Irrationalität und online Debiasing Analyse kognitiver Verzerrungen und Grobkonzept für Debiasing mittels E-Learning Bachelor Thesis 2015 Praxispartner Giordano Bruno Stiftung Regionalgruppe Schweiz Sara Savona Begleitperson Hochschule für angewandte Psychologie Fachhochschule Nordwestschweiz Dr. Anne Herrmann Autor Steven Bürgin Bachelor Thesis Steven Bürgin IV Irrationalität und online Debiasing Seite IV Selbständigkeitserklärung Hiermit erkläre ich, die vorliegende Bachelor Thesis selbständig, ohne Mithilfe Dritter und nur unter Benutzung der angegebenen Quellen verfasst zu haben. Ort, Datum Unterschrift _______________________________ ______________________________ Bachelor Thesis Steven Bürgin V Irrationalität und online Debiasing Seite V Inhalt Abstract ........................................................................................................................... III Selbständigkeitserklärung ................................................................................................ IV Inhalt ................................................................................................................................ V 1 Einleitung .................................................................................................................... 1 1.1 Fragestellung ................................................................................................................... 1 1.2 Beschrieb des Praxispartners ........................................................................................... 2 1.3 Aufbau der Arbeit ............................................................................................................ 2 2 (Ir)Rationalität ............................................................................................................ 3 2.1 Ursachen und Determinanten kognitiver Verzerrungen .................................................... 4 2.1.1 Zwei Arten zu denken ......................................................................................................... 4 2.1.2 Override failure .................................................................................................................. 5 2.1.3 Menschen als Cognitive Misers .......................................................................................... 6 2.1.4 Serielle assoziative Kognitionen mit focal Bias .................................................................. 7 2.1.5 Mindware ........................................................................................................................... 8 2.2 Beeinflussende Bedingungen ......................................................................................... 10 2.3 Ausgewählte kognitive Verzerrungen ............................................................................. 11 3 Debiasing .................................................................................................................. 14 3.1 Klassischer Ansatz.......................................................................................................... 14 3.2 System 1 versus System 2 .............................................................................................. 15 3.3 Algorithmischer Ablauf .................................................................................................. 16 3.4 Klassifikation von Debiasing Strategien .......................................................................... 18 3.5 Ausgewählte Debiasing Strategien ................................................................................. 22 3.6 Probleme und Gefahren des Debiasing ........................................................................... 25 4 E-Learning ................................................................................................................. 28 4.1 Cognitive Load Theorie .................................................................................................. 31 4.2 Kognitive Theorie multimedialen Lernens ....................................................................... 33 4.2.1 Hypertexte ........................................................................................................................ 35 4.2.2 Problem(löse-)aufgaben ................................................................................................... 36 5 Grobkonzept E-Learning ............................................................................................ 39 5.1 Rahmenbedingungen ..................................................................................................... 39 5.2 Struktur und Inhalte ...................................................................................................... 40 6 Fazit und Ausblick ..................................................................................................... 44 7 Literaturverzeichnis ................................................................................................... 46 8 Abbildungsverzeichnis ............................................................................................... 52 9 Tabellenverzeichnis ................................................................................................... 52 Irrationalität und online Debiasing Einleitung Seite 1 1 Einleitung Im letzten halben Jahrhundert haben Kognitionspsychologen verschiedenste Verzer- rungen menschlichen Denkens erforscht (Griffin, Gonzalez, Koehler & Gilovich, 2012). Solche kognitiven Verzerrungen, gemeinhin auch als irrationales Denken be- zeichnet, sind systematisch und vorhersagbar und führen beispielsweise dazu, dass Menschen auf dem Status Quo beharren, obschon eine Änderung objektiv gesehen besser wäre (Samuelson & Zeckhauser, 1988). Weitere Beispiele sind, dass Men- schen ihre eigenen Fähigkeiten überschätzen (Moore & Healy, 2008) oder nur Infor- mationen suchen und konsumieren, die ihre eigene Meinung bestärken (Nickerson, 1998). Kognitive Verzerrungen führen dazu, dass Menschen ihre Ziele nicht errei- chen oder von vornherein falsch setzen und sind beispielsweise verantwortlich für diagnostische Fehler in der Medizin (Croskerry, 2009), tragen zu ideologischem Ext- remismus bei (Lilienfeld, Ammirati & Landfield, 2009) und führen zu finanziellen Fehlentscheidungen (Beck, 2014). Auch intelligente Menschen sind von kognitiven Verzerrungen betroffen (Stanovich & West, 2008). Es stellt sich die Frage, ob und wie Menschen darin geschult werden können, rationaler zu werden. 83% der Schweizer Bevölkerung benutzten 2014 das Internet täglich oder mehrmals pro Wo- che (Bundesamt für Statistik, 2015). Mittels E-Learning könnten daher viele Men- schen erreicht und darin geschult werden, rationaler zu denken und somit im tägli- chen Leben bessere Entscheidungen zu treffen. Dies ist unter Umständen sogar kos- tengünstiger im Vergleich zu Präsenzunterricht (Bernath, 2004). Menschen sind zu- dem durchaus daran interessiert, durch E-Learning darin geschult zu werden, ratio- naler zu denken (Greenberg, 2015), weshalb es sich deshalb lohnen kann, ein ent- sprechendes E-Learning Angebot zu entwickeln. 1.1 Fragestellung Es gilt jedoch zuerst zu verstehen, wie kognitive Verzerrungen entstehen, um daraus mögliche Strategien abzuleiten, Menschen rationaleres Denken zu ermöglichen. Deshalb ist die Fragestellung für diese Arbeit die folgende: Wie entstehen kognitiven Verzerrungen und (wie) kann man Menschen mit- tels E-Learning dazu befähigen, rationaler zu denken? Bachelor Thesis Steven Bürgin 2 Irrationalität und online Debiasing Seite 2 Im Weiteren wird der Praxispartner beschrieben und dargelegt, wieso er ebenso ein Interesse an dieser Fragestellung hat. 1.2 Beschrieb des Praxispartners Die Praxispartnerin ist die Schweizer Regionalgruppe der Giordano Bruno Stiftung (nachfolgend GBS CH genannt), welche in Deutschland residiert. Die GBS CH ver- steht sich als Denkfabrik und Projektschmiede in den Themenbereichen der Politik, Wissenschaft und Ethik. Sie lanciert politische Kampagnen (z. B. „Sentience Poli- tics“1) und andere Projekte, betreibt einen Blog2 und unterstützt verschiedene andere gemeinnützige Organisationen. Sie wendet sich momentan vorrangig an junge Aka- demiker, zukünftige Entscheidungsträger und an eine interessierte Öffentlichkeit. Die GBS CH setzt bei ihrer Tätigkeit stark auf elektronische Medien wie Websites, Blogs und Social Media wie Facebook oder Twitter. Da kognitive Verzerrungen auch im Bereich der Politik, Wissenschaft und Ethik das Urteilsvermögen der Menschen be- einträchtigt und die GBS CH erfolgreich auf Onlinemedien setzt, ist sie ebenso an der Frage interessiert, wie es zu kognitiven Verzerrungen kommt und (ob) man Men- schen mittels E-Learning dazu befähigen kann, rationaler zu denken. Die vorliegende Bachelor Thesis und das darin abgeleitete E-Learning Grobkonzept könnte somit die Grundlage für die zukünftige Entwicklung eines solchen E-Learning-Angebots auf einer dafür zu errichtenden Webplattform sein. 1.3 Aufbau der Arbeit In der vorliegenden Bachelor Thesis wird zunächst der Frage nachgegangen, was (Ir)Rationalität ist und wie kognitive Verzerrungen entstehen um anschliessend auf- zuzeigen, wie diese Ursachen angegangen werden können, also welche Strategien angewandt werden können, damit Menschen rationaler denken. Anschliessend wer- den E-Learning und dessen Theorien multimedialen Lernens beschrieben, um da- raufhin ein E-Learning Grobkonzept zu skizzieren. 1 www.sentience.ch 2 http://gbs-schweiz.org/blog/ Bachelor Thesis Steven Bürgin 3 Irrationalität und online Debiasing Seite 3 2 (Ir)Rationalität Stanovich (2010) definiert Rationalität in zwei Ausprägungen, die epistemische und instrumentelle Rationalität. Die epistemische Rationalität bezeichnet, wie akkurat die eigene Vorstellung bzw. das eigene Urteilsvermögen die tatsächliche Realität wider- spiegelt. Epistemische Rationalität zielt demnach darauf ab, die Wahrheit zu finden und Überzeugungen zu vertreten, die im Einklang mit gewonnenen Erkenntnissen über die Realität stehen. Dies beinhaltet zudem, dass die eigenen Überzeugungen und davon abgeleitete Ziele und Entscheidungen gemäss neuer Evidenz aktualisiert werden. Die instrumentelle Rationalität bezeichnet sich so zu verhalten, dass die eige- nen Ziele mit den vorhandenen materiellen und kognitiven Ressourcen bestmöglich und mit der grössten Wahrscheinlichkeit erreicht werden. Die getroffenen Entschei- dungen und daraus resultierendes Verhalten werden dabei dahingehend optimiert, dass ein grösstmöglicher zu erwartender Nutzen erzielt wird. Kahnemann und Tversky (1974) beschreiben, wie irrationales Handeln und Denken zustande kommen kann. Menschen bedienen sich demnach einfacher „Daumenregeln“, sogenannter kognitiver Heuristiken, um zu urteilen und zu ent- scheiden. Diese Heuristiken sind dabei meist genau genug um mit wenig Aufwand gute Resultate zu erzeugen. Zusätzlich sind sie schnell, erfordern keinen grossen Aufwand und werden meist unbewusst eingesetzt (Gigerenzer & Gaissmaier, 2011). Oftmals führt die Verwendung von Heuristiken zu Abweichungen von optimaler Ur- teils- und Entscheidungsfindung, kurzum zu kognitiven Verzerrungen. Daraus resul- tierende irrationale Muster, die unter den jeweils gleichen Bedingungen systematisch auftreten, nennt man kognitive Verzerrungen (im Englischen cognitive Bias genannt) und sind in verschiedensten Varianten anzutreffen (vgl. Krueger & Funder, 2004; Ba- ron, 2008; Gilovich, Griffin & Kahneman, 2002). Ein Beispiel ist die Verfügbarkeits- heuristik. Diese beinhaltet, dass die Häufigkeit oder Wichtigkeit einer Sache als hö- her einstuft wird, je besser das Erinnerungs- oder Vorstellungsvermögen daran ist (Tversky & Kahneman, 1973). Diese kognitiven Verzerrungen machen damit greif- und illustrierbar, was irrationales Denken charakterisiert. Bachelor Thesis Steven Bürgin 4 Irrationalität und online Debiasing Seite 4 2.1 Ursachen und Determinanten kognitiver Verzerrungen Kognitive Verzerrungen haben verschiedene Ursachen, häufig wirken verschiedene Ursachen zugleich und tragen somit zu deren Entstehung bei (Larrick, 2004). 