewertet. Auf der anderen Seite wird die geringe Inanspruchnahme u.a. mit erschwerten Zugängen zur Notschlafstelle erklärt (z.B. wegen der Kosten) und auch als Ausdruck für eine mangelnde Qualität der Notschlafstelle gedeutet. Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und prekäres Wohnen in der Region Basel 40 Im Zeitvergleich der Jahre 2009 bis 2017 hat die Auslastungsquote sowohl Abbildung 3: Auslastungsquote der Notschlafstelle Basel nach Geschlecht 2009-2017 bei den Frauen als auch bei den Männern einen kurvenförmigen Verlauf, die Anstiege und Rückgänge in den Belegungen sind zwischen Männern und Frauen teilweise gegenläufig. Zwischen 2009 und 2011 lag die Auslastungsquote bei den Frauen im Durchschnitt zwischen 48% und 43% und nahm dann im Jahr 2012 auf eine durchschnittliche Quelle: Sozialbericht 2017 (t13.11.02), eigene Darstellung. Auslastung der 12 Plätze von 70%stark zu. Bis 2015 kam es nochmals zu einem Anstieg der Belegungsquote auf 82%. Mit durchschnittlichen Auslastungsquoten von 56% für 2016 und 65% für 2017 liegen die Anteile in jüngster Zeit wieder deutlich unter denen der Vorjahre. Anders als bei den Frauen kommt es bei den Männern gleich zu Beginn des Beobachtungszeitraums zu einem Anstieg in der Bettenbelegung von 58% auf 70%. Danach sinkt die durchschnittliche Jahresauslastung der 63 Plätze auf 57% für das Jahr 2011, bzw. 56% für das Jahr 2012. Wie auch bei den Frauen steigt die Auslastung in den darauffolgenden Jahren, allerdings nur bis 2014 auf 75%; danach sinkt die durchschnittliche Belegung auf 58% im Jahr 2017. Ein Blick auf die Altersstruktur zeigt für das Jahr 2017, dass die 41- bis 50-Jährigen mit 24% die grösste Gruppe unter den NutzerInnen der Notschlafstelle bilden. Die Abbildung 4: zweitgrösste Gruppe sind Übernachtende Personen in der Notschlafstelle nach ihrem Alter die 31- bis 40-Jährigen. Ihr Anteil betrug im Jahr 2017 22%. Die drittgrösste Gruppe stellen die 51- bis 60-Jährigen mit einem Anteil von 21% dar. Es folgen die Altersgruppen der 26- bis 30-Jährigen und der jungen Erwachsenen im Alter von 18 bis 25 Jahren, 12 bzw. 11% aller Übernachtenden. Zusammengenommen sind die 18- bis 30-Jährigen die zweitgrösste Gruppe. Personen über 60 Jahre Quelle: Sozialbericht 2017 (Abb. 10-4/T10-2); Sozialhilfe des Kantons Basel- sind mit 9.2% noch selten in Stadt, Notschlafstelle und Notwohnungen. Notschlafstellen vorzufinden. Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und prekäres Wohnen in der Region Basel 41 Im Vergleich dazu zeigt die durchgeführte Befragung in den 12 Einrichtungen eine ähnliche Altersstruktur: Bei den 23 Personen, die angaben, in der Notschlafstelle zu übernachten, lag der Altersschwerpunkt bei den 30- bzw. 36- bis 50-Jährigen. Der Blick auf den gesamten Untersuchungszeitraum von 2009 bis 2017 zeigt, dass die Anteile jüngerer Erwachsener, d.h. der 18- bis 25-Jährigen und der 26- bis 30-Jährigen aber auch die nächsthöheren Altersgruppen, d.h. die 31- bis 50-Jährigen (zumindest seit 2013) im Zeitverlauf tendenziell zurückgehen, während die Gruppe der älteren NutzerInnen kontinuierlich ansteigt. Der deutlichste Anstieg ist bei den 51- bis 60-Jährigen zu verzeichnen: Ihr Anteil lag 2009 noch bei 13%, 2017 liegt dieser bei 21%. Insgesamt ist eine Alterung der NutzerInnen der Notschlafstelle in Basel erkennbar. Die Anzahl der Personen, die am 21.3.2018, d.h. in der Befragungsnacht die Notschlafstelle aufsuchten, betrug 48, hiervon waren 7 Personen weiblich. In der Befragung selbst gaben 23 Personen an, dass sie in der Notschlafstelle übernachten würden. Nicht einmal die Hälfte aller Personen, die die Notschlafstelle aufsuchten, nutzen an diesem Tag die Tagesangebote der 12 untersuchten Einrichtungen oder sie nahmen nicht an der Befragung teil. Die Auslastung der Notschlafstelle in einer vergleichsweise kalten Nacht betrug bei den Männern 65%, die beiden für die Frauen zur Verfügung stehenden Zimmer waren zu 58% belegt. 8.2 Notwohnungen Notwohnungen gehören zu den Unterstützungsformen, die gemäss ETHOS-Typologie als Übergangswohnungen für wohnungslose Menschen verstanden werden. Bei den Notwohnungen im Kanton Basel-Stadt handelt es sich um eine zunächst auf 6 Monate befristete Notlösung für Menschen in der Sozialhilfe. Die Beziehenden sind angehalten, in dieser Zeit nach einer passenden Wohnung auf dem freien Wohnungsmarkt zu suchen. Im weiteren Sinne können die Wohnungen für besonders benachteiligte Personen oder zumindest Teile dieser Wohnungen (gemäss Art. 16 des Wohnraumfördergesetzes) unter die Kategorie Notwohnungen gefasst werden. Die Personen gelten gemäss ETHOS als wohnungslos, weil sie ohne Notwohnung wohnungslos wären. Allerdings wird zwischen der Sozialhilfe und den Betroffenen ein auf 6 Monate befristeter Mietvertrag abgeschlossen und mit Auslaufen des Mietvertrags erfolgt eine erneute Prüfung der Anspruchsberechtigung. Für diese 6 Monate geniessen die Menschen somit mietrechtlichen Schutz. Die Folgen der Wohnungslosigkeit sind mit den Notwohnungen deutlich abgefedert, denn den Betroffenen steht nicht nur ein Schlafplatz, sondern eine Wohnung zur Verfügung. Nicht der Status „obdachlos“ entscheidet über die Möglichkeit eine Notwohnung zu erhalten. Die Notwohnungen werden vor allem an von Wohnungsnot (ohne Wohnung oder gekündigtes Mietverhältnis ohne Anschlusslösung, bevorstehende Räumung) betroffene Familien (einschliesslich Alleinerziehende) mit entsprechender Basler Kantonszugehörigkeit vergeben, denen Sozialhilfe zusteht. Nachrangig werden alleinstehende wohnungslose Personen behandelt. Dieser Gruppe steht die Notschlafstelle zur Verfügung, wenn im Segment der Notwohnungen die vorgesehenen Einzimmerwohnungen belegt sind. Sie erhalten dort keine Wohnung, sondern lediglich eine Schlafmöglichkeit. Die Notwohnungen bestehen aus 49 Dreizimmerwohnungen, 48 Vierzimmerwohnungen 33 Zweizimmerwohnungen und 12 Einzimmerwohnungen (Stand September 2018). Die Gesamtzahl der BewohnerInnen ist über das Jahr gewissen Schwankungen unterworfen, u.a. weil sich die Auslastungen und Zusammensetzungen im Haushalt ändern (z.B. bei Auszug eines Familienmitglieds, Familienerweiterung durch Geburt eines Kindes) können. Nach Angaben der Sozialhilfe Basel-Stadt leben im September 2018 insgesamt 103 Erwachsene und 97 Kinder in den Notwohnungen. In der Befragung leben gerade einmal 12 Personen in den Notwohnungen. Nur ein kleiner Teil der Menschen, die Notwohnungen der Sozialhilfe beziehen, sucht die 12 in die Befragung einbezogenen Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und prekäres Wohnen in der Region Basel 42 Einrichtungen auf. Werden die 200 Personen, die Abbildung 5: Anzahl Notwohnungen, jeweils per 31. Dezember Notwohnungen beziehen, für eine Gesamtstatistik der Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und des prekären Wohnens berücksichtigt, ändert sich deutlich jenes Profil für Basel, wie es sich aus der schriftlichen Befragung ergibt. Die Fünf-Jahresstatistik zeigt für Basel-Stadt Quelle: Sozialbericht 2017 (Abb. 11-1/T11-1 u. Abb. 11-3/T11-1); Sozialhilfe einen stetigen Ausbau des Kantons Basel-Stadt, Notschlafstelle und Notwohnungen. der Notwohnungen. 2013 gab es 98 Notwohnungen, Ende 2017 stehen 156 Notwohnungen zur Verfügung. Offensichtlich reagiert die Sozialhilfe auf eine steigende Zahl an Familien in Wohnungsnot. In Kombination mit Ergebnissen aus anderen Statistiken (z.B. Anstieg der Familienmietzinsbeitragsquote) sind zunehmend mehr Familien auf finanzielle Wohnhilfe angewiesen. Diese Hilfen sind Ausdruck einer steigenden Armut von Familie in Basel, welche u.a. in Form der steigenden Anzahl von Familien in der Sozialhilfe deutlich wird. Die Auslastung der angebotenen Notwohnungen liegt derzeit bei 92%. Bei Jahresabschluss standen 2017 insgesamt 13 Notwohnungen leer (5 Zweizimmerwohnungen, 6 Dreizimmerwohnungen und zwei Vierzimmerwohnungen). Die Beobachtung, dass trotz Ausbaus die Auslastung der Notwohnungen seit 2011 im Jahresdurchschnitt jeweils bei über 90% liegt, ist ein deutlicher Hinweis für einen bestehenden Bedarf. Nur ein geringer Teil der Betroffenen kann die Notwohnungen zügig verlassen, wie es ursprünglich angedacht war. Im Jahr 2017 werden 28% der Notwohnungen seit weniger als einem Jahr von den gleichen Personen bewohnt, 51% der Haushalte leben seit einem bis drei Jahren in einer Notwohnung. 6% der Betroffenen leben seit über 10 Jahren in der gleichen Notwohnung. 8.3 Wohn- und Wohnungslosenhilfe: Beispiele Diakonische Stadtarbeit und Heilsarmee Die Erfassung der bestehenden Angebote der Wohn- und Wohnungslosenhilfe erweist sich als schwierig. Viele Angebote für Wohnungslose sind in Unterstützungsangebote integriert, die Gesundheitsprobleme, insbesondere Suchtproblematiken, psychische oder physische Erkrankungen betreffen. Das Amt für Sozialbeiträge des Kantons Basel-Stadt listet in der Rubrik „Begleitetes und betreutes Wohnen für diverse Zielgruppen“ insgesamt 15 Anbietende auf, die teilweise noch einmal ausdifferenziert sind und beispielsweise mehrere Wohnhäuser und -projekte umfassen können. Wie viele Fälle der Begleitung oder Beratung im Bereich der ambulanten und stationären Wohnhilfe mit Wohnungslosigkeit zu tun haben, lässt sich anhand der einzelnen Geschäftsberichte der Einrichtungen nicht genau bestimmen. Im Folgenden möchten wir uns mit der Diakonischen Stadtarbeit Elim (ELIM) und der Heilsarmee auf zwei grössere Einrichtungen in Basel fokussieren, die ambulante und stationäre Wohnangebote anbieten. Ihre Angebote richten sich an Menschen mit einer psychischen Erkrankung oder (Sucht- )Abhängigkeit und auch an von Obdachlosigkeit bedrohte Personen aus. In der Mehrheit weisen die im ELIM und in der Heilsarmee untergebrachten Personen zumeist Multiproblemlagen auf, durch die auch das Wohnen erschwert ist oder die den Zugang zu Wohnraum einschränken. Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und prekäres Wohnen in der Region Basel 43 Die Heilsarmee in Basel bietet 48 Männern und 36 Frauen in zwei Häusern Wohnplätze mit Betreuung an. Hinzukommen 28 Wohnbegleitungen im Bereich des ambulanten Wohnens. Innerhalb des begleiteten ambulanten Wohnens wird zwischen den Angeboten WONACH und WOMIT unterschieden. Beide Angebote weisen präventive Aspekte auf, denn es geht um den Erhalt der Wohnung durch eine Arbeit an den Multiproblemlagen. Das Angebot WONACH richtet sich an Menschen, welche eigenen Wohnraum anmieten konnten und eine Wohnbegleitung benötigen; beim Angebot WOMIT hat die Heilsarmee günstigen Wohnraum angemietet und untervermietet den Wohnraum unter Auflagen (z.B. Betreuungsvertrag). Während die Personen im Frauen- bzw. Männerhaus als wohnungslos gezählt werden können, weil sie keinen eigenen Mietvertrag für eine Wohnung im regulären Wohnungsmarkt besitzen, sind die KlientInnen im ambulanten Wohnen im Sinne der Definition nicht wohnungslos, weil sie entweder einen eigenen Wohnraum anmieten konnten oder einen Untermietvertrag mit der Heilsarmee abgeschlossen haben. Mit den bei der Heilsarmee unterstützten Personen im stationären Bereich werden Betreuungsverträge abgeschlossen; diese einzuhalten sichert das Wohnen bei der Heilsarmee. Grundvoraussetzung für den Zugang zum Frauen- und Männerwohnhaus ist ein Kostenträger, der die Kostengutsprache für die Unterkunft und Betreuung erteilt. Eine Ausdifferenzierung der Gründe, warum die Personen im stationären Wohnen sind, gibt es nicht. Jedoch deutet vieles darauf hin, dass für einen Grossteil der begleiteten Menschen ohne eine Unterstützung wie der Heilsarmee ein hohes Risiko besteht, obdachlos zu sein. Das zeigt eine interne Statistik der Heilsarmee für den Bereich des ambulanten Wohnens: Unter den Gründen für einen Eintritt in die derzeit 26 versorgten Wohnplätze sticht die psychische Grunderkrankung heraus (24 Personen). Es kommen zumeist weitere Problematiken hinzu, die die Multiproblemlagen dieser Menschen verdeutlichen und die auch das Wohnen oder auch die Wohnungssuche massiv erschweren: 12 Personen sind an einer Sucht erkrankt, 18 haben „Verwahrlosungstendenzen“, 6 waren von einer Kündigung des Mietvertrags bedroht, 15 befanden sich vor Eintritt in einer persönlichen Krise und 10 waren vor der Zusammenarbeit mit der Heilsarmee obdachlos. Was die Dynamik der Wohnein- und -austritte angeht, so zeigen die Zahlen der Heilsarmee mit 8 Eintritten und 10 Austritten im Jahr 2017 eine relativ hohe Durchlässigkeit von rund 35%. Dies ist erstaunlich, da sich für 2017 12 Personen bereits seit mindestens drei Jahren und 7 Personen seit mindestens 2 Jahren in der Wohnbegleitung der Heilsarmee befinden. ELIM verfügt über 66 Wohnplätze, davon sind 29 stationär, 14 stationär mit Pflege und bei 23 handelt es sich um ambulante, d.h. begleitete Wohnplätze. Die 29 stationären Wohnplätze gehören seit Gründung der Institution zum Angebotsinventar. Die meisten KlientInnen (vor allem im stationären Bereich) kommen aus tatsächlicher oder drohender Obdachlosigkeit. Die KlientInnen weisen teilweise schwere Suchtproblematiken und Multiproblemlagen auf. 18 Austritte wurden im Jahr 2017 im stationären und ambulanten Bereich registriert, was bei 66 stationären und ambulanten Plätzen für eine gewisse Durchlässigkeit spricht. 8 Personen konnten in eine eigene oder noch betreute Wohnung zurückkehren. Die stationären und ambulanten Plätze sind in der Regel belegt. Summiert man bereits die Anzahl der Personen, die stationäre Unterstützungsangebote von ELIM (29) und der Heilsarmee (84) erhalten, sind es 113 Personen, die keine eigene, mietvertraglich abgesicherte Wohnung des „regulären“ Wohnungsmarkts besitzen und von den genannten Institutionen abhängig sind. Sie sind im Sinne der ETHOS-Definition als wohnungslos einzuschätzen. In der Hauptbefragung dieser Studie gaben 37 Personen an, dass sie in einer Einrichtung der Wohn- bzw. Wohnungslosenhilfe leben. Selbst wenn nicht alle KlientInnen im stationären Bereich aufgrund von Wohnungslosigkeit in den Einrichtungen sind und u.U. eine eigene Wohnung ausserhalb der Institutionen haben, fällt die tatsächliche Anzahl von wohnungslosen Personen in stationären Einrichtungen höher aus als die 37 in der Befragung ermittelten Personen. Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und prekäres Wohnen in der Region Basel 44 9 Kontextanalyse: Wohnungsmarkt 9.1 Auf dem Basler Wohnungsmarkt herrscht Wohnungsnot Der Basler Wohnungsmarkt ist seit längerer Zeit angespannt. Die Mietpreise steigen und bezahlbarer Wohnraum wird knapp, was wiederum zu mehr finanziellen Belastungen, insbesondere bei einkommensschwächeren Haushalten führt. Wenn Mietpreise für Haushalte mit geringem Einkommen steigen, nehmen auch die Risiken zu, die Wohnung aufgeben zu müssen, in Wohnungsnot zu geraten oder wegziehen Exkurs 12: Wirkungen des Wohnungsmarktes Basel zu müssen. Der Zugang zum verknappten Wohnungsmarkt gestaltet sich noch Als Ursachen für die schwierige Lage schwerer, wenn neben geringem einkommensschwacher Haushalte am Basler Einkommen Situationen wie Wohnungsmarkt können gelten: Arbeitsplatzverlust, Verschuldung oder • die konstant höhere Nachfrage an Wohnraum in Gesundheitsprobleme hinzukommen. Aus Basel, Forschung und Praxis ist bekannt, dass • die geringe staatliche Steuerung der manche ethnischen Gruppen am Preisentwicklung, sowohl was den Verkauf und die Vermietung, als auch den (Um)Bau von Wohnraum Wohnungsmarkt diskriminiert werden. mit anschliessender Neuvermietung angeht, Auch in der schriftlichen Befragung dieser • der teilweise Wegfall günstigen Wohnraums z.B. Studie wurden der Wohnungsverlust und durch frühere Verkäufe städtischer Liegenschaften, die erschwerten Zugänge zu günstigem • die allgemeine Teuerung der Lebenshaltungskosten Wohnraum mit Teuerung der Mieten z.B. z.B. auch für Miete und Nebenkosten. nach einer Sanierung der Wohnung oder des Gebäudes begründet. Ein Indikator für den Mangel an Wohnraum auf dem freien Wohnungsmarkt stellt die Anzahl leerstehender Wohnungen bzw. die Leerstandsquote dar. Basel-Stadt gehört schweizweit zu den Kantonen mit der geringsten Anzahl an freien Wohnungen im Verhältnis zum Gesamtwohnungsbestand. Ein Blick auf die letzten beiden Jahrzehnte zeigt für den Kanton sowohl einen deutlichen Rückgang in der Anzahl leerer Wohnungen als auch in der Abbildung 6: Leere Wohnungen, Kanton Basel-Stadt, 1998–2018 Leerstandsquote. Zwischen 1998 und 2014 sank die Leerstandsquote von 1.5% auf gerade einmal 0.2%. Seitdem ist die Leerstandsquote zwar angestiegen auf 0.7% (2018); sie liegt aber immer noch deutlich unter 1%, was laut Urteil des Bundesgerichts in Lausanne, den Begriff der Wohnungsnot für die Beschreibung des Basler Wohnungsmarktes rechtfertigt. Die Anzahl Quelle: Statistisches Jahrbuch des Kantons Basel-Stadt, t09.2.01; eigene Darstellung. Stichtag ist jeweils der 1. Juni. Nur Wohnungen, die leerer Wohnungen sinkt für den eigentlichen Wohnungsmarkt in Betracht kommen, also ohne zwischen 1998 und 2014 leere Wohnungen, die für den Abbruch oder Umbau bestimmt sind. Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und prekäres Wohnen in der Region Basel 45 von 1’578 auf 245 und ist im Jahr 2018 wieder bei 782 leerstehenden Wohnungen. 9.2 Anstiege der Mietpreise Die Mietpreise in den meisten nach Grösse und Alter der Wohnung erfassten Wohnklassen sind im letzten Jahrzehnt angestiegen. Die stärksten Anstiege betreffen Einzimmerwohnungen (+14.3% für den Zeitraum 2008 und 2018). Auch für die 2- und 3-Zimmerwohnungen sind die Anstiege markant: Sie betragen in der genannten Zehnjahresperiode 10.1%. Gleichzeitig stagnieren in vielen Wirtschafszweigen schweizweit die Reallöhne (bei leichtem Anstieg der Nettolöhne) (Bundesamt für Statistik 2018). In deren Folge verändern sich die zur Verfügung stehenden Äquivalenzeinkommen der Haushalte nur wenig. In der Konsequenz nimmt die finanzielle Belastung durch das Wohnen eher zu. Die schweizweite Studie von Bochsler et al. (2015) zeigt auf, dass insbesondere die finanziellen Belastungen durch Wohnen für Einkommensärmere hoch sind und im Zeitverlauf tendenziell zunehmen. 82% der Haushalte armutsbetroffener Menschen wohnten der Studie zufolge im Jahr 2012 in einer zu teuren Wohnung, da die Wohnkosten mehr als 30% des Bruttoeinkommens betragen. Im Jahr 2007 waren es von den einkommensarmen Haushalten knapp 80% mit zu hohen Kosten. Tabelle 12: Mietpreise von Wohnungen Basel-Stadt von 2008, 2018 Mietpreise in Franken Veränderungen gegenüber 2008 Wohnungen 2008 2018 Absolut in Franken Anstieg in % 1-Zimmer 580 663 +83 +14.3 2-Zimmer 877 966 +89 +10.1 3-Zimmer 1’083 1’192 +109 +10.1 4-Zimmer 1’485 1’602 +117 +7.9 5-Zimmer 2’089 2’203 +114 +5.5 6-Zimmer 2’480 2’705 +225 +9.1 Quelle: Statistisches Amt des Kantons Basel-Stadt, t09.3.04; durchschnittliche Februarmiete, eigene Berechnungen. Einen weiteren wichtigen Indikator für die Problematik des erschwinglichen Wohnraums zeigt die Statistik der Familienmietzinsbeiträge: Wohnkostenzuschüsse, wie Abbildung 7: Familienmietzinsbeiträge per Jahresende, Kanton die Basel-Stadt, 2011-2017 Familienmietzinsbeiträge, sollen finanzschwächeren Haushalten helfen, die Belastungen zu senken, die durch Wohnmiete entstehen. Die Zeitreihe zeigt einen starken Anstieg der Haushalte, die Familienmietzinsbeiträge erhalten. Erhielten 2011 noch 1’095 Haushalte Quelle: Statistisches Jahrbuch des Kantons Basel-Stadt, t13.10.01. Familienmietzinsbeiträge, Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und prekäres Wohnen in der Region Basel 46 waren es 2017 bereits 2’078 Familien. Entsprechend hat sich der Anteil der Haushalte, die eine solche kantonale Bedarfsleistung erhalten, von 1.3% auf 2.4% erhöht. 