Einsatz von Telepräsenzrobotern für ärztliche Konsultationen BACHELOR-ARBEIT 2019 Autorin Jungo Valérie betreuende Person Dr. phil. Hofer Franziska Praxispartner Berner Fachhochschule / Institut für Medizininformatik Prof. Dr. sc.nat. Lueg Christopher Einsatz von Telepräsenzrobotern für ärztliche Konsultationen Autorin Valérie Jungo Betreuende Person Brainability GmbH Dr. phil. Franziska Hofer franziska.hofer@brainability.ch Praxispartner Berner Fachhochschule Institut für Medizininformatik Prof. Dr. sc.nat Christopher Lueg christopher.lueg@bfh.ch Port, Juni 2019 II Ehrenwörtliche Erklärung Ich versichere, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne Benutzung anderer als der im Literaturverzeichnis angegebenen Quellen und Hilfsmittel angefertigt habe. Wörtlich oder sinn- gemäss übernommenes Gedankengut habe ich als solches kenntlich gemacht. Port, 5. Juni 2019 III Abstract Durch den demografischen Wandel und den zunehmenden ökonomischen Druck auf das Gesund- heitswesen gewinnen digitale Lösungen immer stärker an Bedeutung. Der Telepräsenzroboter ist ein mobiler Roboter, welcher von einer Person ferngesteuert wird. Er dient als Kommunikationsmit- tel, womit telemedizinische Dienstleistungen wie Beratungen oder Konsultationen trotz örtlicher Dis- tanz geleistet werden können. Es soll untersucht werden, wie Altersheimbewohnende und ärztliche Fachpersonen eine Konsultation über einen Telepräsenzroboter empfinden und beurteilen. Die sub- jektive Sichtweise wird anhand von Interviews erhoben und mittels einer qualitativen Inhaltsanalyse ausgewertet. Das Telepräsenzgespräch wurde zusammenfassend als zufriedenstellend und positiv empfunden. Besonders die Bildqualität stellte sich als zentral für eine erfolgreiche Gesprächsführung heraus. Die Interaktion fühlte sich natürlich an, kann jedoch nicht mit einem Face-to-Face-Gespräch gleichgesetzt werden. Dennoch wird die Technologie für gewisse Bereiche als ein geeignetes Hilfs- mittel angesehen, um beispielsweise zeitliche Ressourcen einsparen zu können. (107'580 Zeichen inkl. Leerzeichen und aller Bestandteile des Berichts / exklusive Anhang) IV Inhaltsverzeichnis Ehrenwörtliche Erklärung ............................................................................................................... III Abstract ......................................................................................................................................... IV Inhaltsverzeichnis ........................................................................................................................... V 1 Einleitung ............................................................................................................................... 1 1.1 Praxispartner und Fragestellungen................................................................................ 1 1.2 Abgrenzungen ............................................................................................................... 3 1.3 Aufbau der Arbeit .......................................................................................................... 3 2 Begriffsbestimmungen ............................................................................................................ 4 2.1 Medium ......................................................................................................................... 4 2.2 Telepräsenz .................................................................................................................. 4 2.3 Telepräsenzroboter ....................................................................................................... 5 2.4 Interaktion ..................................................................................................................... 6 2.5 Face-to-Face versus Computervermittelte Kommunikation ........................................... 6 3 Theoretischer Hintergrund ...................................................................................................... 7 3.1 Robotik im Gesundheitswesen ...................................................................................... 7 3.2 Telemedizin und Telepräsenzroboter ............................................................................ 8 3.3 Kommunikation ............................................................................................................. 9 3.3.1 Das Sender-Empfänger-Modell ....................................................................... 10 3.3.2 Patientenorientierte Kommunikation ................................................................ 11 3.3.3 Computervermittelte Kommunikation ............................................................... 12 3.3.4 Soziale Präsenz in der Telekommunikation ..................................................... 13 4 Methodisches Vorgehen ....................................................................................................... 14 4.1 Untersuchungsdesign.................................................................................................. 14 4.1.1 Ablauf .............................................................................................................. 14 4.1.2 Der «Beam» .................................................................................................... 16 V 4.1.3 Ethische Bewilligung ....................................................................................... 19 4.1.4 Risikoanalyse .................................................................................................. 20 4.2 Sampling ..................................................................................................................... 20 4.3 Entwicklung Interviewleitfaden .................................................................................... 21 4.4 Pretest ........................................................................................................................ 23 4.5 Durchführung .............................................................................................................. 24 4.5.1 Kennenlernen .................................................................................................. 24 4.5.2 Briefing ärztliche Fachperson .......................................................................... 24 4.5.3 Telepräsenzgespräch ...................................................................................... 24 4.5.4 Interview .......................................................................................................... 25 4.6 Auswertung ................................................................................................................. 25 4.6.1 Transkription ................................................................................................... 25 4.6.2 Qualitative Inhaltsanalyse ................................................................................ 25 5 Ergebnisse ........................................................................................................................... 27 5.1 Technische Qualität .................................................................................................... 27 5.2 Kommunikation ........................................................................................................... 29 5.3 Präsenzempfinden ...................................................................................................... 30 5.4 Befinden und Zufriedenheit ......................................................................................... 31 5.5 Eignung Einsatz Telepräsenzroboter ........................................................................... 32 5.6 Grenzen ...................................................................................................................... 33 5.7 Vergleich Telepräsenzroboter mit anderen Kommunikationsmitteln ............................ 34 5.8 Einstellung und weiterer Gebrauch.............................................................................. 34 6 Diskussion ............................................................................................................................ 36 6.1 Chancen und Herausforderungen für die Praxis .......................................................... 39 6.1.1 Handlungsvorschläge ...................................................................................... 41 6.2 Limitation und weiterführende Fragestellungen ........................................................... 41 VI 6.3 Ausblick....................................................................................................................... 42 Literaturverzeichnis ....................................................................................................................... 44 Abbildungsverzeichnis ................................................................................................................... 48 Tabellenverzeichnis ....................................................................................................................... 49 Anhang .......................................................................................................................................... 50 VII 1 Einleitung Die Digitalisierung gewinnt im Gesundheitswesen zunehmend an Bedeutung, da die Nutzung von und die Nachfrage nach digitalen Angeboten stetig steigt. Der Internetzugang und der Besitz von Smartphones sind zur Selbstverständlichkeit geworden, wodurch auf dem Markt zunehmend neue Gesundheits-Apps lanciert werden. Auch die Ärzte und Ärztinnen sind gegenüber digitalen Lösun- gen vermehrt positiv eingestellt und verfügen über eigene Praxiswebseiten, Online-Terminbu- chungssysteme und elektronische Patientendossiers. Ebenso zeigt die steigende Anzahl von tele- medizinischen Anbietern, dass neue Kommunikationsformen immer häufiger eingesetzt werden (Fo- ederatio Medicorum Helveticorum, 2019). In der Telemedizin findet der Kontakt zwischen den me- dizinischen Fachkräften und den Patienten und Patientinnen über die Telekommunikation statt. Die Telemedizin ermöglicht es, unabhängig von örtlicher Distanz Patientengespräche durchzuführen (Dockweiler, 2016). Mit den neuen Medien können auch Videokonsultationen durchgeführt werden, was eine neue Dimension von Arzt-Patienten-Kommunikation mit sich bringt. Eine erweiterte Form der Videotelefonie stellt der Einsatz von Telepräsenzrobotern dar. Ein Telepräsenzroboter ist ein mit Kamera und Mikrofon ausgestatteter mobiler Roboter, der von einer Person ferngesteuert wird. Die Videotechnik ermöglicht es, trotz örtlicher Distanz am Ort des Geschehens anwesend zu sein und ein persönliches Gespräch zu führen (Becker et al, 2013). Der Begriff «Telepräsenz» ist dabei zent- ral und beschreibt das Gefühl der Anwesenheit an einem entfernten Ort (Hogrefe, 2019). Solche technischen Weiterentwicklungen und das Umdenken der Gesellschaft sind auch notwendig, denn durch den demografischen Wandel, die stetig steigenden Gesundheitskosten sowie den Pfle- gepersonalmangel nimmt der ökonomische Druck auf das Gesundheitswesen zu (Becker et al., 2013). Gemäss dem Bundesamt für Statistik wird bereits in 15 Jahren ein Viertel der Schweizer Bevölkerung 65-jährig oder älter sein (Bundesamt für Statistik, 2015). Innovative Technologien und neue Kommunikationsformen sind dadurch gefordert, denn besonders in der Pflegebranche ist noch ein grosses Digitalisierungspotenzial vorhanden (Boll et al., 2018). 1.1 Praxispartner und Fragestellungen Das Institute for Medical Informatics (I4MI) der Berner Fachhochschule ist das schweizweit erste Institut, welches die zwei Disziplinen Informatik und Medizin verbindet und innovative Forschung rund um die digitale Transformation im Gesundheitswesen betreibt. Für Forschungs- und Ausbil- dungszwecke wurde das «Living-Lab» aufgebaut. Das Living-Lab ist eine Laborlandschaft, in der 1 die wichtigsten Komponenten des Gesundheitswesens nachgebaut wurden, um Informatikanwen- dungen analysieren zu können. Das Labor enthält unter anderem eine realitätsnahe Intensivstation, einen Operationssaal, eine Arztpraxis, eine Physiotherapiepraxis, eine Apotheke und eine 2-Zim- mer-Wohnung, in der das fiktive Ehepaar Herr und Frau Brönnimann lebt. Die Wohnung ist mit Sen- soren und Informatiksystemen ausgestattet, damit relevante Anwendungsszenarien im häuslichen Umfeld getestet werden können. Das pensionierte Ehepaar Brönnimann ist eine konstruierte Per- sona, die dazu dient, bei der Entwicklung von Technologien und Applikationen stets die Nutzerbe- dürfnisse einer bestimmten Zielgruppe im Fokus zu haben (Berner Fachhochschule, 2019). Ende 2018 ist ein neuer Telepräsenzroboter in die Brönnimann-Wohnung eingezogen. Der Telepräsenz- roboter soll als Kommunikationsmedium Herr und Frau Brönnimann dabei unterstützen, mit ärztli- chen Fachpersonen und Familienangehörigen schnell, unkompliziert und realitätsnah in Kontakt zu treten. Da die Arzt-Patienten-Kommunikation fundamental für eine erfolgreiche Behandlung ist (Schweize- rische Akademie der Medizinischen Wissenschaften, 2013) und das I4MI bei der Konzeption von technologischen Anwendungen generell einen menschenzentrierten Ansatz verfolgt, rückte beson- ders das Interesse in den Vordergrund, wie die Kommunikation über einen Telepräsenzroboter emp- funden wird. Diese Erkenntnisse können bei der Entwicklung und Einführung von neuen Technolo- gien wertvoll sein, denn wenn eine neue Technologie nachhaltig und langfristig in der Praxis imple- mentiert werden soll, ist die Berücksichtigung der Nutzersicht unumgänglich (Dockweiler, 2016). Um die Empfindungen und Bewertungen der Nutzenden untersuchen zu können, wurde folgende Haupt- fragestellung definiert: Wie empfinden und beurteilen die Nutzenden die Interaktion über den Telepräsenzroboter? Das Ziel dieser Fragestellung ist es, die subjektive Sichtweise der Nutzenden in Erfahrung zu brin- gen. Aufgrund der Entwicklung der Altersstruktur in der Schweizer Bevölkerung wurde entschieden, dass die Untersuchung mit Bewohnern und Bewohnerinnen eines Altersheims und deren ärztlichen Betreuungspersonen durchgeführt werden soll. Es soll eine ärztliche Konsultation nachgestellt wer- den, wobei beide Nutzersichtweisen erfasst werden. Der Fokus liegt dabei klar auf der Gesprächs- führung; das Erfassen von gesundheitlichen Daten wird unterlassen. Um mögliche Chancen und Herausforderungen für die praktische Anwendung zu erkennen, wurde zusätzlich folgende Unterfra- gestellung bestimmt: Welche Herausforderungen und Chancen sind mit der Gesprächsführung via Telepräsenzroboter verbunden? 2 1.2 Abgrenzungen Der Fokus der Bachelor-Arbeit liegt auf der Interaktion zwischen dem Bewohner bzw. der Bewoh- nerin und der nicht physisch anwesenden ärztlichen Fachperson. Die Arbeit untersucht nicht, wie die Interaktion mit weiteren Akteuren, wie beispielsweise dem Pflegepersonal oder Familienange- hörigen, empfunden wird. Es wird ebenso wenig untersucht, ob der Telepräsenzroboter weitere so- ziale Kontakte im privaten Kontext ersetzen könnte. Auch der Faktor der Technologieakzeptanz ist nicht Bestandteil der Untersuchung. Im Weiteren grenzt sich die Arbeit von umfänglichen Usability- Evaluationen ab. 1.3 Aufbau der Arbeit Im folgenden zweiten Kapitel werden für die Arbeit relevante Begriffe erläutert und definiert. Im drit- ten Kapitel wird der theoretische Hintergrund für die möglichen Einsatzgebiete der Robotik näher ausgeführt. Da der Fokus auf die Gesprächsführung gelegt wird, werden zudem die zentralen psy- chologischen Kommunikationsmodelle beschrieben, die einerseits die Grundlage für die Entwicklung des Erhebungsinstrumentes bilden und andererseits später für die Analyse der Ergebnisse beige- zogen werden. Im methodischen Teil wird zuerst das Untersuchungsdesign beschrieben, anschlies- send wird das Vorgehen umfassend dokumentiert. In Kapitel fünf werden die Ergebnisse aus der Erhebung dargelegt, bevor sie in Kapitel sechs vor dem Hintergrund der erläuterten Theorien disku- tiert werden. Als letzter Punkt werden die Limitationen der Bachelor-Arbeit angesprochen und es wird mit einem Ausblick abgeschlossen. 