2.1.1 Zwei Arten zu denken Menschen sind dazu disponiert, alltägliche Entscheidungen und Verhaltensweisen anhand von Heuristiken zu meistern und lassen sich von verankerten Assoziationen leiten. Neben diesen unbewussten Vorgängen, die zu kognitiven Verzerrungen füh- ren können, werden diese auch durch bewusstes Denken (mit-)verursacht (Crosker- ry, Signhal & Mamede, 2013a). Diese zwei Arten zu denken werden von Kahneman (2011) als Zwei-Prozess Theorie des Denkens beschrieben und besteht aus System 1 und System 2 Denken. Während sich Menschen die meiste Zeit in System 1 Denken befinden, das schnell, unbewusst und autonom ist, muss System 2 Denken willentlich initiiert wer- den und bindet kognitive Kapazität (Kahneman, 2011). Nebst diesen Charakteristika von System 1 und System 2 Denken werden in der Tabelle 1 weitere Unterschiede aufgezeigt. System 1 System 2 autonom kontrolliert automatisch willentlich unbewusst bewusst mühelos anstrengend implizit explizit assoziativ analytisch schnell langsam heuristisch regelbasiert nonverbal verbal Tabelle 1: Charakteristika und Unterschiede von System 1 und System 2 Denken (nach Kahneman, 2011) Bachelor Thesis Steven Bürgin 5 Irrationalität und online Debiasing Seite 5 Stanovich (2011) unterteilt das System 1 Denken nach seinen Ursprüngen. So kommt System 1 Denken im menschlichen Verhalten häufig und bei der Mehrheit der Entscheidungen vor und wird durch Emotionen reguliert und beeinflusst. Daneben können bewusste Denkprozesse durch häufige Wiederholung verinnerlicht und Teil davon werden. Des Weiteren kann (häufiges) System 1 Denken den Wechsel zu System 2 Denken blockieren, damit reflektiertes Denken und Handeln behindern und somit zu wortwörtlich unüberlegten und suboptimalen Entscheidungen führen, obschon der Wechsel von System 1 zu System 2 Denken im richtigen Augenblick ein wichtiges Prinzip ist, um Fehler und irrationale Muster zu verhindern (Croskerry et al., 2013a). Umgekehrt ist System 2 Denken dafür verantwortlich, System 1 zu überwa- chen, potentiell falsche Antworten von System 1 zu identifizieren und wenn nötig ein- zugreifen, also vertieft über die Problemstellung nachzudenken und sich dabei z. B. dem benötigten Wissen über Wahrscheinlichkeiten zu bedienen, um dann erst zu entscheiden (Soll, Milkman & Payne, im Druck). Croskerry et al. (2013a) betonen: „[System] 2 processes can perform an executive override function—which is key to debiasing“ (S. ii61). Häufiges System 2 Denken kann zu einer automatischen Ver- wendung der ausgeführten Denkprozesse von System 2 Denken führen, diese also zu System 1 überführen und damit verinnerlichen (Croskerry et al., 2013a). 2.1.2 Override failure Der von Stanovich, Toplak und West (2008) verwendete Begriff Override Failure meint das Unvermögen von System 2 Denken, System 1 Denken wenn nötig voll- ständig ausser Kraft zu setzen (override). Es findet dabei eine Entkoppelung durch System 2 statt, diese wird jedoch nicht zu Ende geführt und somit letztlich mit System 1 Denken fortgefahren. Stanovich et al. (2008) illustrieren einen Override Failure an- hand des Denominator Neglect. Diese kognitive Verzerrung wurde von Epstein und Kollegen (Denes-Raj & Epstein, 1994; Kirkpatrick & Epstein, 1992; Pacini & Epstein, 1999; zitiert nach Stanovich et al., 2008) in mehreren Experimenten untersucht. Die Probanden bekommen dabei zwei Schalen mit Geleebohnen (Jelly Beans) vorgelegt. Stanovich et al. (2008, S. 271) beschreiben weiter: In the first were nine white jelly beans and one red jelly bean. In the second were 92 white jelly beans and 8 red jelly beans. A random draw was to be ma- de from one of the two bowls and if the red jelly bean was picked, the partici- Bachelor Thesis Steven Bürgin 6 Irrationalität und online Debiasing Seite 6 pant would receive a dollar. The participant could choose which bowl to draw from. Although the two bowls clearly represent a 10% and an 8% chance of winning a dollar, a number of subjects chose the 100 bean bowl, thus reducing their chance of winning. The majority did pick the 10% bowl, but a healthy mi- nority (from 30 to 40% of the participants) picked the 8% bowl. Diese Minderheit war sich dabei bewusst, dass die Gewinnwahrscheinlichkeit bei der Schale mit 100 Bohnen die schlechtere war, gaben aber dem Impuls nach, dass sie ebenfalls absolut mehr Gewinnerbohnen, also 8 rote Geleebohnen enthielt. Sie be- dienten sich bewusst nicht dem Wissen über Wahrscheinlichkeiten und damit, die Schale mit dem höheren Prozentsatz an roten Bohnen zu wählen. Stanovich (2009) beschreibt diese Art der unvollständigen Überspielung durch System 2 auch als cold Override. Im Gegensatz dazu ist die andere Art der (unvollständigen) Überspielung der hot Override. Der Ausdruck „hot“ bezieht sich dabei auf Emotionen und beinhaltet insbesondere Phänomene begrenzter Selbstkontrolle. Der Marshmallow Test ist ein entsprechendes Experiment, welches ein hot override failure illustriert. Dieses Expe- riment wird mit Kindern durchgeführt. Den Kindern wird dabei eine Marshmallow vor- gelegt, die sie erhalten können und es wird ihnen dabei mitgeteilt, dass sie eine grössere Belohnung (zwei Marshmallows) erhalten, wenn sie so lange damit warten, den Marshmallow zu essen, bis der/die VersuchsleiterIn nachdem er/sie zuerst den Raum verlässt wieder zurückkehrt. Es zeigte sich dabei, dass einige Kinder dem ei- nen Marshmallow in dieser Zeit bereits nicht widerstehen können, obschon sie wis- sen, dass sie nach einiger Wartezeit zwei davon erhalten würden. 2.1.3 Menschen als Cognitive Misers Das menschliche Gehirn hat die generelle Tendenz, wenn immer möglich in System 1 Denken zu verharren (Croskerry et al., 2013a). Stanovich und Stanovich (2010) bezeichnen Menschen darum als cognitives Misers, zu Deutsch kognitiver Geizhals, weil das menschliche Gehirn so versucht, möglichst Energie zu sparen. Stanovich et al. (2008) erklären: „[...] humans will find any way they can to ease the cognitive load and process less information“ (S. 258). Bachelor Thesis Steven Bürgin 7 Irrationalität und online Debiasing Seite 7 Diese Tendenz der Menschen, kognitiven Aufwand zu vermeiden, ist eine wei- tere Ursache für kognitive Verzerrungen. Menschen haben häufig ein eingeengtes Denken, was z. B. durch mangelnden Informationszufluss von der Umwelt und aus dem eigenen Gedächtnis hervorgerufen werden kann (Soll et al., im Druck). So zei- gen verschiedene Studien (z. B. Samuel et al., 2008; Keeney, 2010; Smith, 2003, zitiert nach Soll et al., im Druck), dass Menschen vor Entscheidungen häufig unvoll- ständige Entscheidungskriterien entwickeln oder sich in Problemlösesituationen zu stark auf eine Lösungsart fixieren. 2.1.4 Serielle assoziative Kognitionen mit focal Bias Eingeschränktes Denken kann auch in diese von Stanovich und Stanovich (2010; siehe auch Stanovich et al., 2008) beschriebene Kategorie eingeordnet werden. So hat die Eigenart des cognitive Misers selbst in System 2 Denken ihre Auswirkungen. So gibt es System 2 Denkprozesse, die keine vollständige Simulation alternativer Realitäten aufweisen. Zwar sind die System 2 Denkprozesse nicht parallel und schnell verlaufend wie die von System 1, doch sind sie gefangen in einem rein asso- ziativen und seriell aufeinander folgenden Denkmodus. Dabei startet ein solcher Denkprozess von einem Modell der Welt und einer darin implizierten Regel aus. Menschen gehen davon aus, dass die Regel richtig ist und versuchen lediglich sie zu verifizieren. Diese Regel ist im Fokus (daher bezeichnet als focal Bias), es werden nachfolgend Assoziationen von dieser Regel und dem dazugehörigen Modell der Realität generiert bis die Aufgabe abgeschlossen ist. Am einfachsten ist das Modell der Realität, das nur einen Zustand enthält, die vorgegebene Regel als wahr betrach- tet und keine moderierenden Einflüsse beinhaltet. Ein derartiges Modell richtet sich an existierendem Vorwissen aus und daran, welche Modelle die Person früher be- reits generiert hat. Diese Entstehungsart irrationaler Denkmuster wird mit der von Evans (2006; Evans & Over, 2004; zitiert nach Stanovich & Stanovich, 2010) unter- suchten Vier-Karten-Wählaufgabe von Wason (1966; zitiert nach Stanovich & Stano- vich, 2010) veranschaulicht. Die Probanden werden wie folgt instruiert (S. 204): Each of the boxes below represents a card lying on a table. Each one of the cards has a letter on one side and a number on the other side. Here is a rule: If a card has a vowel on its letter side, then it has an even number on its number side. As you can see, two of the cards are letter-side up, and two of the cards Bachelor Thesis Steven Bürgin 8 Irrationalität und online Debiasing Seite 8 are number-side up. Your task is to decide which card or cards must be turned over in order to find out whether the rule is true or false. Indicate which cards must be turned over. Die Probanden mussten dabei von den Karten beschriftet mit ‚K’, ‚A’, ‚8’ und ‚5’ aus- wählen. Die richtige Antwort wäre dabei die Wahl von ‚A’ und ‚5’ gewesen, wobei die meisten Probanden jedoch lediglich versuchten, die Regel zu verifizieren und daher ‚A’ und ‚8’ wählten. Dem gegenüber kann mit der Wahl von ‚5’ festgestellt werden, dass die Regel nicht stimmt – also falsifiziert werden – wenn sich dahinter ein Vokal verbergen würde. Evans und Over (2004; zitiert nach Stanovich & Stanovich) hielten in Gesprächsprotokollen fest, dass die Personen bei einer falschen Wahl der Karten tatsächlich nur versuchten, die Regel zu bestätigen. 2.1.5 Mindware Arkes (1991) zeigt auf, dass irrationales Denken und Handeln jedoch auch kognitiven Verzerrungen entspringen, die durch ein anderes Problem mit System 2 Denken ver- ursacht werden. So können in einer gegebenen Situation Regeln und Strategien zur Urteilsbildung oder Entscheidungsfindung zwar korrekt angewandt werden, aber sel- ber fehlerhaft sein oder gar ganz fehlen. Arkes (1991) meint damit, was Stanovich und West (2008) als fehlende oder fehlerhafte Mindware (Mindware Gap) beschrei- ben. Mindware bezeichnet nach Perkins (1995, zitiert nach Stanovich & West 2008) Wissen, Regeln, Prozeduren und Strategien, welche von Personen aus dem Ge- dächtnis abgerufen werden können, um bei der Entscheidungsfindung und Prob- lemlösung eingesetzt zu werden. Mindware kann also gelernt werden. Es umfasst gemäss Stanovich und West (2008) im Besonderen Wissen darum, wie mit (statisti- schen) Wahrscheinlichkeiten umzugehen ist, wissenschaftliche Methodik und Den- ken und Wissen um die Logik (formales Ableiten etc.). Wenn nun in einer gegebenen Situation erkannt wird, dass System 1 Denken mit System 2 ausser Kraft gesetzt werden muss, dann gilt es, die entsprechende Mindware in korrekter Weise einzu- setzen. Ansonsten werden auf diese Weise ebenso irrationale Denk- und Verhal- tensmuster erzeugt oder begünstigt. Bei fehlender Mindware wird auf Heuristiken und System 1 Denken zurückgegriffen. Bachelor Thesis Steven Bürgin 9 Irrationalität und online Debiasing Seite 9 Die Abbildung 1 zeigt die in Kapitel 2.1.1 bis 2.1.5 beschriebenen Ursachen kognitiver Verzerrungen im Überblick. Es wird daraus ersichtlich, dass die zwei fun- damentalen Entstehungsgründe irrationalen Denkens und Handelns in der Tendenz des cognitive Misers, möglichst sparsam mit den kognitiven Ressourcen umzugehen sowie in fehlender und fehlerhafter Mindware liegen. Ferner gilt es zu beachten, dass viele irrationale Denk- und Verhaltensmuster mehre- re verschiedenartige Ursachen haben und Strategien, diesen zu begegnen, ebenso vielfältig sein müssten (Larrick, 2004; Stanovich et al., 2008) Die beschriebenen Entstehungsgründe für kognitive Verzerrungen treten unter bestimmten Bedingungen eher hervor, was beim erfolgreichen Einsatz von Debiasing Strategien berücksichtigt werden könnte. Diese Bedingungen werden nachfolgend beschrieben. Cognitive Miser Mindware Gap System 1 Denken als Default System 2 Denken mit focal Bias Override failure Wahrscheinlichkeitstheorie Logik Wissenschaftliche/s Methodik und Denken versch. domänenspezifisches Wissen Abbildung 1: Ursachen kognitiver Verzerrungen im Überblick Bachelor Thesis Steven Bürgin 10 Irrationalität und online Debiasing Seite 10 2.2 Beeinflussende Bedingungen Das Auftreten irrationaler Denk- und Verhaltensmuster wird sowohl von Umgebungs- bedingungen wie auch individuellen Gegebenheiten begünstigt. Zu Umgebungsbe- dingungen gehören z. B. die Zusammensetzung eines Arbeitsteams, vorhandene Ressourcen oder etwa ergonomische Aspekte. Daneben umfassen inter- und intrain- dividuelle Gegebenheiten den Gemütszustand, körperliche und geistige Verfassung, sowie Störungen und Unterbrechungen. Da sich einzelne Personen unterschiedlich stark ablenken und stören lassen, werden diese letzten beiden Faktoren den interin- dividuellen Gegebenheiten und nicht den Umgebungsbedingungen zugeordnet. Ins- besondere führen Übermüdung und Schlafentzug sowie eine zu grosse kognitive Be- lastung zu vermehrtem System 1 Denken, was wiederum zu irrationalen Denk- und Handlungsmustern prädisponiert (Croskerry et al., 2013a). Das Resultat davon, wenn Umgebungsbedingungen und intraindividuelle Fakto- ren vorteilhaft zusammen wirken, wird von Soll et al. (im Druck) auch als „decision readiness“ bezeichnet: „We call a person “decision ready” when System 2 is capable of performing its functions, in terms [of] monitoring, suspending decisions, and cor- recting judgments“ (S. 4). So sind Menschen decision ready, wenn sie ausgeschlafen und konzentriert sind. Das Meistern einer kognitiv fordernden Aufgabe, welche kogni- tive Kapazität bindet, vermindert jedoch die decision readiness, falls die kognitive Kapazität für eine andere aufwändige Überlegung oder Entscheidungsfindung benö- tigt würde. Daneben sind auch Zeitdruck (Payne, Bettman & Johnson, zitiert nach Soll et al., im Druck) und finanzieller Druck (Shah, Mullainathan & Shafir, 2012, zitiert nach Soll et al., im Druck) für eine rationale Überlegung oder Entscheidungsfindung hinderlich. Nebst diesen verwandten Faktoren beeinflussen verschiedene psycho- physische Faktoren das menschliche Denken und Urteilen. So können Emotionen wie z. B. Wut und überdies Hunger oder (sexuelle) Erregung irrationale Denk- und Verhaltensmuster hervorrufen, also die decision readiness beeinträchtigen (Soll et al., im Druck). Nebst den intraindividuellen gibt es interindividuelle Unterschiede, die bewirken, dass verschiedene Personen generell unterschiedlich decision ready oder für irratio- nale Denk- und Verhaltensmuster anfällig sind. So können Training, Bildung (Erwerb von entsprechender Mindware wie z. B. in Statistik), unterschiedliche Intelligenz und Bachelor Thesis Steven Bürgin 11 Irrationalität und online Debiasing Seite 11 Denkstile Einfluss auf die decision readiness und die Rationalität der Menschen ha- ben (Soll et al., im Druck). Intelligenz hat jedoch meist keinen oder nur einen modera- ten Einfluss auf rationales Urteilen (Korrelationen bis maximal .35; Stanovich & Sta- novich, 2010). Darüber hinaus sind Personen mit einer grösseren Kapazität des Ar- beitsgedächtnisses weniger anfällig für irrationale Denk- und Handlungsmuster. Die- se Menschen verfügen über eine grössere Kapazität für kognitive Prozesse und die Generierung mentaler Modelle (De Neys, 2006). Daneben kann der Denkstil Need for Cognition ebenfalls einen Einfluss auf die Rationalität der Menschen haben. Dieser Denkstil bezeichnet die Tendenz von Individuen, sich kognitiv zu betätigen und dies zu mögen. Menschen mit höherer Ausprägung in diesem Merkmal sind reflektierter und können eher Impulse von System 1 Denken zurückzuhalten und sich mit Dingen vertieft und bewusst auseinanderzusetzen – also eher und länger in den Modus des System 2 Denkens wechseln (Shafir & LeBoeuf, 2002). 