Im Jahr 2002 bezeichneten sich gemäss einer Studie von Cap Gemini Ernst & Young 54 Prozent der US-Unternehmen als zufrieden mit ihren Outsourcing-Lösungen. 10 Jahre früher hatte dieser Wert noch über 80 Prozent gelegen. Die Analyse der Ursa- chen dieses markan- ten Rückgangs ergab ein ernüchterndes Bild: Es wurden die falschen Dinge aus fal- schen Überlegungen mit falschen Mitteln ausgegliedert. Die Gründe für diesen massiven Rückgang liegen beim Markt Der Outsourcing-Markt ist ein Käufer- markt. Es verwundert deshalb nicht, dass der Preis ein dominantes Merkmal im Wett- bewerb der Anbieter darstellt. Ob dieser Um- stand die Ursache für das Verhalten der Nachfrager oder dessen Folge darstellt, ist schwer zu beurteilen. Tatsache ist, dass vor- wiegend Outsourcing gefragt ist, welches eine Kostenreduktion zur Folge hat. Wieso sollte ein Unternehmen sonst auslagern? Damit ist die Frage nach dem Ziel und Zweck einer Outsourcing-Massnahme gleich zu Beginn abgehandelt. Man braucht nur noch die geeigneten Ob- jekte zu identifizie- ren, mit denen eine Kostenreduktion er- zielbar ist. Diese Wahl wird in der Praxis oft durch das vorhandene Angebot bestimmt. Womit gleich zwei weitere Fragen auf die Schnelle beantwortet sind: Wie und was ausgelagert werden soll. Läuft ein Outsourcing-Entscheid tatsäch- lich nach diesem Schema ab, darf es nicht verwundern, wenn er zum eingangs zitier- ten Ergebnis führt: Das Falsche wurde mit falschen Erwartungen und mit falschen Me- thoden outgesourct. Das Was und Wozu unabhängig vom Wie klären Deshalb sollte man IT-Outsourcing ange- hen, ohne zu Beginn an IT und Outsourcing Alles falsch gemacht beim IT-Outsourcing? Mit IT-Outsourcing-Lösungen kann man nicht gleichzeitig Kosten sparen, die Qualität erhöhen und sich auch noch für zukünftige Entwicklungen alle Optionen freihalten. Walter Dettling 9 Trends, Thesen, Strategien Grafik 1: Matrix für die Unterscheidung zwischen operativen und strategischen Massnahmen «Es ist vorwiegend Outsourcing gefragt, welches eine Kosten- reduktion zur Folge hat.» Prof.Dr.Walter Dettling ist Leiter des Instituts für angewandte Betriebsökonomie IAB an der Fachhochschule beider Basel FHBB walter.dettling@fhbb.ch im engeren Sinn zu denken. Die IT dient in den meisten Unternehmen als Support für die verschiedensten Prozesse. In den wenigs- ten Unternehmen ist die IT identisch mit den Kernprozessen. Aus diesem Grund ist eine strategische Projektplanung nicht aus IT-Sicht, sondern aus Unternehmenssicht anzugehen. Die Fragen nach dem Was und Wozu von Massnahmen sollte man in einer ersten Phase unabhängig vom Wie beant- worten. Erst wenn die strategischen Ziele bekannt sind, sollte man darüber nachdenken, wie diese erreicht werden können. Im Folgenden soll eine Methode vorgestellt werden, die vier Faktoren berücksichtigt, welche gegen- seitig voneinander abhängig sind: – Kosten, – Nutzen, – Risiken und – Flexibilität. Das Modell zur Entscheidung von Investi- tionsmassnahmen (vgl.Grafik 1) unterschei- det zwischen der operativen und der strate- gischen Bedeutung von Massnahmen. Dabei wird vorausgesetzt, dass diese beiden Dimensionen gegenseitig voneinander ab- hängig sind. Daraus ergeben sich vier Berei- che, in denen Massnahmen vorgenommen werden können. Die Strategie muss den Zielsetzungen und der Kultur des Unternehmens entspre- chen, die Produktion der Strategie. Die Unternehmensentwicklung sichert die Exis- tenz des Unternehmens in der Zukunft. Der Support muss fehlerfrei funktionieren, er darf keine Geschäftsabläufe und erst recht nicht die Unternehmensstrategie be- stimmen. Kernprozesse unterstützen Nach