3 2 Begriffsbestimmungen In diesem Kapitel werden bedeutsame Begriffe für die vorliegende Bachelorarbeit definiert. 2.1 Medium Der Begriff Medium oder Medien stammt aus dem Lateinischen und bedeutet ‹vermitteln› oder ‹sich in der Mitte befinden›. In der Kommunikationswissenschaft wird ein Medium als ein Kanal bezeich- net, welcher Informationen und Signale von einem Sender zu einem Empfänger übermittelt (Faul- stich, 1991). Gemäss dem Medienmodell von Pross (1976) lassen sich Medien anhand verschiede- ner Typologien unterscheiden. Bei den primären Medien werden keine technischen Geräte oder sonstigen Hilfsmittel für die Kommunikation verwendet. Für die Übertragung wird lediglich die ge- sprochene Sprache, die Körpersprache oder die Mimik eingesetzt. Bei den sekundären Medien muss der Sender bzw. die Senderin für die Übermittlung von Botschaften über Hilfsmittel verfügen, nicht jedoch der Empfänger bzw. die Empfängerin. Bücher oder Zeitungen beispielsweise müssen durch den Sender produziert werden und können vom Empfänger ohne Hilfsmittel gelesen werden. Bei den tertiären Medien benötigen sowohl der Sender als auch der Empfänger ein Hilfsmittel, damit Informationen übermittelt werden können. Ein Beispiel hierfür ist das Telefon oder das Fernsehen. Das Modell von Pross (1976) wurde nachträglich durch die quartären Medien ergänzt, wozu neue Medien gehören, die in der Lage sind, bisherige Medien zu digitalisieren (Faulstich, 2004). 2.2 Telepräsenz Der Begriff Telepräsenz wird besonders im Bereich der Robotik verwendet (Rouse, 2011) und be- schreibt ein menschliches Präsenzgefühl, das durch Medien oder Technologien erzeugt wird. Der Nutzer oder die Nutzerin fühlt sich trotz einer örtlichen Distanz an einem anderen Ort präsent und das Erlebte wird dabei als nicht medienvermittelt wahrgenommen (Hogrefe, 2019). Der Ausdruck «Telepräsenz» wurde das erste Mal vom Wissenschaftler Marvin Minksy im Jahr 1980 verwendet. Minsky leistete im Bereich der künstlichen Intelligenz Pionierarbeit und seine Vision war es, durch ferngesteuerte Roboterarme technische Arbeiten in Raumstationen praktizieren zu können. Er defi- niert Telepräsenz als die Empfindung, durch teleoperierende Technologien an einem fernen Ort prä- sent zu sein. Teleoperation bedeutet, dass eine Arbeitstätigkeit aus der Distanz durch ein techni- sches Gerät verrichtet wird. Auch Sheridan (1992) benutzt den Begriff der Telepräsenz, um den Grad der erlebten Präsenz von ferngesteuerten Arbeitsabläufen in virtuellen Räumen zu beschrei- ben. Bei einer hohen Telepräsenz verliert der Mensch das Bewusstsein für seinen physischen Standort und hat das Gefühl, in der virtuellen Welt präsent zu sein. Gemäss Sheridan beeinflussen 4 folgende drei Determinanten das Präsenzempfinden: die Reichhaltigkeit von sensorischen Informa- tionen, die Anpassungsfähigkeit des Systems, wenn sich der Operator bewegt, und die Möglichkeit, die entfernte Umgebung anzupassen und Veränderungen vorzunehmen (Sheridan, 1992). 2.3 Telepräsenzroboter Ein Telepräsenzroboter ist ein mobiler Roboter, welcher mit Kamera und Mikrofon ausgestattet ist und von einer Person ferngesteuert wird (siehe Abbildung 1). Die Verbindung wird über das Internet hergestellt, wodurch der Roboter von überall aus gesteuert werden kann (Becker et al., 2013). Der Telepräsenzroboter ist somit ein Medium, welches eine Interaktion zwischen Menschen herstellt. Er kann sich ohne die Steuerung durch einen Menschen weder autonom fortbewegen noch eine soziale Interaktion eingehen (Becker, 2018). Abbildung 1: Telepräsenzroboter (Beam, 2019) 5 2.4 Interaktion Die Interaktion bezeichnet die Wechselwirkung oder das Zusammenspiel von zwei oder mehreren Personen. Bei der Mensch-Maschine kommuniziert der Mensch mit einer Maschine oder einer Tech- nik (Auhagen, 2019). In der vorliegenden Bachelor-Arbeit meint die Interaktion den Austausch oder die Gesprächsführung zwischen den ärztlichen Fachpersonen und den Bewohnern oder Bewohne- rinnen. 2.5 Face-to-Face versus Computervermittelte Kommunikation Die Face-to-Face-Kommunikation ist die direkte interpersonale Kommunikation zwischen zwei oder mehreren Menschen, welche ohne jeglichen Einsatz von Medien auskommt (Trepte & Reinecke, 2013). Die Computervermittelte Kommunikation (CvK) hingegen umfasst die Kommunikation, wel- che zwischen zwei oder mehreren Personen über den Computer oder andere digitale Endgeräte erfolgt (Kimpeler & Schweiger, 2007). 6 3 Theoretischer Hintergrund In diesem Kapitel sollen die wichtigsten Erkenntnisse aus der Literatur dargelegt werden, damit eine theoretische Grundlage für die weiteren Schritte wie die Entwicklung des Erhebungsinstrumentes oder die Analyse der subjektiven Gesprächsempfindungen geschaffen wird. Dazu werden zuerst die in der Schweiz aktuell eingesetzten Robotertypen vorgestellt und danach die zentralen Kommunika- tionsmodelle erläutert. 3.1 Robotik im Gesundheitswesen Die Nutzung von Robotik und künstlicher Intelligenz sind heutzutage in fast jedem Berufsfeld vorzu- finden. Industrieroboter nehmen dem Menschen seit Jahrzehnten gefährliche Arbeiten oder Kon- trollaufgaben ab und automatisieren komplette Arbeitsprozesse. Was in der Industrie bereits ein fester Bestandteil ist, gewinnt in der Medizin immer mehr an Bedeutung (Becker et al., 2013). Dieser Wandel betrifft nicht nur den Einsatz von Robotik in der Medizinforschung oder bei Operationen, sondern auch im Bereich der Pflege und Betreuung von Menschen (Brooks, 2019). Das Gesund- heitswesen ist mit verschiedenen Herausforderungen konfrontiert, u. a. steigenden Gesundheitskos- ten, einem Fachkräftemangel und einer demografischen Entwicklung, für die eine zunehmende An- zahl von pflegebedürftigen Menschen prognostiziert wird. So sollen Roboter den Bedarf an Betreu- ungs- und Pflegekräften reduzieren und Unterstützungsarbeiten leisten (Becker et al., 2013). Im Bereich der Patientenpflege konnten drei Robotertypen identifiziert werden, welche in der Praxis bereits eingesetzt werden: Trainingsgeräte und Hilfsmittel: Die Trainingsgeräte und Hilfsmittel sollen den Menschen dabei unterstützen, bestimmte Handlungen und Bewegungen zu trainieren und auszuführen (Becker et al., 2013). Diese Art von Robotik wird insbesondere in der Rehabilitation, Physiotherapie oder Er- gotherapie eingesetzt und richtet sich an Menschen, welche eine körperliche Behinderung oder Einschränkungen haben. Die Trainingsgeräte reagieren zwar auf die Bewegung des Patienten o- der Patientin, jedoch findet dabei keine soziale Interaktion statt. Technische Hilfsmittel sollen grundsätzlich alltägliche Aktivitäten kompensieren, welche ein Mensch mit körperlichen Einschrän- kungen nicht mehr eigenständig durchführen kann. Dazu gehören beispielsweise Prothesen, die auf Bewegungen reagieren, oder Techniken, die einem gelähmten Patienten beim Essen und Zäh- neputzen helfen (Becker, 2018). 7 Telepräsenzrobotik und Assistenzgeräte: Diese Technologien werden eingesetzt, um die physi- sche Anwesenheit einer medizinischen Fachperson nicht erforderlich zu machen oder diese im Ar- beitsprozess zu entlasten. Die Telepräsenzroboter fungieren dabei als Medium zwischen den Inter- aktionspartnern und haben somit einen direkten Einfluss auf die soziale Interaktion von Menschen. Im Gesundheitsbereich sind es vor allem Fachpersonen wie Ärzte oder Ärztinnen und das Pflege- personal, die den Telepräsenzroboter nutzen. Die Assistenzgeräte unterstützen bei gewissen Handlungen in der Therapie oder in der Pflege. Ein Assistenzroboter kann beispielsweise Speisen durch Spitalgänge transportieren, bei der Medikamentensortierung mithelfen oder Patienten und Patientinnen an die Medikamenteneinnahme erinnern (Becker, 2018). Sozial-interaktive Robotik: Bei dieser Art von Robotik steht der soziale Aspekt im Vordergrund. Ein sozial-interaktiver Roboter kann als Gefährte für den Menschen angesehen werden. Er soll mit den Menschen kommunizieren, deren Gefühle erkennen und demensprechend reagieren. Sozial- interaktive Roboter sollen demnach eine menschenähnliche soziale Intelligenz aufweisen, die Empfindungen wahrnehmen und ausdrücken kann. Solche Roboter können entweder eine menschliche Gestalt haben oder in Tierform erscheinen. Diese Art von Roboter wird besonders für ältere Menschen, demente Patienten oder Kinder mit Autismus eingesetzt (Becker, 2018). 3.2 Telemedizin und Telepräsenzroboter Die Telemedizin, die mittlerweile ein etablierter Bestandteil im Gesundheitswesen ist, beinhaltet die Erbringung von medizinischen Leistungen wie Therapie, Diagnosen oder Beratung über die Tele- kommunikation und somit unter Überwindung von örtlicher Entfernung (Dockweiler, 2016). Die Nut- zung von telemedizinischen Dienstleistungen nimmt stetig zu. In der Schweiz sind 13 % der Bevöl- kerung in einem Telemedizinischen Krankenkassenmodell versichert und beziehen telemedizinische Leistungen. Allein Medgate, der grösste telemedizinische Anbieter in der Schweiz, führt täglich bis zu 5000 medizinische Beratungsgespräche durch (Welti, 2018). Der Telepräsenzroboter ist grund- sätzlich in verschiedenen Anwendungsfeldern einsetzbar, doch im medizinischen Kontext kann er als ein Teil der Telemedizin angesehen und als Erweiterung der medizinischen Telekommunikation bewertet werden. Mit dem Einsatz von Telepräsenzrobotern wird das Ziel verfolgt, die zeitlichen und finanziellen Res- sourcen in Altersheimen und Spitälern besser zu nutzen. Die Interaktion zwischen medizinischen Fachpersonen und deren Patienten und Patientinnen soll dadurch logistisch effizienter erfolgen und den persönlichen Austausch fördern (Bleses, Ziegler, Füller & Beer, 2017). Während der Einsatz 8 von autonomen Pflegerobotern aus ethischer Sicht und aufgrund der zum Teil fehlenden techni- schen Nutzbarkeit noch nicht möglich ist, wird der Telepräsenzroboter als Unterstützung bereits ein- gesetzt und als reelle Möglichkeit für die häusliche Pflege diskutiert. Der Telepräsenzroboter ermög- licht den medizinischen Fachkräften, gewisse Aufgaben zu übernehmen, ohne dabei physisch an- wesend sein zu müssen. So können in einem Spital externe Ärzte und Ärztinnen oder ausländische Spezialisten und Spezialistinnen bei Untersuchungen hinzugezogen werden. Durch den Wegfall der Reisezeit verfügen die medizinischen Fachkräfte über mehr Zeit, um direkt in einen persönlichen Kontakt mit den Patienten und Patientinnen zu treten, so dass dem Mangel an Fachkräften entge- gengewirkt werden kann (Becker, 2018). Bereits eine Studie aus den 90er-Jahren konnte zeigen, dass Pflegekräfte mit Hilfe der Videotelefonie achtmal so viele Routinekonsultationen pro Tag durch- führen konnten wie bei Hausbesuchen. Durch diese effiziente Arbeitsweise können die Gesund- heitskosten stark gesenkt werden (Rooney, Studenski & Roman, 1997). Der Telepräsenzroboter kann aber auch von den Patienten oder Patientinnen genutzt werden, indem er besonders ältere und nicht mehr mobile Menschen in ländlichen Regionen dabei unterstützt, regelmässig mit dem Arzt oder der Ärztin in Kontakt zu treten oder die Kommunikation mit Verwandten aufrechtzuerhalten (Becker, 2018). Virtuelle Betreuungsangebote werden immer wichtiger, damit die örtliche Distanz zwischen ärztlichen Fachpersonen und Patienten und Patientinnen überwunden werden kann (Ble- ses et al., 2017). Ebenso können hospitalisierte Kinder durch den Telepräsenzroboter am Unterricht teilnehmen und zugleich mit ihren Klassenkameraden und -kameradinnen in Kontakt sein (Sauren- mann & Casada, 2017). 3.3 Kommunikation Zunächst wird für das allgemeine Verständnis der menschlichen Kommunikation das weitverbreitete Sender-Empfänger-Modell von Shannon und Weaver (1949) erläutert. Danach wird das Konzept der klientenzentrierten Gesprächsführung von Carl Rogers (1983) vorgestellt, welches die zentralen Ei- genschaften für eine beziehungsförderliche und patientenorientierte Kommunikation beschreibt. An- schliessend wird der Fokus auf die Computervermittelte Kommunikation gelegt. Es werden die wich- tigsten Erkenntnisse der computervermittelten Kommunikationsmodelle zusammengefasst, bevor abschliessend die Theorie der Sozialen Präsenz in der Telekommunikation nach Short, Williams und Christie (1976) thematisiert wird. 9 3.3.1 Das Sender-Empfänger-Modell Das Sender-Empfänger-Modell, auch Encoder-Decoder-Modell genannt, thematisiert die Übertra- gung von Botschaften und beschreibt den Prozess, wie eine Botschaft von einer sendenden zu einer empfangenden Person gelangt. Das Kommunikationsmodell wurde vom Mathematiker Shannon und dem Telekommunikationsspezialisten Weaver (1949) entwickelt. In ihrem Werk The mathematical theory of communication beschreiben sie, wie die Kommunikation mittels technischer Übertragung optimiert werden kann. Das ursprünglich technische Modell wird in der Kommunikationspsychologie als Klassiker angesehen. Nach dem Modell durchläuft jede Kommunikation folgenden Prozess: Eine sendende Person möchte gewisse Informationen mitteilen; durch die Sprache, Körpergestik oder Schrift wird die Information kodiert; ein Kanal transportiert die Botschaft an eine empfangende Per- son, welche die Botschaft nun dekodieren muss. Wenn die empfangende Person die Information interpretiert hat, kann sie reagieren und wird somit ihrerseits zur sendenden Person. Das Modell lässt sich auf Face-to-Face-Situationen wie auch auf die Kommunikation mithilfe von technischen Medien übertragen. In Face-to-Face-Situationen stellt der Kanal die Luft dar, welche die Signale überträgt, in einem Telefongespräch ist der Kanal das Telefon. Der Kommunikationsprozess (siehe Abbildung 2) kann durch Störungen beeinträchtigt werden, wie beispielsweise ein Rauschen in der Telefonleitung, Hintergrundgeräusche oder eine undeutliche Aussprache bei Face-to-Face-Situatio- nen oder verzerrte Bilder bei Videokonferenzen. Für eine erfolgreiche Nachrichtenübermittlung muss der Transport störungsfrei funktionieren können, damit auch eine Feedback-Reaktion erfolgen kann. Probleme können zudem auftreten, wenn Fehler beim Kodieren oder Dekodieren einer Botschaft entstehen, z. B., wenn eine unterschiedliche Sprache gesprochen wird oder die Botschaft Mehrdeu- tigkeiten enthält und die Botschaft dadurch durch den Empfänger falsch interpretiert wird (Shannon & Weaver, 1949). Abbildung 2: Eigene dargestellte Form des Sender-Empfänger-Modells nach Shannon und Weaver (1949) 10 3.3.2 Patientenorientierte Kommunikation Eine gelingende Kommunikation ist eine elementare Voraussetzung für den Aufbau einer vertrau- ensvolle Arzt-Patienten-Beziehung (Simmenroth-Nayda & Lohnstein, 2012). Jede Kommunikation beinhaltet einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt, wobei der Beziehungsaspekt der dominie- rende Aspekt ist, da er sowohl verbale als auch nonverbale Botschaften beinhaltet und darüber Aus- kunft