2.3 Ausgewählte kognitive Verzerrungen Nachfolgend werden ausgewählte kognitive Verzerrungen beschrieben, für welche im Kapitel 3.5 Strategien beschrieben werden, um diese zu verhindern oder zu verrin- gern:  Bias blind Spot: Menschen glauben, sie seien selbst kaum von kognitiven Ver- zerrungen betroffen und diese aber bei anderen Personen (stärker) vorhanden. Dies ist selbst dann der Fall, wenn die betroffenen Personen darüber informiert werden, in welcher Form sie selbst von einer kognitiven Verzerrung betroffen sein könnten und wie (stark) sich diese auswirken (Pronin, Lin & Ross, 2002).  Status Quo Bias: Diese kognitive Verzerrung beinhaltet die menschliche Ten- denz, den Status Quo einer Veränderung vorzuziehen, selbst wenn diese objektiv betrachtet vorteilhaft wäre. Es wird damit vorgezogen, nichts zu tun oder bei einer getroffenen Entscheidung zu bleiben, anstatt eine Veränderung herbeizuführen oder eine getroffene oder zu treffende Entscheidung neu zu evaluieren. Damit tendieren Menschen dazu, bereits bestehende finanzielle, politische oder soziale Verhältnisse zu erhalten. (Samuelson & Zeckhauser, 1988). Toplak, West und Stanovich (2011) geben die Denktendenzen des cognitive Miser als Grund für diese kognitive Verzerrung an. Bachelor Thesis Steven Bürgin 12 Irrationalität und online Debiasing Seite 12  Confirmation Bias: Diese kognitive Verzerrung beinhaltet die menschliche Ten- denz, bewusst oder unbewusst nur nach Informationen zu suchen, die eine eige- ne Meinung oder Beurteilung bestätigen und nicht konforme Informationen zu leugnen oder schwächer zu gewichten (Nickerson, 1998). Der Confirmation Bias lässt sich mit dem in Kapitel 3.2.4 beschriebenen Entstehungsgrund erklären. Diese kognitive Verzerrung trägt somit dazu bei, dass Menschen ihre Meinung nicht ändern und auf allfällig irrationalen Positionen verharren und trägt zu der Entstehung und Aufrechterhaltung ideologischen Extremismus’ bei (Lilienfeld et al., 2009).  Hindsight Bias: Das Wissen um eine Antwort zu einer Frage oder den Ausgang eines Ereignisses führt dazu, dass das menschliche Urteil über die Frage oder das Ereignis verzerrt wird. So schätzen Menschen rückblickend die ursprünglich angenommene Wahrscheinlichkeit des Eintretens als höher ein, als sie vormals wirklich war und glauben, den Ausgang bereits damals so vorausgeahnt zu ha- ben. Darüber hinaus überschätzen sie die Fähigkeit anderer Personen, den Aus- gang des Ereignisses oder die Antwort auf die Frage genau so gut abschätzen zu können. Der Hindsight Bias entsteht dadurch, dass sich Menschen ihrer damali- gen Einschätzung nicht mehr gewahr sind, weil sie es beispielsweise vergessen haben, und nun den Ausgang eines Ereignisses bzw. die Antwort auf eine Frage kennen. Somit beeinflusst das neue Wissen die Erinnerung daran, wie die ur- sprüngliche Situation vermeintlich eingeschätzt wurde. Daneben fügt sich dieses neue Wissen in bereits bestehendes Wissen ein, womit die Vergangenheit besser verstanden wird und somit überschätzt wird, wie gut sie hätte vorausgesehen werden können (Roese, Vohs, 2012).  Overconfidence Bias: Menschen überschätzen sich selbst und ihre Fähigkeiten und Kenntnisse systematisch und bewerten diese als überdurchschnittlich. Dar- über hinaus sind sich Menschen übermässig sicher in (quantitativen) Voraussa- gen über die Zukunft. (Moore & Healy, 2008). Beck (2014) vermutet, dass der Confirmation Bias und der Hindsight Bias zu der Entstehung des Overconfidence Bias führen. Der Confirmation Bias würde dahingehend wirken, dass davon aus- gangen wird, sich der eigenen Fähigkeiten, Kenntnisse und Voraussagen sicher zu sein und nur Argumente gesucht werden, die dafür sprechen. Der Hindsight Bias würde derart wirken, dass Menschen nicht bemerken, dass sie mir ihren Ein- Bachelor Thesis Steven Bürgin 13 Irrationalität und online Debiasing Seite 13 schätzungen falsch lagen und damit das Wissen bzw. die Meinung über die eige- nen Fähigkeiten und Kenntnisse nicht entsprechend nach unten korrigieren. Der Overconfidence Bias kann deshalb problematisch sein, weil Menschen beispiels- weise teure Investitionen tätigen könnten, die sich anschliessend als Verlust her- ausstellen oder weil sie sich Selbständig machen könnten aber nachher nicht gut genug sind um eine erfolgreiche Unternehmung aufzubauen. Daneben sind auch lebensbedrohliche Situationen denkbar. So überschätzen Menschen möglicher- weise dadurch ihre körperlichen Fähigkeiten und verunfallen beispielsweise beim Klettern einer (zu) schwierigen Kletterpassage.  Base Rate Bias: Diese kognitive Verzerrung führt dazu, dass Menschen bei der Beurteilung von Wahrscheinlichkeiten die Information über die Verteilung einer Sache in der Grundgesamtheit vernachlässigen. Es wird die A-Priori Wahrschein- lichkeit der Zugehörigkeit eines Objekts zu einer Klasse vernachlässigt (Bar-Hillel, 1980). Beispielsweise könnte gefragt werden, ob eine Person, die als Liebhaber klassischer Musik beschrieben wird, ein/e Bauarbeiter oder ein/e Professor für Musik ist. Der Base Rate Bias würde in diesem Beispiel darin bestehen, dass vermutet wird, die Person sei ein Professor für Musik, obschon es viel wahr- scheinlicher ist, dass die Person ein Bauarbeiter ist. Die Anzahl Bauarbeiter in der Bevölkerung ist nämlich immens grösser als die Anzahl Professoren für Musik, weshalb es a-priori viel wahrscheinlicher ist, dass die Person ein Bauarbeiter ist. Eine mögliche Erklärung für die Entstehung dieser kognitiven Verzerrung ist die (unbewusste) Verwendung der Repräsentativitätsheuristik der Beurteilenden. Gemäss dieser Heuristik beurteilen Menschen die Wahrscheinlichkeit der Zuge- hörigkeit eines Objekts zu einer Klasse als hoch ein, wenn das Objekt typisch ist für die Klasse, sie also gut repräsentiert. Bachelor Thesis Steven Bürgin 14 Irrationalität und online Debiasing Seite 14 3 Debiasing Debiasing bezeichnet Strategien, um Personen rationaler zu machen und kognitive Verzerrungen zu verhindern (Larrick, 2004). Darüber hinaus beinhaltet dies Strate- gien, die Auftretenswahrscheinlichkeit oder Intensität kognitiver Verzerrungen zu schmälern (vgl. auch Lilienfeld et al., 2009). In einem weiteren Sinne bedeutet De- biasing auch, die Umgebung bzw. Entscheidungsarchitektur dahingehen zu gestalten (z. B. geschieht dies durch staatliche Institutionen oder sonstige Organisationen), dass die Irrationalität der Menschen zu ihrem Vorteil gereicht oder kognitive Verzer- rungen gar nicht erst auftreten (Soll et al., im Druck; vgl. Thaler & Sunstein, 2009). Aufgrund der Fragestellung der hier vorliegenden Arbeit wird nachfolgend auf Strate- gien konzentriert, welche Menschen individuell für sich aneignen und anwenden können, um rationaler zu denken. 3.1 Klassischer Ansatz Der klassische Ansatz des Debiasing, von Beaulac und Kenyon (2014) auch „intuitive approach“ genannt, versteht sich wie folgt: „teaching information about biases in such a way that learners will somehow subsequently recall that information, recognize its situational relevance, and act on it appropriately in bias-fraught contexts of thought and action“ (S. 349). Doch bereits Fischhoff (1982, zitiert nach Beaulac & Kenyon, 2014) zeigte in seinen Studien zum Debiasing des Hindsight Bias auf, dass dieser Ansatz nicht funktioniert. So testete Fischhoff (1982, zitiert nach Milkman, Chugh & Bazerman, 2009) vier Methoden, die unter den klassischen Ansatz fallen: 1. Informieren, dass man einer kognitiven Verzerrung unterliegen könnte 2. Die Richtung und das Ausmass der Verzerrung 3. Den Probanden Rückmeldung über ihre Betroffenheit von der kognitiven Ver- zerrung geben 4. Intensives Programm mit Rückmeldung und individuellem Coaching Dabei stellte sich heraus, dass die ersten drei Methoden nur minimalen und die vierte Methode nur moderaten Erfolg verzeichnen konnten. Die Annahme, es genüge, über kognitive Verzerrungen zu informieren und davor zu warnen, stellte sich als falsch heraus (Fischhoff, 1982 zitiert nach Beaulac & Kenyon, 2014). Die grössten Proble- Bachelor Thesis Steven Bürgin 15 Irrationalität und online Debiasing Seite 15 me sind, dass Menschen davon überzeugt sind, nicht davon gefährdet zu sein und zu wenig oder zu viel zu korrigieren versuchen, wenn sie auf einen Fehler hingewie- sen werden (Wilson, Centerbar & Brekke, 2002). Beaulac und Kenyon (2014) erklä- ren: „Perhaps the most significant factor explaining why teaching people about bia- ses does not itself particularly reduce their biases is known in the literature as bias blind spot“ (S. 346). Der klassische Ansatz „[...] requires students to debias in the most cognitively demanding way“ (S. 348) und ist damit untauglich dafür, cognitive Misers rationaler zu machen. 3.2 System 1 versus System 2 Grundsätzlich beruhen die meisten Debiasing Strategien jedoch auf dem An- satz, dass Menschen in Situationen, die für irrationales Urteilen und Handeln prädis- ponieren, von System 1 Denken zu System 2 Denken umstellen bzw. dazu gedrängt werden (Milkman et al., 2009). Dazu soll die Überwachung von System 1 durch Sys- tem 2 verbessert werden, damit nötigenfalls System 1 Denken ausser Kraft gesetzt werden kann (Soll et al., im Druck). Dazu müssen Menschen Hinweisreize von typi- schen Situationen registrieren, um die Notwendigkeit, auf System 2 Denken umzu- schalten, zu erkennen und entsprechend durch elaboriertes Denken zu einer rationa- leren Entscheidung zu gelangen (Croskerry et al., 2013a). Dabei sind Menschen un- terschiedlich stark dazu disponiert, von sich aus auf System 2 Denken zu wechseln und Dinge zu reflektieren (vgl. Kapitel 2.2). In mehreren Publikationen (Croskerry et al., 2013a; Soll et al., im Druck; Stanovich & West, 2008; Stanovich & Stanovich, 2010) wird darauf hingewiesen, dass eine Voraussetzung dazu ist, zu einem rationa- len Urteil oder richtigen Entscheidung zu gelangen, über die entsprechende Mindwa- re oder Hilfsmittel zu verfügen – denn, wie in Kapitel 2.1.5 bereits erwähnt, ist fehlen- de Mindware (Mindware Gap) auch ebenso eine Ursache kognitiver Verzerrungen. Eine weitere wirksame Möglichkeit, Menschen rationaler zu machen, besteht nach Soll et al. (im Druck) darin, das System 1 Denken zu verbessern, damit das in- tuitive Denken bereits rationaler ist. Dies trifft bei Experten zu. Ein wesentliches Merkmal von Expertise besteht nämlich darin, (neue) Situationen schnell zu beurtei- len und richtig zu reagieren, wobei die Merkmale, die zu der korrekten Entscheidung geführt haben, nicht zwingend bewusst sein müssen (vgl. Klein, Calderwood & Clin- Bachelor Thesis Steven Bürgin 16 Irrationalität und online Debiasing Seite 16 ton-Cirocco, zitiert nach Soll et al., im Druck). Die Entwicklung von Expertise wird durch die stetig vorhandene Kombination von Erfahrung mit schnellen, eindeutigen und vollständigen Rückmeldungen erreicht (Soll et al., im Druck). Eine weitere Mög- lichkeit, wenn häufiges System 2 Denken bzw. bestimmte Techniken oder Strategien häufig bewusst angewandt werden, besteht darin, diese so weit zu verinnerlichen, dass sie zu System 1 überführt werden. 