9.3 Nicht jede Räumungsklage ist juristisch gesehen zulässig Als weitere Hinweise für die angespannte Wohnungslage können Konflikte zwischen VermieterInnen bzw. Liegenschaftsverwaltungen und MieterInnen angesehen werden. Der Mieterverband in Basel, der seine rund 10’000 Mitglieder in allen Fragen rund ums Mieten berät, ist hierfür eine wichtige Adresse. Zwar führt der Mieterverband keine entsprechenden Statistiken, aber laut deren Auskunft sind in den letzten 6–7 Jahren verstärkt ältere Personen in Wohnungsnot geraten; viele davon stammen aus der unteren Mittelschicht oder sind von finanzieller Armut betroffen. Häufig sind es private Alterslösungen, die solche Kündigungen auffangen können. Bei klarer Rechtslage im Rahmen von ordentlichen und ausserordentlichen Kündigungen kann eine Mietpartei aus dem Mietobjekt ausgewiesen werden und es kann zu amtlich angeordneten Wohnräumungen kommen. Für ein solches Ausweisungsbegehren ist das Zivilgericht zuständig. Die Statistik des Zivilgerichts bestätigt für die letzten 5 Jahre einen nennenswerten Anstieg der Begehren für eine Ausweisung aus der Mietwohnung. Zwischen 2013 und 2015 nahm die Zahl der Ausweisungsbegehren zwar von 290 auf 247 ab; in den Folgejahren, d.h. 2016 und 2017, lagen die Zahlen mit 301 und 305 Anträgen jedoch deutlich höher als zu Beginn des Beobachtungszeitraumes. Die infolge der Anträge gerichtlich angeordneten Wohnräumungen weichen von dieser Entwicklung ab: Seit 2014 sind diese Räumungen von 164 auf 118 deutlich zurückgegangen. Aufseiten der VermieterInnen gibt es in Basel somit mehr Anträge für eine Wohnräumung, die aus juristischer Sicht zunehmend abgewiesen werden. Folgt man den Zahlen des Amtsgerichts, so führt der angespannte Wohnungsmarkt nicht zwangsläufig zu einer höheren Zahl an Wohnungsverlusten in Form von Wohnungsräumungen. Für die Beantwortung der Frage, wie Mietkonflikte geregelt werden, fehlen nach Auskunft des Mieterverbands vielen insbesondere armutsbetroffenen MieterInnen Informationen über die bestehende Rechtslage, wie zum Beispiel die Verlängerung der Frist für die Zahlung von Mietzinsen um 30 Tage bei Zahlungsverzug. Solche Informationen werden durch die kostenlosen Dienstleistungen der Schlichtungsstelle für Mietstreitigkeiten in Basel bereitgestellt; auch der private Mieterverband kann Betroffene kostenlos beraten, sofern sie von Organisationen betreut werden, die Mitglied des Mieterverbands sind. Tabelle 13: Ausweisungsbegehren, Räumungsanordnungen, amtliche Räumungen, Räumungen, Zivilgericht Basel-Stadt Jahr Räumungsklagen Gerichtliche Durchführung (Ausweisungsbegehren) Räumungsanordnungen amtlicher Räumungen 2013 290 160 114 2014 281 164 90 2015 247 163 98 2016 301 154 102 2017 305 118 79 Quelle: Jahresberichte Zivilgericht, 2013–2017 Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und prekäres Wohnen in der Region Basel 47 9.4 Massnahmen des Kantons Basel-Stadt zur Bekämpfung von Wohnungsnot Um städtischen Wohnraum für einkommensschwächere Haushalte zu gewährleisten und den Zugang zu Wohnraum für Wohn- und Obdachlose zu sichern, werden im Kanton Basel-Stadt unterschiedliche Antworten diskutiert und Massnahmen eingeschlagen (vgl. dazu Regierungsrat des Kantons Basel- Stadt 2018). Die objektbezogene Unterstützung fördert z.B. gemeinnützige Bauträger bei Bauprojekten, etwa durch Vergabe vergleichsweise günstigen Baulands oder durch zinsgünstige Darlehen, damit preisgünstiger Wohnraum angeboten wird. Der Kanton Basel-Stadt verfolgt den Ausbau der Subjekthilfe. Damit ist gemeint, dass Anspruchsberechtigte insbesondere finanzielle Zuschüsse erhalten. Die Sozialhilfe verfolgt in Zusammenarbeit mit Immobilien Basel-Stadt die Wohnraumförderung für besonders benachteiligte Personen auf dem Wohnungsmarkt gemäss § 16 des Wohnraumfördergesetzes (WRFG). Für Personen, die Anspruch auf Familienmietzinsbeiträge, Sozialhilfe oder Ergänzungsleistungen zur AHV/IV haben und trotz dieser Sozialleistungen keine Wohnung finden, wird, sofern vorhanden, von Immobilien Basel-Stadt günstiger Wohnraum zur Verfügung gestellt. Diese und weitere Subventionen sind zweifelsohne wichtig, um präventiv Wohnungsnot und Wohnungslosigkeit zu verhindern und die hohen Mietbelastungen insbesondere von armutsbetroffenen Haushalten zu senken. Es ist lohnenswert über einen Ausbau der Hilfen und verbesserte Zugänge auf dem Wohnungsmarkt nachzudenken, wie etwa dem Bestandsausbau kantonseigener Wohnungen durch Rückkauf oder Erschliessung von Bauland. Menschen, die bereits obdachlos bzw. wohnungslos geworden sind, profitieren jedoch nur marginal von diesen Angeboten, weil die Angebote nicht niederschwellig genug sind. Die genannten subjektbezogenen Hilfen bergen zudem Risiken, wie das Beispiel der „Gammelhäuser“ oder die Verfestigungstendenzen im Hilfesystem im Bereich der Notwohnungen zeigen. Exkurs 12: Verbesserung der Versorgung mit günstigem Wohnraum aus ExpertInnensicht In der Studie wurden insgesamt 6 Workshops mit Fachkräften und weiteren AkteurInnen aus dem Bereich der Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und der Wohnhilfen durchgeführt. Auch der Zugang zum Wohnraum wurde diskutiert. Vorschläge zur Verbesserung des Zugangs zum Wohnungsmarkt sind: • Ausreichend bezahlbarer Wohnraum als Basis für Unterstützungsangebote, • Betreibungen als Ablehnungsgrund für subventionierte Wohnungen abschaffen. • Zugänge zu Wohnraum schaffen durch: ▪ Bereitstellung kommunaler Wohnungen, Objekthilfe ausbauen, ▪ verstärktes Erschliessen von Zusatzgarantien für die Miete (z.B. Garantien durch Stiftungen), ▪ garantierte Mietzahlung durch die Sozialhilfe für Klientinnen und Klienten mit Betreibungen, ▪ Ausbau von Wohnungsvermittlung und Unterstützung bei der Wohnungssuche, ▪ Begleitung bei Wohnungsbesichtigungen. • Professionelle Begleitung der Sozialhilfe beziehenden Personen, die Notwohnungen der Sozialhilfe erhalten, da Anschlusslösungen für Notwohnungen und die Ablösung von der Sozialhilfe nicht wirklich gelingen. • Hilfen auch bei veränderten Anspruchsberechtigungen, z.B. bei Ablösung aus der Sozialhilfe, damit die Betroffenen nicht wohnungslos werden. • Stärkung der Zusammenarbeit zwischen den Einrichtungen. • Professionalisierung im komplexen Themenfeld Wohnen durch entsprechende Weiterbildungen (Recht, Soziale Arbeit, Wissen über örtliche Hilfen). Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und prekäres Wohnen in der Region Basel 48 10 Umfeldanalyse: Nachbarkantone und Ausland 10.1 Kanton Aargau Im Kanton Aargau gibt es sehr wenige, allenfalls punktuelle Angebote zur Linderung von Obdachlosigkeit. Im Kanton Aargau müssen gemäss kantonalem Sozialhilfe- und Präventionsgesetz die Gemeinden selber oder gemeinsam mit anderen Gemeinden Notunterkünfte für Obdachlose erstellen und betreiben oder diese Aufgabe Dritten übertragen. Eine Umfrage aus dem Jahr 2017 zeigt, dass 24 der 129 Gemeinden über eine oder mehrere Notwohnungen verfügen. Es existiert noch keine kantonale oder von Gemeinden verwaltete Notschlafstelle. Ab 1. September 2019 soll in Baden eine kantonale Notschlafstelle mit insgesamt zwölf Schlafplätzen in Betrieb gehen. Auch andere Angebote für Obdach- und Wohnungslose sind eher selten; wenige Träger bieten begleitetes Wohnen an, wie etwa HEKS, die selbst Wohnungen für die Zeit des begleiteten Wohnens anmietet und an die betroffene Person untervermietet. Eine wichtige Anlaufstelle im Kanton Aargau ist das christliche Sozialwerk HOPE, das ebenfalls Unterkünfte für Obdachlose vermittelt und zudem Überlebenshilfe (Hygiene, Waschen von Kleidern) sowie Beratung und Begleitung anbietet. Die Heilsarmee Aargau Süd unterhält 3 Notunterkünfte (Sozialstudios) für maximal 6 obdachlose Menschen, die für einen Zeitraum von höchstens 3 Monaten von den Betroffenen genutzt werden können. Diese Unterkünfte sind über das Jahr ausgelastet und es gibt eine Warteliste. Zudem unterhält die Heilsarmee in Aargau drei Plätze im Bereich des begleiteten Wohnens und bietet Überlebenshilfe in Form von Essen und Kleidung an. In unserer Befragung vom 21.3.2018 stammen 6 der 206 Personen, die obdachlos, wohnungslos sind oder sich im prekären Wohnen befinden, aus dem Kanton Aargau. 10.2 Kanton Basel-Landschaft Wie auch Aargau betreibt der Kanton Basel-Landschaft keine eigene Notschlafstelle. Die Unterbringung von Obdachlosen fällt gemäss Sozialgesetz in den gesetzlichen Aufgabenbereich der Gemeinden. Zu den bekanntesten Anbietenden von Wohnraum gehört der Verein für Sozialpsychiatrie mit seinen stationären Häusern in Frenkendorf (Sophie Blocher Haus), Reinach und Münchenstein. Hinzukommen Angebote des begleiteten Wohnens. Die Angebote wenden sich jedoch nicht explizit an Obdachlose, sondern allgemein an Menschen mit einer psychischen Beeinträchtigung. In den Gemeinden gibt es vereinzelt Unterstützungsangebote (z.B. durch Caritas beider Basel, HEKS), die sich oftmals allgemein an armutsbetroffene Menschen richten. Die Heilsarmee hat in Liestal ein Wohnheim (Die Brücke) mit 9 möblierten Einzelzimmern für Menschen, die in Notsituationen vorübergehend Obdach benötigen. Nach Auskunft der Heilsarmee bleiben diese Menschen 6 bis 18 Monate lang im Wohnheim. Dass Basel-Stadt für obdachlose Menschen, die aus Basel-Landschaft stammen, aufgrund seiner unterschiedliche Angeboten eine wichtige unterstützende Funktion hat, bestätigt auch die in dieser Studie durchgeführte Befragung. 