gibt, wie die Gesprächspartner und -partnerinnen zueinander stehen. Der Inhaltsaspekt um- fasst reine Sachinformationen. Die Beziehung zwischen den Gesprächspartnern und -partnerinnen bestimmt, wie die Sachinformationen aufgefasst und interpretiert werden (Watzlawick, 1969). Die Grundeinstellung und das kommunikative Verhalten des Arztes oder der Ärztin ist dabei ein wichtiger Einflussfaktor für eine positive Beziehungsebene. Das Konzept der klientenzentrierten Gesprächs- führung von Carl Rogers (1983) beschreibt drei wichtige Eigenschaften, die die zwischenmenschli- che Beziehung und das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt oder Ärztin und Patient oder Patientin positiv fördern. Carl Rogers war ein amerikanischer Psychotherapeut und hat aus seinen Praxiser- fahrungen, welche er aus den Therapien gewinnen konnte, das Konzept der klientenzentrierten Ge- sprächsführung entwickelt. Wie der Ausdruck veranschaulicht, steht bei diesem Konzept der Patient oder die Patientin im Zentrum. Das Konzept formuliert folgende drei Eigenschaften für eine erfolg- reiche Gesprächsführung: Empathie: Rogers (1983) beschreibt die Empathie als eine zentrale Fähigkeit für eine erfolgreiche patientenzentrierte Gesprächsführung. Damit ist gemeint, dass der Gesprächsführende zu verste- hen versucht, wieso sein Gegenüber so handelt, wie er handelt und was er dabei empfindet, ohne seine Werte und Motive zu bewerten. Es geht darum, das innere Bezugssystem des Gegenübers zu übernehmen und dem Gesprächspartner rückmelden zu können, dass er verstanden wird und seine Sicht der Dinge nachvollziehbar ist. Der Gesprächspartner fühlt sich dadurch sicher, was eine Basis für eine erfolgreiche vertrauensvolle Gesprächsführung schafft. Wertschätzung: Menschen soll in einem Gespräch mit einer wertschätzenden Haltung begegnet werden. Dies vermittelt dem Gesprächspartner, dass er akzeptiert und angenommen wird, unabhän- gig davon, was er sagt oder wie er sich verhält. Die Person wird damit als wertvoller Mensch wahr- genommen und nicht abgelehnt oder negativ bewertet. Rogers (1983) beschreibt, dass durch eine positive Wertschätzung eine emotionale Wärme erzeugt wird, die dem Gesprächspartner dabei hel- fen soll, sich zu öffnen und auch über schwierige Sachverhalte sprechen zu können. Die Sicherheit zu wissen, dass man vom Gegenüber geschätzt wird, ist eine wichtige Bedingung, damit eine Be- ziehung aufgebaut werden kann. 11 Kongruenz: Rogers (1983) beschreibt, dass Patientengespräche dann erfolgreich sind, wenn die behandelnde Fachperson als eine authentische neutrale Person auftritt und sich selbst treu bleibt. Bei einem Gespräch sollen in einem angemessenen Rahmen auch die eigenen Gedanken und Sichtweisen mitgeteilt werden können. Dabei ist die Kompetenz ausschlaggebend, nicht nur das Bezugssystem des Gesprächspartners, sondern auch das eigene wahrzunehmen und dieses nicht über das andere zu stellen. 3.3.3 Computervermittelte Kommunikation Die Computervermittelte Kommunikation (CvK) umfasst die Kommunikation, welche zwischen zwei oder mehreren Personen über den Computer oder andere digitale Endgeräte erfolgt (Kimpeler & Schweiger, 2007). Die Modelle der Computervermittelten Kommunikation gehen in der Regel von einer Defizitannahme im Vergleich zu einer Face-to-Face-Kommunikation aus. Die Modelle schluss- folgern, dass die CvK eher auf der Sachebene basiert und der Beziehungsaspekt verringert wird (Trepte & Reinecke, 2013). Nachfolgend werden klassische Theorien angesprochen, welche die Eigenschaften der CvK beschreiben. Das Kanalreduktionsmodell beschreibt die CvK als eine reduzierte Kommunikationsform, da nicht alle Sinneskanäle benutzt werden können. Durch die mediale Kommunikation ist es beispielsweise nicht möglich, den Gesprächspartner bzw. die Gesprächspartnerin zu spüren oder zu riechen. Durch den Wegfall dieser nonverbalen Kommunikationsaspekte wird eine zwischenmenschliche Interak- tion als weniger emotional wahrgenommen (Hermann, 1993). Das Filter-Modell nach Kiesler et al. (1984) beruht auf der Annahme, dass in der CvK soziale Hinweisreize und relevante Hintergrundin- formationen herausgefiltert werden. Dies führt dazu, dass die soziale Hemmschwelle gegenüber dem Gesprächspartner abnimmt. Dies kann sich einerseits positiv auswirken, da eine Offenheit ent- steht, die zu ehrlicheren Gesprächen beitragen sowie Vorurteile oder Gefühle der Einschüchterung aufgrund der wahrgenommenen Autorität der ärztlichen Fachperson abbauen kann. Andererseits kann durch den Mangel an sozialen Hinweisreizen die Individualität des Gesprächspartners bzw. der Gesprächspartnerin verloren gehen, was es schwieriger macht, sich auf das Gegenüber einzu- stellen. Der Media-Richness-Ansatz nach Daft und Lengel (1986) beurteilt die mediale Reichhaltigkeit eines Kommunikationsmittels anhand von vier Komponenten: die Anzahl an sozialen Hinweisreizen, die Unmittelbarkeit der Feedback-Reaktion, das Potenzial für eine natürliche Sprache und die Möglich- keit, den Kommunikationspartner bzw. die -partnerin direkt anzusprechen. Eine starke mediale Reichhaltigkeit ist gegeben, wenn ein Medium in der Lage ist, Unsicherheiten und Mehrdeutigkeiten 12 in einem Gespräch zu verringern. Die Face-to-Face-Kommunikation wird dabei als das reichhaltigste Mittel betrachtet, da es zu weniger Missverständnissen zwischen den Gesprächspartnern und -part- nerinnen kommen kann (Daft & Lengel, 1986). 3.3.4 Soziale Präsenz in der Telekommunikation Die Präsenz ist die gefühlte Anwesenheit einer Person, auch wenn diese physisch nicht vor Ort ist. Der Begriff wird im Bereich der virtuellen Kommunikation verwendet, wenn im medialen Gespräch trotz örtlicher Distanz ein Zusammengehörigkeitsgefühl zwischen zwei Personen entsteht (Witmer & Singer, 1998). Short et al. entwickelten 1976 die Social Presence Theory zum Vergleich von Face- to-Face-Gesprächen und computervermittelter Kommunikation. Die soziale Präsenz wird dabei als ein Qualitätskriterium für ein bestimmtes Medium betrachtet. Je höher der Grad der sozialen Präsenz ist, desto persönlicher und natürlicher wird ein Gespräch über ein bestimmtes Kommunikationsmittel wahrgenommen. So fördert die Fähigkeit, Informationen über die Körpersprache, Gesichtsausdrü- cke, Kleidung und die nonverbale Gesten zu übertragen, die soziale Präsenz eines Kommunikati- onsmediums. Die Kommunikation über Video erzeugt somit einen höheren Grad an sozialer Präsenz als die Kommunikation über das Telefon oder textbasierte Medien. Short et al. (1976) gehen davon aus, dass Menschen intuitiv wissen, welche Kommunikationsmittel mehr oder weniger soziale Prä- senz erzeugen und dadurch je nach Gesprächssituation ein dafür passendes Medium auswählen. Für die Qualität der sozialen Präsenz ist zudem der Faktor der Intimität prägend. Gemäss Argyle und Dean (1965) wird die Intimität zwischen Gesprächspartnern bzw. -partnerinnen durch nonver- bale Signale wie Augenkontakt, Lächeln, Berührungen und Gesten verstärkt. 13 4 Methodisches Vorgehen Zu Beginn wird das Untersuchungsdesign vorgestellt und der geplante Ablauf dargelegt. Im Weite- ren wird das methodische Vorgehen begründet und eingehend erläutert. Danach wird die Durchfüh- rung der Untersuchung umfassend beschrieben und das Vorgehen bei der Auswertung erklärt. 4.1 Untersuchungsdesign Ein Bewohner oder eine Bewohnerin führt mit seinem bzw. ihrem vertrauten und behandelnden Arzt oder Ärztin eine Routinekonsultation über einen Telepräsenzroboter durch. Die ärztliche Fachperson ist dabei nicht physisch anwesend und steuert den Roboter von der Arztpraxis aus. Der Bewohner oder die Bewohnerin befindet sich zum Zeitpunkt des Gesprächs in einer Räumlichkeit des Alters- heims. Dazu wird der Telepräsenzroboter vorgängig ins Altersheim transportiert und vor Ort einge- richtet. Nach der Konsultation wird mit den Versuchspersonen jeweils einzeln ein Interview durch- geführt, wobei sie dazu befragt werden, wie sie das Gespräch empfunden haben. 4.1.1 Ablauf Bevor die Untersuchung gestartet wird, ist ein Kennenlerntermin mit jeder einzelnen Versuchsperson geplant. Das Kennenlernen beinhaltet die Vorstellung der Autorin sowie eine ausführliche Erklärung über die vorgesehene Planung und den Ablauf der Untersuchung. Für die Ausführungen wird Bild- und Videomaterial verwendet, damit sich die Teilnehmenden einen ersten Eindruck vom Teleprä- senzroboter bilden können. Die Untersuchung besteht aus drei zentralen Elementen: Briefing, Tele- präsenzgespräch und Interview. Der Ablaufplan, welcher den Versuchspersonen ausgeteilt wird, ist im Anhang (A) vorzufinden. Briefing ärztliche Fachperson Das Briefing findet in der Arztpraxis des jeweiligen Arztes bzw. der jeweiligen Ärztin statt und wird von der Autorin und einem Informatiker der Berner Fachhochschule begleitet. Zu Beginn geht die Autorin mit dem Arzt oder der Ärztin die Punkte der Einwilligungserklärung durch und beantwortet allfällige Fragen. Sofern die formellen Gegebenheiten geklärt und akzeptiert sind, wird die Unter- schrift des Arztes oder der Ärztin eingeholt. Anschliessend übernimmt der Informatiker die Ge- sprächsführung und erklärt, wie die Software für die Steuerung des Telepräsenzroboters funktioniert. Der Informatiker hat dazu bereits vor dem Briefing-Termin ein Benutzerprofil für den Arzt bzw. die Ärztin eröffnet. Durch das Eröffnen eines Benutzerprofils wird ein Passwort erstellt, welches für das Einloggen in den Telepräsenzroboter der Berner Fachhochschule benötigt wird. Der Arzt oder die 14 Ärztin kann entscheiden, auf welchem elektronischen Gerät die Software installiert werden soll. Zur Auswahl stehen Computer, Laptop, iPad oder ein Smartphone. Je nach Wahl der ärztlichen Fach- person wird die Software durch den Informatiker auf das gewünschte Gerät installiert. Falls bei der Installation Probleme auftreten oder der Arzt oder die Ärztin kein eigenes Gerät verwenden möchte, kann das iPad der Berner Fachhochschule benutzt werden. Nach der Installation und einer Einfüh- rung kann der Arzt oder die Ärztin die Steuerung des Telepräsenzroboters üben, bis eine gewisse Vertrautheit entsteht. Der Telepräsenzroboter befindet sich zu diesem Zeitpunkt in der Laborumge- bung der Berner Fachhochschule. Nach der Übungssequenz wird der Ablauf für das Telepräsenz- gespräch besprochen, das 10 bis 15 Minuten dauern und als Routinegespräch geführt werden soll. Es handelt sich dabei nicht um eine körperliche Untersuchung, so dass der Arzt oder die Ärztin die Altersheimbewohnenden nicht dazu auffordern soll, Kleidungsstücke abzulegen. Zudem werden die letzten organisatorischen Punkte für das Telepräsenzgespräch festgelegt, wie beispielsweise der genaue Zeitpunkt für das Einloggen in den Telepräsenzroboter. Telepräsenzgespräch Für das Telepräsenzgespräch wird der Telepräsenzroboter bereits am Vorabend des Versuchs in das Altersheim transportiert. Am Versuchstag sind folgende Personen vor Ort im Altersheim: die Autorin, ein Informatiker der Berner Fachhochschule, eine Pflegefachperson und der oder die Al- tersheimbewohnende. Der Arzt oder die Ärztin befindet sich im Sprechzimmer der Arztpraxis. In der Arztpraxis steht im Wartezimmer zudem ein zweiter Informatiker bereit, falls es ein technisches Prob- lem mit der Software gibt. Circa eine halbe Stunde bevor sich der Arzt oder die Ärztin mit dem Telepräsenzroboter verbindet, macht der Informatiker den Telepräsenzroboter bereit und startet mit dem eigenen Laptop einen Testverbindungsversuch. Der Bewohner oder die Bewohnerin wird währenddessen durch die Auto- rin instruiert (siehe vollständige Instruktion im Anhang (B)). Nach der Instruktion wird der Bewohner oder die Bewohnerin in das Büro des Altersheims geleitet, wo der Versuch durchgeführt wird, da dieser Ort über die beste WLAN-Verbindung verfügt. Sobald sich der Arzt oder die Ärztin mit dem Telepräsenzroboter verbunden hat, verlassen alle Personen bis auf den Bewohner oder die Bewoh- nerin das Büro. Die ärztliche Fachperson steuert den Telepräsenzroboter von aussen in das Büro hinein. Sobald dies geschehen ist, wird die Tür geschlossen und der Bewohner oder die Bewohnerin befindet sich mit dem Roboter alleine im Raum. Vor der Tür steht eine Pflegefachperson bereit, falls bei einem unerwarteten Ereignis eine Fachperson benötigt wird. Das Büro verfügt zudem über ein Glasfenster, so dass die Versuchsperson durch ein Handzeichen auf sich aufmerksam machen kann, wenn sie den Versuch abbrechen will oder es einen technischen Defekt gibt. Mit der ärztlichen 15 Fachperson wird im Voraus vereinbart, dass die Konsultation circa 10 bis 15 Minuten dauern soll. Das Telepräsenzgespräch wird nicht aufgezeichnet, der Inhalt des Gespräches wird nicht analysiert und ist nicht Bestandteil der Untersuchung. Es werden somit keine gesundheitlichen Daten erfasst. Sobald das Gespräch beendet ist, kann sich der Arzt oder die Ärztin ausloggen und der Bewohner oder die Bewohnerin wird zurück ins eigene Zimmer geleitet. Interview Die Versuchspersonen werden direkt im Anschluss an das Telepräsenzgespräch einzeln interviewt, d. h., die Interviews werden am gleichen Tag wie das Telepräsenzgespräch durchgeführt. Es werden keine Fragen zum gesundheitlichen Zustand gestellt oder sonstige sensible Daten über die Person erhoben. Das Interview wird im eigenen Zimmer des Bewohners oder der Bewohnerin durchgeführt und das Interview mit der ärztlichen Fachperson wird direkt in der Arztpraxis durchgeführt. Für die Aufzeichnung des Interviewgespräches werden ein Smartphone und ein Diktiergerät verwendet. 4.1.2 Der «Beam» Für die vorliegende Bachelor-Arbeit wird der Telepräsenzroboter «Beam» des amerikanischen Her- stellers Suitable Technologies verwendet. Das Modell hat eine Gesamthöhe von 134 cm und besteht aus vier Rädern, einem Stamm und einem Bildschirm, welcher mit einer Kamera und vier Mikrofonen ausgestattet ist. Zum Modell gehört zudem eine Akkustation. Der Beam kann eine Geschwindigkeit von bis zu 3 km/h erreichen und verfügt über eine Akkulaufzeit von bis zu 8 Stunden. Gemäss der Webseite kann der Beam ab einem Betrag von 4.990 USD gekauft werden (beam, 2019). In der Abbildung 3 sind die Masse des Telepräsenzroboters ersichtlich und in der Abbildung 4 ist ein Foto desjenigen Telepräsenzroboters zu sehen, welcher für die Untersuchung verwendet wird. 16 Abbildung 3: Modell Beam (beam, 2019) Abbildung 4: Telepräsenzroboter für die Untersuchung (eigene Aufnahme) 17 Damit der Beam gesteuert werden kann, muss die dazugehörige Beam-Applikation («Beam App») auf einem Smartphone, iPad oder Computer installiert werden. Über ein WLAN-Netz oder ein 4G- Roaming kann der Telepräsenzroboter mit dem Gerät verbunden und gesteuert werden. Die Beam App stellt der steuernden Person drei Ansichten zur Verfügung: Eine Frontalkamera präsentiert die aktuelle Sicht nach vorne und ein weiteres Bild zeigt, was direkt vor dem Beam zu sehen ist. Diese Ansicht dient dazu, den Beam korrekt zu steuern und ein Hindernis, welches in der Laufrichtung steht, rechtzeitig zu erkennen. Ein weiteres Bild gibt wieder, was der Gesprächspartner oder die Gesprächspartnerin auf dem Bildschirm sehen kann. Der Beam wird auf dem Smartphone oder iPad per Touchscreen gesteuert und auf dem Computer mit den Pfeiltastaturen fortbewegt. Die Abbildun- gen 5 und 6 stellen die Ansicht der Beam App auf dem Computer oder auf dem iPad dar. Abbildung 5: Computer Interface Beam App (beam, 2019) 18 Abbildung 6: iPad Interface Beam App (eigene Aufnahme) 4.1.3 Ethische Bewilligung Das Kernstück des Untersuchungsdesigns beinhaltet die Interaktion zwischen einer neuen Techno- logie und einem Menschen. Damit das Untersuchungsdesign die ethischen Richtlinien erfüllt und insbesondere der Schutz der Bewohner und Bewohnerinnen gewährleistet ist, wurde vorgängig eine ethische Prüfung eingeleitet. Die Ethikkommission der Hochschule für Angewandte Psychologie hat den Ethikantrag geprüft und das Vorhaben bewilligt (Referenznummer: EAS2019001). Da das Vorhaben gemäss dem schweizerischen Humanforschungsgesetz nicht bewilligungspflichtig ist, musste der kantonalen Ethikkommission kein weiterer Ethikantrag zugestellt werden. 