den heute gängigen Begriffen lässt sich dieses Schema noch verfeinern, indem In- vestitionen den folgenden drei Gruppen zugeordnet werden: ablauforientiert, pro- zessorientiert und marktorientiert (vgl. Grafik 2). Die Lage eines Investitions- vorhabens in der Matrix gibt an, in welchem Bereich es seine dominante Wirkung haben soll. Das bedeutet aber nicht, dass beispielsweise eine Supportaufgabe für den reibungslosen Ablauf der Kernprozesse keine Bedeutung haben kann. Die Supportaufgabe ist optimal gelöst, wenn sie den Kernprozess vollum- fänglich unterstützt. Müssen sich hingegen die Kernprozesse den Möglichkeiten des Supports anpassen, besteht ein Problem mit dem Support. Oben rechts in der Matrix befinden sich Projekte, welche vor allem nach aussen im Markt wirken. Die Projekte im breiten Band in der Mitte haben eine Wirkung auf die Kernprozesse, wobei die Lage innerhalb des Bandes von Bedeutung ist. Rechts unten sind Flexibilität und Risiko gross, oben links steht die Zuverlässigkeit im Vordergrund. Unten links kommen die Projekte mit ge- ringem Hebel zu liegen, das heisst solche, die vor allem extern keine grosse Wirkung haben. Matrix hilft bei Zieldefinition Die Motivation für ein Outsourcing-Projekt kann sehr unterschiedlich sein. Die in Gra- fik 3 genannten Beispiele sind sehr allge- mein gehalten und geben einen Hinweis auf den möglichen Zweck einer Outsourcing- Massnahme. Wie bereits eingangs erwähnt, wird Outsourcing sehr oft als Massnahme zur Kostensenkung verstanden. Dies betrifft in der Matrix die lin- ke untere Ecke, also den Bereich, wo der Hebel am geringsten ist. Unten rechts, bei der Unternehmens- entwicklung, gehört beispielsweise die Re- duktion der Kapitalbindung durch Flexibili- sierung der Kapazitäten hin. Die Ausgliede- rung der Absatzkanäle ist ohnehin gang und gäbe und wird in vielen Branchen nicht als Outsourcing-Massnahme verstanden. 10 Trends, Thesen, Strategien Grafik 2: Markt-, prozess- oder ablauforientiert – welche Wirkung soll ein Investitionsvorhaben entfalten? Grafik 3: Meist wird IT-Outsourcing einzig als Massnahme zur Kostensenkung betrachtet – obwohl in diesem Bereich der Hebel am geringsten ist «Die Supportaufgabe ist optimal gelöst, wenn sie den Kernprozess voll- umfänglich unterstützt.» Klassische Optimierungsfrage Jedes Outsourcing-Projekt kann anhand der bereits genann- ten Kriterien Kos- ten, Nutzen, Risi- ken und Flexibilität bewertet werden (vgl. Grafik 4). Bei der Positionie- rung eines Projektes geht es darum, diese vier Kriterien gegeneinander abzuwägen. Es handelt sich also um eine klassische Opti- mierungsfrage. Je weiter das Projekt vom Zentrum weggeht, desto ausgeprägter wer- den gewisse Merkmale sein. Die wohltem- perierte Mitte ist durchaus auch eine mög- liche Variante, jedenfalls eine, die in der Praxis recht häufig vorkommt. Es fragt sich aber, ob ein Projekt, das weder Kosten, Nut- zen, Risiko noch Flexibilität massgeblich verändert, überhaupt eine Wirkung erzielen kann. Die Pfeile in Abbildung 4 veranschau- lichen, dass jeder Vorteil seinen Preis hat. Die Maximierung eines der vier Faktoren bedeu- tet also zwingend Abstriche bei anderen Fak- toren. – Projekte oben links sind solche, die das Kerngeschäft betreffen und in der Regel mit möglichst geringem Risiko ausgestat- tet werden. Risikominimierung bedeutet in der Regel höhere Kosten. – Projekte im unteren linken Quadranten sind solche, die einen beschränkten Ein- fluss auf die Kerngeschäfte oder gar den Markt haben. Hier geht es primär um eine Kostenreduktion. Wirkung am Markt, das heisst strategisch bedeutsamer Nutzen, darf hier nicht erwartet