Die Gemeinde – das ideale Umfeld für Prävention und Gesundheitsförderung Möglichkeiten und Grenzen des Settings Gemeinde Prof. Carlo Fabian Zürcher Forum P&G - Gesunde Gemeinden – Institut Soziale Arbeit und Gesundheit ISAGE, 28. November 2022 HSA-FHNW carlo.fabian@fhnw.ch Leitfrage Weshalb ist die Gemeinde das wichtigste Setting für wirksame Gesundheitsförderung und Prävention? • Gemeinde – Sozialraum - Gesundheit • Setting • Partizipation • Erfolgsfaktoren Gesundheitsförderung und Prävention • Beispiele 2 xx • xx Plan vs. Realität Carlo Fabian June 21st 2016 3 3 Gesundheit «Gesundheit wird von Menschen in ihrer alltäglichen Umwelt geschaffen und gelebt: dort wo sie spielen, lernen, arbeiten und lieben.» -> Ottawa-Charta zur Gesundheitsförderung (World Health Organization 1986) 4 Zwei Betrachtungsweisen von Raum Absolutistisches Raumverständnis Der Raum ist ein Behälter / Container, welcher unabhängig von seinen gesellschaftlichen und sozialen Inhalten existiert. Relationales Raumverständnis Der Raum existiert nicht unabhängig von den Objekten, sondern wird erst durch die Beziehungen (Relationen) zwischen den Menschen und Gütern, die sich im Raum befinden, gebildet. -> Das soziale Verhalten und die sozialen Beziehungen im Raum sind massgeblich bestimmend. (Löw 2001) -> Sozialraum: öffentlicher Raum, Schule, Betrieb, … -> Setting 5 http://www.sandiego.gov/park-and-recreation/parks/regional/presidio/missionhills.sht6ml Foto: Christian Jaeggi 7 Foto: Christian Jaeggi 8 Sozialräumliche Gesundheitsförderung  Gesundheit ist ein Produkt der Wechselwirkungen zwischen dem Individuum und seiner Umwelt Determinanten der Gesundheit Social Model of Health (Dahlgren & Whitehead 1991) 9 Setting und Setting-Ansatz Definition Setting „Ein Setting ist ein Sozialzusammenhang, der relativ dauerhaft und seinen Mitgliedern auch subjektiv bewusst ist. Dieser Zusammenhang drückt sich aus durch formale Organisation (z.B. Betrieb, Schule), regionale Situation (z.B. Kommune, Stadtteil, Quartier), gleiche Lebenslage (z.B. Rentner/Rentnerinnen), gemeinsame Werte bzw. Präferenzen (z.B. Religion, sexuelle Orientierung) bzw. durch eine Kombination dieser Merkmale.“ (Rosenbrock & Hartung 2011) 10 Setting als … Rahmen des Geschehens Gegenstand der Intervention Gesundheitsförderung und Das gesundheitsfördernde / Prävention im Setting präventive Setting Das Setting bildet den Rahmen oder Die Bedingungen des Settings, die Bühne für die Intervention: welche sich auf die Gesundheit -> Erreichbarkeit, Identifikation. auswirken, werden verändert. Ausrichtung auf Gesundheit der Ausrichtung auf strukturelle Einzelpersonen. Entwicklungen. -> verhaltensorientiert -> verhältnisorientiert 11 Setting-Ansatz: Setting als Gegenstand der Intervention (Kilian, Geene & Philippi, 2004) 12 Partizipation erklärt am Beispiel von QuAKTIV: Entwicklung von kinderfreundlichen und naturnahen Freiräumen für und mit Kindern -> www.quaktiv.ch 13 •Akzeptanz, dass Kinder ExpertInnen ihrer Lebenswelt sind •Zugestehen, dass Kinder das Recht auf Meinungsäusserung haben Kindergerechte •Haltung, diese Meinungen aufnehmen und integrieren zu wollen •Mehrwert in partizipativen Prozessen zu sehen Gestaltungsprozesse? -> UN-Kinderrechtskonvention: Recht auf Meinungsäusserung Partizipation -> Europäische Charta: Beteiligung der Jugend am Leben der Gemeinden /Region) ist Methode und Haltung! Mitverantworten •Pflege Freiraum Mitentscheiden •Weiterentwicklung •Diskussionen Ebene Freiraum Mitwirken Kinder •Ideenfindung •Rückkopplungen Informieren •Planungsschritte «Planung» – Kinder •Gemeinsame •Verfahren •Umsetzungen Lösungen •Rolle Kinder •Rolle Erwachsene •Rahmenbedingungen •Anhörung 14 Partizipation und Gesundheit Förderung