19 4.1.4 Risikoanalyse Als Vorbereitung auf die Untersuchung wurde gemeinsam mit dem I4MI analysiert, welche Szena- rios eintreffen könnten, die eine Anpassung des Untersuchungsdesigns erforderlich machen wür- den. Die untenstehende Tabelle 1 zeigt mögliche Szenarios auf: Risiko Was Alternative hoch Keine Zusage einer ärztlichen Gemäss der Pflegeleitung des Altersheims könnte das Problem auf- Fachperson treten, dass für die Untersuchung kein Arzt oder Ärztin zusagen wird. Grund dafür ist der volle Terminkalender eines Hausarztes oder einer -ärztin und eine tiefe Teilnahmequote, weil nur wenige Altersheimbe- wohnende aus gesundheitlichen Gründen teilnehmen können. Falls für die Untersuchung kein Arzt oder keine Ärztin akquiriert werden kann, wird das Gespräch zwischen einer Pflegefachperson des Al- tersheims und einem Bewohner oder einer Bewohnerin durchgeführt. mittel Verbindungsprobleme Falls sich beim Pretest herausstellt, dass die Verbindung mit dem Te- lepräsenzroboter ausserhalb des Living-Lab nicht funktioniert, wird die Option geprüft, dass die teilnehmenden Altersheimbewohnenden in das Living-Lab des Instituts gebracht werden, sofern es ihre Ge- sundheit erlaubt. mässig Der Telepräsenzroboter ist defekt Falls der Telepräsenzroboter aus technischen Gründen nicht genutzt werden kann, wird die ärztliche Konsultation mit einem Laptop via Skype durchgeführt. Die Fragestellung der Bachelor-Arbeit müsste dann angepasst werden, indem untersucht würde, wie eine ärztliche Videokonsultation beurteilt und empfunden wird. Tabelle 1: Risikoanalyse (mit Microsoft Excel erstellt) 4.2 Sampling Die Angemessenheit der Samplingstruktur muss von Fall zu Fall individuell geprüft werden. Welche und wie viele Teilnehmende für eine Untersuchung notwendig sind, hängt immer von der Fragestel- lung ab. Bei der Auswahl der Teilnehmenden für die vorliegende Arbeit wurde eine statistische Samplingstrategie angewendet. Demnach wird die Grösse der Stichprobe vor der Untersuchung festgelegt und nach bestimmten Kriterien definiert (Flick, 2014). Für die Untersuchung sollten drei Versuchspaare akquiriert werden. Ein Versuchspaar beinhaltet immer einen Bewohner bzw. eine Bewohnerin und dessen bzw. deren behandelnde ärztliche Fachperson. Die Pflegeleitung entschei- det, welche Bewohner und Bewohnerinnen gesundheitlich und kognitiv in der Lage sind, an der Untersuchung teilzunehmen. Wichtig hierbei ist, dass die Bewohner und Bewohnerinnen urteilsfähig 20 und nicht dement sind. Die Pflegeleitung konnte diesbezüglich insgesamt vier interessierte Bewoh- nerinnen und Bewohner als hinreichend adäquate Versuchspersonen einstufen. Nachdem die in Frage kommenden Bewohner und Bewohnerinnen eingewilligt hatten mitzumachen, wurden die be- handelnden Ärzte und Ärztinnen kontaktiert. Von den vier angefragten ärztlichen Fachpersonen ha- ben drei Personen abgesagt. Die Pflegeleitung hat daraufhin eine zweite Suchrunde gestartet und zwei weitere Personen ausgesucht, wobei wiederum ein Arzt abgesagt hat. Gemäss dem ursprüng- lichen Untersuchungsdesign sollte der Versuch mit drei Versuchspaaren durchgeführt werden. Auf- grund des engen Zeitplanes und der zeitlich aufwändigen Akquirierung wurde aber entschieden, dass der Versuch mit nur zwei Versuchspaaren durchgeführt wird. Das Sampling setzt sich somit aus folgenden Teilnehmenden zusammen: Ärztliche Fachperson Altersheimbewohnende Versuchspaar AB1 A1: männlich B1: weiblich, 97 Jahre Versuchspaar AB2 A2: weiblich B2: männlich, 80 Jahre Tabelle 2: Sampling (mit Microsoft Excel erstellt) 4.3 Entwicklung Interviewleitfaden Als Methode wird ein halbstandardisiertes Interview gemäss dem Aufbau von Flick (2014) einge- setzt. Das Ziel der vorliegenden Untersuchung ist es, eine möglichst subjektive Sichtweise der Teil- nehmenden zu erfahren. Gemäss Scheele und Groeben (1988) können subjektive Theorien einer Person durch verschiedene Fragetypen rekonstruiert werden. Offene, aber auch theoriegeleitete Fragen sollen das komplexe und explizite Wissen zu einer bestimmten Thematik aufdecken. Das Erhebungsinstrument soll subjektive Aussagen und Erfahrungen erfassen und der interviewenden Person zugleich die Möglichkeit geben, flexibel nachfragen zu können. Da strukturiert und zugleich explorativ vorgegangen werden soll, wird das halbstandardisierte Interview als eine angemessene Methode beurteilt. Die Entwicklung des Interviewleitfadens orientiert sich an der SPSS-Methode (Sammeln-Prüfen-Sortieren-Subsummieren) nach Helfferich (2011): Zuerst werden alle Fragen ge- sammelt, welche die Theorien der Literatur aufgreifen und im Zusammenhang mit der Fragestellung sonst noch von Interesse sind. Das Ziel ist es, so viele Fragen wie möglich zu generieren. Im zweiten Schritt wird die Eignung der Fragen anhand von mehreren Prüfkriterien eingeschätzt und solche Fragen entfernt, die als nicht zielführend beurteilt werden. Im dritten und vierten Schritt werden die verbleibenden Fragen sortiert und in eine passende Reihenfolge gebracht. 21 Da die Sichtweise von zwei unterschiedlichen Rollen erfasst werden soll, werden zwei verschiedene Interviewleitfäden konstruiert. Dies bedeutet, dass für die ärztlichen Fachpersonen zum Teil andere Fragen zu entwickeln sind als für die Bewohnenden. Es werden aber die gleichen Theorien aus der Literatur aufgegriffen und die beiden Interviewleitfäden enthalten auch identische Fragen und folgen dem gleichen theoretischen Aufbau. Die Interviewleitfäden behandeln verschiedene Aspekte des Telepräsenzgespräches, welche so- wohl im Leitfaden der ärztlichen Fachperson als auch in jenem des Bewohners bzw. der Bewohnerin integriert sind: Die ersten Fragen beziehen sich auf die technische Qualität des Telepräsenzroboters in Bezug auf die Ton-, Bild- und Übertragungsqualität sowie für den Arzt oder die Ärztin auf die Beurteilung der Steuerung und Handhabbarkeit der Beam App. Neben den dafür vorgesehenen of- fen formulierten Fragen soll die technische Qualität auf einer Skala von 1 bis 10 bewertet werden. Im Weiteren wird die Qualität des Gesprächsverlaufes thematisiert. Dies beinhaltet Fragen nach dem Sprecherwechsel, Redefluss und dem Einsatz von Körpergesten. Gewisse Vergleichsfragen sollen gezielt empfundene Unterschiede in der Kommunikation zwischen einer Face-to-Face-Inter- aktion und einem Telepräsenzgespräch aufdecken. So werden beispielsweise folgende Fragen ver- wendet: «Welche Unterschiede haben Sie im Vergleich zu einem normalen Gespräch bemerkt?» oder «Was hat Ihnen im Vergleich zu einem normalen Gespräch gefehlt?». Ein zentraler Frageblock besteht zudem aus den Fragen, welche an die Theorie der Sozialen Präsenz nach Short et al. (1976) angelehnt sind und das Präsenzempfinden und die Qualität der zwischenmenschlichen Interaktion erfassen. Folgende Items sollen beispielsweise das Präsenzempfinden erheben: «Hat sich das Ge- spräch natürlich angefühlt?», «Hatten Sie das Gefühl, als befänden Sie sich mit Ihrem Gesprächs- partner im gleichen Raum?» oder «Hatten Sie das Gefühl, dass ein Mensch mit Ihnen im Raum spricht oder fühlten Sie sich dennoch allein?». Im Weiteren werden Fragen zur allgemeinen Zufriedenheit sowie zu positiv und negativ empfunde- nen Aspekten des Gespräches gestellt, wobei die Zufriedenheit ebenfalls auf einer Skala von 1 bis 10 beurteilt werden soll. Im Interviewleitfaden für die ärztliche Fachperson sind zudem Fragen enthalten, die darauf abzielen, Erkenntnisse darüber zu gewinnen, ob sich der Arzt oder die Ärztin die Arbeit mit einem Teleprä- senzroboter vorstellen könnte. Die beiden Interviewleitfäden sind in im Anhang (C) vorzufinden. 22 4.4 Pretest Ein Pretest hat den Zweck, Schwächen und Unstimmigkeiten des Untersuchungsdesigns aufzude- cken (Mayring, 2016). Für diese Arbeit wurden zwei Pretests durchgeführt. Der erste Pretest legte den Fokus auf das Setting, die Handbarkeit der Beam App sowie die Praxistauglichkeit des Inter- viewleitfadens. Der zweite Pretest fokussierte die technische Nutzung des Telepräsenzroboters. Konsultation und Interview: Für den ersten Pretest wurden eine 75-jährige Seniorin und eine Pfle- gefachfrau in das Living-Lab der Berner Fachhochschule eingeladen. Die Seniorin befand sich wäh- rend dem Pretest im Wohnzimmer der Brönnimann-Wohnung und die Pflegefachfrau im Labor der konstruierten Arztpraxis. Bei diesem Pretest wurde gleich zu Beginn auf den zeitlich geplanten Rah- men geachtet. Es wurde notiert, wie lange die Instruktion dauerte und wie lange die Pflegefachfrau benötigte, bis sich eine Sicherheit bei der Steuerung des Telepräsenzroboters einstellte. Im An- schluss wurde ein Interview durchgeführt. Der Pretest erwies sich als sehr hilfreich und wertvoll, da festgestellt werden konnte, dass die Pflegefachfrau viel weniger Zeit zum Üben benötigte als ange- nommen. Der Interviewleitfaden wurde zwar generell als sehr angenehm und als logisch aufbauend empfunden, dennoch wurden einige Fragen verschoben, entfernt oder neu hinzugefügt. Technischer Probelauf: Da der erste Pretest in der Laborumgebung stattfand, wo alle technischen Gegebenheiten eingestellt waren, war es besonders wichtig, einen technischen Probelauf aus- serhalb des Labors durchzuführen. Damit sichergestellt werden konnte, dass der Telepräsenzrobo- ter auch in einem anderen Kontext funktioniert, wurde ein technischer Probelauf im Altersheim durchgeführt. Dies war das erste Mal, dass der Telepräsenzroboter aus der Berner Fachhochschule transportiert wurde. Beim technischen Probelauf waren zwei Informatiker der Berner Fachhoch- schule und der Informatikverantwortliche des Altersheims anwesend. Auch der technische Pretest erwies sich als sehr nützlich, da es zuerst Schwierigkeiten mit der WLAN-Verbindung gab. Weil sich das öffentliche WLAN als zu wenig leistungsstark herausstellte, musste auf das interne, geschützte WLAN-Netz ausgewichen werden. 23 4.5 Durchführung 4.5.1 Kennenlernen Das vorgängige Kennenlernen mit den einzelnen Teilnehmenden hat sich als sehr wertvoll und auch als zwingend notwendig herausgestellt. Besonders die Bewohnenden hatten sich vorgängig trotz schriftlicher Projektinformationen keine genaue Vorstellung von einem Telepräsenzroboter bilden können. Das gezeigte Foto- und Videomaterial zum Telepräsenzroboter erwies sich dabei als sehr hilfreich. Zudem konnte auch ein gewisses Vertrauen aufgebaut und Befürchtungen abgebaut wer- den, als beispielsweise eine Bewohnerin Bedenken äusserte, dass sie etwas falsch oder kaputt ma- chen könnte. Im Gespräch konnten diese Sorgen aufgegriffen und besprochen werden. 4.5.2 Briefing ärztliche Fachperson Die Versuchsperson A1 entschied, die Software-App auf ihrem Smartphone installieren zu lassen. Nach der Installation und einer kurzen Übungssequenz wurde als Vergleich die Steuerung mit dem iPad der Berner Fachhochschule geübt. Aufgrund des grösseren Bildschirmes auf dem iPad wurde entschieden, dass für das Telepräsenzgespräch dieses Gerät benutzt werden soll. Die Versuchsperson A2 wollte die Software auf dem Laptop der Arztpraxis installieren lassen. Da die Installation aufgrund eines geschützten WLAN-Netzes nicht vollzogen werden konnte, wurde ebenfalls entschieden, das iPad der Berner Fachhochschule zu benutzen. Beide Versuchspersonen A1 und A2 benötigten nur eine kurze Übungszeit von weniger als 5 Minu- ten, bis sie sich mit der Steuerung des Telepräsenzroboters sicher fühlten. Das Briefing der Ver- suchsperson A1 fand eine Woche vor dem geplanten Telepräsenzgespräch statt, bei der Versuchs- person A2 zwei Stunden vor dem Telepräsenzgespräch. 4.5.3 Telepräsenzgespräch Beide Telepräsenzgespräche konnten pünktlich gestartet werden. Für die Installation des Teleprä- senzroboters wurde weniger Zeit benötigt als eingeplant. Dennoch trat bei beiden Versuchen zu Beginn eine kurze Verbindungsstörung auf, wodurch sich die Versuchspersonen A1 und A2 erneut verbinden mussten. Vor dem Versuch wurden die Versuchspersonen B1 und B2 instruiert und ihnen wurde die Möglichkeit angeboten, den Telepräsenzroboter live zu betrachten. Die ärztlichen Fach- personen A1 und A2 wurden von der Autorin begrüsst, bevor sie den Telepräsenzroboter in das Bürozimmer hineinsteuerten. Beide Gespräche dauerten zwischen 8 und 10 Minuten. Nach Beendi- 24 gung des Gespräches wurden die ärztlichen Fachpersonen durch die Autorin verabschiedet. Wäh- rend des ganzen Versuchs war stets eine Pflegefachperson vor dem Bürozimmer anwesend. Beim ersten Telepräsenzgespräch gab es zwischendurch Verbindungsprobleme, so dass B1 durch ein Handzeichen das Gespräch unterbrach, als die Verbindung sich verschlechterte. Der Informatiker betrat daraufhin das Bürozimmer und überprüfte die Verbindung. Als die Verbindung wiederherge- stellt war, konnte die Konsultation weitergeführt werden. Beim zweiten Versuch gab es keinen Ge- sprächsunterbruch. 4.5.4 Interview Alle Interviews wurden möglichst zeitnah und direkt am Tag des Telepräsenzgespräches durchge- führt, weil die Empfindungen und Eindrücke dann noch präsent waren. Die Interviews mit den Ver- suchspersonen B1 und B2 fanden in ihren Privaträumen statt. Das Gespräch wurde zuerst mit einer Unterhaltung über ein Thema unabhängig vom eigentlichen Interviewthema eingeleitet. Um vom informellen zum formellen Teil überzugehen, wurde eine offizielle Begrüssung ausgesprochen und nochmals auf die Audioaufzeichnung sowie die Vertraulichkeit und Freiwilligkeit hingewiesen. Das Interview mit den Versuchspersonen A1 und A2 fand in ihrer Arztpraxis statt. Die vier Interviews dauerten zwischen 30 und 55 Minuten. 4.6 Auswertung 4.6.1 Transkription Die Audioaufzeichnungen der vier durchgeführten Interviews wurden mit dem Programm MAXQDA transkribiert, um eine solide und einheitliche Grundlage für die nachfolgende Datenanalyse zu schaf- fen. Dabei wurden die Interviews von dem Schweizerhochdeutschen in das Hochdeutsche über- setzt. Transkriptionsregeln legten fest, wie die gesprochene Sprache in die schriftliche Form zu über- tragen ist (Kuckartz, 2016). Es wurden die Transkriptionsregeln in Anlehnung an Kuckartz (2016) verwendet (siehe Liste im Anhang (D)). 4.6.2 Qualitative Inhaltsanalyse Die Datenanalyse wurde in Form einer inhaltlich strukturierten Inhaltsanalyse nach Kuckartz (2016) durchgeführt, wobei die Kategorien sowohl deduktiv als auch induktiv festgelegt wurden. Die Ele- mente der Interviewleitfäden wurden deduktiv als Hauptkategorien genutzt und die Subkategorien induktiv anhand des Materials gebildet. 