15%, d.h. 31 der 206 als obdachlos eingestuften Personen haben Ihren Lebensmittelpunkt im Kanton Basel-Landschaft und nutzen die Angebote der 12 in die Befragung einbezogenen Einrichtungen in Basel-Stadt. 10.3 Landkreis Lörrach (D) Der an die Kantone Basel-Stadt, Basel-Landschaft und Aargau sowie an das Elsass angrenzende und sich bis in den Nordschwarzwald erstreckende Landkreis Lörrach zählt Ende 2016 rund 227‘000 Einwohner und besitzt eine leicht höhere Einwohnerzahl als der Kanton Basel-Stadt (Ende 2016: 193‘021); mit 282 Einwohnern pro km2 weist der Landkreis Lörrach jedoch eine deutlich geringere Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und prekäres Wohnen in der Region Basel 49 Einwohnerdichte als der Kanton Basel-Stadt (5‘217 Einwohnern pro km2) auf. Die geringere Dichte ist nicht unbedeutend für die Thematik, denn Obdachlosigkeit wird eher in urbanen Gebieten beobachtet (vgl. für Baden-Württemberg die Studie von Evers/Ruhstrat 2014). Zur Beschreibung der Obdachlosigkeit kann im Landkreis Lörrach auf Daten zurückgegriffen werden, die in der Hauptsache von den örtlichen Fachstellen der Wohnungslosenhilfe erhoben werden. Die für den Landkreis Lörrach zuständige AGJ-Wohnungslosenhilfe weist in seinem Jahresbericht 2017 auf die weiterhin hohe Relevanz der Wohnungslosigkeit im Landkreis hin und verweist dabei auf mehrere Beobachtungen. So ist die Anzahl der Übernachtungen in der einzigen Notschlafstelle (Erich-Reisch- Haus) im Landkreis im 10-Jahrestrend angestiegen, wenngleich in diesem Zeitraum Zuwächse und Rückgänge zu beobachten waren: Bedingt durch die Ausweitung auf ein Ganzjahresangebot kam es zunächst zu einem starken Anstieg der Übernachtungszahlen von 431 im Jahr 2008 auf 2‘105 Übernachtungen im Jahr 2010; in den Folgejahren ging die Zahl an Übernachtungen von 1‘845 für das Jahr 2011 auf 1‘020 Übernachtungen (2013) zurück; seitdem ist der Trend nicht eindeutig zu bestimmen, und es wechseln sich teilweise im Jahresturnus leichte Anstiege und leichte Rückgänge ab (AGJ Wohnungslosenhilfe 2017). 2017, im letzten Beobachtungsjahr der Zeitreihe, nutzten 155 Personen die Notschlafstelle und übernachteten in der Summe 1‘384 Tage dort. Der grösste Teil der Personen, die die Notschlafstelle aufsuchen, entstammt den städtischen Gebieten des Landkreises Lörrach. Nahezu gleich geblieben ist die Zahl der Personen in den längerfristigen Wohn- und Betreuungsangeboten nach dem 8. Kapitel SGB XII (Aufnahmehaus und Stationäre Hilfe). 2017 waren es 141 Personen mit 11‘230 Übernachtungen, 2016 machten 144 Personen bei 11‘148 Übernachtungen davon Gebrauch. Der Frauenanteil in den Wohnhilfen ist seit 2013 mit der Ausweitung von Frauenplätzen von 13% auf 20% angestiegen. Der Bereich der Wohnungssicherung weitet sich im Landkreis Lörrach aus. 2017 hat die Fachstelle der Wohnungssicherung 343 Haushalte beraten und es konnten dadurch mehr als 100 Haushalte ihre bisherige Wohnung sichern oder eine alternative Wohnung finden. Zusammenfassend hält die AGJ Wohnungslosenhilfe in ihrem Jahresbericht fest, dass Wohnungslosigkeit, Sucht und psychische Erkrankungen auch im Jahr 2017 einen zentralen Stellenwert in der sozialarbeiterischen Begleitung eingenommen haben und deshalb noch mehr enge Kooperationen mit den entsprechende medizinischen, (sozial)-psychiatrischen Fachstellen notwendig sind. Eine weitere Datenquelle für die Beschreibung der Obdachlosigkeit bildet die vom Land Baden- Württemberg in Auftrag gegebene und von der Gesellschaft für innovative Sozialforschung und Sozialplanung bislang einmal durchgeführte Studie zu Umfang und Struktur von Wohnungslosigkeit in Baden-Württemberg (GISS-Studie). Für den Landkreis Lörrach wurden im Jahr 2014 524 Personen als Wohnungslose registriert, wovon 393 Personen ordnungsrechtlich untergebracht waren, was einem Anteil von 74,6% entspricht (Evers/Ruhstrat 2014: 132). Ordnungsrechtlich meint die Anwendung des Polizeigesetzes des Landes Baden-Württemberg (PolG BW). Die Ortspolizeibehörde ist für die Abwehr aus unfreiwilliger Obdachlosigkeit drohender Gefahren (auch die die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bedrohen) zuständig. Städte und Gemeinden haben als Ortspolizeibehörde obdachlose Menschen im Bedarfsfall mit Unterkunft zu versorgen (§§ 1,3 PolG BW; §§ 62 Abs. 4, 66 Abs. 2 und 68 Abs. 1 PolG BW). Laut GISS-Studie kamen im Jahr 2014 Landkreis Lörrach auf 1‘000 EinwohnerInnen 2,4 wohnungslose Personen (Evers/Ruhstrat 2014: 35). Im Vergleich dazu war die Anzahl der Wohnungslosen im Bundesland Baden-Württemberg mit 2,1 Personen pro 1‘000 EinwohnerInnen geringer und auch der Anteil derjenigen, die ordnungsrechtlich untergebracht waren, lag mit 63% niedriger (ebenda: 11 ff.). Im Vergleich zu den 35 Landkreisen in Baden-Württemberg liegt Lörrach an vierter Stelle und weist damit einen überproportionalen Anteil an wohnungslosen Menschen auf. Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und prekäres Wohnen in der Region Basel 50 Eine dritte Datenquelle für die Beschreibung der Obdachlosigkeit im Landkreis Lörrach bilden die von der Liga der freien Wohlfahrtspflege in Baden-Württemberg e.V. (LIGA) durchgeführten stichtagsbezogenen Erhebungen zu Frauen und Männern in Wohnungsnot, die Hilfe nach §§ 67 ff. SGB XII in Anspruch nehmen (LIGA 2016). Danach ist die Zahl der KlientInnen im genannten Hilfesystem zwischen den Jahren 2011 und 2016 jährlich angestiegen. Betrug die Zahl der KlientInnen im Jahr 2011 noch 170, waren es 2016 bereits 213 Personen, die Hilfen in Anspruch nahmen, davon waren 20,7% Frauen (LIGA 2016: 16). Der Anstieg der Wohnungslosigkeit im Landkreis Lörrach liegt damit im Trend der meisten anderen Land- und Stadtkreise Baden-Württembergs, die in den letzten Jahren ebenfalls steigende KlientInnenzahlen registrieren. Dem Anstieg der KlientInnenzahlen wird im Landkreis Lörrach häufig in Form von Nothilfen begegnet, worunter die Unterbringung in zumeist einfachen Notfallbetten gehört. Den Ergebnissen der LIGA-Studie folgend erhielten im Jahr 2016 37% aller Hilfesuchenden im Landkreis eine Notversorgung, 32% waren in einer Wohnung untergebracht und 23% erhielten einen Platz in den Facheinrichtungen nach §§ 67 ff. SGB XII (LIGA 2016: 22). Die Zahl KlientInnen der Wohnungslosenhilfe ist im Landkreis Lörrach im Landesvergleich hoch. Sie liegt auf Rang 6 von 35 Landkreisen. Damit gehört der Landkreis Lörrach zu den Landkreisen mit einem vergleichsweise hohen Versorgungsgrad an qualifizierter Hilfe nach dem SGB XII (LIGA 2016: 41). Die Quote des für die Wohnungslosenhilfe genutzten Individualwohnraums im Landkreis Lörrach liegt nahe dem Durchschnitt von Baden-Württemberg. Es ist aber aus Sicht der ExpertInnen der Wohnungslosenhilfe im Landkreis Lörrach zunehmend schwierig auf dem örtlichen Wohnungsmarkt den entsprechenden Wohnraum für Menschen in Wohnungsnot zu akquirieren. Zusammenfassend kann anhand der vorhandenen Daten eine im Vergleich zum gesamten Bundesland Baden-Württemberg höhere Dichte der Obdachlosigkeit und bezogen auf die letzten 5 bzw. 10 Jahre, ein Anstieg der Wohnungslosigkeit im Landkreis Lörrach beobachtet werden. Ob die Obdachlosigkeit in Basel durch diesen Zuwachs tangiert wird, etwa durch eine vermehrte Inanspruchnahme der Angebote in Basel, kann empirisch nicht hinreichend beantwortet werden. Die Befragung in den Institutionen weist einen minimen Anteil aus. 2%, d.h. 9 der 469 befragten Personen, haben ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland. Ein wichtiger Grund, warum wenige Menschen aus dem Landkreis Lörrach auf die Angebote in Basel-Stadt zurückgreifen, könnte der in den letzten Jahren zu beobachtende Ausbau der Wohnungslosenhilfe im Landkreis Lörrach sein. 10.4 Gemeinde Saint-Louis (F) In Saint-Louis ist vonseiten der Gemeinde das Centre Communal d'Action Sociale (CCAS) für die Unterbringung von obdachlosen Personen zuständig. Dazu wird innerhalb der Gemeinde mit zwei Institutionen zusammengearbeitet. Über die Institution Saint-Vincent-de-Paul stehen acht Betten für eine vorübergehende Unterbringung zur Verfügung. Weiter werden über die Institution Aléos drei Plätze im Bereich des betreuten Wohnens angeboten. Diese insgesamt 11 bestehenden Plätze sind häufig ausgelastet. Wenn die Nachfrage nach Notunterbringungen das Angebot in der Gemeinde übersteigt, erfolgt eine koordinierte Vermittlung nach Mulhouse. Obdachlose Personen können sich auch über eine zentrale Notfallnummer in Mulhouse melden, wenn sie eine Unterkunft benötigen und werden dann entsprechend vermittelt. Gemäss der interviewten Fachperson hat sich die Zusammensetzung der von Obdachlosigkeit betroffenen Personen in Saint-Louis in den vergangenen Jahren stark verändert. Während es früher eine überschaubare Zahl von obdachlosen Personen gab, welche den Behörden meist seit längerem bekannt war, ist das Spektrum der betroffenen Personen heute deutlich grösser. Dies wird unter anderem darauf zurückgeführt, dass die Situation auf dem Arbeitsmarkt für Stellensuchende in den letzten Jahren schwieriger geworden ist. Weiter wurde auf die hohe Zahl von mobilen mittellosen Personen aus anderen EU-Ländern hingewiesen, welche sich in Saint-Louis auf der Suche nach einer Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und prekäres Wohnen in der Region Basel 51 Arbeitsstelle aufhalten und oftmals von Obdachlosigkeit betroffen sind. Darunter sind auch vermehrt Familien aus Süd- und Osteuropa. Um Wohnungsverluste zu verhindern, ist das Centre Communal d’Action Sociale eng in den Prozess von Räumungsverfahren eingebunden. Die betroffenen Personen werden zur Behörde vorgeladen und es wird zum Beispiel versucht, einen Rückzahlungsplan für die Mietschulden aufzustellen und mit der Liegenschaftsverwaltung in Kontakt zu treten, um die Räumung zu stoppen. Mit Personen, welche vorübergehend untergebracht wurden, wird im Rahmen der Unterstützung durch die Sozialhilfe auch versucht, wieder eine Wohnung zu finden, wobei unter anderem Bewerbungen für Sozialwohnungen aktiv unterstützt werden. Da es aber sehr viele Bewerbungen für Sozialwohnungen gibt, ist es häufig relativ schwierig, eine Wohnung zu finden, selbst wenn die Bewerbung von der Sozialhilfe unterstützt wird. Eine besondere Form der Wohnhilfe, welche in Frankreich existiert und von der interviewten Fachperson auch für Saint-Louis gewünscht wurde, ist ein „système de bail glissant“. Bei diesem System mietet eine soziale Institution ein bestimmtes Kontingent an (Sozial-)Wohnungen, welche sie an Personen untervermietet, welche auf dem freien Wohnungsmarkt keine eigene Wohnung finden. Dabei gibt es eine enge soziale Begleitung, um die Personen Schritt für Schritt wieder an ein selbstständiges Wohnen heranzuführen. Wenn die Miete selbstständig bezahlt werden kann, können die Personen in der Wohnung bleiben und selbst Mietende werden, im Gegenzug wird der Institution eine andere Wohnung übertragen. Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und prekäres Wohnen in der Region Basel 52 11 Empfehlungen Vorbemerkung Die im Folgenden vorgeschlagenen Empfehlungen und Massnahmen verflechten die Ergebnisse aus der quantitativen Zählung, der Lebensweltanalyse von Betroffenen, den Interviews mit VertreterInnen der Praxisinstitutionen und den Kontext- und Umfeldanalysen und sie berücksichtigen wichtiges Feedback aus den Workshops mit den Einrichtungen und hierzu eingeladenen Fachkräften. Sie sind somit empirisch, theoretisch und auch praxisbezogen begründet. Die Formulierung von handlungsrelevanten Empfehlungen ist aus einem wichtigen Grund zum jetzigem Zeitpunkt besonders herausfordernd: Weil Obdachlosigkeit in der Schweiz ein bisher kaum beforschtes Thema ist, weil Politik und Praxis weitgehend ohne wissenschaftlich fundierte Rahmung stattfindet und weil die vorliegende Untersuchung keine vergleichbare Vorläuferstudie findet, an der sie ihre Fragestellungen und Antworten schärfen kann. Vor diesem Hintergrund hat sich das Forschungsteam entschieden, eher wenige, dafür grundsätzlichere Handlungsempfehlungen zu formulieren. Diese folgen den theoretischen Überlegungen, dass Obdachlosigkeit eine besonders gravierende Form von Armut ist, weil sie mit dem Fehlen eines rechtlich geschützten Zugangs zu einer Wohnung, massiven Einschränkungen der Nutzung von Wohnraum und dem mangelnden Erleben von Privatheit einhergeht (Edgar 2012, FEANTSA 2018). Menschen in einer solchen Situation sind den Gefahren von Vereinsamung, körperlicher Deprivation und gesellschaftlicher Exklusion in besonderem Masse ausgesetzt. Die Sicherstellung und Verbesserung der Grundbedingungen des Wohnens ist Voraussetzung für ein menschenwürdiges Leben (UNO 2016). Deshalb haben wir uns dazu entschieden, die Empfehlungen entlang dem Risiko für ein bedrohtes (Über)leben zu strukturieren. Empfehlung 1: Strassenobdachlosigkeit in Basel beenden Rund 50 Personen schlafen gemäss Studienergebnissen in Basel draussen, weitere rund 50 Personen übernachten in den Notunterkünften. Unsere Schätzungen weisen keine erhebliche Dunkelziffer bei der Strassenobdachlosigkeit aus. Aus den Gesprächen mit den Betroffenen resultiert, dass Basel keine Magnetwirkung für Obdachlose aus anderen Regionen hat, weder für Menschen aus den umliegenden Kantonen, noch für mittellose Menschen aus Ost- und Zentraleuropa. Angesichts dieser überschaubaren Zahl von Menschen, ist der Anspruch berechtigt, Obdachlosigkeit strukturell wie auch individuell zu überwinden, gerade weil auch bei den meisten Betroffenen der Wunsch nach einem festen Obdach gross ist. Weil von Obdachlosigkeit erhebliche, teilweise lebensbedrohliche Risiken ausgehen, muss oberstes Ziel sein, kurzfristig und unbürokratisch ein festes Obdach zur Verfügung zu stellen. Massnahmen: 1 Veränderung der Vergabepraxis der kantonalen Notschlafstelle oder der Aufbau einer zivilgesellschaftlichen Alternative Rein rechnerisch stehen in Basel-Stadt 75 Betten für Männer und inzwischen 28 Betten für Frauen in den beiden kantonalen Notschlafstellen zur Verfügung. Weitere temporäre Übernachtungsmöglichkeiten werden von einzelnen Institutionen gestellt. Basel-Stadt verfügt also bereits heute über diejenige Anzahl an Übernachtungsmöglichkeiten, die es aktuell braucht, um Strassenobdachlosigkeit in der Stadt zu beenden. Damit rücken die Praxis der Vergabe und die daran gebundenen Bedingungen sowie die Akzeptanz der Unterkunft bei den potenziellen Nutzenden in den Vordergrund der Diskussion. Vorgeschlagen wird ein mindestens zweijähriges Pilotprojekt „Bedingungslose Notschlafstelle“: Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und prekäres Wohnen in der Region Basel 53 ▪ Falls die kantonale Notschlafstelle Pilotprojekt ist: Das bisherige Regulierungsprinzip „Preis“ (Kostengutsprache für Sozialhilfebeziehende/Kosten für in BS Angemeldete: 7,50.CHF/alle anderen: 40CHF) wird durch das Prinzip „Bedarf“ ersetzt. Bedarf sollte wie bisher nachgewiesen werden (1) durch die Sozialhilfe und (2) durch die Einrichtungen in der Obdachlosenhilfe, neu aber auch (3) durch die Personen selbst. An die Stelle einer bedingten Nothilfe tritt die bedingungslose Nothilfe. ▪ Falls die kantonale Notschlafstelle nicht das Pilotprojekt ist, dann sollte eine eigene Liegenschaft gesucht werden (eine Realisierung als Netzwerk, z.B. über verschiedene Standorte verteilt, wird aufgrund des vergleichsweise hohen administrativen Aufwandes nicht vorgeschlagen). Bei einer neuen Liegenschaft wird die Idee erweitert: Es wird von der reinen Notschlafstelle abgesehen und ein „Haus für Obdachlose“ anvisiert (d.h., die Obdachlosen können dort übernachten und auch tagsüber dort sein). Zimmerzahl: mind. 25; Bettenzahl: mind. 50, verteilt auf Einzel-und Zweierzimmer; ein grösserer Raum als Notfallmassenlager; Haustiere erlaubt; Küche, Waschgelegenheiten etc. Die Führung des Hauses erfolgt nach den Grundsätzen „Partizipation“, „Empowerment“ und „Selbstverantwortung“. Alle Einrichtungen im Bereich Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit sowie prekäres Wohnen sind zuweisungsberechtigt und bilden die Trägerschaft; statt Kontingente und Bedingungen wird durch eine Website die Anzahl freier Betten auf aktuellem Stand pro Nacht angezeigt. Eine professionelle Soziale Arbeit spricht die Menschen im Haus aktiv an und arbeitet mit ihnen an der Veränderung ihrer Situation; ehemalige Obdachlose sollten als Freiwillige mitarbeiten können (peer-to-peer). Risikoanalyse: Risiko Lösungsstrategie Gesetzeskonflikte mit Blick auf Bedarfsfeststellung ersetzt das Regulierungsprinzip „Preis“. Gleichbehandlung und Anspruchsberechtigung. Die Zahl der Nachfragen Notfallszenario (z.B. Massenlager); Einrichtungen stellen wie anhin übersteigt die Anzahl temporäre Übernachtungsmöglichkeiten zur Verfügung; Absprachen in verfügbarer Betten. Trägerschaft. Es kommt grundsätzlich zu Rückgang des Dunkelfelds ist grundsätzlich erwünscht, auch wenn höheren Inanspruchnahmen als Angebote dadurch an Kapazitätsgrenzen stossen und Anpassungen an ursprünglich kalkuliert. den tatsächlichen Bedarf offensichtlich werden Es kommt zu Konfliktschlichtung durch Professionelle und Peers (ehem. Obdachlose); Verdrängungsprozessen Thematisierung durch Sozialarbeit; Zusammenarbeit mit Fachpersonen zwischen Gruppen. anderer Institutionen (insbes. UPK). Personen bleiben über sehr Trägerschaft breiter aufstellen, insbes. stärkere Einbindung von lange Zeit im „Haus für Trägerschaften im Bereich Wohnprojekte; Prüfen von experimentellem Obdachlose“. Wohnen (temporäre Wohnmodule, brownfield land/Zwischennutzungen). Die Ziele der kantonalen Das Verhältnis ist zu klären; die CMS richtet ihr Handeln gerade nicht an Sozialhilfe und der Christoph den politischen Vorgaben aus, sondern ist ihrem Stiftungszweck Merian Stiftung geraten verpflichtet. Daraus ergeben sich Möglichkeiten der eigenständigen zueinander in Konflikt. Interpretation von „Not“, „Obdach“ und auch dem Kreis der Nutzenden. Das Risiko des Rückzugs und Das „Haus für Obdachlose“ wird entsprechend professionell betreut. des Verlusts der bestehenden Tagesstruktur steigt durch die Errichtung eines „Hauses für Obdachlose“. Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und prekäres Wohnen in der Region Basel 54 2 Koordinieren von Öffnungszeiten, Ruheräumen und Aufbewahrungsmöglichkeiten aus der Perspektive der besonders vulnerablen Teilgruppe (Strassenobdachlose) Die Studie zeigt, dass von Obdachlosigkeit betroffene Menschen zentrale Grundbedürfnisse nach Schutz, Erholung und Sicherheit nicht oder kaum befriedigen können. Aufgrund der verschiedenen Öffnungszeiten der Einrichtungen in Basel sind die Personen zu unfreiwilligen Wanderungsbewegungen gezwungen. Obdachlose Personen haben wenige Wahlmöglichkeiten; die Entscheide der Institutionen (inkl. Schliessungen) wirken sich direkt auf ihre Tagesstruktur aus. Die Institutionen positionieren sich derzeit auf unterschiedliche und wenig koordinierte Weise: Für einzelne Institutionen sind die „Strassenobdachlosen“ eine wichtige Zielgruppe (insbes. Tageshaus für Obdachlose), entsprechend umfangreich ist das Angebot in grundlegenden Bereichen (Waschen, Duschen); allerdings schliesst die Einrichtung zu bestimmten Zeiten, was in Widerspruch steht zu den dauerhaften Bedarfen der Zielgruppe. Andere Institutionen richten ihre Angebote an verschiedene Gruppen aus, die von gesellschaftlicher Marginalisierung betroffen sind (z.B. Treffpunkt Glaibasel) oder grundsätzlich an alle Menschen, die in Not geraten sind (z.B. Gassenküche). Bei Schliesszeiten entstehen Drucksituationen für die weiterhin geöffneten Institutionen, und für obdachlose Personen ist sowohl die zeitlich befristete Angebotsstruktur als auch die Exklusivität von Hilfen schwer nachvollziehbar. Aus Sicht der rund 100 obdachlosen Menschen müssen die Institutionen ihre Angebote besser koordinieren, damit die bestehenden Bedarfe sichergestellt werden können. Dazu gehören neben den bereits vorhandenen Angeboten (Essen, Duschen, Waschmaschinen) auch Möglichkeiten, sich abseits des Tagesbetriebes in angemessener Ausstattung auszuruhen (separate Räume mit Sofa/Betten) und mit professioneller Hilfe an der Veränderung ihrer Situation zu arbeiten (möglichst in einer ruhigen und die Privatsphäre sicherstellenden Atmosphäre für Beratung). Ebenso benötigen Menschen ohne Wohnung Möglichkeiten, persönliche Dinge und ihre Dinge des täglichen Lebens zu deponieren (Kleiderschränke, Spint, Schliessfächer). Diese Angebote sollten kostenlos und nicht von eingeschränkten Öffnungs- und Schliessungszeiten betroffen sein. Risikoanalyse: Risiko Lösungsstrategie Die Institutionen können aus Subventionspraxis/Eigenfinanzierung überprüfen; Subventionsgründen bzw. Zielgruppenfokussierung überprüfen; Koordination mit anderen beschränkter Eigenmittel nicht auf Institutionen. die Schliessungen ihrer Angebote verzichten. Es gibt keine Räumlichkeiten für Prüfen, ob eine der Institutionen die „besten“ Voraussetzungen für ein die zusätzlichen Angebote (z.B. oder mehrere Angebote hat; Institution entsprechend zugunsten der Ruheraum). priorisierten Umsetzung von anderen Aufgaben entlasten. Es kommt zu Kontroll- Absprachen unter den Institutionen durch ein gemeinsames Commitment /Konkurrenzsituationen, wer für die Zielgruppe verstärken; die Studie hat gezeigt, dass die meisten der Ruheräume, Schliessfächer etc. Strassenobdachlosen in den Institutionen persönlich bekannt sind, was in Anspruch nehmen darf. die Zuweisungspraxis/Berechtigung erleichtert. Die Einführung der Kategorie Faktisch besteht diese Segmentierung bereits heute (auch unter den „Obdachlose“ bewirkt eine Nutzenden), sie wird neu lediglich vonseiten der Träger von Angeboten Segmentierung unter den sichtbar gemacht. Nutzenden . Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und prekäres Wohnen in der Region Basel 55 Auf kultursensible, Angebote entsprechend adressatengerecht entwickeln. genderspezifische Bedürfnisse wird nicht genug eingegangen, somit werden nicht „alle“ erreicht. Empfehlung 2: Housing First Strategie für Basel entwickeln Housing First wird in vielen Ländern erfolgreich im Rahmen der Förderung der sozialen Gesundheit umgesetzt. Die Grundidee fokussiert auf die positive Wirkung einer stabilen Wohnsituation: Anstelle des Durchlaufens unterschiedlicher, insbesondere an Wohnkompetenz, an der Abstinenz z.B. von Sucht und an der Kooperation mit den staatlichen Einrichtungen gekoppelten Unterbringungsformen wird eine Wohnung ohne solche Bedingungen zeitnah vermittelt. Durch sofortigen Bezug einer Wohnung werden gesundheitliche Belastungen vermindert, zudem kommt es zu einer sofortigen Entlastung, weil Grundbedürfnisse wie Erholung, Wärme und der Wunsch nach Schutz und Sicherheit besser befriedigt werden; dadurch wird auch die Gesundheit gestärkt. Durch einen festen Wohnsitz werden bereits bestehende chronische und soziale Krankheiten leichter zu behandeln, auch mobile medizinische, psychologische und sozialarbeiterische Dienste können die Personen besser erreichen. Langfristiges Ziel von Housing First ist es, am Programm teilnehmende Personen nach einer Phase des Wohnens in den ersten Wohnungsmarkt zu entlassen. Das in Basel bestehende System des begleiteten Wohnens wäre ein Ansatzpunkt, um den Ansatz des Housing First zu vertiefen. Hier würde es sich um eine qualitative und quantitative Erweiterung des bestehenden Angebotes handeln. Housing First würde mit seinen Varianten (unbegleitetes/begleitetes Wohnen) auf diejenigen Personen abzielen, die obdachlos sind (laut Studie rund 100 Personen), unfreiwillig temporär wohnen (laut Studie 64 Personen, jedoch wird ein hohes Dunkelfeld vermutet), Wohnungslose, die aus Einrichtungen (Gefängnisse, Psychiatrien) entlassen werden (laut Studie 5 Personen, auch wird eine grösseres Dunkelfeld vermutet) sowie auf die Personen, die in den bereits bestehenden Unterkünften der Obdachlosenhilfe untergebracht sind, z.B. Heilsarmee, ELIM, mit bereits 110 Personen (eine genaue Bezifferung steht aus). Massnahmen: 3 Wohnen auch mit geringen Wohnkompetenzen ermöglichen und begleitetes Wohnen besonders niederschwellig ausbauen ▪ Ausbau der Plätze im begleiteten Wohnen in der Stadt Basel (genaue Anzahl muss noch eruiert werden), Stärkung des niederschwelligen Zugangs zum begleiteten Wohnen. ▪ Bereitstellung von einigen Dutzend Wohnungen, die im Sinne einer Housing First Strategie an Personen vermietet werden, welche unter anderem in Folge eingeschränkter Wohnkompetenz keine angemessene Wohnung finden. Eine Wohnbegleitung wird aktiv angeboten, deren Inanspruchnahme ist jedoch freiwillig bzw. nur minimal erforderlich. Die Wohnungen können einerseits im Rahmen des Wohnraumfördergesetztes durch Immobilien Basel-Stadt beschafft und über die Sozialhilfe vermietet werden, andererseits ist ein Engagement von Stiftungen, Genossenschaften und anderen zivilgesellschaftlichen AkteurInnen in diesem Bereich notwendig, bis genügend Wohnungen gemäss Wohnraumfördergesetz zur Verfügung stehen (in Anlehnung an das vom Initiativkomitee Recht auf Wohnen geforderte 2-jährige Pilotprojekt als kurzfristige Übergangslösung). ▪ Ein Netzwerk mit Institutionen aufbauen, die die Eingliederung in den ersten Wohnungsmarkt unterstützen (z.B. Mietzinsgarantien der Edith Maryon Stiftung, IG Wohnen); dazu gehört auch die Kontakte zu Wohnbaugesellschaften, LiegenschaftsbesitzerInnen und InvestorInnen auf- bzw. auszubauen. Risikoanalyse: Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und prekäres Wohnen in der Region Basel 56 Risiko Lösungsstrategie Einrichtungen erwarten, dass Die Idee des Housing First mit seiner niederschwelligen Ausrichtung Personen Voraussetzungen realisieren; ein Portfolio von Wohnformen aufbauen um die verschiedenen mitbringen, damit sie in eine Wohnbedarfe abzudecken. eigene Wohnung mit Wohnbegleitung kommen. Personen lehnen eine Optionen aufbauen: Wohnbegleitung in einer eigenen Wohnung; Wohnbegleitung ab. Wohnbegleitung in einem Zimmer in einer Institution, Wohnen mit minimaler Begleitung anbieten. Personen in unbegleiteten Suchen des Gesprächs, Veränderung der Wohnform zugunsten Wohnformen zeigen keine Betreuung/Begleitung herbeiführen. (gesundheitlichen) Verbesserungen. Empfehlung 3: Gesundheitsversorgung und -vorsorge verbessern Die vorliegende Studie weist auf Lücken in der bestehenden Gesundheitsversorgung hin. Krankheiten und schlechte Gesundheit, die mit Obdachlosigkeit und auch Wohnungslosigkeit zu tun haben (ca. 40% der Obdach- und Wohnungslosen haben Unterkünfte, die von Feuchtigkeit, Kälte, defekten Heizungen und anderen Mängeln betroffen sind bzw. schlafen im Freien), werden nicht ausreichend oder zu spät behandelt. Da ein grosser Teil der Obdach- und Wohnungslosen keine Leistungen der Sozialhilfe in Anspruch nimmt, können Gesundheitsdienste nur eingeschränkt genutzt werden. Das Wissen z.B. um eingeschränkte, d.h. auf Nothilfe reduzierte medizinische Versorgung verunsichert die Betroffenen zusätzlich und sie wissen häufig nicht, in welchem Zustand sie sich an ÄrztInnen wenden können. Für diese Menschen sind aufsuchende und niederschwellige Ersthilfen dringend geboten, und es ist eine, den Gesundheitszustand angemessene medizinische Behandlung durchzuführen. Ebenso sind die Betroffenen darüber aufzuklären, dass sie bei Krankheiten und Schmerzen ohne Zögern zu ÄrztInnen gehen können. Auch vonseiten der in diese Studie involvierten Institutionen wurde immer wieder auf den medizinischen und sozialen Gesundheitszustand der bei ihnen verkehrenden Menschen hingewiesen. Dabei umfassen die Gesundheitsvorstellungen der verschiedenen Befragten insgesamt mehrere Dimensionen, ganz im Verständnis der WHO, die unter Gesundheit einen Zustand des körperlichen, geistigen und sozialen Wohlergehens versteht. Diesbezüglich wurde von den Befragten auf eine noch wenig entwickelte Kooperation innerhalb der Institutionen der Obdachlosenhilfe (z.B. in Bezug auf Erfahrungen mit Pilotprojekten wie der medizinischen Sprechstunde im Treffpunkt Glaibasel) und auch zwischen den Institutionen der Obdachlosenhilfe und weiteren wichtigen Fachstellen im Gesundheitsbereich hingewiesen (insbes. zu ÄrztInnen). Im Grunde entwickelt jede Einrichtung derzeit ihre eigenen Projekte einer Gesundheitsversorgung und –vorsorge oder verzichtet darauf. Dies bedeutet aber in vielen Fällen, dass Hilfestellungen spontan, punktuell und zeitweise auch aus dem persönlichen Netzwerk der Mitarbeitenden heraus entstehen. Vor dem Hintergrund der in der Studie festgestellten zum Teil gravierenden Gesundheitszustände der in den Institutionen verkehrenden Menschen, ist dies ein suboptimaler Zustand, der ein koordiniertes Vorgehen bedarf. Zudem gilt es, aktiv gegen die Verhältnisse in den sogenannten „Gammelhäusern“ vorzugehen. Hier müssen vonseiten der Behörden bestimmte Auflagen etwa im Hinblick auf Belegung und Hygiene durchgesetzt werden, um einer Kumulierung insbesondere von gesundheitlichen Belastungen und