gesundheitsbezogener Faktoren • Empowerment & Autonomie: Aktivierung und Mobilisierung, Förderung von Selbstbestimmung und Selbstverantwortung • Selbstwirksamkeit : Konsequenzerwartung & Kompetenzerwartung. -> Hauptquellen: eigenes Erleben und Beobachtung • Kontrollüberzeugung (locus of control): internale und externale • Kohärenzgefühl • Verstehbarkeit: Kognitive Kompo. -> Nachvollzielbarkeit / Erklärbarkeit der Umwelt • Handhabbarkeit: kognitiv-emotionale Komponente ->Herausforderungen lösbar • Sinnhaftigkeit: emotionale Komponente -> Gefühl von sinnhaftem Leben (Fabian, 2016; Fabian & Huber, 2018) 15 Partizipation und Gesundheit Förderung gesundheitsbezogener Faktoren • Empowerment & Autonomie: Aktivierung und Mobilisierung, Förderung von Selbstbestimmung und Selbstverantwortung • Selbstwirksamkeit : Konsequenzerwartung & Kompetenzerwartung. -> Hauptquellen: eigenes Erleben und Beobachtung • Kontrollüberzeugung (locus of control): internale und externale • Kohärenzgefühl • Verstehbarkeit: Kognitive Kompo. -> Nachvollzielbarkeit / Erklärbarkeit der Umwelt • Handhabbarkeit: kognitiv-emotionale Komponente ->Herausforderungen lösbar • Sinnhaftigkeit: emotionale Komponente -> Gefühl von sinnhaftem Leben (Fabian, 2016; Fabian & Huber, 2018) 16 Präventionsprojekte in Gemeinden Evidenzbasierte Erfolgsfaktoren (Fabian, Neuenschwander &Geiser 2018,2021) Berichte, Flyer und Angebote für Gemeinden: -> Erfolgsfaktoren Prävention in Gemeinden – Gesundheitsförderung und Prävention (gesundheitsfoerderung-praevention.ch) Podcast «Gesundheit in Gemeinden fördern»: https://www.spectra-online.ch/de/spectra/news/podcast-nd17-lgesundheit-in- gemeinden-foerdernr-994-29.html. 17 Erfolgsfaktoren I Planungs- und Konzeptqualität Kriterien Konkretisierung, Beispiele Wissensbasierung Verwendung evaluierter Projekte/Programme Evidenzorientierung, "Grüne Liste Prävention"; CTC-Projekt Verwertung von lokalem Wissen Insiderwissen über Zielgruppen, Strukturen, Abläufe Kombination von Verhaltens- und Aufbau von Strukturen und Prozessen z.B. Runder Tisch, Verhältnisprävention Jugendschutz; Empowerment Zielgruppe z.B. Gesundheitskompetenz Thematische Öffnung Gleichzeitige Berücksichtigung mehrerer Themen; Multikomponentenprogramme, z.B. CTC Ressourcen Sicherstellung von zeitlichen, personellen/fachlichen und finanziellen Ressourcen 18 Erfolgsfaktoren II Strukturqualität Kriterien Konkretisierung, Beispiele Agenda-Setting Einbindung von Politik und Netzwerken; Commitment von politischen/behördlichen Entscheidungsträgern; politischer Support Vernetzung & Kooperation projekt- und fachbezogene Kooperationen relevanter kommunal, regional Anspruchsgruppen (Fachstellen, Politik, Behörden, Schulen, Elternschaft, Vereine) Netzwerkmanagement der politisch, zivilgesellschaftlich, fachlich (Schule, Elternschaft, Vereine, Subsettings Sport, Jugendarbeit, Sicherheit, med. Grundversorgung) Leadership lokale Verankerung, Fachlichkeit, Überzeugungskraft/Begeisterungsfähigkeit 19 Erfolgsfaktoren III Prozessqualität Kriterien Konkretisierung, Beispiele Partizipation frühzeitige Einbindung aller relevanter Akteure inkl. Zielgruppe; hoher Grad an Partizipation (Stufe Mitbestimmung!) Informationsfluss / Transparenz, Massnahmen für den regelmässigen Austausch der Kommunikation relevanten Anspruchsgruppen Öffentlichkeitsarbeit / Medien Sichtbarkeit von Massnahmen und (Teil-) Erfolgen kommunal, regional; Sicherstellen der medialen Aufmerksamkeit Professionalisierung / Schulung der beteiligten/verantwortlichen Akteure; Sicherstellung Fachbegleitung einer kontinuierlichen Fachbegleitung; Einbindung von Fachstellen 20 Erfolgsfaktoren IV Ergebnisqualität Kriterien Konkretisierung, Beispiele Lokale Bedarfsanalysen