25 Beim ersten Kodierdurchgang wurden fast alle Textpassagen einer durch den Interviewleitfaden vor- definierten Hauptkategorie zugeteilt. Falls eine Textpassage nicht zugeteilt werden konnte, wurde entschieden, ob dafür eine neue Hauptkategorie gebildet werden soll oder ob die Textpassage un- brauchbar ist und weggelassen werden kann. Der Fokus lag dabei klar auf der Fragestellung: «Wie empfinden und beurteilen die Nutzenden die Interaktion über den Telepräsenzroboter?», damit dar- aus relevante Hauptkategorien gebildet werden konnten. Von den durchgeführten Interviews waren schätzungsweise 90 % der Aussagen für eine Auswertung brauchbar, allerdings enthielten sie zum Teil viele Wiederholungen. Mithilfe der Programmfunktion Text-Retrievals wurden in einem zweiten Kodierdurchgang alle ko- dierten Texte einer Hauptkategorie zusammen als ein Fliesstext angezeigt. Das Material wurde ana- lysiert und es wurden Subkategorien direkt am Material entwickelt. Zum Teil wurden auch einige Hauptkategorien neu als Subkategorie gelistet. Es wurde dabei darauf geachtet, das Abstraktions- niveau bewusst gering zu halten. Mithilfe der Text-Retrievals-Funktion konnten Zusammenhänge zwischen den Subkategorien studiert werden. Gewisse Definitionen der Subkategorien wurden da- bei geändert oder wieder gelöscht, da die Abgrenzungen zu gering ausfielen. Aus diesem Grund gab es einige Hauptkategorien, welche über keine Subkategorien verfügten. Nachdem der Kodier- prozess abgeschlossen war, wurde das ganze Material erneut analysiert, wobei erneut die Katego- rien angepasst wurden, indem ähnliche Kategorien zusammengefasst und gebündelt wurden. In einem Kodierbuch, welches im Anhang aufgeführt ist (E), wurden die Kategoriendefinitionen festge- legt und mit konkreten Zitaten illustriert. 26 5 Ergebnisse Die Ergebnisse sind nach dem Kategoriensystem geordnet, welches im Anhang (F) vorzufinden ist. Für jede Hauptkategorie werden im Folgenden die zentralen Erkenntnisse aus der qualitativen In- haltsanalyse beschrieben, wobei sie mit Zitaten aus den Interviews illustriert werden. 5.1 Technische Qualität Die technischen Störungen und der damit einhergehende Gesprächsunterbruch beim ersten Tele- präsenzgespräch hatten zur Folge, dass die Bild- und Tonqualität vom Versuchspaar AB1 allgemein als schlechter empfunden wurde als vom Versuchspaar AB2. Technische Störungen wie Verbin- dungsprobleme führten dazu, dass es zu Bewegungsverzögerungen kam und das Bild stark verpi- xelt dargestellt wurde. Der Ton blieb sequenziell gänzlich aus oder die Gesprächsteilnehmenden waren nur stockend zu hören. Die Verbindungsprobleme wirkten sich auf den Gesprächspartner bzw. die Gesprächspartnerin vor dem Telepräsenzroboter stärker aus als auf die Person, welche den Roboter steuerte. Ohne derartige Verbindungsprobleme wurde die Tonqualität als ausgezeich- net beurteilt und die Bildqualität als sehr gut empfunden. Die Grösse des Bildschirmes wurde als ausreichend gross beurteilt, so dass die Mimik des Gesprächspartners bzw. der -partnerin problem- los erkannt wurde und die Versuchspersonen B1 und B2 nicht das Bedürfnis äusserten, mehr als nur den Kopf des Arztes oder der Ärztin auf dem Bildschirm zu sehen. Seitens einer ärztlichen Fach- person ist jedoch bemängelt worden, dass die Höhe des Bildschirmes nicht geändert werden kann. Dies führte zur Situation, dass der Arzt oder die Ärztin auf den sitzenden Patienten von oben herun- tergeschaut hat, was als weniger angenehm empfunden wurde: «Mir hat technisch irgendwie das auf der Augenhöhe gefehlt. […] dass müsste man lösen, finde ich. […] oder ich habe so ein bisschen von oben auf die Patientin runter gesehen. Sie ist ein bisschen weit weg gewesen» (Interview A1: 48). In der Tabelle 3 sind die Resultate zu den Bewertungen der Bild- und Tonqualität abgebildet, die auf einer Skala von 1 bis 10 eingestuft wurden. Die Bewertungen lagen zwischen mittel und sehr gut. 27 Wie beurteilen Sie die Bildqualität? 1= sehr schlecht / 10= sehr gut (Auswahl ist gelb markiert.) A1 1 2 3 4 5 6 7 8 9 1 0 B1 1 2 3 4 5 6 7 8 9 1 0 A2 1 2 3 4 5 6 7 8 9 1 0 B2 1 2 3 4 5 6 7 8 9 1 0 Wie beurteilen Sie die Tonqualität? 1= sehr schlecht / 10= sehr gut (Auswahl ist gelb markiert.) A1 1 2 3 4 5 6 7 8 9 1 0 B1 1 2 3 4 5 6 7 8 9 1 0 A2 1 2 3 4 5 6 7 8 9 1 0 B2 1 2 3 4 5 6 7 8 9 1 0 Tabelle 3: Bewertung Bild- und Tonqualität (mit Microsoft Excel erstellt) Die Testpersonen äusserten weiter, dass die Steuerung des Telepräsenzroboters einfach zu tätigen war und die Handhabung der Beam App intuitiv sei und an andere Smartphone-Apps erinnere: «Also die Steuerung des Gerätes an sich habe ich als sehr positiv erlebt, das habe ich mir wirklich schwie- riger vorgestellt […]» (Interview A2: 96). Trotz der einfachen Handhabung deuten die Aussagen der Versuchspersonen darauf hin, dass ein Gefühl für die Geschwindigkeit des Telepräsenzroboters entwickelt werden muss. Die Positionierung des Telepräsenzroboters für das Gespräch wurde von allen Teilnehmenden als angenehm beurteilt. Einzig bei Störungen der Tonqualität entstand der Wunsch, näher an das Gerät heranzutreten bzw. den Roboter näher zum Interaktionspartner hinzusteuern. Dies wurde jedoch nicht gemacht, da eine gewisse Distanz zwischen Telepräsenzroboter und Person beibehalten wer- den sollte: «[…] ich musste konstant extrem sehr gut zuhören bei ihm. Ich hatte natürlich auch nicht das Gefühl, dass ich zu ihm ganz nahe hinfahre. Vielleicht wäre es ja noch besser geworden, aber ich wollte dennoch eine gewisse Distanz behalten» (Interview A2: 16). Die Optik des Telepräsenzroboters ist nicht auffallend oder besonders futuristisch gestaltet. Das Design ist mit einem Bildschirm und einem Gestell sehr einfach gehalten. Dies führte dazu, dass der Telepräsenzroboter anstatt eines Roboters mehr als Gerät oder Maschine wahrgenommen wurde: «Ja, es ist weit weg von einem Menschen, oder. Also Roboter ist schon etwas hochgegriffen. Ich habe es mehr als eine Maschine als einen Roboter empfunden» (Interview B2: 25). In allen Inter- viewgesprächen wurde zudem das Wort «Roboter» selten benutzt, gesprochen wurde jeweils vom «Gerät». 28 5.2 Kommunikation Die Gesprächsqualität, beispielsweise bestimmt durch den Sprecherwechsel, Redefluss oder Ge- sprächspausen, wurde von allen vier Versuchspersonen als angenehm beurteilt und es wurden im Vergleich zu einem Face-to-Face-Gespräch keine bemerkenswerten Unterschiede genannt. Ange- merkt wurde hingegen, dass von den Gesprächsteilnehmenden weniger Feedback-Reaktionen und allgemein weniger Reaktionen zurückkamen als bei einem Face-to-Face-Gespräch: «Das Gerät gibt mir nicht so ein Feedback wie Sie, oder. Ja, wenn ich Sie jetzt anschaue, dann reagieren Sie, wenn ich etwas sage und Ihre Reaktion gibt dann wieder mir eine Reaktion und so. Und das ist bei einem Gerät natürlich viel weniger der Fall, oder» (Interview B2: 89; 91). Beide ärztlichen Fachpersonen A1 und A2 berichteten, dass sie die Körpersprache zurückhaltender eingesetzt hätten als in einem normalen Gespräch. Der Grund dafür war einerseits, dass eine Hand das iPad halten musste und dadurch weniger gut mit den Händen gestikuliert werden konnte. Ande- rerseits war es der sprechenden Person bewusst, dass für den Gesprächspartner bzw. die Ge- sprächspartnerin nur der Kopf zu sehen war. Dies wurde jedoch nicht als störend empfunden. Es wurde sogar betont, dass die Körpersprache bei medialen Gesprächen weniger bedeutend sei: «All- gemein. Also bei jeder Kommunikation spielt der Körper ja relativ eine grosse Rolle. Und über das Gerät, wenn die Kommunikation über ein Gerät läuft, spielt der Körper eine weniger grosse Rolle als wenn wir jetzt miteinander sprechen, oder» (Interview B2: 83). Dennoch empfahlen die ärztlichen Fachpersonen das Gespräch über einen Computer anstatt über das iPad zu führen. Dadurch sei die Handfreiheit gegeben und das Bild etwas grösser. Der fehlende Händedruck bei der Begrüssung wurde nicht vermisst, jedoch hat die Versuchsperson B1 angemerkt, dass der Händedruck für die persönliche Beziehungsebene wichtig sei. Es wurde erwähnt, dass sich die Versuchspersonen während des Telepräsenzgesprächs stärker auf der Sachebene als auf der Beziehungsebene ausgetauscht haben. Die Versuchspersonen B1 und B2 wären beide bereit, auch schwierige oder emotionale Gespräche über den Telepräsenzroboter zu führen, wobei es jedoch auch gewisse Grenzen gäbe, so dass in gewissen Situationen dennoch das Face-to-Face-Gespräch bevorzugt würde. Drei der vier Versuchspersonen waren zudem über- zeugt, dass sie weniger Smalltalk geführt haben als in einem persönlichen Gespräch: «Dort hätte ich wahrscheinlich mehr am Anfang oder am Ende noch ein wenig Smalltalk gemacht […]» (Interview A2: 56). 29 5.3 Präsenzempfinden Gemäss der Theorie der Sozialen Präsenz nach Short et al. (1976) wird ein Präsenzempfinden aus- gelöst, wenn sich das Gespräch natürlich anfühlt und sich eine Person an einem örtlich fernen Ort anwesend fühlt. Alle vier Versuchspersonen waren sich darüber einig, dass das Gespräch nicht mit einem Face-to-Face-Gespräch zu vergleichen war, was aber nicht heisst, dass das Gespräch als unnatürlich wahrgenommen worden war. Alle vier Probanden und Probandinnen empfanden das Gespräch als natürlich, nur eben als anders. Was genau es jedoch ‹anders› machte, konnte keine der Versuchspersonen klar in Worte fassen. Es sei ein Gefühl: «[…] Im Prinzip spielt es nicht so eine Rolle, aber vom Gefühl her ist es anders, wenn dieser Mensch da ist und man ihn anfassen kann und wenn man dann sieht, wie er sich gibt, wie er sich bewegt, das ist halt schon, denke ich etwas anderes» (Interview A2: 122). Besonders häufig, nämlich ganze 22-mal, wurde das Wort «Distanz» benutzt, um das Gefühl zu beschreiben: «Ja, es ist schon eine gewisse Distanz da, durch das Gerät. Es ist anders als wenn wir jetzt zusammen sprechen. Wenn Sie jetzt mit dem Gerät hier wären, wäre das anders, als wenn Sie hier sitzen würden» (Interview B2: 69). Die Versuchsperson B2 beschrieb, dass das Medium eine Zwischenstufe zwischen zwei Gesprächspartnern bzw. Gesprächspartnerin- nen generiere, was eine gewisse Distanz zur Folge habe, wobei damit nicht die örtliche Distanz, sondern die persönliche Distanz gemeint war. Der Fakt, dass das Gespräch über ein Medium geführt wurde und ein Bildschirm zwischen den Gesprächspartnern stand, schaffte eine Distanz: «Ja, aber die Distanz ist natürlich schon grösser. Über die elektronische Übertragung. Jetzt, wenn wir zusam- men sprechen, spielt die Elektronik ja keine Rolle. Aber bei solch einem Gerät ist es immer abhängig von der Technik und von der Elektronik, oder» (Interview B2: 73) oder «Ja, klar ist es anders. Es ist nicht Auge in Auge. Also schon, wenn ich ihn anschaue in dem Kasten. Aber es ist nicht dasselbe. Kann ich gar nicht recht erklären. Es ist, es fehlt einfach der Kontakt. Da ist ein Gerät oder» (Interview B1: 148;150). Obwohl alle vier Probanden ihren Gesprächspartner als eine reale Person wahrge- nommen haben, erkannten sie eine spürbare Distanz. Eine Versuchsperson beschrieb, dass die Aura oder die Ausstrahlung der Person nicht spürbar gewesen sei: «Aber es ist natürlich etwas anderes, es fehlt natürlich so die Aura im gleichen Raum. Die Ausstrahlung ist natürlich über den Bildschirm schon etwas anderes» (Interview A1: 72). Drei von vier Probanden haben angegeben, dass diese gefühlte Distanz nicht von der Bildschirm- grösse abhängig sei, sondern einfach durch das Vorhandensein eines Mediums. Die Distanz verrin- gere das Gefühl von Nähe zu einer Person, wodurch sie fremder wirke: «Einfach, es ist ein bisschen fremder finde ich. Wissen Sie, der Kontakt ist nicht dasselbe wie, wenn man einfach redet miteinan- der» (Interview B1: 60). Es wurde sogar befürchtet, dass die Kommunikation durch die Distanz als 30 weniger verpflichtend wahrgenommen werde: «Ja, und eine nähere meinem Partner gegenüber. […] [Man ist] weniger verpflichtet, wenn man auf Distanz ist als in der Nähe ist, oder. Man kann auf Distanz auch besser reden als in der Nähe, oder. Bei einem Fehler ist es viel einfacher auf Distanz [zu gehen] als in der Nähe diesen zu beschönigen. Da bin ich sicher, ja» (Interview B2: 115). Auf die Frage, ob die Versuchspersonen B1 und B2 das Gefühl hatten, dass sie allein in einem Raum gewesen seien, hat die Versuchsperson B1 mit «ja» und B2 mit «nein» geantwortet. Der Versuchsperson B2 war es zu jedem Zeitpunkt des Gespräches bewusst, dass die ärztliche Fach- person nicht im Altersheim anwesend war. Die Versuchsperson B1 hingegen hatte nicht das Gefühl, allein in einem Raum zu sein. Bei den Versuchspersonen A1 und A2 waren die Meinungen ebenfalls geteilt. Bei der Versuchsperson A2 hat sich ein gewisses Präsenzempfinden eingestellt, während die Versuchsperson A1 dies nicht so empfunden hat. Versuchsperson A2 zeigte sich aber dennoch hinsichtlich der Natürlichkeit des Gespräches positiv überrascht. Hingegen waren sich beide ärztli- chen Fachpersonen einig, dass sie die Gefühlslage des Gesprächspartners bzw. der Gesprächs- partnerin spüren konnten. 5.4 Befinden und Zufriedenheit Das Gespräch mit dem Telepräsenzroboter haben alle vier Versuchspersonen als angenehm be- schrieben und sie haben sich gut und wohl dabei gefühlt. Beide ärztlichen Fachpersonen entspann- ten sich während des Gesprächsverlaufs zunehmend, da sie sich weniger auf die Steuerung des Telepräsenzroboters konzentrieren mussten. Sie sind jedoch überzeugt, dass sie diesen nach eini- gen Wiederholungen noch entspannter bedienen könnten. Eine Versuchsperson erwähnte, dass sie die Gesprächssituation im Vergleich zu einem persönlichen Gespräch als weniger entspannt wahr- genommen habe. «[…] Weil man immer das Gefühl hat, wenn man so online ist, muss man handeln. Aber das ist nicht gross störend gewesen. Aber es ist ein Unterschied, aber ich denke, das ist auch ein bisschen eine Frage der Gewohnheit. Wenn sich beide Seiten mehr daran gewöhnt sind, dann wir das wahrscheinlich entspannter zu und her gehen» (Interview A1: 38). Mit dem Ergebnis des Gespräches sind drei von vier Probanden sehr zufrieden. Eine Bewohnerin war mit dem Ergebnis des Gespräches nicht ganz zufrieden, da der technische Aspekt sie nicht überzeugt hat. In der Tabelle 3 sind die Bewertungen der Bewohner aufgeführt. 31 Sind Sie mit dem Ergebnis des Gespräches zufrieden? 1= sehr schlecht / 10= sehr gut (Auswahl ist gelb markiert.) A1 1 2 3 4 5 6 7 8 9 1 0 B1 Unter 5 - hat keine eindeutige Zahl als Bewertung abgegeben. A2 1 2 3 4 5 6 7 8 9 1 0 B2 1 2 3 4 5 6 7 8 9 1 0 Tabelle 4: Bewertung Zufriedenheit (mit Microsoft Excel erstellt) 5.5 Eignung Einsatz Telepräsenzroboter Der Telepräsenzroboter eignet sich besonders gut dazu, örtliche Distanzen zu überbrücken. Wer immobiler wird, hat auch ein grösseres Problem mit der Bewältigung von Entfernungen. Besonders für Altersheimbewohnende ist der Gang in die Praxis häufig nicht mehr möglich. Die beiden ärztli- chen Fachpersonen denken, dass die Technik sehr gut bei Routinechecks oder bei der Anamnese eingesetzt werden kann, wo das Gespräch im Fokus steht. Solche Routine-Gespräche können Ärzte oder Ärztinnen auch gut ohne Pflegepersonal oder körperliche Untersuchung durchführen. «[…] für die Anamnese und so weiter, medizinisches Vorgehen, wie geht es Ihnen, wo tut es weh, wie geht es mit dem Atmen, wie geht es mit dem Husten, wie also wirklich der ganze Anamneseteil. […] Der ganze sprachliche Teil kann ich mir sehr gut vorstellen […]« (Interview A1: 110). Es könnten mit dem Telepräsenzroboter auch Telefongespräche ersetzt werden. Oftmals steht ein Arzt oder eine Ärztin telefonisch mit dem Altersheim in Kontakt. Der Telepräsenzroboter könnte zusätzlich über die Bild- funktion visuelle Informationen zu den körperlichen Beschwerden liefern, wodurch sich der Arzt oder die Ärztin einen genaueren ersten Eindruck bilden könnt. Dies würde auch eine Zeitersparnis mit sich bringen, weil dadurch eindeutiger entschieden werden könnte, ob ein Arzt oder eine Ärztin ins Altersheim fahren soll oder ob dazu keine Notwendigkeit besteht. Ein konkretes Beispiel dazu be- schrieb die Versuchsperson A1: «[…] Frau X hat zum Beispiel Ausschlag an einem Bein, wenn man das visualisieren könnte, das ist wirklich am Telefon ganz schwierig. […] Dann sagt man, wie sieht es aus, oder. Dann schicken wir hie und da ein Foto hin und her und da könnte ich mir jetzt vorstellen, das zu visualisieren» (Interview A1: 110). Im Weiteren könnte der Einsatz von Telepräsenzrobotern auch bei emotionalen Gesprächen geprüft werden. Ein Patient möchte oftmals einfach nur reden und die Präsenz über den Telepräsenzroboter könnte erste Abhilfe schaffen. Eine ärztliche Fachperson meinte dazu: «Ich denke, das kann ich mir vorstellen. Weil dort ist es häufig auch einfach schon einmal die Stimme. Es reicht häufig auch, mit jemanden zu reden. Das sehe ich in der Praxis auch schon einmal am Telefon. Einfach mal zuhören und ein Gespräch machen, das hilft schon viel, wenn es jemanden psychisch nicht gut geht. Das ist schon mal etwas. Und wenn es visuell, wenn man sich noch sieht, […] könnte ich mir das vorstellen. 