einer Verfestigung von Problemlagen entgegenzuwirken. Dies sollte in Kooperation mit den Eigentümern der Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und prekäres Wohnen in der Region Basel 57 Liegenschaft geschehen, damit Wohnraum nicht verloren geht, sondern den Wohnstandards angepasst wird. Massnahmen: 4 Aufbau eines Hilfesystems von Fachpersonen Aufbau eines Hilfesystems von Fachpersonen der Psychiatrie, Psychologie, Medizin und Sozialen Arbeit. Dieses Hilfesystem hat die Aufgabe, Auskunftsstelle für die Institutionen zu sein (inkl. telefonische Hotline), als auch regelmässig in den Institutionen anwesend zu sein, um Situationen vor Ort einschätzen zu können (z.B. im Rahmen von Kriseninterventionen) bzw. Entlastungsoptionen mitzuplanen. Da eine erhebliche Zahl der betroffenen Personen eingeschränkte medizinische Leistungen (Notversorgung) in Anspruch nimmt oder den Weg zu Ärzten und Kliniken scheut, diese Personen aber dadurch ihre Gesundheit gefährden, braucht es ein Netzwerk von freiwillig tätigen, vertrauensvollen Fachpersonen aus der Medizin (inkl. Zahnmedizin), die allen Einrichtungen bekannt sind und die niederschwellig Hilfe leisten. Empfehlung 4: Abrutschen in Obdachlosigkeit vermeiden – Wohnungslosigkeit und prekäres Wohnen bekämpfen Gemäss der niedrigen Leerstandsquote herrscht in Basel definitorisch Wohnungsnot. Die kantonale Wohnraumentwicklungsstrategie reagiert auf die damit einhergehende Selektivität des Wohnungsmarktes mit Sonderförderbereichen: Ziel ist es, das Angebot an Wohnungen für besonders benachteiligte Personen auszubauen, entsprechend dem sozialpolitischen Strategieziel 2012-2016 und dem Wohnraumfördergesetz (§ 16 WRFG). Ein mittelfristiges Angebot an genossenschaftlichem Wohnraum ist am Entstehen und umfasst rund 700 Wohnungen für Wohnbaugenossenschaften (Stadtrand Nordwest, ehem. Felix Platter Spital, Lysbüchel). Von dieser Förderstrategie wird allerdings nur ein kleiner Teil des hier interessierenden Klientels profitieren können, weil u.a. die Mieten für die angebotenen Wohnungen für Obdachlose nicht erschwinglich sind. Bei der Wohnraumförderung nach § 16 WRFG geht die Akquisition von entsprechendem Wohnraum wiederum sehr langsam voran (14 Wohnungen im Jahr 2017). Damit bleibt bis auf Weiteres die unfreiwillig gewählte Unterkunft bei FreundInnen, Bekannten, Verwandten oder dem/r PartnerIn ein wesentliches Charakteristikum zur Beschreibung der Obdach-, Wohnungslosigkeit und des ungesicherten Wohnens in Basel. Die Autoren der vorliegenden Studie schlagen eine präventive Doppelstrategie vor: (1) Verhinderung von Wohnungsverlusten sowie (2) rasche Vergrösserung des Angebots von Wohnraum, insbesondere für einkommensschwächere und vulnerable Personengruppen. Massnahmen: 5 Verhinderung von Wohnungsverlusten/Stärkung der IG Wohnen Die IG Wohnen ist zum Zweck der Förderung der sozialen Wohnungsvermietung gegründet worden. Sie bringt ein ideales Profil mit, um mit Perspektive für benachteiligte Gruppen auf dem Wohnungsmarkt zu intervenieren. Insbesondere ihre Schnittstellenfunktion bei Krisensituationen zwischen MieterIn und Liegenschaftsverwaltung, ist hier relevant und steht explizit im Aufgabenportfolio der IG Wohnen. Zur Überlegung, wie diese Schnittstelle zwischen MieterIn und Liegenschaftsverwaltung zugunsten der Verhinderung von Wohnungsverlusten verbessert werden kann, könnte die Fachstelle für Wohnungssicherung in Lörrach ein Vorbild sein, welche z.B. bei Räumungsklagen systematisch einschreitet und in vielen Fällen den Erhalt des Mietverhältnisses erwirken kann. Eine allgemeine Anlaufstelle für Vermietende sollte bei Schwierigkeiten in Mietverhältnissen zur Verfügung stehen und etwa bei bestehenden Mietausständen nach Lösungsmöglichkeiten suchen. Ebenfalls im Portfolio der IG Wohnen ist das Thema Wohnungsvermittlung für Wohnungssuchende. Dies könnte angesichts der Ergebnisse der vorliegenden Studie neu auch die Kontrolle der Bewohnbarkeit der Wohngelegenheiten bedeuten (betrifft insbes. auch die „Gammelhäuser“). Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und prekäres Wohnen in der Region Basel 58 6 Temporäres, experimentelles Wohnen fördern Derzeit werden in Europa Inklusionsprojekte im Bereich des Wohnens realisiert, bei denen mit Hilfe von Kreditgebenden Grundstücke erworben und gemeinsam mit Wohnungslosen bebaut werden. Ein solches auf gesellschaftliche Teilhabe abzielendes Wohnbau- bzw. Wohnprojekt ist die Initiative Bauen Wohnen Arbeiten e.V. (Initiative Bauen Wohnen Arbeiten e.V. 2018). Die Initiative setzt in Köln, gemeinsam mit Betroffenen, unterschiedliche Projekte im Bereich des Wohnens um. Dazu gehört das Projekt „Wohnungslose bauen für Wohnungslose“ und „Nachbarschafts-Integration“. Die Initiative bietet stufenweise Angebote des Wohnens auf dem Wohnareal an, vom Bauwagen und einfachen Gartenhäuschen bis zur festen Wohnung. Die Flexibilität angebotener Wohnformen erscheint insbesondere vor dem Hintergrund aktueller Studienergebnisse gerechtfertigt, denen zufolge viele Betroffene bei länger andauernder Obdach- und Wohnungslosigkeit bzw. prekärem Wohnen häufig erhebliche Anpassungsleistungen erbringen müssen, bis sie ohne Wohnbegleitung konventionell und selbstständig wohnen können. Es gibt weitere Beispiele innerhalb Europas, die zeigen, dass Nachhaltigkeit, bedürfnisorientierte Wohnqualität und geringe Bau- und Sanierungskosten vereinbar sind (Dömer et al. 2016). Solche Projekte finden unter der Begrifflichkeit des „experimentellen Wohnens“ statt, wobei experimentell bedeutet, dass die Projekte gängigen Normen (etwa für Bautechniken) nicht immer genügen müssen, da sie darauf abzielen, neue und innovative Wohnformen zu erforschen. Dazu gehören Projekte aus dem Bereich der sogenannten „Tiny Houses“ und die Errichtung von Wohnmodulen, wie sie etwa auch für Studierende oder anerkannte Geflüchtete (z.B. Containerwohnungen am Dreispitz Basel) errichtet werden und in denen günstiger und platzsparender Wohnraum innerhalb kurzer Zeit geschaffen werden. Um Anforderungen an funktionale Wohnungen im Tiefpreissegment zu erfüllen, ist nicht immer die Wohnfläche das Mass der Dinge. Vielmehr geht es um die Befriedigung zentraler Grundbedürfnisse wie Sicherheit, Schutz vor Übergriffen und Privatheit aber auch um soziale Bedürfnisse nach Gemeinschaftlichkeit. Dabei muss klar sein, das die temporäre Unterbringung keine langfristige Lösung darstellt – das Ziel bleibt der Übergang in eine dauerhaft stabile Wohnsituation. Empfehlung 5: Bekämpfung und Verhinderung von Obdachlosigkeit mit den Ansprüchen der Armutsbekämpfung verknüpfen Die Studie hat eindrücklich gezeigt, dass die Wohnsituation zumeist mit weiteren Verarmungsprozessen zu tun hat. Obdach- und Wohnungslosigkeit hängen insbesondere eng zusammen mit den Bereichen Arbeit, Finanzen und Gesundheit. Zudem konnte nachgewiesen werden, dass sich zahlreiche Personen dynamisch in die und aus der Obdach- und Wohnungslosigkeit bewegen. Diese mehrdimensionalen und dynamischen Befunde sind auch aus der internationalen Armutsforschung bekannt. Folgerichtig ist Obdachlosigkeit als eine besonders gravierende Form von Armut zu verstehen und entsprechend müssen die Massnahmen auch in eine – hier: städtische bzw. stiftungsfokussierte – Armutspolitik eingebettet werden. Aus dem Nationalen Armutsprogramm gegen Armut in der Schweiz NAP (2014–2018) sind verschiedene Impulse und Hilfestellungen für Kantone, Städte und Gemeinden zur Entlastung von ärmeren Haushalten im Bereich des Wohnens hervorgegangen. Sie betreffen Angebote der Wohnhilfe für armutsbetroffene und sozial benachteiligte Haushalte. Die im Zusammenhang mit Wohnhilfen für Armutsbetroffene verfassten Arbeitspapiere schlagen neben dem Ausbau von günstigem Wohnraum u.a. Prävention und professionelles Krisenmanagement, Wohnkostenzuschüsse, vernetztes Agieren sowie Stärkung von Wohnkompetenzen durch Wohnbegleitung vor (Bundesamt für Sozialversicherungen 2018). Wenn Obdach- und Wohnungslosigkeit Ausdruck oder Ergebnis komplexer Verarmungsprozesse sind, ist die Armutsbekämpfung und die Armutsprävention in den Blick zu nehmen und entlang der Multidimensionalität und Lebensverlaufsspezifik von Armut entsprechend zu organisieren. Beispielhaft Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und prekäres Wohnen in der Region Basel 59 sei an dieser Stelle auf vielversprechende Angebote der Bildungsqualifizierung und Arbeitsmarktintegration hingewiesen. Hinsichtlich des Umgangs mit jungen Tiefqualifizierten sind die Basler Angebote zur schulischen und beruflichen Nachholbildung „Attest-Lehre“ und „ENTER“ hervorzuheben (Dittmann et al. 2016). Was die Weiterqualifizierung von Alleinerziehenden angeht, sei auf das Angebot „AMIE“ hingewiesen. Auch überregionale Angebote sind auf ihre Übertragbarkeit zu prüfen (Dittmann et al. 2017). Als innovativ gelten die Projekte „Jobtimal.ch“ und „Teillohn-Modell“ der Stadt Bern, ebenso gelten die Projekte als aussichtsreich, die die interinstitutionelle Zusammenarbeit zwischen Fachstellen der Sozialhilfe und den regionalen Arbeitsvermittlungszentren intensivieren und dadurch einen Mehrwert erzielen, wie z.B. die Projekte „Pôle Insertion+“ im Kanton Freiburg und „Coaching für Ausgesteuerte“ der Stadt Zürich. Auch die verbesserte Zusammenarbeit mit der Wirtschaft, sowohl als Arbeitgeberin als auch als Ausbildungsplatzanbieterin, sind für die Armutsprävention und -bekämpfung vielversprechende Herangehensweisen, wie z.B. die Projekte „Ausbildung Migranten Holz“ im Kanton Bern und „Gewerbe trägt Verantwortung“ der Gemeinde Aarberg zeigen. Massnahmen: 7 Durch Minijobs erste Entscheidungsspielräume eröffnen Eine Reihe