wissenschaftlich und/oder pragmatisch basierte Bedarfserhebungen; Einbindung von Schlüsselpersonen und Zielgruppen, z.B. CTC, bedarfserhebung.ch Multikomponentenansatz Umsetzung vernetzter, umfassender Projekte in den Subsettings (Schule, Vereine, Freizeit, Sport, Jugend- und Kinderangebote) Nutzung und Weiterentwicklung bestehender Netzwerkstrukturen Nachhaltigkeit Sicherstellung von dauerhaften Strukturen und Prozessen; z.B. Fachgremium für Gesundheits- und Präventionsfragen mit Vertretungen aller Anspruchs- und Zielgruppen; Standardisierte/kontinuierliche Schulungsangebote; Befähigung, Professionalisierung und Fachbegleitung 21 Partizipation (Neuenschwander & Fabian 2019 , nach M. Wright et al. 2010) − Partizipation als Prozess − Partizipation / Empowerment als Werthaltung und Arbeitsweise − Ziel: Betroffene werden zu Beteiligten 22 Good Practice-Kriterien Prävention von Jugendgewalt in Familie, Schule und Sozialraum Fabian, Käser, Klöti & Bachmann 2014 -> Good-Practice-Kriterien – Prävention von Jugendgewalt (zh.ch) 23 Projektmanagement - Der Projektzyklus und seine Arbeitsphasen (Fabian et al., 2014) 24 Good-Practice-Kriterien bereichsübergreifend • Prosoziale Werte entwickeln und leben • Partizipation der Betroffenen sicherstellen • Beziehungsarbeit als zentrales Element definieren • Professionalität in der Gewaltprävention gewährleisten • Sozialraumorientierung und Kooperation der Akteure fördern 25 Beispiel: Partizipative Methode in einer Gemeinde (Fabian et al. 2010; -> Bedarfserhebung | RADIX Schweizerische Gesundheitsstiftung) 26 Ergebnis eines partizipativen Präventionsprozesses: Plakate durch Kinder entwickelt, mit Unterstützung professioneller Grafik 27 Fachseminar 2023: Intergenerationelle Projekte: partizipativ und gesundheitsfördernd https://www.fhnw.ch/g63 28 Literatur (Auswahl) Fabian, Carlo (2010). Erhöhung der Chancengleichheit. Früherkennung und Frühintervention in Schulen und Gemeinden. In: SozialAktuell. S. 42 – 44. Fabian, C., Drilling, M., Niermann, O., & Schnur, O. (2017). Quartier und Gesundheit – Klärungen eines scheinbar selbstverständlichen Zusammenhangs. In C. Fabian, M. Drilling, N. Olivier, & O. Schnur (Eds.), Quartier und Gesundheit. Impulse zu einem Querschnittsthema in Wissenschaft, Politik und Praxis (pp. 9-37). Wiesbaden: VS Verlag Fachmedien. Fabian, C., & Huber, T. (2019). Participating in creating open spaces with and for children - A kind of participatory action research? In I. R. Berson, M. J. Berson, & C. Gray (Eds.), Participatory Methodologies to Elevate Children’s Voice and Agency (pp. 153-179): Information Age Publishing IAP. Fabian, C., Huber, T., Käser, N., & Schmid, M. (2016). Naturnahe Freiräume für Kinder und mit Kindern planen und gestalten. Grundlagen, Vorgehensweise und Methoden. Praxishilfe. Basel: FHNW. -> siehe auch quaktiv.ch Fabian, Carlo; Käser, Nadine; Klöti, Tanja; Bachmann, Nicole (2014). Leitfaden. Good-Practice-Kriterien Prävention von Jugendgewalt in Familie, Schule und Sozialraum. Bern: Bundesamt für Sozialversicherungen. -> https://www.zh.ch/content/dam/zhweb/bilder- dokumente/themen/bildung/informationen-fuer-schulen/praevention-sicherheit/gewaltpr%C3%A4vention/praevention_jugendgewalt_leitfaden.pdf Kilian, Geene & Philippi, 2004 in: Gesunde Lebenswelten schaffen, Heft 1. BZgA. -> https://www.in-form.de/nc/profiportal/in-form- presse/medien/arbeitshilfen-fuer-projektnehmer.html?tx_drblob_pi1%5BdownloadUid%5D=62 Klöti, Tanja; Fabian, Carlo; Drilling, Matthias (2012). Sozialräume: verstehen gestalten verteidigen. In: SuchtMagazin. (6). S. 4 – 11. World Health Organization (1986): Ottawa Charter for Health Promotion. Geneva. URL: Ottawa-Charta zur Gesundheitsförderung, 1986 (who.int) 29