32 Gerade im Sinn von einer Krisenintervention, wenn man nicht vor Ort sein kann oder so, denke könnte ich mir das sogar sehr gut vorstellen.» (Interview A1: 120). Die Versuchsperson A2 könnte es sich auch vorstellen, Gespräche mit mehreren Beteiligten gleich- zeitig, beispielsweise mit Angehörigen, Pflegefachpersonen oder dem Sozialdienst, über den Tele- präsenzroboter zu führen. 5.6 Grenzen Die ärztliche Fachperson kann sich über den Telepräsenzroboter zwar einen ersten allgemeinen Eindruck des Patienten bzw. der Patientin verschaffen, jedoch werden die Grenzen klar dort gezo- gen, wo eine körperliche Untersuchung durchzuführen ist. Körperliche Untersuchungen werden be- sonders in akuten Situationen oder beim Stellen einer Diagnose als notwendig angesehen. Beide ärztlichen Fachpersonen sind der Meinung, dass eine ganzheitliche Untersuchung nicht nur visuell stattfinden könne. Weitere Sinne wie die Haptik oder der Geruchssinn seien wichtige Hinweisträger und lieferten Informationen über einen Patienten oder eine Patientin: «Ich kann nicht jemand ande- res für mich untersuchen lassen. Weil die Befunde haben halt doch auch sehr mit der Haptik zu tun. Was spüre ich, was höre ich. Da kann ich ja nicht irgendjemand anders haben, der für mich das macht. Also dann muss ich fast vor Ort sein» (Interview A: 112) oder «[…] Es ist halt bei uns schon schnell mal möglich, dass man irgendetwas anschauen muss, was man halt nicht nur mit den Augen kann. Wo man wirklich untersuchen muss und dort […] kommen wir an die Grenzen der Technik.» (Interview A2: 130). Auch unbewusst wahrgenommene Hinweise werden als wichtig für einen ganz- heitlichen Eindruck angesehen: «Ja, es ist halt schon, dass man nicht alle Eindrücke vom Patienten hat. Dass man die Nase nicht benutzen kann, das gehört in der Medizin ja noch häufig dazu, dass man die Nase benutzt, der Berührungssinn, also, wenn ich einem Patient die Hand gebe, gibt mir das schon einen Eindruck, von der Temperatur, von der Feuchte und Trockenheit der Haut, einfach so diese Eindrücke, die man wahrscheinlich auch mehr unbewusst wahrnimmt. Dann merkt man plötzlich, dass man diese nicht hat, ja» (Interview A2: 46). Es werden Fehler befürchtet, wenn die Situation rein visuell beurteilt wird, da dabei wichtige Hinweise übersehen werden könnten, welche ein Arzt oder eine Ärztin im persönlichen Kontakt wahrnehmen würde. Alle Probanden gaben an, dass ein persönlicher Austausch nach einer gewissen Zeit notwendig sei, um die Arzt-Patienten-Beziehung zu festigen. Besonders für den Aufbau einer Beziehung sei der persönliche Kontakt zentral, so dass das erste Kennenlernen über den natürlichen Kontakt erfolgen sollte. Obwohl die Meinung geäussert wurde, dass auch emotionale Gespräche gut mittels Teleprä- senzroboter durchzuführen seien, meinte eine Versuchsperson, dass gewisse emotionale Themen 33 nicht über den Telepräsenzroboter kommuniziert werden sollten, wie beispielsweise die Überbrin- gung einer negativen Nachricht bei einem Todesfall: «Normale Routinechecks könnte man schon über das Gerät machen. Aber wenn es etwas ganz Besonderes wäre, glaube ich, könnte man es nicht über das Gerät machen. Also wenn jetzt zum Beispiel ein Todesfall eintrifft. Dann fände ich ein Gerät nicht gut, um darüber zu sprechen […]» (Interview B2: 218). Die Versuchsperson A1 betonte zudem, dass die kognitive Verfassung des Patienten bzw. der Pa- tientin gut sein müsse, ansonsten sei das Telepräsenzgespräch weniger geeignet, da die Patienten und Patientinnen die Technik nicht verstehen würden. Besonders Demenzpatienten werden als un- geeignet angesehen. Eine Befürchtung ist zudem der Datenschutz: Hackerangriffe könnten ein Thema sein oder das Mit- hören des Gesprächs durch weitere Personen. Es wurde daraufhin vorgeschlagen, eine Grenze dort zu ziehen, wo sehr persönliche Thematiken besprochen werden: «[…] Über das Gerät können ja dennoch sofort mehr Leute darauf zugreifen, oder. Das ist ja irgendwo gespeichert, auch wenn es gelöscht wird, ist es dennoch irgendwo gespeichert […]» (Interview B2: 177). 5.7 Vergleich Telepräsenzroboter mit anderen Kommunikationsmitteln Der Telepräsenzroboter wurde als natürlicheres Medium wahrgenommen als das Telefon oder die Videotelefonie. Als Grund wurde genannt, dass der Telepräsenzroboter mobil sei und dies ein an- deres Befinden auslöse: «Ich glaube schon, dass es näher an eine Situation herankommt, wenn sich das Gerät bewegt. Also wenn man es nur über das Telefon macht und dann fixiert ist und über Skype wo man auch fixiert ist. […]» (Interview B2: 145). Durch die Mobilität des Telepräsenzroboters kann die Interaktion auch aktiver gestaltet werden, was als positiv angesehen wurde: «Ja, weil ich mit dem Telepräsenzroboter dies noch etwas mehr beeinflussen kann. In dem Sinn, dass ich diesen bewegen kann und im Raum sein kann und eben näher an den Patienten kann, […] im Zweifelsfall könnte ich dem Patienten hinterher, was ich mit dem Skype [nicht machen kann], wenn er mir weg- läuft, dann läuft er mir weg.» (Interview A2: 148). Der Telepräsenzroboter ist demnach reichhaltiger als die Videotelefonie, die nach dem Media-Richness Modell nach Daft und Lengel (1986) gleich nach dem Face-to-Face-Gespräch folgt. 5.8 Einstellung und weiterer Gebrauch Alle Probanden und Probandinnen werteten den Versuch als eine positive Erfahrung und würden den Telepräsenzroboter für weitere Gespräche nutzen, sofern die Bildqualität gut sei. Zudem sind drei von vier Versuchspersonen überzeugt, dass sich bei mehrmaligem Durchführen eine gewisse 34 Gewohnheit einstellen würde. Die ärztlichen Fachpersonen schätzten den Telepräsenzroboter als ein realistisches Kommunikationsmedium im Bereich der Medizin ein und könnten sich die Arbeit damit vorstellen. Alle vier Probanden und Probandinnen bezeichneten sich als technisch sehr interessiert und aufge- schlossen gegenüber neuen Technologien. Für den Versuch hatten zudem alle keine speziellen Erwartungen gegenüber der Technik. Sie waren neugierig und offen und standen dem Versuch un- voreingenommen gegenüber. Ein Bewohner sagte aus, dass für ihn nicht nur virtuelle Gespräche in Frage kämen, sondern er auch keine Probleme damit hätte, sich von einem Roboter pflegen zu lassen, solange der menschliche Kontakt dabei nicht ganz verloren gehen würde. 35 6 Diskussion Mit der Hauptfragestellung ‹Wie empfinden und beurteilen die Nutzenden die Interaktion über den Telepräsenzroboter?› sollten die subjektiven Sichtweisen der Untersuchungspersonen aufgedeckt und Erkenntnisse gewonnen werden, wie die Gesprächsführung beurteilt und empfunden wird. Um die Fragestellung beantworten zu können, wurden bereits im Interviewleitfaden Untersuchungs- schwerpunkte festgelegt. So sollten unter anderem die technische Qualität, die Natürlichkeit des Gespräches und die Zufriedenheit mit dem Gesprächsablauf beurteilt werden. Im Weiteren wurde erfragt, wie die Kommunikation hinsichtlich der Gesprächsqualität empfunden wurde. Durch die In- terpretation der Interviewaussagen lässt sich die Fragestellung anhand der folgenden Erkenntnisse beantworten: Die technische Qualität wurde zusammenfassend als gut bis sehr gut bewertet. Die Bildqualität wurde dabei als sehr zentral gewichtet und Störungen hatten einen direkten Einfluss auf den Ge- sprächsverlauf und die empfundene Zufriedenheit mit dem Gespräch. Der Verbindungsunterbruch beim Versuchspaar AB1 hat zu einer eher schlechteren Bewertung geführt, wobei die zum Teil ver- pixelte Bildqualität mehrmals im Interviewverlauf bemängelt wurde. Auch wenn die Gespräche als natürlich wahrgenommen wurden, waren sich die Versuchspersonen einig, dass das Telepräsenzgespräch diesbezüglich nicht mit dem Face-to-Face-Gespräch mithalten kann. Alle Versuchspersonen haben eine gewisse Distanz zum Gesprächspartner oder der Ge- sprächspartnerin empfunden. Doch wie entsteht diese Distanz? Dies lässt sich einerseits durch die Kanaltheorie von Herrmann (1993) begründen, die beschreibt, dass die CvK nicht alle Sinneskanäle einschliesst und dies zu einer Minderung der Emotionalität führt. In der Tat fällt durch den Teleprä- senzroboter beispielsweise die Haptik weg, wodurch ein kurzer Körperkontakt, wie beispielsweise der Händedruck bei der Begrüssung, wegfällt. Auch eine mangelnde Bildqualität führt zu einer Be- einträchtigung des visuellen Sinneskanals. Erstaunlich dabei ist, dass keine der Versuchspersonen einen grösseren Bildschirm als notwendig erachtete, obwohl sich die Bildqualität massgeblich auf die Zufriedenheit des Gespräches auswirkte. Dies ist spannend, denn es kann die These aufgestellt werden: Je grösser der Bildschirm ist und damit der menschlichen Körpergrösse nahekommt, desto realer wird die Person wahrgenommen. Es kann deshalb angenommen werden, dass eine neue Dimension von Präsenzempfinden erzeugt wird, wenn ein Bildschirm den Gesprächspartner bzw. die Gesprächspartnerin mit der realen Körpergrösse abbildet, sich zusätzlich auf Rädern bewegt und die Bildqualität so gestochen scharf ist, dass sogar kleine Lachfältchen im Gesicht erkennbar sind. Nichtsdestotrotz wäre ein Bildschirm nach wie vor vorhanden, was als Trennscheibe zwischen den Gesprächspartnern wahrgenommen wird. Besonders hervorzuheben ist zudem die Aussage der 36 Versuchsperson A1, dass die Aura der Person nicht spürbar sei. In der Literatur sind für das Kon- strukt der ‹Aura› verschiedene Definitionen vorzufinden. Es kann unter anderem eine physikalische und eine psychologische Aura unterschieden werden. Physikalisch kann gemessen werden, dass ein Mensch körperliche Wärme ausstrahlt und von einem elektrostatischen Feld umgeben ist. Die psychologische Sicht beschreibt, dass die Aura ein mentales Konstrukt ist und von Menschen un- bewusst wahrgenommen wird, dass die unmittelbare Umgebung mit «etwas» geteilt wird (Tart, 1972). Gemäss den Definitionen lässt sich das komplexe Konstrukt der Aura nicht einfach so über einen Bildschirm übertragen, was sich wahrscheinlich erheblich auf das Präsenzempfinden auswirkt. Es kann die Vermutung aufgestellt werden, dass die physikalische Aura, wie die Ausstrahlung von Körperwärme, die unbewusste psychologische Empfindung, dass «etwas» da sei, beeinflusst. Mit dieser Überlegung lässt sich schlussfolgern, dass ein Telepräsenzgespräch einen Menschen wohl nie vollkommen am Ort des Geschehens anwesend fühlen lässt. Auf der Grundlage bestimmter Aussagen aus den Interviews lässt sich dennoch feststellen, dass sich ein bestimmtes Präsenzemp- finden eingestellt hat: «[…] Ich hatte natürlich auch nicht das Gefühl, dass ich zum ihm ganz nahe hinfahre. Vielleicht wäre es ja noch besser geworden, aber ich wollte dennoch eine gewisse Distanz behalten» (Interview A2: 16). Die Versuchsperson A2, welche den Telepräsenzroboter steuerte, wollte wie bei einem Face-to-Face-Gespräch einen körperlichen Abstand zum Gesprächspartner beibehalten. Daraus lässt sich schliessen, dass sich die Versuchsperson dennoch durch den Tele- präsenzroboter als ein Wesen am entfernten Ort wahrnahm. Zudem wurde der Telepräsenzroboter durch seine Mobilität als reichhaltiger empfunden als die reine Videotelefonie. Die Zusatzfunktion, dass man sich mit dem Telepräsenzroboter fortbewegen kann, wirkt sich dementsprechend förder- lich auf das Präsenzempfinden aus. Hinsichtlich der Kommunikation wurden Aspekte wie der Sprecherwechsel, Gesprächspausen oder der Redefluss als gut empfunden und es gab diesbezüglich keine Unterschiede in der Beurteilung. Alle vier Versuchspersonen haben ebenfalls geäussert, dass der Gesprächsablauf im Vergleich zu einem Face-to-Face-Gespräch nicht merklich anders gewesen sei. Die Ergebnisse lassen jedoch darauf schliessen, dass das Medium die Kommunikation auf der Beziehungsebene beeinflusst. Ge- mäss der Versuchsperson B2 verlief das Gespräch stärker auf der Sachebene. Wenn bei den Ge- sprächen weniger Smalltalk betrieben wird, könnte auf der Beziehungsebene etwas verloren gehen. Dies wiederum lässt den positiven Schluss zu, dass die Konsultationen dadurch effektiver sind, was aus ökonomischer Sicht ein Vorteil wäre. Da sich die Versuchspaare jedoch bereits lange kennen, bestand bereits vor der Untersuchung eine Art von Beziehung zwischen ihnen, indem die drei wich- tigen beziehungsaufbauenden Eigenschaften wie Wertschätzung, Empathie und Kongruenz nach Carl Rogers (1980) bereits in vorherigen Face-to-Face-Gesprächen gefestigt worden waren. Die 37 Versuchspersonen A1 und A2 haben festgestellt, dass sie im Vergleich zu einem normalen Ge- spräch weniger Körpersprache verwendeten, beispielsweise wurde kaum mit den Händen gestiku- liert. Dies wurde von den Gesprächspartnern B1 und B2 jedoch nicht als mangelhaft beurteilt. Short et al. (1976) gehen in ihrer Theorie davon aus, dass die Menschen intuitiv wissen, welche Reichhal- tigkeit ein Medium besitzt. Es könnte daher durchaus plausibel sein, dass die verminderte Körper- sprache nicht vermisst wurde, weil die Gesprächspartner intuitiv wussten, welche Reichhaltigkeit zu erwarten ist. Die ärztlichen Fachpersonen haben den Telepräsenzroboter als ein geeignetes Hilfsmittel bewertet, um Routinegespräche und allgemeine Anamnesegespräche durchzuführen, da zeitliche Ressour- cen gespart werden könnten. Die Versuchsperson A2 erläuterte, dass allgemeine Gesprächssitua- tionen, auch mit mehreren involvierten Gesprächspartnern und -partnerinnen, problemlos mit einem Telepräsenzroboter durchgeführt werden könnten. Jedoch wird als Voraussetzung gesehen, dass sich die Personen zuvor zumindest einmal persönlich getroffen haben. Es kann somit angenommen werden, dass für eine erfolgreiche Behandlung über den Telepräsenzroboter eine Beziehung und ein Vertrauensverhältnis bereits vorgängig bestehen sollte. Wie die Versuchsperson A1 mitteilte, könnte der Telepräsenzroboter auch Telefongespräche ersetzen und die Möglichkeit bieten, etwas visuell zu betrachten und dabei den ersten allgemeinen Zustand eines Patienten oder Patientin bes- ser beurteilen zu können. Damit könnte schneller entschieden werden, ob das persönliche Erschei- nen des Arztes bzw. der Ärztin vor Ort notwendig ist. Da für eine umfassende Untersuchung die visuellen Möglichkeiten des Telepräsenzroboters nicht mehr ausreichen, werden die Grenzen von den ärztlichen Versuchspersonen dort gezogen, wo eine körperliche Untersuchung zwingend ist. Die Versuchsperson A1 erläuterte dazu auch, dass sie diese Aufgabe nicht gerne delegiere, sondern eigenständig durchführen möchte. Besonders ernst zu neh- men ist dabei die Aussage bezüglich der möglichen Fehlerquellen: «[…] Es ist wahrscheinlich die Gefahr grösser, dass einem gewisse Sachen nicht auffallen, dass man vielleicht gewisse Sachen übersieht, die man eben bei dem direkten Kontakt wahrnehmen würde mit anderen Sinnen als nur mit den Augen und den Ohren. Dass man das übersehen würde. Das sehe ich vielleicht fast als grösste Gefahr» (Interview A2: 132). Dies könnte in der Praxis herausfordernd sein, da ein Arzt oder eine Ärztin beim Einsatz eines Telepräsenzroboters eigenständig beurteilen müsste, ab welchem Zeitpunkt auf die Verwendung aller Sinneskanäle nicht mehr verzichtet werden kann, um mögliche Fehldiagnosen zu verhindern. 