3.3 Algorithmischer Ablauf Für ein erfolgreiches Debiasing muss ein algorithmischer Ablauf durchlaufen werden, wobei jeder Schritt erfolgreich sein muss, damit es zu einer Korrektur von Fehlern bzw. kognitiven Verzerrungen kommt. verzerrter Denkprozess beginnt Bewusstsein über das potentielle Auftreten einer kognitiven Verzerrung? Motivation zu korrigieren? Ja Nein Wissen um Richtung & Auswirkung der kognitiven Verzerrung Ja Nein passende Mindware vorhanden? Ja Nein erfolgreiches Debiasing Ja Nein verzerrtes Urteil Abbildung 2: Algorithmischer Ablauf erfolgreichen Debiasings (nach Wilson & Brekke, 1994) Bachelor Thesis Steven Bürgin 17 Irrationalität und online Debiasing Seite 17 Im Modell von Wilson & Brekke (1994), dargestellt in Abbildung 2, startet der Ablauf mit einen Denkprozess, der zu einer kognitiven Verzerrung führen könnte. In diesem Moment muss sich die betroffene Person darüber bewusst sein, dass sie Gefahr läuft, einem Bias zu unterliegen. In einem weiteren Schritt bedarf es der Motivation, der kognitiven Verzerrung entgegen zu wirken. Anschliessend muss die Person wis- sen, in welche Richtung und in welchem Ausmass die kognitive Verzerrung wirkt um schliesslich mit den richtigen Mitteln darauf zu reagieren. Bei jedem dieser Schritte kann es dazu kommen, dass der Ablauf unterbrochen wird und der Bias auftritt. So sind sich Menschen in der entsprechenden Situation (der Möglichkeit) beispielsweise nicht bewusst, dass sie im Begriff sind, einem Bias zu unterliegen oder sind zu wenig motiviert, den Bias zu verhindern, weil sie dessen möglichen Schaden nicht erken- nen. Darüber hinaus wissen sie vielleicht nicht, in welche Richtung ihr Urteil verzerrt wird und dementsprechend nicht, wie stark sie mittels welcher Mindware zu korrigie- ren haben (Wilson & Brekke, 1994). Bei diesem Schritt kommt es manchmal zu einer zu starken oder zu schwachen Korrektur (Wilson, Brekke & Centerbar 2002). Ein weiterer algorithmischer Ablauf wird von Stanovich und West (2008) be- schrieben und ist in Abbildung 3 dargestellt. Demnach muss eine Person zunächst über die entsprechende Mindware verfügen, um den Default, das System 1 Denken, welches in der gegebenen Situation zu einem Bias führt, ausser Kraft zu setzen. Ist die Mindware vorhanden, muss die Person danach erst die Notwendigkeit wahrneh- men, einen möglichen Bias zu verhindern. Ist dies gegeben, so muss die Person über die für die jeweilige Aufgabe notwendige kognitive Kapazität zur kognitiven Si- mulation einer alternativen Realität verfügen, um schliesslich in System 2 zu der rich- tigen Antwort zu gelangen bzw. den Bias zu korrigieren. Stanovich und West (2008) betonen, wie wichtig der Schritt ist, von System 1 Denken zu System 2 Denken zu wechseln, woran zu denken und dann auszuführen dem cognitive Miser allerdings schwer fallen dürfte. Bachelor Thesis Steven Bürgin 18 Irrationalität und online Debiasing Seite 18 3.4 Klassifikation von Debiasing Strategien Es gibt grundsätzlich zwei Ansätze, Menschen rationaler zu machen oder irrationale Muster zu verhindern (vgl. Larrick, 2004; Croskerry, Signhal & Mamede, 2013b; Soll et al., im Druck; Stanovich, 2009). Zum einen kann bei der Person angesetzt werden, also z. B. dieser entsprechende Mindware gelehrt und metakognitive Regeln wie Consider the Opposite (vgl. Kapitel 3.5) beigebracht werden oder sie kann sich tech- nologischer Hilfsmittel bedienen. Letztere Techniken werden nachfolgend als indivi- duelle Techniken bezeichnet. Zum anderen können äussere Umstände, in denen eine Entscheidung getroffen würde dahingehend gestaltet werden, dass irrationale Muster vermindert auftreten oder in ihrem Ausmass geschmälert werden. Dies bein- haltet ebenso, dass die Umgebung in der Erwartung kognitiver Verzerrungen absicht- lich so gestaltet wird (Entscheidungsarchitektur), dass Menschen dahingehend be- einflusst werden, Entscheidungen zu treffen, die ihrem Wohlbefinden zuträglich sind (Thaler & Sunstein, 2009). Ja Ja Ja Ja Nein Nein Nein Nein passende Mindware vorhanden? System 1 Denken Wissen um Notwendigkeit von System 1 zu System 2 Denken zu wechseln? System 1 Denken kognitive Simulation einer alternativen Realität notwendig? System 2 Denken nötige kognitive Kapazität vorhanden? System 1 Denken System 2 Denken / erfolgreiches Debiasing Abbildung 3: Algorithmischer Ablauf erfolgreichen Debiasings (nach Stanovich & West, 2008) Bachelor Thesis Steven Bürgin 19 Irrationalität und online Debiasing Seite 19 Nachfolgend werden die Klassifikationen von Larrick (2004) und Soll et al. (im Druck) verglichen und daraus geeignete Debiasing Strategien identifiziert, die als Grundlage für das E-Learning Grobkonzept in Kapitel 5 dient. Es werden entspre- chend der Fragestellung der Arbeit nur die Strategien betrachtet, die Einzelpersonen befähigen sollen, rationaler zu denken, also direkt die Person „modifizieren“. Die Ta- belle 2 gibt einen Überblick für einen Vergleich der Klassifikationen. Nach einem kur- zen Querschnitt werden relevante Debiasing-Strategien in Kapitel 3.5 genauer be- schrieben. Klassifikation nach Larrick (2004) Klassifikation nach Soll et al. (im Druck) Motivational Strategies Incentives Accountability Education Cognitive Strategies Cognitive Strategies to Overcome Narrow Thinking Consider the Opposite Generate Alternatives Training in Rules Dealing with Optimism Training in Representations Improving Judgmental Accuracy Training in Biases Assessing Uncertainty Technological Strategies Using Models to Decide Group Decision Making Quantitative Models Proper and improper linear models Checklists Multiattribute utility analysis Decision analysis Decision Support Systems Tabelle 2: Klassifikation individueller Debiasing-Methoden nach Larrick (2004) und Soll et al. (Im Druck) Die von Larrick (2004) beschriebenen motivational Strategies zielen darauf ab, die Motivation einer Person zu steigern und damit zu erreichen, dass sich Personen mehr bemühen und somit letztlich bessere bzw. rationalere Entscheidungen treffen und reflektierter bei einer Sache vorgehen. Die Motivation kann eine entsprechende Bachelor Thesis Steven Bürgin 20 Irrationalität und online Debiasing Seite 20 Belohnung (Incentives) sein oder die Tatsache, sich später für seine Entscheidungen zu verantworten (Accountability). Beide Vorgehensweisen stellen sich als teilweise wirksam heraus, können also unter Umständen dazu führen, dass sich Menschen zwar vermehrt anstrengen, jedoch fehlerhafte Mindware einsetzen und somit nicht bessere oder gar schlechtere Resultate erzielen. Die motivational Strategies implizie- ren, dass die Belohnungen und die Verantwortlichkeit von „Aussen“ (z. B. durch den/die ArbeitgeberIn) auferlegt werden. Somit sind sie ohnedies nicht dazu geeignet als individuelle Strategie und für die Umsetzung mittels E-Learning. Eine andere Gruppe von Methoden wird von Soll et al. (im Druck) unter dem Begriff Education zusammengefasst, was bei Larrick (2004) dem Training in Rules entspricht. Diese zielen darauf ab, den Mindware Gap zu füllen. Darunter fällt das Lehren von Prinzipien der Ökonomie, Logik und Statistik und kann mittels klassi- schem Unterricht in diesen Inhalten erreicht werden, wobei gewisse Faktoren zu be- rücksichtigen sind. So fallen beispielsweise Studierende, die in Ökonomie unterrich- tet werden weniger dem Sunk Cost Bias anheim, da sie das Prinzip der Opportuni- tätskosten kennen und diese entsprechend berücksichtigen (Fennema & Perkins, 2008). Daneben wurden noch weitere Themen im Bereich der Ökonomie, Logik und Statistik untersucht, wobei sich zeigte, dass die Leistung anstieg, je mehr Umgang die Lernenden mit den Konzepten hatten und wenn die Konzepte in lebensnahen Zusammenhängen erklärt wurden (Nisbett et al., 1983, zitiert nach Larrick, 2004). Darüber hinaus können Lernende dieses Wissen auf andere Lebensbereiche an- wenden, also einen erfolgreichen Transfer realisieren, wobei diese Fähigkeit jedoch nach einigen Wochen bereits abklingt. Insgesamt waren die erfolgreichsten Strategie die Lehre einfacher Regeln wie den Opportunitätskosten oder der Tatsache, dass grössere Stichproben zuverlässiger die Grundgesamtheit repräsentieren und sich allgemeingültigere Aussagen machen lassen. Wichtig ist, bei der Unterrichtung le- bensnahe Beispiele zu verwenden und in Kombination mit der dazu gehörigen abs- trakt formulierten Regel zu präsentieren (Larrick, 2004). Das Training in Rules ist bei Larrick (2004) der Kategorie cognitive Strategies zugeordnet. Die Kategorie umfasst ähnliche Strategien wie cognitive Strategies to Overcome narrow Thinking in Soll. et al. (im Druck). Bis auf Training in Representati- ons und Training in Biases (Larrick, 2004) umfassen die Strategien metakognitive Regeln, die Menschen anwenden können, um zu besseren Urteilen (und daraus ab- Bachelor Thesis Steven Bürgin 21 Irrationalität und online Debiasing Seite 21 geleiteten Entscheidungen) zu gelangen. Da diese Strategien die Anwendung einfa- cher metakognitiver Regeln umfassen und sich diese einfach einprägen lassen, sind diese für E-Learning besonders geeignet. In Kapitel 3.5 werden diese Strategien nä- her beschrieben. Das Training in Representations setzt darauf, dass Menschen Wahrscheinlichkeiten in absolute Zahlen umformen, da sie Wahrscheinlichkeiten in diesem Format adäquater beurteilen können (Gigerenzer & Hoffrage, 1995). Das Training in Biases (Larrick, 2004) entspricht dem in Kapitel 3.1 beschriebenen intuiti- ve Approach, wobei sich auch Larrick (2004) pessimistisch zeigt, ob dieser Ansatz wirkt. Demgegenüber umfassen technological Strategies (Larrick, 2004) und Using Models to Decide (Soll et al., im Druck) grösstenteils quantitative Vorhersage- und Entscheidungsmodelle, die Menschen anwenden können, um zu einer Entscheidung bei der Wahl zwischen verschiedenen Alternativen zu gelangen (z. B. Kaufentschei- dungen). Bis auf Group Decision Making und Checklists beinhalten sie mathemati- sche Gleichungen, worin verschiedene Entscheidungsvariablen zu gewichten und zu bewerten sind oder computerbasierte Assistenzwerkzeuge. Diese quantitativen Mo- delle sind zumeist eher komplex und lassen sich schwer ohne Hilfsmittel und ohne umfangreichere Berechnungen anzustellen individuell und in jeder Lebenssituation anwenden. Sie werden daher für die vorliegende Arbeit nicht weiter berücksichtigt. Group Decision Making beinhaltet Strategien, wo eine Gruppe Personen hinzugezo- gen wird und ist deshalb hinsichtlich der Fragestellung für Einzelpersonen nicht rele- vant (Larrick, 2004). Checklists dienen dazu, in Bedingungen grosser Komplexität und grosser Arbeitsintensität alle wichtigen Aspekte z. B. bei einer Entscheidung o- der einem Arbeitsschritt zu berücksichtigen. Checklisten werden noch zu wenig in der Praxis verankert, trotz ihres grossen Nutzens (Hales & Pronovost, 2006). Da sie je- doch allgemein bekannt sind und wiederum ein externes Werkzeug darstellen, wer- den sie für das E-Learning Konzept dieser Arbeit nicht weiter berücksichtigt. Einfache metakognitive Regeln sind besonders geeignet, um in E-Learning um- gesetzt zu werden, da sie wirksam und einfach zu merken sind und damit eine grös- sere Wahrscheinlichkeit besteht, dass diese mit einiger Übung vom Modus des Sys- tem 2 Denkens verinnerlicht und Bestandteil von System 1 Denken werden können (vgl. Kapitel 3.2 und 2.2.1). Daneben eignet es sich nach Meinung des Autors eben- so, die Mindware von der Kategorie Education mittels E-Learning umzusetzen. Bachelor Thesis Steven Bürgin 22 Irrationalität und online Debiasing Seite 22 Toplak, West und Stanovich (2012) geben einen umfassenden Überblick darüber, wie dies im Kontext der Bildung umgesetzt werden könnte. So gibt es in dem Bereich Education einige frei verfügbare Kurse auf Massive Open Online Course Plattformen wie beispielsweise Coursera3 oder edX4. Für die hier vorliegende Arbeit wird daher die Kategorie Education nicht mehr weiter vertieft. Mit dem Thema Rationalität befas- sen sich die E-Learning Kurse von Clearer Thinking5. Die Plattform hat jedoch einen anderen Ansatz und versucht nicht, einfache metakognitive Regeln beizubringen. Dem Autor sind darüber hinaus andere E-Learning Plattformen bekannt, die jedoch nicht den Lernenden gezielt metakognitive Regeln beibringen, welche die Lernenden dazu befähigen sollen, rationaler zu denken, sondern mehr auf den klassischen An- satz setzen. Dazu gehören Plattformen, wo gegen Bezahlung der Zugriff auf Videos mit weiterführendem Material zu kognitiven Verzerrungen freigeschaltet werden kann, wie beispielsweise CCademy6. 3.5 Ausgewählte Debiasing Strategien Die folgenden Debiasing Strategien sind somit für das E-Learning Grobkonzept rele- vant:  Reversal Test: Der Reversal Test wurde von Bostrom und Ord (2006) vorge- schlagen, ist aber bislang noch nicht empirisch überprüft worden. Es wird ange- nommen, dass eine Argumentation besagt, der Status Quo müsse geändert wer- den (z. B. Vom Wohn- in den einstündig entfernten Arbeitsort zu ziehen). Wenn dies nun abgelehnt wird mit der Begründung, dass dies schlechte Konsequenzen hat (die Freunde wohnen alle am gleichen Ort), dann hilft der Reversal Test, her- auszufinden, ob die Person mit der ablehnenden Haltung dem Status Quo Bias unterliegt. Der Test funktioniert wie folgt: die Situation wird umgekehrt und es wird gedanklich davon ausgegangen, dass die beabsichtigte Änderung bereits der Status Quo sei (der Wohn- ist gleich dem Arbeitsort). Dann wird die Frage ge- stellt, ob ein anderer Zustand erstrebenswert ist (vom Arbeitsort in den Wohnort der Freunde ziehen) und ob dagegensprechende Argumente vorhanden sind. 3 www.coursera.org/ 4 www.edx.org/ 5 www.clearerthinking.org/ 6 www.ccademy.com/ Bachelor Thesis Steven Bürgin 23 Irrationalität und online Debiasing Seite 23 Sollte in dieser gedanklichen Simulation wiederum der Grundzustand bevorzugt werden (z. B. mit dem Argument der langen Reisezeit ohne ein Argument in Feld führen zu können), unterliegt die Person in der Situation vor der Simulation wahr- scheinlich dem Status Quo Bias und wird entsprechend darauf aufmerksam ge- macht.  