werden. – Im rechten unteren Quadranten können fast alle vergange- nen E-Business- Initiativen versorgt werden. Man sollte solche Projekte als Optionen bezeich- nen, sie sind Inves- titionen, die auf zukünftige Entwick- lungen setzen. Richtig eingesetzt, werden sie im Idealfall in den rechten oberen Quadranten wechseln und zu einem kompetitiven Marktvorteil führen. – Am sympathischsten sind die Projekte oben rechts, hier winkt ein hoher Return on Investment. Profite und Verbesserung der Marktposition können in diesem Be- reich erzielt werden. Doch zu welchem Preis? Obwohl es nicht gratis ist, kann man es nicht kaufen. Jedes erfolgreiche Unter- nehmen hat solche Werte und ist ständig dabei, sie zu erhalten und zu fördern. Auch hier kommt es letztlich auf den rich- tigen Mix an. Mittel zum Zweck Die bisherigen Überlegungen haben in kei- ner Weise die spezifischen Anforderungen der Informatik berücksichtigt. Wenn man die Informatik als Mittel zum Zweck ver- steht, ist das auch gerechtfertigt. Die ent- scheidende Frage ist, welche Erwartung ein Unternehmen an seine Prozesse stellt. Falls die aktuellen Prozesse alle Erwartungen er- füllen, gibt es keine Gründe, etwas daran zu ändern oder auszulagern. Falls aber Veränderungen notwendig sind, muss zuerst entschieden werden, welche Verän- derungsziele erreicht werden sollen. Erst dann kann die Frage nach dem Wie beant- wortet werden. Nun wird man sich damit be- fassen können, welche Rolle dabei die Infor- matik einnimmt, ob die Veränderung intern herbeigeführt werden soll oder zusammen mit einem Outsourcing-Partner realisiert wird. Es gibt Angebote für das Outsourcing der gesamten Informatik sowie die Möglichkeit, lediglich Teile davon auszulagern. Die Leis- tungsanbieter werden ihre Angebote mit guten Argumenten verkaufen und für jede Variante überzeugende Vorteile nachweisen können. Die entscheidende Frage für den Outsourcing-Kunden stellt sich aber bei der Positionierung einer solchen Lösung in sei- nem strategischen Portfolio. Solange er pri- mär die Kostensicht forciert, befindet er sich unten links im Bewertungsschema, und das Unternehmen tut gut daran, nicht noch wei- tere Erwartungen in diese Lösung zu proji- zieren. Doch weshalb sollte ein Unternehmen die Informatik grundsätzlich verändern wollen, ausser um Kosten zu sparen? Existieren wei- tere Gründe für ein Outsourcing? Mit «Trans- formational Outsourcing» wollen Unterneh- men Kernprozesse erneuern oder einführen. Dabei besteht die Erwartung, dass dies ein- facher und schneller geht, als wenn man es «in-house» versucht. Das kann durchaus ge- lingen, man sollte sich aber bewusst sein, dass mit einem solchen Projekt kaum Kosten gespart werden können und unter Umstän- den auch Risiken eingegangen werden. Fazit Bevor sich ein Unternehmen mit Out- sourcing-Angeboten beschäftigt, tut es gut daran, seine Bedürfnisse zu identifizieren. Das Was und Wozu eines IT-Outsourcings ist zwingend vor dem Wie einer solchen Mass- nahme zu klären. Im Weiteren ist zu be- denken, dass man mit IT-Outsourcing- Lösungen nicht gleichzeitig Kosten sparen, die Qualität erhöhen und sich auch noch für zukünftige Entwicklungen alle Optionen freihalten kann. Solche Projekte gehören in die eingangs erwähnte Kategorie von Pro- jekten, die mit falschen Erwartungen und falschen Mitteln die falschen Resultate liefern. 11 Trends, Thesen, Strategien Grafik 4: Bewertung von Outsourcing-Projekten nach Kosten, Nutzen, Risiken und Flexibilität – am interessantesten sind die Projekte oben rechts «Das Was und Wozu eines IT-Outsourcings ist zwingend vor dem Wie einer solchen Mass- nahme zu klären.»