38 Dem Telepräsenzroboter wurde im Weiteren ein Nutzen zugesprochen beim Führen von emotional schwierigen Gesprächen oder in gewissen Fällen, in denen ein Patient oder eine Patientin psycho- logische Hilfe benötigt. Diese Erkenntnis spricht wiederum für die Natürlichkeit eines Telepräsenz- gespräches, da die Sichtbarkeit des Gesprächspartners bzw. der Gesprächspartnerin und die dar- aus gewonnene Nähe als positiv empfunden wird. Dennoch ist der Telepräsenzroboter als Kommu- nikationsmittel nicht für jede Person geeignet. Die Versuchsperson A1 bemerkte beispielsweise, dass Telepräsenzgespräche bei Demenzpatienten nicht funktionieren würden. Ein Grund dafür könnte die verminderte Ausdrucksfähigkeit der Körpersprache sein, die für Erklärungen und den Austausch mit dementen Menschen nicht mehr ausreicht. Alle vier Versuchspersonen haben sich während des Gespräches wohl gefühlt und wären bereit, die Technik auch in Zukunft zu nutzen. Abschliessend konnten auch alle Versuchspersonen das Tele- präsenzgespräch als eine positive Erfahrung beurteilen. 6.1 Chancen und Herausforderungen für die Praxis Die Beantwortung der Unterfragestellung ‹Welche Herausforderungen und Chancen sind mit der Gesprächsführung via Telepräsenzroboter verbunden?› soll einen Praxisbezug herstellen und mög- liche Handlungsvorschläge für den Einsatz von Telepräsenzroboter präsentieren. Aus der Literatur, den Ergebnissen der Interviews sowie aus der Diskussion für die Beantwortung der Hauptfragestel- lung lassen sich folgende Chancen und Gefahren für die Praxis identifizieren: Eine Chance für das Pflegepersonal und die ärztlichen Fachpersonen ist der Gewinn an zeitlichen Ressourcen, die steigende Effizienz sowie die daraus folgenden Kostenersparnisse. Durch die Ent- lastung könnte die Qualität der Pflege verbessert werden (Becker et al., 2013). Durch den Teleprä- senzroboter entfallen Reisewege, wodurch auch örtlich weit entfernte Spezialisten und Spezialistin- nen zu Patientengesprächen beigezogen werden können. Ebenso können pflegebedürftige Perso- nen in ländlichen Regionen durch Telepräsenz besser erreicht werden (Becker, 2018). Obwohl die Prozesse effektiver gestaltet werden könnten, birgt dies auch die Gefahr, dass die Arzt-Patienten- Beziehung geschwächt wird, wenn nur noch selten persönliche Gespräche geführt werden (Becker et al., 2013). Es ist anzunehmen, dass der Begriff Roboter etwas Befremdliches mit sich bringt und gerade im Pflegekontext Befürchtungen oder negative Vorurteile gegenüber neuen Technologien auslöst. Die Versuchsperson B2 vermutete, dass bei manchen Menschen die Angst bestehe, dass die Robotik den Menschen komplett ersetzen könnte: «Es gibt einen Teil, denen das stört, mich stört das nicht. Also vielleicht ein Stück weit Angst, dass die Pflege mit der Zeit von den Robotern ausgeführt wird. 39 Darum gibt es vielleicht Leute, die Angst haben vor dem, dass der Mensch zu wenig Bedeutung hat in der Pflege. Aber da weiss ich nicht, ob das stimmt.» (Interview B2: 62). Es ist bestimmt eine Herausforderung für die Fachpersonen, neue Technologien in den Pflegealltag zu integrieren. Wäh- rend dem Telepräsenzgespräch haben sich alle vier Versuchspersonen wohl gefühlt. Besonders die Versuchspersonen B1 und B2, welche den Telepräsenzroboter vor sich sahen, hatten keine Be- fürchtungen, allein in einem Zimmer mit einem Roboter zu sein. Dies spricht vielleicht für das einfa- che und schlichte Design des Telepräsenzroboter-Modells Beam. Das Design ist nicht befremdlich und erinnert eher an ein Gerät als an einen Roboter. Genau dieser Aspekt könnte eine Chance darstellen, denn die Akzeptanz für die Nutzung dieser Technik könnte dadurch einfacher gegeben sein, womit sie sich leichter in die Praxis integriert lässt. Da durch digitale Medien eine Fülle von Daten generiert wird, stellt sich auch beim Einsatz eines Telepräsenzroboters die Frage, wie mit den Daten umgegangen werden soll und wie sich Alters- heime, Spitäler oder andere Institutionen vor Hackerangriffen schützen können. Eine Versuchsper- son äusserte die Befürchtung, dass nicht jeder Gesprächsinhalt über den Telepräsenzroboter geteilt werden kann, da diese Daten in einer Cloud aufbewahrt werden könnten. Eine weitere Herausforderung ist der Umgang mit ethischen Fragestellungen. Wann ist es ange- messen, ein Gespräch via Telepräsenzroboter zu führen und wann sollte das Face-to-Face-Ge- spräch bevorzugt werden? Erst kürzlich, im März 2019, hat ein Vorfall im amerikanischen Bundes- staat Kalifornien weltweit für Schlagzeilen gesorgt, wobei der Einsatz von Telepräsenzrobotern scharf kritisiert wurde. Ein Arzt hatte einem Patienten und dessen Angehörigen mittels eines Tele- präsenzroboters mitgeteilt, dass dieser nicht mehr lange zu leben hätte. Da der Patient die Botschaft akustisch nicht verstanden hatte, musste ein Familienmitglied die schmerzliche Nachricht überbrin- gen. Das nötige Einfühlungsvermögen des Arztes konnte via Telepräsenzroboter nicht vermittelt werden, was zu einem schlechten Verhältnis zwischen den Angehörigen und den medizinischen Fachpersonen führte (Becker, 2019). Auch eine Versuchsperson hat im Interview mitgeteilt, dass ein Todesfall nicht über einen Telepräsenzroboter kommuniziert werden sollte. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass ein Face-to-Face-Gespräch nicht komplett ersetzt werden kann und je nach Fall die Angemessenheit des Einsatzes des Geräts beurteilt werden muss. Der Einsatz von Telepräsenzrobotik ist jedoch auch ein guter Weg, um mit seinem Vertrauensarzt oder seiner Vertrauensärztin in Kontakt zu treten, wenn dies aufgrund einer örtlichen Distanz phy- sisch nicht möglich ist (Becker, 2019). Es ist demnach gut vorstellbar, dass eine im Ausland hospi- talisierte Person es vorziehen würde, mittels Telepräsenzroboter mit dem vertrauten Arzt aus dem Heimatland zu sprechen als ein Face-to-Face-Gespräch mit einem fremden Arzt zu führen. 40 Falls ein Telepräsenzroboter bei einer körperlichen Untersuchung beigezogen wird, stellt sich die Frage, wer die Verantwortung bei Fehlern oder Fehldiagnosen übernimmt. Ist es die assistierende Pflegefachperson, welche physisch anwesend ist und alle fünf Sinne zur Verfügung hat, oder ist es der behandelnde Arzt, welcher die Entscheidungen trifft, aber nur via Telepräsenz anwesend ist? Auch Becker et al. (2013) sehen es als Problem an, dass nicht geklärt ist, wer für Schäden haftet, die durch einen Roboter verursacht werden. 6.1.1 Handlungsvorschläge Da das Telepräsenzgespräch nicht mit dem Face-to-Face-Gespräch gleichgestellt werden kann und eine gewisse Distanz zum Gesprächspartner bzw. zur Gesprächspartnerin besteht, wird empfohlen, dass eine Behandlung nicht ausschliesslich über Kommunikationsmedien geführt wird. Gemäss der Interpretation der Ergebnisse kann davon ausgegangen werden, dass für den zwischenmenschli- chen Beziehungsaufbau auch ein persönlicher Austausch erforderlich ist. Entweder sollte bereits eine Arzt-Patienten-Beziehung bestehen oder die Gesprächspartner bzw. Gesprächspartnerinnen sollten sich zumindest zu Beginn einer Behandlung persönlich treffen. Generell wird vorgeschlagen, die Telepräsenzgespräche als Unterstützung und Ergänzung in eine Behandlung zu integrieren. Die Autorin ist der Meinung, dass der Arzt oder die Ärztin zusammen mit dem Patienten oder der Patientin je nach Krankengeschichte individuell zu entscheiden hat, inwiefern Konsultationen über Telepräsenz sinnvoll sind. Für eine langfristig erfolgreiche Implementierung in der Praxis wird vor- geschlagen, dass pro Institution ethische Richtlinien geschaffen werden, die festlegen, in welchen Szenarien Telepräsenzgespräche geeignet sind. Zudem ist es empfehlenswert, ein Konzept zu erarbeiten, wie Patienten oder Patientinnen und ins- besondere Altersheimbewohnende in die neue Kommunikationsform eingeführt werden. Es ist vor- stellbar, dass die Einführung von neuen Technologien gerade bei älteren Generationen sorgfältig und mit Verständnis für ihre allfälligen Befürchtungen vonstattengehen muss. Auch die Autorin hat im Austausch mit den Altersheimbewohnenden festgestellt, dass die neue Technik detailliert, aber in einer einfachen Sprache erklärt werden muss. Begriffe wie ‹Telepräsenz› oder ‹Interaktion› sind oftmals zu komplex für das Verständnis. 6.2 Limitation und weiterführende Fragestellungen Die Erkenntnisse der vorliegenden Bachelor-Arbeit sollen vor allem Ergebnisse und Überlegungen zur subjektiven Empfindung und Beurteilung eines Telepräsenzgespräches beinhalten. Dabei stellen diese Erkenntnisse nur eine Sicht und einen kleinen Ausschnitt der Realität dar und dürfen daher 41 nicht überinterpretiert werden. Eine Limitation dieser Bachelor-Arbeit ist das kleine Sampling von nur zwei Versuchspaaren. Die persönlichen Sichtweisen der vier Versuchspersonen sind somit nicht automatisch auf andere Personen übertragbar oder gar verallgemeinerbar. Zudem wurde der Ver- such nur mit Altersheimbewohnenden und ihren Ärzten und Ärztinnen durchgeführt. Im Pflegekon- text findet der Austausch jedoch zwischen vielen weiteren Akteuren statt. Es wäre daher spannend zu untersuchen, wie die Telepräsenzkommunikation zwischen ärztlichen Fachpersonen und dem Pflegepersonal beurteilt wird, oder wie Ärzte und Ärztinnen mit Angehörigen kommunizieren und welchen Einfluss dies auf das Vertrauensverhältnis hat. Da in der Untersuchung lediglich Versuchspersonen teilnahmen, die technischen Neuheiten gegen- über aufgeschlossen sind, wäre es weiter interessant zu untersuchen, wie kritisch eingestellte Pati- enten und Patientinnen die Interaktion beurteilen. In diesem Zusammenhang wäre auch allgemein eine nähere Betrachtung der heutigen Technologieakzeptanz aufschlussreich. Im Weiteren ist über den Anwendungsbereich der Telemedizin hinaus die Interaktion mit autonomen Robotern ein vielfältiges Forschungsfeld. Es könnte untersucht werden, wie ein autonomer Roboter durch künstliche Intelligenz dem menschlichen Verhalten nahekommt und wie natürlich sich diese Interaktion anfühlen würde. 6.3 Ausblick Der Einsatz von Telepräsenzrobotern ermöglicht es, die Effizienz zu steigern und örtliche Distanzen zu überbrücken. Die Technologie bringt zwar Herausforderungen mit sich, die noch Klärung benöti- gen, gleichwohl sind innovative Weiterentwicklungen und digitale Lösungen notwendig, damit der steigende Druck auf das Gesundheitswesen bewältigt werden kann (Becker et al., 2013). Der aufstrebende Bereich der Telemedizin spricht einerseits für den Einsatz und die Verbreitung von Telepräsenzrobotern, andererseits könnten neue Konkurrenzprodukte auch eine Gefahr für den Te- lepräsenzroboter darstellen. Falls der Telepräsenzroboter technisch nicht fortlaufend optimiert wird und seine Funktionen erweitert werden, könnte dieser durch die hochentwickelten Telemedizin-Apps an Bedeutung verlieren. Mit der Telemedizin-App «eedoctors» beispielsweise können Konsultatio- nen mit dem Smartphone per Video-Kommunikation durchgeführt werden. Dennoch hat der Tele- präsenzroboter gegenüber reiner Video-Telefonie den grossen Vorteil, dass er sich fortbewegen kann. Eine Person kann sich demnach trotz örtlicher Distanz an einem fernen Ort frei bewegen. In der Literatur ist zudem nachzulesen, dass sich der Markt der Telepräsenzrobotik nicht nur auf das 42 medizinische Anwendungsfeld beschränkt. Beispielsweise beschreibt Strickland (2013), wie die Teil- nahme via Telepräsenzroboter an internationalen Kongressen wahrgenommen wurde. Dies zeigt das Potenzial der Technologie für verschiedene Bereiche auf. Die technische Entwicklung der Robotik und die Möglichkeiten der künstlichen Intelligenz sind fas- zinierend und schaffen Interaktionsformen, welche heutzutage noch nicht realistisch erscheinen. Neuigkeiten in der Technologie-Szene lassen Zukunftsgedanken aufkommen. In China hat bei- spielsweise ein humanoider Roboter namens Xiao Yi erstmals die Zulassungsprüfung als Arzt be- standen (medinside, 2017). Die Autorin ist überzeugt, dass neben Telepräsenz- und Assistenzrobo- tern auch humanoide Roboter in die Praxis integriert werden können, sobald es die technische Ent- wicklung erlaubt, ethische Richtlinien konzipiert sowie rechtliche Fragestellungen geklärt worden sind. Zudem sollen die Bedürfnisse und Sichtweisen der Nutzer und Nutzerinnen bei der Entwicklung im Fokus stehen. Wohin sich der Telepräsenzmarkt entwickeln wird, lässt sich gespannt verfolgen. 43 Literaturverzeichnis Argyle, M. & Dean, J. (1965). Eye-contact, distance and affiliation. Sociometry, 28, 289-304. Auhagen, A.E. (2019). Interaktion. Spektrum – Lexikon der Psychologie. Zugriff am 26.05.2019 un- ter: https://www.spektrum.de/lexikon/psychologie/interaktion/7296. Beam. (2019). Say hello to Beam. Zugriff am 23.05.2019 unter: https://suitabletech.com/pro- ducts/beam. Becker, H. 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Presence, 7(3), 225-240. 47 Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Telepräsenzroboter (Beam, 2019) 5 Abbildung 2: Eigene dargestellte Form des Sender-Empfänger-Modells nach Shannon und Weaver (1949) 10 Abbildung 3: Modell Beam (beam, 2019) 17 Abbildung 4: Telepräsenzroboter für die Untersuchung (eigene Aufnahme) 17 Abbildung 5: Computer Interface Beam App (beam, 2019) 18 Abbildung 6: iPad Interface Beam App (eigene Aufnahme) 19 48 Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Risikoanalyse (mit Microsoft Excel erstellt) 20 Tabelle 2: Sampling (mit Microsoft Excel erstellt) 21 Tabelle 3: Bewertung Bild- und Tonqualität (mit Microsoft Excel erstellt) 28 Tabelle 4: Bewertung Zufriedenheit (mit Microsoft Excel erstellt) 32 49 Anhang A - Ablaufplan 1. Briefing Arzt Ort: Arztpraxis ▪ Information über Projekt und Ziel ▪ Installation App auf Smartphone oder iPad. ▪ Instruktion App für Steuerung Telepräsenzroboter ▪ Übungszeit, um mit der Steuerung vertraut zu werden ▪ Instruktion Ablauf Konsultation 2. Durchführung Erhebung Ort: Altersheim ▪ Eröffnung: - Begrüssung Bewohner - Informationen über Projekt und Ziel - Instruktion Ablauf - Unterschreibung Einwilligungserklärung ▪ Installation Telepräsenzroboter (Verbindung mit W-Lan) ▪ Durchführung ärztliche Konsultation zwischen Bewohner und Arzt über den Teleprä- senzroboter (circa 10 Minuten) ▪ Interview mit Bewohner (maximal 60 Minuten) 3.Interview Arzt Ort: Arztpraxis ▪ Unterschreibung Einwilligungserklärung ▪ Interview (maximal 60 Minuten) 50 B - Instruktion Bewohner / Bewohnerin für das Telepräsenzgespräch Ort: Büro, Altersheim Sie werden nun ein Gespräch mit Ihrem Arzt über den Telepräsenzroboter durchführen. Ich und die Pflegeperson werden das Zimmer nun verlassen. In einigen Minuten wird die Türe geöffnet und der Telepräsenzroboter fährt hinein und wird sich direkt vor Sie platzieren. Die Türe wird geschlossen und Sie befinden sich allein mit dem Telepräsenzroboter im Raum. Es wird eine Routinekonsultation durchgespielt. Ihr Arzt, welcher auf dem Bildschirm zu sehen ist und den Roboter steuert, wird Ihnen ein paar Fragen zu Ihrem gesundheitlichen Wohlbefinden stellen. Sie können darauf ganz natürlich antworten. Das Gespräch wird circa 10 Minuten dauern. Wie bereits erwähnt, wird dieses Gespräch nicht aufgezeichnet. Wenn das Gespräch beendet ist, können Sie ein Handzeichen machen. Ich und die Pflegeperson werden daraufhin wieder in das Zimmer kommen. Sie können das Gespräch jederzeit abbrechen, wenn Sie sich nicht mehr gut fühlen oder aus einem anderen Grund nicht mehr weiterfahren wollen. Wenn Sie das Gespräch abbrechen möchten, heben Sie kurz die Hand. Falls es ein technisches Problem mit dem Telepräsenzroboter geben sollte, bei- spielsweise wenn der Arzt nicht mehr zu sehen ist, können Sie ebenfalls ein Handzeichen machen. Haben Sie noch Fragen oder sonstige Anmerkungen? 