Consider the Opposite / Consider an Alternative: Bei dieser Strategie wird die Frage gestellt, warum eine Annahme oder Entscheidung falsch sein könnte und sich mögliche Alternativen auszudenken. Damit wird erzwungen, nicht nur den ei- genen Assoziationen nachzugehen, sondern auch alternative Szenarien zu be- rücksichtigen (Hirt & Markman, 1995; Lord, Lepper & Preston, 1984). Die Strate- gie wirkt gegen den Overconfidence Bias (Koriat, Lichtenstein & Fischhoff, 1980), den Hindsight Bias (Arkes, 1991) und den Confirmation Bias (Hirt & Markman, 1995).  Premortem Strategie (Dealing with Optimism in Tabelle 2): Diese Strategie wird vor dem Treffen einer Entscheidung oder der Umsetzung eines Vorhaben ange- wandt. Dazu wird gedanklich in die Zukunft „gereist“ und in Erfahrung gebracht, dass die Entscheidung schlechte Konsequenzen hatte oder das Vorhaben schei- terte. Es folgt die Überlegung, woran dies gelegen haben könnte (Klein, 2007). Diese Strategie gleicht der consider the Opposite, weil auch sie dazu anregt, wei- tere Szenarien zu bedenken und den eigenen Blickwinkel zu erweitern (Mitchell, Russo, & Pennington, 1989).  Generate Alternatives: Diese Strategie wird angewandt, wenn vor einer Ent- scheidung zwischen verschiedenen Optionen ausgewählt werden muss. Sie zielt darauf ab, weitere Alternativen zu entwickeln, also die Menge an Optionen zu er- höhen. So werden für jedes Entscheidungskriterium einzeln weitere mögliche Al- ternativen gesucht, anstatt dass Alternativen gesucht werden, die allen Kriterien genügen. Schliesslich können darauf Optionen identifiziert werden, die allen Krite- rien genügen. Mit dieser Strategie werden mehr Alternativen gefunden als wenn für den gesamten Kriterienkatalog gleichzeitig Entscheidungsoptionen gefunden werden sollen (Keeney, 2012).  Dialectical Bootstrapping (Improving Judgmental Accuracy in Tabelle 2): Diese Strategie wird bei quantitativen Einschätzungen und Vorhersagen angewandt. Dabei wird eine quantitative Grösse eingeschätzt (beispielsweise das Jahresend- Bachelor Thesis Steven Bürgin 24 Irrationalität und online Debiasing Seite 24 ergebnis des Swiss Market Index) und davon ausgegangen, dass diese falsch sei. Dann wird erneut geschätzt und der Durschnitt der beiden Schätzungen er- mittelt. Dieser Durchschnittswert ist dabei dem wahren Wert meist näher als eine der beiden Einschätzungen, weil die beiden Schätzungen ihre jeweiligen Abwei- chungen egalisiert. Wie Consider the Opposite setzt auch diese Strategie darauf, dass auf Wissen zurückgriffen wird, welches sonst nicht oder zu wenig berück- sichtigt geworden wäre, womit eine andere Perspektive eingenommen werden kann (Herzog & Hertwig, 2009).  Interval estimates (Assessing Uncertainty in Tabelle 2): Diese Strategie wird eingesetzt, um dem Overconfidence Bias bei der Angabe von Konfidenzinterval- len entgegen zu wirken. Die Angabe eines Konfidenzintervalls ist zum Beispiel die Angabe, zu 80% sicher zu sein, ein altes Auto für 1600-1800 Franken einem/einer GebrauchtwagenhändlerIn verkaufen zu können. Bei der Angabe von Vertrauens- intervallen sind sich Menschen meist zu sicher und nachträglich und es stellt sich nachträglich heraus, dass die Voraussagen falsch waren oder in einem kleineren Intervall richtig gewesen wären, dass also die Sicherheit beispielsweise nur zu bei 40% lag, das Auto für besagten Betrag zu verkaufen. Die Strategie besteht darin, dass nicht nur ein Konfidenzintervall, sondern ein geringes, mittleres und hohes Konfidenzintervall angegeben wird. Bei der Verwendung dieser Strategie machen Menschen akkuratere Schätzungen (Soll & Klayman, 2004).  Time unpacking (Assessing Uncertainty in Tabelle 2): Diese Strategie hilft eben- so dafür, dass Menschen bessere Schätzungen von Konfidenzintervallen für zu- künftige Ereignisse treffen. Anstatt nur eine Schätzung für einen Zeitpunkt in der Zukunft zu machen, wird für mehrere dazwischenliegende Zeitpunkte geschätzt. Diese Strategie lässt ein abstrakteres Denken über den ursprünglich einzuschät- zenden Zeitpunkt zu. So kann die eigene Einschätzung relativiert und die zukünf- tige Situation als unsicherer eingeschätzt werden, was zu vorsichteren Einschät- zungen führt Es konnte gezeigt werden, dass Menschen mit dieser Strategie ak- kuratere Einschätzungen und Vorhersagen machen. (Jain, Mukherjee, Bearden & Gaba, im Druck).  Darstellung von Wahrscheinlichkeiten (Training in representations). Diese Strategie bewegt sich im Rahmen der Lehre von Statistik bzw. Wahrscheinlich- keitstheorie bewegt, und findet durch obige Erklärung keinen weiteren Eingang in Bachelor Thesis Steven Bürgin 25 Irrationalität und online Debiasing Seite 25 diese Arbeit. Da sie jedoch eine simple Regel enthält, lohnt sich ein kurzer Be- schrieb. Menschen können mit absoluten Zahlen besser umgehen als mit Wahr- scheinlichkeitsangaben (Gigerenzer & Hoffrage, 1995). Deshalb besteht die an- zuwendende Regel dieser Strategie darin, Wahrscheinlichkeiten in absoluten Zahlen darzustellen. Dies kann auch gedanklich geschehen. Personen, die Wahr- scheinlichkeitsaufgaben auf diese Weise lösten, waren erfolgreicher, selbst wenn sie über geringe mathematische Kenntnisse verfügten. Zudem konnten sie mithil- fe dieser Strategie auch nach einiger Zeit andere und neuartige Wahrscheinlich- keitsaufgaben meistern. Die Strategie kann zudem auch bei der Berechnung be- dingter Wahrscheinlichkeiten oder des Bayes’ Theorem angewendet werden und zeigt sich dort ebenso als wirksam (Sedlmeier, 2002). Die Strategie eignet sich deswegen, um dem Base Rate Bias entgegenzuwirken. 3.6 Probleme und Gefahren des Debiasing Verschiedenste Probleme erschweren den erfolgreichen Einsatz von Debiasing Stra- tegien. So wirkt erschwerend, dass Menschen möglicherweise wenig Interesse an Debiasing-Kursen haben oder Debiasing Strategien eventuell nicht ihre ganze Wir- kung entfalten können. Daneben können solche Anstrengungen unter bestimmten Umständen den Bias sogar noch verstärken. Nebst den Problemen, die bereits in Kapitel 3.3 beschrieben wurden gibt es noch weitere Faktoren, die nachfolgend be- schrieben werden. Hogarth (2001, zitiert nach Larrick, 2004) benennt, dass Menschen häufig nicht erkennen, wenn sie einem Fehler unterlegen sind (was auch ein wichtiger Zwischen- schritt bei den algorithmischen Debiasing-Abläufen ist). Dies kommt daher, dass eine Rückmeldung zu der Entscheidung oder dem Urteil, welches einen Fehler generiert hat, zeitlich versetzt eintrifft oder die genauen Ursachen für den Fehler gar nicht be- kannt sind. Menschen attribuieren zudem Fehler und Misserfolge external und Erfol- ge internal (Larrick, 2004), was dazu führt, dass die eigenen Fehler nicht eingestan- den werden. Daneben mögen viele Menschen den Gedanken nicht, lange Zeit (ver- meidbaren) Fehlern unterlegen gewesen zu sein (Arkes, 2003; Kleinmuntz, 1990, zitiert nach Larrick, 2004). Darüber hinaus wird vermutet, dass Menschen den Nut- zen von Debiasing Strategien für ihr persönliches Wohlbefinden nicht begreifen – Bachelor Thesis Steven Bürgin 26 Irrationalität und online Debiasing Seite 26 dies als Nutzen der Strategien über ihre bereits vorhandenen Fähigkeiten hinaus (Larrick, 2004; Lilienfeld, Ammirati & Landfield, 2009). Des Weiteren können Menschen sich gar nicht erst der Gefahr laufen, einer kognitiven Verzerrung zu unterliegen, indem sie erst Urteile und Entscheidungen fäl- len, wenn sie decision ready sind. Soll et al. (im Druck) sind aber pessimistisch in der Annahme, Menschen würden erkennen, wann sie decision ready sind und wann nicht. Ein weiterer Punkt betrifft die Debiasing-Strategien (wie z. B. Consider the Op- posite) bzw. die dafür eingesetzte Mindware oder metakognitiven Regeln an sich. Diese sind nämlich – wenn nun eine Person „glücklicherweise“ in die Situation ge- langt, sie einzusetzen – häufig bereichsübergreifend, also allgemein formuliert und zu wenig auf spezifische Situationen in der Realität zugeschnitten (Willingham, 2007). Dies verringert deren Einprägsamkeit und damit auch deren Verwendbarkeit, weshalb Larrick (2004) bemerkt: „Their domain-generality is why actively applying rules to a broad range of examples is a critical feature of training on such rules“ (S. 333). Der Bias blind Spot (Pronin et al., 2002) führt dazu, dass Menschen möglicher- weise nicht empfänglich sind für Debiasing Bemühungen oder gar nicht erst dazu motiviert sein könnten, überhaupt erst ein solches Angebot, z. B. vermittelt durch E- Learning, in Anspruch zu nehmen. Daneben könnte der Overconfidence Bias einen ähnlichen Einfluss haben. Daneben könnte der Status Quo Bias (Samuelson & Zeckhauser, 2012) ein erfolgreiches Debiasing erschweren. Denn eine Veränderung gegenüber dem Status Quo könnte den Gebrauch eines Debiasing-Kurses mittels E- Learning darstellen. Nebst den Problemen, die Debiasing erschweren oder den Gebrauch von De- biasing Strategien verhindern können, können Anstrengungen, Menschen rationaler zu machen, geradewegs nach hinten losgehen. Sanna, Schwarz und Stocker (2002) haben einen solchen Effekt festgestellt beim Versuch, Debiasing für den Hindsight Bias (zu Deutsch Rückschaufehler) umzusetzen. Die Probanden dieser Studie muss- ten verschiedene andere mögliche Ausgänge (ähnlich der Consider the Opposite Strategie) einer Situation ausdenken, von der sie bereits wussten, wie sie herausge- kommen ist. Durch die kognitive Verzerrung dachten sie anschliessend, dies sei von Bachelor Thesis Steven Bürgin 27 Irrationalität und online Debiasing Seite 27 Anfang an klar gewesen. Durch diese Vorgehensweise waren Sie jedoch dann erst recht der Überzeugung, der Ausgang wäre unvermeidlich gewesen. Eine mögliche Erklärung dafür lag darin, dass die Probanden sich schwer taten, alternative Aus- gänge zu finden. So würden sie die Möglichkeit, es gäbe überhaupt andere mögliche Ausgänge als klein einschätzen, weil sie sich der Verfügbarkeitsheuristik bedienten. Beaulac und Kenyon (2014) kommentieren: „Telling ourselves that we have debia- sed, we can come to hold our attitudes and views more strongly—convinced that they have been vetted for distortion“ (S. 347). Bachelor Thesis Steven Bürgin 28 Irrationalität und online Debiasing Seite 28 4 E-Learning E-Learning bezeichnet das durch elektronische Medien vermittelte Lehren und Ler- nen, im engeren Sinne wird es nur so bezeichnet, wenn das Lernarrangement Onli- ne-Komponenten beinhaltet. (Bodemer & Echterhoff, 2015). Neben dem Begriff E- Learning werden Schreibarten wie E-Lernen oder eLearning, sowie Synonyme wie beispielsweise Online-Lernen oder computergestütztes Lernen verwendet (Rey, 2009). Die elektronische Unterstützung bezieht sich vor allem auf die Präsentation und Verteilung der Lernmaterialien (Bodemer & Echterhoff, 2015), wobei verschiede- ne elektronische Medien zum Einsatz kommen können. Rey (2009) beschreibt, dass unter Medien „[...] verschiedene Objekte oder technische Geräte verstanden werden, mit denen sich Informationen speichern und/oder kommunizieren lassen“ (S. 16). Die Kombination verschiedener Medien wird auch Multimedia bezeichnet, welches sich die in drei Teilaspekte Multimedialität, Multicodalität und Multimodalität untergliedern lässt (Rey, 2009). Multimedialität bezeichnet den gleichzeitigen Einsatz verschiedener Medien. Diese umfassen zum Beispiel Hör-, Bücher und E-Books, daneben Audio- und Vi- deoinhalte, die auf Mobiltelefonen, Fernsehern und Computern empfangen und ab- gespielt werden können und mitunter mittels Podcasts7 verbreitet werden (Rey, 2009). Multicodalität bezeichnet den Einsatz und Kombination verschiedener Darbie- tungsarten der zur vermittelnden Informationen. Diese können beispielsweise in Form von (Hyper-)Texten, Bildern, Animationen und Simulationen vorliegen. Beson- ders häufig werden Informationen in Textform dargeboten. Im Internet werden häufig Hypertexte verwendet. Dieser Begriff bezeichnet elektronische Texte mit elektroni- schen Querverweisen, sogenannten Hyperlinks, zu anderen Textdokumenten und – Passagen oder auch Abbildungen, Audio- und Videodateien. Bilder haben verschie- dene Funktionen, sie können Informationen vermitteln, motivieren oder emotional aktivieren. Daneben können Sie zusätzliches Interesse am Lernmaterial oder Ablen- kung bewirken. Animationen sind eine Bilderfolge, bei welcher bei jedem Bild eine 7 Rey (2009, S. 17) beschreibt, dass es sich bei Podcasts „[...] faktisch um Radio- oder auch Fernseh- sendungen [handelt], die sich als Audio- oder Video-Dateien unabhängig von einer festgelegten Sen- derzeit [sic!] mittels eines Audioplayers (z.B. eines iPods) anhören bzw. ansehen lassen.