von Institutionen beteiligen die Nutzenden gegen ein geringes Entgelt an verschiedenen Arbeiten (Kochplan, Küche, Service etc.). Dieses Angebot wird von vielen Obdach- und Wohnungslosen genutzt, teilweise bilden sich lange Warteschlangen beim Einschreiben in den Institutionen und es besteht ein Überangebot an Arbeitskräften. Andere Nutzende der Einrichtungen kommen als VerkäuferInnen des Strassenmagazins Surprise in die Institutionen, und wieder andere arbeien in der Werkstatt Jobshop der Stiftung für Sucht und Jugendprobleme und kommen zu den Essenszeiten ins Tageshaus für Obdachlose. Die ethnographische Teilstudie hat sich von den Teilnehmenden erklären lassen, warum diese Arbeit so wertgeschätzt wird: (1) Das verdiente Geld ist für die Sicherung des täglichen Lebensunterhalts notwendig (inkl. Übernachtung). (2) Durch die Mitarbeit in der formalen Struktur der Institution kommt man mit anderen Menschen in Kontakt; die Gespräche werden als Chance, aus der eigenen Lebenswelt einmal „herauszukommen“, wahrgenommen. (3) Wo es möglich ist, z.B. den Menüplan mitzubestimmen und z.B. „eigene“ Gerichte zuzubereiten, erleben die Mitwirkenden, dass sie Kompetenzen haben, wertgeschätzt werden. (4) Grundsätzlich wird das Erlebnis, eine andere Rolle, als die der betroffenen, der armen, der abhängigen Person, zu erleben, positiv bewertet. Es ist zu prüfen, welche weiteren Integrationsangebote innerhalb des „zweiten Arbeitsmarkts“ für diese Menschen entwickelt werden können. 8 Mit den Betroffenen gemeinsam Angebote konzipieren In der Armutsforschung ist seit Längerem bekannt, dass eine Reintegration von Menschen, die massiv von Exklusion betroffen sind, nur sehr selektiv durch die Vermittlungsstellen des Sozialstaates gelingen. Vor allem Personen, die wenig nachgefragte Kompetenzen haben, stehen der Gefahr gegenüber, in ihrer Armutslage zu verharren. Bei vielen Nutzenden in den Institutionen hat sich diese Armutslage über die Zeit verfestigt. Die Einrichtungen haben einen grossen Vorteil: Ihr Klientel hält sich fast täglich in den Einrichtungen auf. Der Zugang zu ihnen muss also nicht erst aufgebaut werden. Insofern ist es fachlich möglich und geboten, auf die Menschen in den Einrichtungen aktiv vonseiten der Mitarbeitenden zuzugehen. Es könnte eine Anlaufstelle geschaffen bzw. eine bestehende Institution zu einer Anlaufstelle ausgebaut werden, bei der Ideen zu Tätigkeiten und weitere Integrations- und Teilhabeangebote aus dem Kreis der Nutzenden aufgegriffen werden. Die Form der Ideensammlung und daran gekoppelte Aktivitäten kann variieren (aktiver, einmalig/mehrmaliger Aufruf zu Ideen; kontinuierliche Aktivität etc.). Zur finanziellen Realisierung bestimmter Ideen würde sich ein revolvierender Fonds eignen, der Risikokapital bereitstellt. Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und prekäres Wohnen in der Region Basel 60 Empfehlung 6: Kooperation der Institutionen stärken Im Zusammenhang mit Obdachlosigkeit ist das derzeit in Basel bestehende Angebot an Hilfen noch nicht stark genug auf eine Armutsbekämpfung ausgerichtet, der es insbesondere auch um Beteiligung und Integration in die Gesellschaft geht. In der gegenwärtigen Praxis offenbart sich ein strukturell angelegtes und legitimatorisches Problem: Da sich die bisherige Wohnungslosenhilfe mehrheitlich über die Befriedigung der Grundbedürfnisse (Essen, Kleidung, Wärme, Geselligkeit) definiert und insbesondere dafür von Stiftungen oder staatlichen Institutionen finanzielle Zuwendungen erhält, richtet sich das Leistungsangebot an diesen existenziellen Grundbedürfnissen aus: Es geht um die Anzahl der gefüllten Teller, der gefüllten Tassen, die Anzahl von Personen, die sich am Ort aufwärmen etc., jedoch weniger akzentuiert um Beratung, Betreuung und Begleitung. Wenn jedoch schwerpunktmässig auf Überlebenshilfe gesetzt wird und es zusätzlich keine Hilfen zur Selbsthilfe, Selbstwirksamkeit und Autonomie der Lebensführung, z.B. durch entsprechende Beratung, Betreuung und Begleitung gibt, entstehen starke Abhängigkeiten im Hilfesystem der Betroffenen gegenüber diesen Institutionen. Massnahmen: 9 Gründung einer Arbeitsgemeinschaft Obdach- und Wohnungslosigkeit (AG OBWOHL) Die bisherigen Hilfen für die überschaubare Anzahl von obdachlosen Menschen sind im Sinne von mehr Selbstbestimmung (anstelle von sich verfestigenden Abhängigkeiten) zu erweitern. Dazu müssen sich die Fachinstitutionen regelmässig in einem eigenen Gremium austauschen, in dem es um Obdach- und Wohnungslosigkeit aus einer Querschnittsperspektive geht (statt aus Sicht der Gesundheit, Arbeit etc.). Gemeinsam müssen die Institutionen eine fachliche Perspektive formulieren. Da sich Obdach- und Wohnungslosigkeit in der Region Basel verortet, wäre es förderlich, die Institutionen in Lörrach, resp. In Weil am Rhein (evtl. auch in St. Louis) einzubeziehen. Aus dieser Arbeitsgemeinschaft könnten dann auch Massnahmen zur Lösung von Obdach- und Wohnungslosigkeit entwickelt werden, und es könnten Pilotprojekte gemeinsam kreiert und unterstützt werden und auch die hier formulierten Empfehlungen geprüft und dort, wo sinnvoll, vorangetrieben werden. Empfehlung 7: Monitoring aufbauen In der Gesamtschau ist das Ausmass von Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und prekärem Wohnen anhand der offiziellen Statistiken kaum zu bestimmen. Zu unvollständig sind die bestehenden Informationsgrundlagen und zu gross ist auch das Dunkelfeld. Die in dieser Studie durchgeführte Erhebung zeigt deutliche Verbesserungsmöglichkeiten gegenüber der bestehenden, als rudimentär zu bezeichnenden Berichterstattung über Obdachlosigkeit, aber auch weiterhin bestehende Grenzen des Monitorings auf. Deutlich wird, dass die Grenzen der Zählung von Obdachlosigkeit nicht in der geringen Kooperationsbereitschaft der Betroffenen liegen. Die vorliegende Studie beschränkt sich im Wesentlichen auf die tagesbezogene, schriftliche Befragung von betroffenen Menschen in 12 Hilfeeinrichtungen. . Vor diesem Hintergrund bilden die Ergebnisse einen Ausschnitt aus der Wirklichkeit von Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit, ungesichertem und inadäquatem Wohnen ab. Die dargestellten Ergebnisse erhalten durch die durchgeführte Nachtzählung und durch Hinzuziehung und Auswertung weiterer Informationen (Dokumente und Statistiken) wichtige Ergänzungen und Validierungen. Dadurch erhöhen sich letztlich die Reichweite und der Verallgemeinerungsgrad der erzielten Ergebnisse. 10 Regelmässige Beobachtung Zu Beginn des Berichts wurde auf die defizitäre Berichterstattung im Themenfeld Obdachlosigkeit hingewiesen. Eine Berichterstattung ist für eine fundierte Einschätzung der Obdach- und Wohnungslosigkeit unerlässlich. Aus diesem Grund empfehlen die Autoren das Monitoring im Bereich der Obdach- und Wohnungslosigkeit und auch des prekären Wohnens auf Grundlage der Erfahrungen, die in dieser Studie gemacht wurden, konzeptionell weiterzuentwickeln im Sinne einer differenzierten, periodisch wiederholenden und gleichzeitig aussagekräftigen Berichterstattung. Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und prekäres Wohnen in der Region Basel 61 Für die Entwicklung eines Indikatorensystems zur Beschreibung von Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und auch prekären Wohnsituationen regt die Studie an: ▪ Die Tätigkeitsberichte der untersuchten Einrichtungen zu verbessern im Sinne einer Differenzierung der NutzerInnen und der Erhebung ihrer Wohnsituation. ▪ Die Ausweitung der bestehenden Sozialhilfestatistik um Fragen der Wohnsituation, in denen aktuelle und frühere Erfahrungen mit Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und prekärem Wohnen erhoben werden. ▪ Die Statistiken der Notwohnungen und der Notschlafstellen sind zum Zwecke interkantonaler bzw. interkommunaler Vergleiche aufeinander abzustimmen und entsprechend anzupassen. ▪ Statistiken der Wohnhilfen können verbessert werden im Sinne eines Ausweises von Menschen, die ohne eigene Wohnung sind, oder die Angebote der Wohnhilfe aufgrund einer fehlenden Wohnung in Anspruch nehmen. ▪ Die stationären Einrichtungen, insbesondere die psychiatrischen Einrichtungen und Gefängnisse sollten die Wohnsituation der KlientInnen vor und nach dem Aufenthalt erfassen, um die Problematik des Wohnungsverlusts für diese Gruppen besser zu dokumentieren. ▪ Weiterführend ist zu überlegen, ob Fragen der Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und des prekären Wohnens in bestehende und regelmässig zu erhebende Bevölkerungsumfragen (Bevölkerungsbefragung, Familienbefragung, Stadtteilbefragung) integriert werden können, z.B. als Modul. Dadurch können Informationen gewonnen werden, wie viele dieser Haushalte andere Menschen beim Wohnen unterstützt haben. Ebenso kann erhoben werden, ob die befragten Haushalte aufgrund einer fehlenden Wohnung in der Vergangenheit selbst einmal von Wohnungsnot betroffen waren. Beide Informationen, würde das als hoch eingeschätzte Dunkelfeld zumindest in Teilen aufhellen. Obdachlosigkeit, Wohnungslosigkeit und prekäres Wohnen in der Region Basel 62 Literatur AGJ-Wohnungslosenhilfe im Landkreis Lörrach (2017): Jahresbericht 2017. Bundesamt für Sozialversicherungen (2018): Angebote der Wohnhilfe – eine Hilfestellung für Kantone, Städte und Gemeinde. URL: http://www.gegenarmut.ch/fileadmin/kundendaten/Dokumente/Hilfestellung_Wohnhilfe_D.pdf [Zugriff: 19.12.2018]. Bundesamt für Statistik (2018): Lohnentwicklung. URL: https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/arbeit-erwerb/loehne-erwerbseinkommen- arbeitskosten/lohnentwicklung.html [Zugriff: 19.12.2018]. 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