51 C – Interviewleifaden Interviewleitfaden für ärztliche Fachperson Begrüssung und Vorstellung: - Begrüssung - Dank für die Gesprächsbereitschaft - Durchgehen des Dokumentes Schriftliche Information - Einverständniserklärung unterschreiben lassen Instruktion: - Ungefähre Dauer Interview: 1 Stunde - Daten Audiodateien werden aufgezeichnet, gelöscht nach Auswertung - Vertraulichkeit gewährleistet: Keine Rückschlüsse möglich auf Einzelpersonen - Bei den Antworten gibt es kein richtig oder falsch - Nehmen Sie sich jeweils Zeit bevor Sie eine Antwort geben - Möglichkeit Abbruch Interview 1. Wie bewerten Sie die Video-Bildqualität? War das Bild genügend gross/ scharf? War das Sichtfeld ausreichend gross? - Können Sie die Video-Bildqualität auf einer Skala von 1 – 10 einordnen? 1=sehr schlecht, 10=sehr gut. 2. Wie bewerten Sie die Audioqualität? - Können Sie die Audioqualität auf einer Skala von 1 – 10 einordnen? 1=sehr schlecht, 10=sehr gut. 3. Wie beurteilen Sie den Redefluss? Hat der Sprecherwechsel gut funktioniert oder gab es beispielsweise unangenehme lange Pausen? 4. Hatten Sie den Eindruck, dass die Kommunikation über den Telepräsenzroboter einen Ein- fluss auf ihren Einsatz von Körpergestik im Vergleich zu einem normalen Gespräch hatte? 5. Konnten Sie sich über den Telepräsenzroboter einen Eindruck vom gesundheitlichen Zu- stand des Patienten bilden? - Und im Vergleich zu einem normalen Gespräch? 6. Denken Sie, dass Sie in der Lage waren ein kompetentes Gespräch zu führen und einen kompetenten Eindruck hinterlassen konnten? 7. Hätten Sie während dem Gespräch die Unterstützung einer Pflegefachperson benötigt? 52 8. Welche Unterschiede haben Sie zu einem normalen Gespräch bemerkt? 9. Denken Sie, wäre das Gespräch anders verlaufen, wenn Sie anwesend gewesen wäre? 10. Was hat Ihnen im Vergleich zu einem normalen Gespräch gefehlt? 11. Haben Sie sich während dem Gespräch wohl gefühlt? Haben sie sich während dem Ge- spräch anders gefühlt als bei einem normalen? 12. Wie hat sich ihr Befinden während dem Gesprächsverlauf entwickelt? 13. Hat sich das Gespräch natürlich angefühlt? 14. Hat sich Ihr Gesprächspartner real angefühlt? 15. Fühlten Sie sich präsent am Ort des Geschehen? 16. Hatten Sie das Gefühl, als befinden Sie sich mit Ihrem Gesprächspartner im gleichen Raum? 17. Konnten Sie die Gefühlslage ihres Gesprächspartners wahrnehmen? 18. Hatten Sie den Eindruck, dass sich Ihr Gesprächspartner öffnen konnte? 19. Was habe Sie als störend empfunden? 20. Was hat besonders gut funktioniert? 21. Sind Sie mit dem Ergebnis des Gespräches zufrieden? - Können Sie Ihre Zufriedenheit auf einer Skala von 1 -10 bewerten? 1=sehr schlecht, 10= sehr gut. 22. Welche Erwartungen oder Befürchtungen hatten Sie vor dem Gespräch mit dem Teleprä- senzroboter? Inwieweit wurden Ihre Erwartungen oder Befürchtungen an die Gesprächs- führung erfüllt? 23. Könnten Sie sich die Arbeitsweise mit einem Telepräsenzroboter vorstellen? 24. Was denken Sie, in welchen spezifischen Situationen eignet sich die Gesprächsführung mit dem Telepräsenzroboter besonders gut? 25. Ist der Telepräsenzroboter für Routinekonsultationen gut einsetzbar? Wie beurteilen Sie das als Arzt? 26. Wo sehen Sie die Grenzen? 27. Wo sehen Sie mögliche Gefahren? 53 28. Wie stark sind Sie an der Thematik für neue Technologien im Gesundheitsberiech interes- siert? 29. Unterstützen Sie die Einführung von neuen Technologien? 30. Nutzen Sie Skype-Video-Telefonie oder Ähnlicheres? 31. Abschluss: Gibt es sonst noch etwas, was Sie mitteilen wollen? Wir sind nun am Ende angelangt. Wie haben Sie das Interview empfunden? Haben Sie noch Be- merkungen oder Fragen? Dank aussprechen! 54 Interviewleitfaden für Bewohnerin und Bewohner Intervieweröffnung Begrüssung und Vorstellung: - Begrüssung - Dank für die Gesprächsbereitschaft - Durchgehen des Dokumentes Schriftliche Information - Einverständniserklärung unterschreiben lassen Instruktion: - Ungefähre Dauer Interview: 1 Stunde - Daten Audiodateien werden aufgezeichnet, gelöscht nach Auswertung - Vertraulichkeit gewährleistet: Keine Rückschlüsse möglich auf Einzelpersonen - Bei den Antworten gibt es kein richtig oder falsch - Nehmen Sie sich jeweils Zeit bevor Sie eine Antwort geben - Möglichkeit Abbruch Interview 1. Wie bewerten Sie die Video-Bildqualität? War das Bild genügend gross/ scharf? War das Sichtfeld ausreichend gross? o Können Sie die Video-Bildqualität auf einer Skala von 1 – 10 einordnen? 1=sehr schlecht, 10=sehr gut. 2. Wie bewerten Sie die Audioqualität? o Können Sie die Audioqualität auf einer Skala von 1 – 10 einordnen? 1=sehr schlecht, 10=sehr gut. 3. Wie beurteilen Sie die Standortwahl des Arztes? 4. Wie beurteilen Sie den Redefluss? Hat der Sprecherwechsel gut funktioniert oder gab es beispielsweise unangenehme lange Pausen? 5. Wie beurteilen Sie die Erscheinung des Telepräsenzroboters? War das Gestell des Robo- ters störend? 6. Gibt es etwas was sie im Gespräch als Störend empfunden haben? Wenn ja was? 7. Was hat besonders gut funktioniert? 8. Sind Sie mit dem Ergebnis des Gespräches zufrieden? o Können Sie Ihre Zufriedenheit auf einer Skala von 1 -10 bewerten? 1=sehr schlecht, 10= sehr gut. 55 9. Welche Erwartungen oder Befürchtungen hatten Sie vor dem Gespräch mit dem Teleprä- senzroboter? Inwieweit wurden Ihre Erwartungen oder Befürchtungen an die Gesprächs- führung erfüllt? 10. Was hat der Begriff Roboter bei Ihnen ausgelöst? 11. Welche Unterschiede haben Sie zu einem normalen Gespräch bemerkt? 12. Was hat Ihnen im Vergleich zu einem normalen Gespräch gefehlt, was haben Sie ver- misst? 13. Denken Sie, wäre das Gespräch anders verlaufen, wenn der Arzt hier bei Ihnen gewesen wäre? 14. Hätten Sie sich bei einem normalen Gespräch anders verhalten? 15. Haben Sie sich während dem Gespräch wohl gefühlt? Haben sie sich während dem Ge- spräch anders gefühlt als bei einem normalen? 16. Wie hat sich das Befinden während dem Gesprächsverlauf entwickelt? 17. Hat sich das Gespräch natürlich angefühlt? 18. Hat sich der Arzt real angefühlt? 19. Hatten Sie im Vergleich zu einem normalen Gespräch das Vertrauen alles auszusprechen was Sie wollten? 20. Ist es Euch einfach gefallen persönliche Informationen über den Telepräsenz Roboter be- kannt zu geben? Wie ist es Ihnen dabei ergangen, persönliche Informationen über Ihre Gesundheit über den Telepräsenzroboter zu kommunizieren? 21. Hat Ihnen der Arzt über den Telepräsenzroboter einen seriösen und kompetenten Ein- druck gemacht? 22. Hatten Sie ein gutes Gefühl allein mit dem Telepräsenzroboter in einem Raum zu sein? 23. Hatten Sie das Gefühl, dass der Arzt wirklich hier bei Ihnen ist und nicht in einer Arztpraxis sitzt? 24. Hatten Sie das Gefühl, dass ein Mensch mit Ihnen im Raum spricht, oder fühlten Sie sich dennoch allein? 25. Denken Sie, könnten Sie sich an die Gesprächsführung mit dem Telepräsenzroboter ge- wöhnen? 26. Könnte Sie sich diese Art von Gespräch für weitere Konsultationen vorstellen? 56 27. Wo sehen Sie die Grenzen: In welchen Situationen möchten Sie ein persönliches Ge- spräch mit Ihrem Arzt? 28. Unterstützen Sie die Einführung von neuen Technologien/Techniken? Wie finden Sie das? 29. Nutzen Sie Skype-Video -Telefonie oder Ähnlicheres? 30. Abschluss: Gibt es sonst noch etwas, was Sie mitteilen wollen? Wir sind nun am Ende angelangt. Wie haben Sie das Interview empfunden? Haben Sie noch Be- merkungen oder Fragen? Dank aussprechen! 57 D –Transkriptionsregeln Transkribiert wird gemäss einfachen Transkriptionsregeln in Anlehnung an Kuckartz, (2007): 1. Es wird wörtlich transkribiert, also nicht lautsprachlich oder zusammenfassend. Vorhandene Dialekte werden nicht mit transkribiert. 2. Die Sprache und Interpunktion wird leicht geglättet, d.h. an das Schriftdeutsch angenähert. Bspw. wird aus „Er hatte noch so‘n Buch genannt“ -> „Er hatte noch so ein Buch genannt“. 3. Alle Angaben, die einen Rückschluss auf eine befragte Person erlauben, werden anonymi- siert. 4. Zustimmende bzw. bestätigende Lautäußerungen der Interviewer (Mhm, Aha etc.) wer-den nicht mit transkribiert, sofern sie den Redefluss der befragten Person nicht unter-brechen. 5. Lautäusserungen der befragten Person, die die Aussage unterstützen oder verdeutlichen (etwa Lachen oder Seufzen), werden nicht mit transkribiert. 6. Einwürfe der jeweils anderen Person werden in Klammern gesetzt. 7. Absätze der interviewenden Person werden durch ein „I“, die der befragten Person(en) durch ein eindeutiges Kürzel, z.B. „B“, gekennzeichnet. 8. Jeder Sprecherwechsel wird durch eine Leerzeile zwischen den Sprechern deutlich gemacht, um die Lesbarkeit zu erhöhen. 9. Bei Unsicherheit im Transkript markieren und nachfragen/ansprechen 58 E – Kodierbuch Legende: H: Hauptkategorie / S: Subkategorie Name der Kategorie Beschreibung Beispiel H Technische Qualität Zu dieser Hauptkategorie gehören alle Bewertungen und Aussagen, welche in Verbindung mit der Technik des Tele- präsenzroboters geäussert wurden. S Bildqualität Zu der Subkategorie Bildqualität gehö- «Ausser den zwei drei Stö- ren alle Aussagen über die visuelle rungen im Bild, ist es absolut Qualität. Dies beinhaltet u a. die Bild- gut gewesen, ja» (Interview schirmgrösse, Bild- und Farbqualität. B2: 3). S Tonqualität Zu dieser Subkategorie gehören alle «Ja, vielmals alles gut, aber Aussagen über die auditive Qualität. auch wieder nicht so gut. Da Dies beinhaltet u.a. die Tonqualität und musste ich nach vorne hören Lautstärke. gehen, was er meint.» (Inter- view B1: 12). S Erscheinung Telepräsenzro- Diese Subkategorie enthält Aussagen, «Aber es hat Euch auch boter wie die Bewohner das Aussehen bzw. nicht komisch getunkt oder die Optik des Telepräsenzroboters gruselig? (Interview I: 31). - empfunden haben. Nein, nein gar nicht. Nein, Nein» (Interview B1: 32). S Steuerung und Standpunkt Diese Subkategorie beschreibt wie die «Das funktioniert relativ ähn- Telepräsenzroboter ärztliche Fachpersonen die Steuerung lich wie alle Touchscreen des Telepräsenzroboters beurteilt ha- Sachen. Nein das hat mich ben und wie die ausgewählte Platzie- relativ, sehr praktisch ge- rung des Telepräsenzroboters für das tünkt» (Interview A2: 24). Gespräch empfunden wurde. «Nein, eigentlich nicht. Ist gut gewesen. Die Distanz habe ich gut gefunden. Es ist einfach der Ton, der nicht so […]» (Interview B1: 22). 59 H Präsenzempfinden Beinhaltet Aussagen zum Präsenz- «Ja, weil man einfach näher empfinden während dem Telepräsenz- ist beieinander. Es wird di- gespräches. Dazu gehören u.a. wie na- rekter reagiert. Mit dem Ge- türlich das Gespräch wahrgenommen rät ist ja doch immer eine wurden oder ob sich die ärztliche Fach- Distanz dazwischen. Hinge- person anwesend am örtlich distanzier- gen wenn man im gleichen ten Ort fühlte. Zimmer sitzt und miteinan- der redet ist das viel kommu- nikativer oder verbindend.» (Interview B2: 107). H Kommunikation Diese Hauptkategorie beinhaltet alle Aussagen zu der verbalen und nonver- bale Kommunikation und die Auswir- kungen auf die zwischenmenschliche Beziehung. S Körpersprache Diese Subkategorie fasst zusammen, «Ja, ich bin ansonsten schon wie die eigene und die Mimik, die Ges- jemanden, wo händelt und tik und die Körpersprache des Ge- da habe ich gemerkt, ja das sprächspartners wahrgenommen wur- bringt es irgendwie nicht so. den. Aber ich habe schon weniger Gestiken in diesem Sinn ge- habt, ja» (Interview A2: 30). S Gesprächsführung Diese Subkategorie beleuchtet, wie der «Von mir aus gesehen ist es Redefluss, der Sprecherwechsel und gut gegangen, ja. Wir haben die Feedback-Reaktionen des Ge- nicht einander hineingere- sprächspartners beurteilt wurden. det, das ist glaube ich gut ge- wesen, ja» (Interview B2: 21). S Beziehungsebene Die Subkategorie soll aufzeigen, wie «Also der Körper spielt si- sich die Kommunikation über den Tele- cher eine Rolle beim Ver- präsenzroboter auf die Arzt-Patienten- trauen, ja. Also wenn mich Beziehung auswirkt. Dazu gehören jetzt ein Arzt in Australien Aussagen zum Vertrauen, Ansprechen behandelt, ist das sicher we- emotionale Themen und der Empathie. niger vertrauensvoll als wenn wir zusammen im glei- 60 chen Büro sitzen und mitei- nander sprechen, finde ich so». (Interview B2: 87). H Befinden und Zufrieden- Diese Hauptkategorie fasst zusam- «Ich habe mich wohl gefühlt heit men, wie sich die Versuchspersonen aber im Stille habe ich mich während dem Telepräsenzgespräch geärgert, dass es nicht gut gefühlt haben und wie zufrieden Sie mit gegangen ist mit der Bilder dem Ergebnis des Telepräsenzgesprä- und […]» (Interview B1: 74). ches waren. H Grenzen Dese Kategorie beschreibt, wo die Pro- «Normale Routinechecks banden die Grenzen von der Teleprä- könnte man schon über das senzrobotik für die ärztliche Konsultati- Gerät machen. Aber wenn onen sehen und in welchen Situationen es etwas ganz Besonderes sie das persönliche Gespräch vorzie- wäre, glaube ich könnte man hen würden. Die Kategorie beinhaltet es nicht über das Gerät ma- zudem ausgesprochene Gefahren o- chen. Also wenn jetzt zum der Befürchtungen im Umgang mit dem Beispiel ein Todesfall ein- Telepräsenzroboter. trifft. Dann fände ich ein Ge- rät nicht gut, um darüber zu sprechen. […]» (Interview B2: 218). H Eignung Einsatz Teleprä- Diese Kategorie beschreibt, wann ein «Ja genau, klar. Ich merke senzroboter Telepräsenzgespräch als sinnvoll er- häufig, dass ich sage, ja ich achtet wird und in welchen Situationen will schnell vorbeikommen, sich der Einsatz von Telepräsenzrobo- ich will das kurz selbst se- tik besonders gut eignet. hen, oder. Und das würde si- cher ein Teil zumindest auf- fangen von diesem Bedürf- nis etwas selbst sehen zu wollen» (Interview A1: 130). H Vergleich Telepräsenzro- Diese Hauptkategorie soll aufzeigen, «Nicht sieht ja. Man sieht ja boter mit anderen Kom- wie die Versuchspersonen den Tele- auch nicht wie er reagiert im munikationsmitteln präsenzroboter mit anderen Medien Gesicht und so. Das sieht vergleichen. man nicht am Telefon, aber 61 im Gespräch sieht man das ja» (Interview B2: 141). H Einstellung und weiterer Dies Hauptkategorie beinhaltet Mei- «Ja, wenn es nicht anders Gebrauch nungen und Einstellungen gegenüber geht natürlich. Wenn ich et- neue Technologien und Aussagen was habe, dann muss ich es über den weiteren Gebrauch von Tele- ja sagen. Und dann ist halt präsenzrobotik das Gerät hier anstatt per- sönlich. […]» (Interview B1: 162). 62 F – Kodierungssystem 63