“ Bachelor Thesis Steven Bürgin 29 Irrationalität und online Debiasing Seite 29 Veränderung gegenüber dem vorgängigen erscheint. Eine Simulation stellt eine ver- einfachte Darstellung eines Ausschnitts aus der Realität dar (Merten & Engemann, 2015). Lernende manipulieren Eingabewerte, worauf die Simulation mit entspre- chenden Ausgabewerten reagiert und dies meist graphisch visualisiert (Rey, 2009), womit die Lernenden zu einem verbesserten Verständnis der Prozesse im dahinter- liegenden theoretischen Modell und der auf sie einwirkenden Grössen gelangen sol- len (Merten & Engemann, 2015). Multimodalität bezeichnet die Wahrnehmung und Verarbeitung der dargebote- nen Informationen durch die Lernenden mit mehreren Sinnesmodalitäten (Issing, 1998, zitiert nach Rey, 2009). In multimodalen Lernumgebungen werden meist nur das visuelle und auditive System zur Aufnahme beansprucht, wobei der Sehsinn der meist beanspruchte ist (Rey, 2009). Nebst den drei Teilaspekten von Multimedia ist bei E-Learning die Interaktivität der Lernmaterialien von Bedeutung, wozu Rey (2009) schreibt: „Als interaktiv werden Lernmaterialien [...] dann bezeichnet, wenn sie dem Lernenden verschiedene Ein- griffs- und Steuerungsmöglichkeiten erlauben“ (S. 22). Unter die Eingriffs- und Steue- rungsmöglichkeiten fallen beispielsweise das Starten, Beenden, Spulen etc. von Vi- deos, die Beantwortung von Fragen zu den Lerninhalten durch die Lernenden (Rey, 2009) oder etwa das Modifizieren der Inhalte und Eingabewerte zum Ausprobieren und Erwirken eines gewissen Ergebnisses. Letztlich kann je nach Eingabe auch ein entsprechendes Feedback durch das E-Learning Programm erfolgen (Rössling, 2004, zitiert nach Rey, 2009). Das eigentliche Lernen beim E-Learning kann aus der Perspektive der ver- schiedenen Hauptströmungen bei der Lernforschung – Behaviorismus, Kognitivismus und Konstruktivismus – betrachtet werden. Der Behaviorismus geht von der Grundannahme aus, dass Lernen eine be- obachtbare Verhaltensänderung mit daraus resultierenden Verhaltensreaktionen ist, die als Reaktion auf Reize aus der Umwelt erfolgt. Der Behaviorismus verzichtet auf die Annahme und Betrachtung intrapsychischer Vorgänge (Arnold, 2004). Bekannte Lernprozesse, die aus der behavioristischen Strömung entstanden, sind klassisches und operantes Konditionieren. Diesen Lernprozessen unterliegt die Grundannahme, dass Lernen aus der Formung von Assoziationen zwischen Vorkommnissen besteht Bachelor Thesis Steven Bürgin 30 Irrationalität und online Debiasing Seite 30 (Haider, 2015). E-Learning, basierend auf diesem Ansatz, gibt es zum Beispiel bei Vokabellernprogrammen, der behavioristische Ansatz wird aber im Bereich des E- Learnings kaum mehr vertreten (Rey, 2009). Der Kognitivismus betrachtet besonders die intrapsychischen, also kognitiven Vorgänge. Rey (2009) präzisiert, dass Lernen „[...] also als Informationsverarbei- tungsprozess verstanden [wird], bei dem Wahrnehmungs-, Denk-, und Gedächtnis- prozesse Berücksichtigung finden“ (S. 33). Hierbei sind mentale Modelle, Schemata und kognitive, sowie metakognitive Prozesse von grossem Gewicht. Aktuelle Modelle zum multimedialen Lernen stützen sich auf diesen Ansatz (siehe Kapitel 4.1 bis 4.2). Kritisiert wird am Kognitivismus und an kognitiven Lerntheorien, dass sie im Lernpro- zess wichtige soziale, emotionale und motivationale Aspekte vernachlässigen (Arnold, 2004). Im Konstruktivismus werden Lernende als selbstverantwortliche Personen auf- gefasst, die aktiv am Lernprozess beteiligt sind. Sie konstruieren neues Wissen auf Basis bereits vorhandenen Wissens und werden vorzugsweise in einem gemein- schaftlichen (kollaborativen) Lernen von anderen Lehrenden oder Lernenden unter- stützt. Des Weiteren soll eine konstruktivistische Lernumgebung die Selbstreflexion und Selbstregulation der Lernenden anregen und fördern (Arnold, 2004). Dazu gehö- ren gemäss Rey (2009) „[...] metakognitive[] Fähigkeiten wie das Setzen von (Lern- )Zielen, aber auch Selbstbeobachtung, Selbstbewertung und Selbstverstärkung wäh- rend des Wissenserwerbs“ (S. 33). Zudem sollten Lernsituationen praxisbezogenen, also real anzutreffenden, Problemsituationen ähnlich sein (Arnold, 2004). Mehrere Meta-Analysen (Means, Toyama, Murphy, Bakia & Jones, 2009; Al- Shorbaji, Atun, Car, Majeed & Wheeler 2015) zur Wirksamkeit von E-Learning zei- gen, dass sich Lernende Informationen genauso gut oder teilweise besser aneignen konnten im Vergleich zu klassischen Methoden wie beispielsweise dem Frontalunter- richt. Aspekte, die den Lernerfolg verringern, sind fehlende Interaktion zwischen Leh- renden und Lernenden, ein Gefühl der Isolation, fehlende Unterstützung bei Unklar- heiten und mangelnde vertiefte Auseinandersetzung mit dem Lernmaterial im sozia- len Kontext. Damit E-Learning seine Wirksamkeit entfalten kann, müssen bestimmte Gestal- tungshinweise umgesetzt und eingehalten werden. Diese lernförderlichen Gestal- Bachelor Thesis Steven Bürgin 31 Irrationalität und online Debiasing Seite 31 tungshinweise lassen sich von Theorien multimedialen Lernens ableiten, wovon nachfolgend zwei für diese Arbeit relevante und momentan dominierende (kognitive) Theorien beschrieben werden (Rey, 2009). Es sind dies die Cognitive Load Theorie von Sweller und Kollegen (1998, 2005) und die Kognitive Theorie multimedialen Ler- nens von Mayer (2005a) 4.1 Cognitive Load Theorie Die Cognitive Load Theorie (CLT) von Sweller und Kollegen (1998, 2005) kon- zentriert sich auf die kognitive Belastung beim Lernen und deren Ent- und Belastung, zudem auf die Ausbildung, sowie Speicherung automatisierter Schemata beim Lern- prozess. Die CLT bedient sich dem Arbeitsgedächtnismodell von Baddeley (1992) und benennt das menschliche Arbeitsgedächtnis als wichtigsten Engpass beim Lern- prozess. Das eigentliche Lernergebnis wird als eine Veränderung im Langzeitge- dächtnis verstanden. Das Arbeitsgedächtnis wird vom Langzeitgedächtnis oder vom sensorischen Puffer gespeist und beinhaltet Informationen, welchen Menschen be- wusst sind. Der episodische Puffer erfasst neue Informationen aus der Umwelt. Im Gegensatz zum Langzeitgedächtnis hat das Arbeitsgedächtnis eine geringe Kapazität. Es ist in seiner Funktion beschränkt durch eine begrenzte Verarbeitungs- menge, das je nach Publikation 2-3 oder 3-5 Elemente beträgt und ebenso zeitlich begrenzt ist (Rey, 2009). Informationen im Arbeitsgedächtnis gehen verloren, wenn sie in einem Zeitraum von 20-30 Sekunden nicht wiederholt werden. Rey (2009) ver- deutlicht, dass diese Begrenzungen bei der Ausarbeitung von Lernmaterialien be- rücksichtigt werden muss um bei den Lernenden Verständnis zu erzeugen, welches als die „[...] Fähigkeit [definiert wird], die zu verstehenden Informationselemente si- multan im Arbeitsgedächtnis verarbeiten zu können“ (S. 37). Das Arbeitsgedächtnismodell von Baddeley (1992; dargestellt in Abbildung 4) umfasst drei Elemente. Die zentrale Exekutive ist mit der Aufmerksamkeit des Men- schen gleichzusetzen. Sie überwacht und reguliert die Elemente des Arbeitsge- dächtnisses. Die visuell-räumliche Notiztafel speichert visuell und räumlich kodierte Informationen. Die phonologische Schleife als drittes Element speichert sprachliche und auditive Informationen. Bachelor Thesis Steven Bürgin 32 Irrationalität und online Debiasing Seite 32 Ein weiterer wichtiger Baustein der CLT sind Schemata. Sie ermöglichen die Assimilation neuer Informationen und organisieren Wissen für die Speicherung im Langzeitgedächtnis. Schemata strukturieren die Informationen und fassen mehrere gleichartige Elemente zusammen, es werden gemeinsame Charakteristika gespei- chert. Ein Schema belegt nur einen Elementplatz im Arbeitsgedächtnis, wobei es selbst eine grosse Menge an Information enthalten kann (Rey, 2009). Neue Schema- ta werden durch zwei verschiedene Prozesse konstruiert. Bei der Elaboration werden neu aufgenommene Informationen mit bereits vorhandenen verknüpft, in Zusam- menhang gebracht und damit eingeordnet. Bei der Induktion ordnen die Lernenden eine Information, die sich nicht in bereits vorhandene Schemata einordnen lassen, in ein neues, abstrakteres Schema ein. Da dies allgemeine Charakteristika des Lernob- jekts umfasst, lässt sich dieses Schema später auf ähnliche Lernsituationen oder Lernobjekte hin anwenden (Wouters, Tabbers & Paas, 2007). Als Kern des Lernens wird bei der CLT die Automatisierung von Schemata verstanden, wobei die vermehr- te Aktivierung von Schemata deren automatische Aktivierung wahrscheinlicher macht. Sind Schemata stärker automatisiert, wird das Arbeitsgedächtnis wiederum weniger in Anspruch genommen und steht damit für andere Prozesse zur Verfügung. Die Automatisierung erfolgt mittels Kompilierung, wobei ein spezifisches Schema entsteht, welches mit Handlungsweisen verknüpft ist, die bei der Aktivierung des Schemas ausgeführt werden (Wouters, Tabbers & Paas, 2007). Die kognitive Belastung – cognitive Load – wird bei der CLT in drei Arten unter- gliedert. Die intrinsische Belastung ist auf das Lernmaterial an sich und der Interakti- Visuelle Semantik Sprache Zentrale Exekutive Visuell-räumliche Notiztafel Phonologische Schleife Abbildung 4: Arbeitsgedächtnismodell nach Baddeley (1992) Bachelor Thesis Steven Bürgin 33 Irrationalität und online Debiasing Seite 33 vität deren Elemente zurückzuführen. Wenn die Elemente stark interaktiv unterei- nander vernetzt sind, müssen sie zeitgleich im Arbeitsgedächtnis verarbeitet werden. Dies führt zu einer starken Belastung. Bei einer niedrigeren Interaktivität können die Elemente hingegen aufeinanderfolgend bewältigt werden. Zusätzlich ist die intrinsi- sche Belastung von dem Vorwissen und Erfahrung der Lernenden sowie der Kom- plexität des Lernmaterials abhängig. Fallen das Vorwissen geringer und die Komple- xität grösser aus, steigt die intrinsische Belastung an. Die zweite Art der kognitiven Belastung ist die extrinsische Belastung. Diese ist von der Präsentation, also der Verständlichkeit der Lernmaterialien abhängig. Diese Belastung sollte möglichst ge- ring gehalten werden, damit Kapazität für die dritte Art, die sogenannte germane cognitive Load geschaffen wird (Sweller, 2005). Dazu führt Scheiter (2015) aus, dass der germane cognitive Load „den für produktives Lernen förderliche[n] Teil kognitiver Belastung [steht], der die Bildung kognitiver Repräsentationen [...] unterstützt. Diese positive Belastung resultiert aus der Anwendung höherstufiger kognitiver Prozesse, die über die reine Aufrechterhaltung der Informationen im Arbeitsgedächtnis hinaus- gehen (z.B. Selbsterklärungen, Elaborationen).“ Die CLT propagiert ein direktes Vorgehen bei der Wissensvermittlung, vernach- lässigt nach Meinung von Rey (2009) jedoch motivationale und emotionale Prozesse, welche ebenso einen negativen oder positiven Effekt auf die Lernleistung haben könnten. Dennoch sind die aus der CLT abgeleiteten Gestaltungsempfehlungen gut empirisch abgesichert (Rey, 2009). 4.2 Kognitive Theorie multimedialen Lernens Die kognitive Theorie multimedialen Lernens von Mayer (2005a) vertritt verschiedene Grundannahmen. Es wird postuliert, dass Informationen in einem bildhaft-visuellen, sowie einem auditiv-verbalen Kanal verarbeitet werden. Diese zwei Kanäle stellen die Art der Repräsentation und Aufnahme ins Arbeitsgedächtnis dar und entspre- chend können auch die Lernmaterialien in der Art eines Kanals gestaltet sein. Die kognitive Theorie multimedialen Lernens bedient sich in dieser Einteilung ebenso wie die CLT des Arbeitsgedächtnismodells von Baddeley (1992). Die Lernenden können die im einen Kanal repräsentierten Informationen konvertieren und so in den anderen überführen, wo die Informationen weiterverarbeitet werden können. Die kognitive Bachelor Thesis Steven Bürgin 34 Irrationalität und online Debiasing Seite 34 Theorie multimedialen Lernens hält fest, dass Lernmaterialien so gestaltet sein sol- len, dass beide Kanäle zur Verarbeitung der Informationen genutzt werden. Die Ka- näle des Arbeitsgedächtnisses haben eine begrenzte Kapazität. Die Ressourcen(- Zuweisung) des Arbeitsgedächtnisses werden durch die zentrale Exekutive kontrol- liert und gesteuert. Es kann also auch in der kognitiven Theorie multimedialen Ler- nens zu geringeren Lernerfolg kommen, wenn Lernende kognitiv überlastet sind. Die kognitive Theorie multimedialen Lernens nimmt ferner an, dass sich Lernende aktiv mit dem Lernmaterial auseinandersetzen, um eine mit dem Vorwissen passende und in sich schlüssige mentale Repräsentation zu konstruieren. Beim Aufbau von neuem Wissen strukturieren die Lernende diese Konstruktion auf verschiedene Arten. (zum Beispiel Schemata mit Vergleich von Wissenselementen oder Wissen in einer Baum- struktur; Mayer, 2005a). Rey (2009) rät, dass „zur Verständnissteigerung [...] bei der Gestaltung von Lernmaterialien darauf geachtet werden [sollte], dass das präsentier- te Material eine kohärente Struktur aufweist und die multimediale Botschaft eine An- leitung zum Aufbau der [...] Wissensstrukturen bereithält“ (S. 51). Die kognitive Theorie multimedialen Lernens unterscheidet drei verschiedene Gedächtnisspeicher. Erstens der sensorische Speicher, welcher die aufgenommenen Informationen aus der Umwelt kurzzeitig erfasst und für die zwei Kanäle präsent hält. Zweitens das Arbeitsgedächtnis, das Informationen zwischenspeichert und verarbei- tet und drittens das Langzeitgedächtnis, welches eine grosse Mengen an Information über lange Zeit hinweg speichern kann und das gesamte Vorwissen der Lernenden beinhaltet (Mayer, 2005a). Die kognitive Theorie multimedialen Lernens unterscheidet fünf verschiedene kognitive Prozesse, die beim Lernen in multimedialen Lernumgebungen bei den Ler- nenden zur Anwendung kommen. Diese kognitiven Prozesse beziehen sich auf die Mulimediapräsentationen und werden wegen der Beschränkung des Arbeitsgedächt- nisses jeweils auf eine beschränkte Auswahl an Informationen angewandt. Erstens ist die Auswahl von Wörtern anzuführen. Dabei lenkt der Lernende seine Aufmerk- samkeit auf relevante Wörter innerhalb des Lernmaterials und erzeugt daraus eine auditive Repräsentation in seinem Arbeitsgedächtnis. Das Lernmaterial kann gespro- chenen oder geschriebenen Text beinhalten. Zweitens die Auswahl von Bildern. Es wird versucht Bilder im Lernmaterial in eine visuelle Repräsentation im Arbeitsge- dächtnis zu überführen. Drittens und Viertens: Bei der Organisation von Wörtern und Bachelor Thesis Steven Bürgin 35 Irrationalität und online Debiasing Seite 35 der Organisation von Bildern werden Verbindungen zwischen den Elementen ge- sucht und im Arbeitsgedächtnis miteinander verknüpft, um eine kohärente Repräsen- tation des Lernmaterials im Arbeitsgedächtnis zu erzeugen. Fünftens: Bei der In- tegration schliesslich werden die Informationen mit dem Vorwissen aus dem Lang- zeitgedächtnis in Verbindung gebracht. Dies stellt den Kernprozess des multimedia- len Lernens gemäss der kognitiven Theorie multimedialen Lernens dar (Mayer, 2005a). Es lassen sich aus den oben beschriebenen Theorien multimedialen Lernens die folgenden Gestaltungsprinzipien ableiten: 4.2.1 Hypertexte Da beim E-Learning häufig Texte eingesetzt werden, sollten diese möglichst ver- ständlich formuliert werden. Dazu lässt sich auf das „Hamburger Verständlichkeits- konzept“ von Langer et al. (2006, zitiert nach Rey, 2009) zurückgreifen, welches die vier Textmerkmale Einfachheit, Gliederung/Ordnung, Kürze/Prägnanz und anregende Zusätze aufgreift. Die Einfachheit ist das wichtigste Merkmal eines Textes. Damit ist gemeint, dass Sätze möglichst kurz, einfach und konkret gehalten werden und anschauliche und geläufige Wörter enthalten sollen. Auf diese Art formulierte Texte beanspruchen das Arbeitsgedächtnis weniger und begrenzen nicht den lernrelevanten germane cognitive Load (Langer et al., 2006, zitiert nach Rey, 2009). Zum Textmerkmal Ein- fachheit lässt sich auch das Prinzip zuordnen, die Lernenden persönlich (zum Bei- spiel „du“ anstatt „man“) anzusprechen und zu instruieren (Rey, 2009). Dieses Prin- zip leitet sich davon ab, dass persönliche Ansprachen eine soziale Reaktion bei den Lernenden bewirkt, was wiederum zu einer aktiveren kognitiven Verarbeitung der Informationen durch die Lernenden bewirkt (Mayer, 2003, zitiert nach Rey, 2009). Daneben kann das Prinzip durch den Selbstreferenz-Effekt begründet werden. Dem- zufolge werden Informationen besser im Langzeitgedächtnis behalten, bei welchen die Lernenden einen Bezug zum eigenen Selbst herstellen können (Rogers, Kuiper & Kirker, 1977). Das Textmerkmal der Gliederung/Ordnung bezieht sich auf die Struktur und Gliederung von Texten. Texte müssen in einer nachvollziehbaren und passenden Bachelor Thesis Steven Bürgin 36 Irrationalität und online Debiasing Seite 36 Reihenfolge geschrieben sein, wobei Überschriften, Randbemerkungen und Zusam- menfassungen den Text sinnvoll gruppieren sollen. Darüber hinaus soll der Kernin- halt des Texts hervorgehoben werden, damit sich die Lernenden darauf konzentrie- ren können (Langer et al., 2006, zitiert nach Rey, 2009). Dies begünstigt die Entwick- lung und Modifizierung von Schemata. Das Textmerkmal der Kürze/Prägnanz bezieht sich auf den Schreibstil. Empfoh- len wird, eine Balance zwischen Kürze und weitschweifigen Formulierungen zu fin- den. Es soll auf Füllwörter, leere Phrasen und Redundanzen verzichtet werden, um nicht den extrinsischen Cognitive Load zu erhöhen. (Langer et al., 2006, zitiert nach Rey, 2009) Das vierte Textmerkmal schliesslich sind anregende Zusätze, die es gemäss Langer et al. (2006, zitiert nach Rey, 2009) einzubauen gilt. Wenn der Text bereits entsprechend den anderen Textmerkmalen gegliedert ist, können demzufolge anre- gende Zusätze wie zum Beispiel interessante Exkurse, Geschichten und rhetorische Fragen zum Verständnis des Textes beitragen und die Lernenden zusätzliche moti- vieren. Es dürfen jedoch nicht zu viele Zusätze integriert werden, damit die Texte nicht zu lang werden und damit den Empfehlungen des Textmerkmales Kür- ze/Prägnanz widersprechen. 4.2.2 Problem(löse-)aufgaben Vergleichbar mit Schulbüchern und beim Frontalunterricht können auch beim E- Learning Problem- bzw. Problemlöseaufgaben in multimedialer Weise präsentiert werden. Bei der gebräuchlichen Variante solcher Aufgaben wird den Lernenden ein Problem geschildert, welches sie durch mehrere Lösungsschritte beantworten sollen (Rey, 2009). Es gibt mehrere Varianten davon, deren Gestaltungsprinzipien nachfol- gend dargelegt werden. Bei ausgearbeiteten Lösungsbeispielen wird ein Problem vorgestellt, die Lö- sungsschritte aufgezeigt und die finale Antwort präsentiert. Solche Aufgaben wurden innerhalb der CLT gut erforscht und als wirksam befunden. Der worked example effect beinhaltet, dass Lernende mit derartigen Aufgaben bessere Lernleistungen erzielen als mit der normalen Variante (Renkl, 2005) und von einem verminderten extrinsischen cognitive Load betroffen sind. Dies wurde mehrfach empirisch gestützt Bachelor Thesis Steven Bürgin 37 Irrationalität und online Debiasing Seite 37 (vgl. Rey, 2009 für einen Überblick). Darüber hinaus helfen sie den Lernenden, gene- ralisierte Lösungsansätze und Schemata zu entwickeln (Sweller, Van Merriënboer & Paas, 1998) und werden von den Lernenden gegenüber konventionellen Aufgaben bevorzugt (LeFevre & Dixon, 1986; Recker & Pirolli, 1995). Damit ausgearbeitete Lösungsbeispiele lernwirksam sind, gilt es, verschiedene moderierende Faktoren zu berücksichtigen. Zum einen sollen Lernende darin gefördert werden, eigenständige Erklärungen beim Bearbeiten ausgearbeiteter Lösungsbeispiele zu entwickeln. Dazu sollen Lernende grundlegende Prinzipien zur Lösung der Aufgaben, sowie Unter- schiede und Gemeinsamkeiten zwischen verschiedenen Aufgaben selber erkennen (lernen) (Rey, 2009). Wenn nötig sollen sie unterstützt und instruiert werden, dabei sollten sie selbst die Möglichkeit haben zu bestimmten, wann und wie viele zusätzli- che Instruktionen sie zu Hilfe ziehen wollen. Lernende mit besserem Verständnis o- der grösserem Vorwissen sollen nicht redundante Informationen erhalten, womit lern- irrelevanter cognitive Load erzeugt würde (Wittwer & Renkl, 2008). Zum anderen sol- len die Lösungsbeispiele derart gestaltet sein, dass Hinweise hinzugefügt werden, die das Vergleichen verschiedener Lösungsbeispiele anregen und dass auf zu errei- chende Subziele und Zwischenschritte aufmerksam gemacht wird. Dies kann zum Beispiel durch visuelle Hervorhebung oder sequentieller Präsentation verschiedener Teile der Aufgabe bzw. Problemlösung erfolgen (Renkl, 2005). Eine weitere Variante von Problem(löse-)aufgaben sind Problemvervollständi- gungsaufgaben, die eingesetzt werden weil Lernende ausgearbeitete Lösungsbei- spielen oftmals nur überfliegen und damit nicht richtig nutzen (Sweller et al., 1998). Problemvervollständigungsaufgaben geben einen Soll- und Ist-Zustand, sowie eine lückenhafte Lösung vor. Die Lernenden haben anschliessend die Lösung selbständig abzuschliessen (Van Merriënboer & Krammer, 1987). Ein Konzept, welches Prob- lemvervollständigungsaufgaben beinhaltet, ist die Vervollständigungsstrategie von Van Merriënboer und Kester (2005). Bei dieser Strategie werden den Lernenden zu- erst ausgearbeitete Lösungsbeispiele vorgegeben. Danach arbeiten die Lernenden vermehrt an Vervollständigungsaufgaben bis normale Problemlöseaufgaben präsen- tiert werden und die Lernenden nicht mehr damit überlastet sind. Dies lässt sich da- mit erklären, dass das Vorwissen der Lernenden ansteigt (Sweller, 2004). Nebst den geschilderten Varianten von Problemlöseaufgaben können auch va- riable Problemlöseaufgaben verwendet werden. Diese Aufgaben werden unter der Bachelor Thesis Steven Bürgin 38 Irrationalität und online Debiasing Seite 38 Verwendung des Variabilitätseffekts konzipiert. Dieser wurde im Rahmen der For- schung zur CLT postuliert (Sweller et al., 1998). Rey (2009) beschreibt ihn wie folgt: „Nach diesem [Effekt] führt eine erhöhte Variabilität in unterschiedlichen Lernübun- gen zu besseren Transferleistungen (Sweller, et al., 1998). Idealerweise variieren die Lernaufgaben in allen Dimensionen, die auch außerhalb des Lernkontextes einer Veränderung unterliegen“ (S. 113) Begründet werden kann dies anhand der cognitive Load Theorie, danach verbessern variable Problemlöseaufgaben durch ihre grössere Variabilität die Entwicklung von Schemata fördern und helfen zudem, wichtige Merk- male eines Problems zu identifizieren und von Unwichtigem zu unterscheiden (Rey, 2009). Es muss jedoch darauf geachtet werden, dass der extrinsische cognitive Load klein gehalten wird weil der germane cognitive Load erhöht wird und die Lernenden nicht überlastet werden dürfen (Paas & Van Merriënboer, 1994, zitiert nach Rey, 2009). Bachelor Thesis Steven Bürgin 39 Irrationalität und online Debiasing Seite 39 5 Grobkonzept E-Learning In diesem Kapitel soll ein mögliches E-Learning Grobkonzept für die in Kapitel 3.5 beschriebenen Debiasing Strategien skizziert werden. Der Aufbau des Grobkonzepts ist angelehnt an die von Stoecker (2013) beschriebenen Aufbau einer E-Learning Grobkonzepts. Das Grobkonzept ist als Vorschlag gedacht, worauf die GBS CH bei der zukünftigen Entwicklung eines entsprechenden E-Learning Angebots aufbauen kann. Weitergehende Überlegungen wurden demgemäss von der GBS CH noch nicht angestellt, weshalb, wenn es erforderlich ist, Annahmen durch den Autor getrof- fen werden. 5.1 Rahmenbedingungen Die E-Learning Kurse werden auf einer dazu zu errichtenden Webplattform angebo- ten und basieren auf dem kognitivistischen Lernparadigma. Die Debiasing Strategien werden separat in jeweils einem Modul unterrichtet. Auf der Webplattform könnte alternativ später noch ein Forum eingerichtet werden, um beispielsweise die soziale Komponente und damit den konstruktivistischen Ansatz zu integrieren. Nachfolgend einige grundlegende Eigenschaften, die für die Module vorgeschlagen werden:  Lehransatz: kognitivistische Wissenskommunikation und Einübung metakogniti- ver Regeln mittels Lernmodul für jeweils eine Debiasing Strategie; Module für Selbststudium auf Website  Aufbau: Entsprechend den algorithmischen Abläufen (Kap. 3.3) wird ein linearer, fremdgesteuerter und deduktiver Aufbau der E-Learning Module empfohlen. In Kapitel 5.2 wird dies erläutert.  Zielgruppe: heterogene Zielgruppe im Alter von 25-50 Jahren, intrinsisch moti- viert, geringes bis mittleres Vorwissen, höheres Bildungsniveau (vgl. Kap. 1.2)  Tonalität & Sprache: attraktive und illustrative Sprache, persönliche Ansprache; einfache, kurze und prägnante Sätze, nachvollziehbare Ordnung (Kap. 4.2.1), extrinsische kognitive Belastung klein halten (Kap. 4.1)  Gesamtziel: Die Lernenden wissen, wie sich die kognitive Verzerrung auswirkt und dass sie auch dieser kognitiven Verzerrung unterliegen. Sie kennen die dazu geeignete Debiasing Strategie und sind motiviert, sie zukünftig einzusetzen. (vgl. Bachelor Thesis Steven Bürgin 40 Irrationalität und online Debiasing Seite 40 Kapitel 3.3 zum algorithmischen Ablauf und Kap. 3.6 zu den Problemen, die er- folgreiches Debiasing behindern) 5.2 Struktur und Inhalte Für die Struktur der E-Learning Module schlägt der Autor vor, sich nach den algo- rithmischen Abläufen, beschrieben in Kapitel 3.3, zu richten. Es gilt dabei, den Ler- nenden aufzuzeigen, wo sie sich im E-Learning Modul befinden, beispielsweise durch die Angabe von Prozentsätzen oder Seitenzahlen, falls das Modul auf mehrere Unterseiten verteilt wird. Daneben soll mit Überschriften signalisiert werden, zu wel- chem Abschnitt des Moduls sie jeweils gelangen und in einer Randspalte die Kernin- halte hervorgehoben werden, damit die extrinsische kognitive Belastung möglichst klein bleibt (vgl. Kap. 4.1 & 4.2.1). Die E-Learning Abschnitte enthalten Fallgeschich- ten oder die Beschreibung kognitiver Verzerrungen und von Debiasing Strategien. Die Inhalte bzw. das Textmaterial dafür kann beispielsweise den in dieser Arbeit zi- tierten Quellen, der (Tages-)Presse oder aus einem auf der Website zu errichtenden Forum entnommen werden. Beim letzteren Fall könnte wiederum den konstruktivisti- schen Lernansatz aufgriffen und das E-Learning Angebot somit insgesamt attraktiver gemacht werden (vgl. Kap. 4). Zwischen den Abschnitten könnten interessante weiterführende Einschübe ver- schiedenster weiterer Fallgeschichten aufgriffen werden (vgl. Kap. 4.2.1). Sie sollten möglichst divers und aus verschiedensten Lebensbereichen sein, um die gesamte Zielgruppe anzusprechen. So kann der bereichsübergreifende Einsatz der Debiasing Strategien (vgl. Kap. 3.6) und die verschiedensten Situationen, in denen die gleiche kognitive Verzerrung auftritt, aufgezeigt werden. So kann zudem die Elaboration und Kompilierung von Schemata begünstigt werden (vgl. Kap. 4.1). Die Einschübe sollten dabei klar als weiterführendes Material gekennzeichnet sein. Die in den vorangegangenen zwei Abschnitten beschriebenen Aspekte verei- nen sich in der weiter unten dargestellten Abbildung 5. Die Abbildung und nachfol- gende Erklärungen veranschaulichen den durch den Autor vorgeschlagenen Aufbau eines E-Learning Moduls und beleuchten zudem gewisse Aspekte noch näher. Bachelor Thesis Steven Bürgin 41 Irrationalität und online Debiasing Seite 41 Abbildung 5: Vorschlag für den Aufbau der E-Learning Module Das Modul beginnt bei Punkt 1 in der Abbildung 5. Der Autor schlägt vor, in diesem ersten Abschnitt die Art der kognitiven Verzerrung(en) zu beschreiben, für die später im Modul eine Debiasing Strategie gelehrt wird. Insbesondere soll in dem Abschnitt auf die Auswirkungen auf menschliches Wohlbefinden oder die Qualität von Ent- scheidungen hingewiesen werden. Des Weiteren soll darin und auch in den Fallge- schichten späterer Abschnitte speziell beschrieben werden, in welchen mannigfalti- gen Situationen die kognitive Verzerrung auftritt, damit sich die Lernenden die dazu- gehörigen situativen Hinweisreize einprägen können (vgl. Kap. 3.2). Der Abschnitt 2a dient vor allen Dingen dazu, den Bias blind Spot (vgl. Kap. 2.3, 3.3 & 3.6) für den o- der die vorher beschriebenen kognitiven Verzerrung bzw. Verzerrungen zu verringern oder zu beseitigen. Dies könnte beispielsweise mit suggestiven Fragen erreicht wer- •kognitive Verzerrung erklären •Auswirkung und situative Hinweisereize vertiefen Einführung •negative Auswirkungen aufzeigen •eigen Betroffenheit verdeutlichen Bias blind Spot •verschiedene Akteure •verschiedene Lebensbereiche weiterführender Einschub •Fallbeispiel •Anwendung erläutern Debiasing Strategie •verschiedene Fallaufgaben •freie TexteingabeÜbungsaufgaben •verschiedene Akteure und Lebensbereiche •decision readiness vertiefen weiterführender Einschub •Kernpunkte nochmals aufgreifen •Lernende beglückwünschen Zusammenfassung 1 2a 2b 3 4a-c 4d 5 Bachelor Thesis Steven Bürgin 42 Irrationalität und online Debiasing Seite 42 den, die darauf abzielen, den Lernenden aufzuzeigen, dass sie auch von den be- schriebenen kognitiven Verzerrungen betroffen sind. Anschliessend soll nochmals verdeutlicht werden, welche (direkten) negativen Konsequenzen dies für die Lernen- den haben kann. Zusätzlich könnte noch erfolgsversprechend sein, an die Lernenden zu appellieren, sich in ihrem Alltag auf Situationen bzw. die Hinweisreize zu achten, wo und wann eine kognitiven Verzerrung auftreten könnte. In Abschnitt 2b sind erst- mals zwei kurze weiterführende Fallgeschichte vorgesehen. Diese sollten wiederum möglichst divers sein, also z. B. Akteure verschiedenen Alters beschreiben und sich mit verschiedenen Lebensbereichen (z. B. Situationen im Arbeitsalltag, im Privaten, im (Aus-)Bildungskontext oder etwa in der Politik) befassen. In Abschnitt 3 wird die Debiasing Strategie anschaulich beschrieben und mit einem Fallbeispiel erklärt. In diesem Fallbeispiel wird zuerst beschrieben, wie das kognitiv verzerrte Resultat aus- sehen könnte und wie es unter Anwendung der Strategie aussehen könnte. Das Fallbeispiel sollte möglichst treffend gewählt sein und kurz gehalten werden, um die kognitive Belastung gering zu halten. In Abschnitt 4a bis 4c wird jeweils eine kurze Situation geschildert, in welcher die Debiasing Strategie angewandt werden soll. Die Lernenden können dazu ihr Vor- gehen und/oder ihre Antworten in ein freies Textfeld schreiben. Währenddessen soll- te lateral auf dem Bildschirm die Debiasing Strategie nochmals in Kürze beschrieben sein, damit die Lernenden sich jederzeit vergewissern können, dass sie die Strategie richtig anwenden. Anschliessend wird eine Musterlösung präsentiert, mit welcher die Lernenden ihre eigene(n) Lösung(en) vergleichen können und hoffentlich ein Glücksgefühl haben. Es soll somit erreicht werden, dass die Debiasing Strategie ver- innerlicht wird und hoffentlich zukünftig zu einem System 1 Denkprozess wird. (vgl. Kap. 2.1.1 & 3.2). Für die Strategien dialectical Bootstrapping, Interval estimates und time unpacking empfiehlt es sich, dass die Lernenden zuerst in ein Textfeld eine ers- te Eingabe machen, also beispielsweise eine erste Schätzung, die Angabe eines 80% Konfidenzintervalls oder die Voraussage eines Wertes weit in der Zukunft. Die Eingaben müssen dann gespeichert werden. Danach werden nochmals neue Anga- ben gemacht, nun unter Verwendung der Debiasing Strategie. So können die neuen Werte mit den gespeicherten verglichen werden, womit die Lernenden erkennen sol- len, inwieweit sich die neuen Schätzungen davon unterscheiden und den Nutzen der Debiasing Strategie erkennen. Für die Debiasing Strategie der Darstellung von Bachelor Thesis Steven Bürgin 43 Irrationalität und online Debiasing Seite 43 Wahrscheinlichkeiten (Training in Representations, Kap. 3.5) wird die Vervollständi- gungsstrategie (vgl. Kap. 4.2.2) empfohlen. Dazu können in verschiedenen Feldern eigene Zahlen eingefüllt und anschliessend angegeben werden, wo die Aufgabe rich- tig gelöst oder wo Fehler gemacht wurden. Zusätzlich kann eine Simulation gleichzei- tig die absoluten Mengen (z. B. Grundgesamtheit und Anzahl in Frage kommende Elemente davon) darstellen und somit das Verständnis erleichtern. In Abschnitt 4d werden nochmals 1-2 Fallgeschichte(n) geschildert, wo beschrieben steht, wie und dass die Debiasing Strategie erfolgreich angewandt wurde und die Hinweisreize nochmals eingebläut werden. Abschnitt 4e enthält eine Fallgeschichte, die sich spe- ziell dem Thema decision readiness widmet (vgl. Kap. 2.2). Dies in der Hoffnung, dass Lernende bei der mehrfachen Verwendung des gleichen oder verschiedener E- Learning Module auch für dieses Thema sensibilisiert werden und sich zukünftig ver- stärkt auf ihre eigene decision readiness achten. In Abschnitt 5 wird schliesslich das gesammelte Wissen zusammengefasst, nochmals auf den Vorteil der Verwendung der Debiasing Strategie verwiesen und den Lernenden zum erfolgreichen Durchlau- fen des E-Learning Moduls beglückwünscht. Bachelor Thesis Steven Bürgin 44 Irrationalität und online Debiasing Seite 44 6 Fazit und Ausblick Wie in dieser Thesis aufgezeigt wurde, besteht Rationalität darin, dass die eigenen Urteile über die Realität diese tatsächlich widerspiegeln, sowie dass man sich so verhält, um bestmöglich und mit grösstmöglicher Wahrscheinlichkeit die eigenen Zie- le erreicht werden können. Doch wird dies mitunter durch kognitive Verzerrungen ver- oder behindert. Heuristiken sind ein Grund dafür, obschon sie häufig ein nützli- ches Werkzeug darstellen um mit wenig Aufwand gute Resultate zu erzielen. System 1 Denken im Allgemeinen, die Denktendenzen des cognitive Misers, ein eingeeng- tes, rein assoziatives Denken und fehlende Mindware sind weitere Entstehungsgrün- de für kognitive Verzerrungen. Für die Behebung solcher kognitiven Verzerrungen hat sich herausgestellt, dass ein reines Informieren über die Beschaffenheit und das Auftreten kognitiver Verzerrungen untauglich ist. Es hilft, die Menschen darin zu trai- nieren, im richtigen Zeitpunkt zu System 2 Denken umzuschalten, wozu sie jedoch zuerst die entsprechenden situativen Hinweisreize lernen müssen. Zudem können System 2 Denkprozesse soweit verinnerlicht werden, dass sie System 1 Denken in- härent werden, was bei Experten der Fall ist. Es braucht im Weiteren die Motivation und das Wissen um die kognitiven Verzerrungen und nicht zuletzt müssen sich die Menschen auch bewusst sein, dass sie selbst von kognitiven Verzerrungen betroffen sind (Bias blind Spot). In einem algorithmischen Ablauf können somit die Menschen eine kognitive Verzerrung verhindern. Das in dieser Thesis skizzierte E-Learning Grobkonzept vereint diese Aspekte und beschreibt einen linearen Ablauf eines mög- lichen E-Learning Moduls. Die bei den Modulen aufgegriffenen Debiasing Strategien bestehen aus einfachen metakognitiven Regeln, die Lernende einfach anwenden können und sich daher gut in System 1 Denken verinnerlichen lassen. Die Fragestellung lässt sich somit insgesamt beantworten und es sollte möglich sein, mittels E-Learning Menschen zu befähigen, rationaler zu denken. Für die E- Learning Module gilt es zu beachten, dass die irrelevante kognitive Belastung der Lernenden klein gehalten wird. Dazu gehört auch die Verwendung einer einfachen und prägnanten Sprache, die gut gegliedert ist. Die Kernaussagen der Lerninhalte müssen hervorgehoben werden, um das Lernen zu unterstützen. Daneben müssen die Lerninhalte derart gestaltet sein, dass sie die Elaboration, Induktion und Kompi- lierung von Schemata begünstigen. Bachelor Thesis Steven Bürgin 45 Irrationalität und online Debiasing Seite 45 Nebst den metakognitiven Regeln hilft auch das Wissen (Mindware) zu The- men, die bereits in der Ausbildung und ebenso auf Massive Open Online Course Plattformen gelehrt werden. Es ist dies inbesondere Wissen im Bereich der Statistik, der Ökonomie, der Logik und zu wissenschaftlicher Methodik und wissenschaftlichem Denken. Daneben verhelfen technologische Strategien und deren quantitative Vorhersage- und Entscheidungsmodelle zu besseren Ergebnissen. Dies bringt einen Ansatz mit sich, der zukünftig wissenschaftlich aufgegriffen werden soll. So sollten von den genannten Themen einfache metakognitive Regeln abgeleitet und untersucht werden, die sich Lernende einfach aneignen können, um rationaler zu denken. Ebenso gilt es dabei verstärkt auf inter- und intraindividuelle Unterschiede und übergeordnete Aspekte einzugehen, die Aneignung und Tauglichkeit solcher Strategien beeinflussen und moderieren. Bei allen Debiasing Bemühungen ist ein integraler Bestandteil, den Menschen aufzuzeigen, was kognitive Verzerrungen für negative Konsequenzen haben können und dass es sich lohnt, sich entsprechende Debiasing Strategien anzueignen. Als wahrscheinlich grösstes Hindernis gilt es den Bias blind Spot der Betroffenen zu überwinden. Es ergibt sich ein grosses wissenschaftliches Potential bei der Frage, wie man den Bias blind Spot bekämpfen kann, damit könnte auch der klassiche Ansatz wiederum an Bedeutung und Wirksamkeit gewinnen. Die Forschung im Themenbereich des Debiasings birgt folglich noch grosses Entwicklungspotenzial. Es lohnt sich weitere Bemühungen in diesem Bereich zu täti- gen und erste Erfahrungen mit Rationalitätskursen, sei dies online oder auf klassi- sche Weise, zu sammeln. Daraus können neue wertvolle Erkenntnisse gewonnen werden, denn, um es mit den Worten von Lilienfeld et al. (2009) zu formulieren, „[...]Debiasing people against errors in thinking could be among psychology’s most enduring legacies to the promotion of human welfare“ (S. 390). Bachelor Thesis Steven Bürgin 46 Irrationalität und online Debiasing Seite 46 7 Literaturverzeichnis Al-Shorbaji, N., Atun, R., Car, J., Majeed, A. & Wheeler, E. (2015). eLearning for un- dergraduate health professional education: A systematic review informing a radical transformation of health workforce development. Genf: WHO Press. Arkes, H. R. (1991). Costs and benefits of judgment errors: Implications for debi- asing. Psychological Bulletin, 110(3), 486-498. Arnold, P. (2004). Einsatz digitaler Medien in der Hochschullehre aus lerntheoretischer Sicht. Verfügbar unter http://www.e- teaching.org/didaktik/theorie/lerntheorie/arnold.pdf [10.05.2015]. Baddeley, A. (1992). Working memory. 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Bachelor Thesis Steven Bürgin 52 Irrationalität und online Debiasing Seite 52 8 Abbildungsverzeichnis Titelbild: Von Dvorsky, G. (2013). The 12 cognitive biases that prevent you from being rational. Abgerufen von http://io9.com/5974468/the-most-common-cognitive- biases-that-prevent-you-from-being-rational [01.06.2015] Abbildung 1: Ursachen kognitiver Verzerrungen im Überblick .................................... 9 Abbildung 2: Algorithmischer Ablauf erfolgreichen Debiasings (nach Wilson & Brekke, 1994) ........................................................................................................................ 16 Abbildung 3: Algorithmischer Ablauf erfolgreichen Debiasings (nach Stanovich & West, 2008) .............................................................................................................. 18 Abbildung 4: Arbeitsgedächtnismodell nach Baddeley (1992) .................................. 32 Abbildung 5: Vorschlag für den Aufbau der E-Learning Module ............................... 41 9 Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Charakteristika und Unterschiede von System 1 und System 2 Denken (nach Kahneman, 2011) ............................................................................................. 4 Tabelle 2: Klassifikation individueller Debiasing-Methoden nach Larrick (2004) und Soll et al. (Im Druck) ................................................................................................. 19