Ralf Wölfle/Petra Schubert (Hrsg.) Integrierte Geschäftsprozesse mit Business Software Praxislösungen im Detail Fallstudien Konzepte Modellierung Das Kompetenzwerk der Schweizer Fachhochschulen für E-Business und E-Government Die in diesem Buch enthaltenen Fallstudien wurden für den eXperience 2005 Event in Basel erstellt. Sie wurden wissenschaftlich aufbereitet durch E-Business- Experten der Universität München, der Universität Freiburg (CH), der Fachhoch- schule beider Basel, der Fachhochschule Aargau, der Fachhochschule St. Gallen, der Hochschule für Technik und Informatik (Berner Fachhochschule), der Hoch- schule für Wirtschaft (Fachhochschule Zentralschweiz) sowie von Experten aus der Praxis. Die Ecademy (www.ecademy.ch), das Kompetenznetzwerk der Schweizer Fachhochschulen für E-Business und E-Government, hat durch ihre ideelle und finanzielle Unterstützung zur erfolgreichen Erstellung dieser Publikati- on beigetragen. www.hanser.de Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, auch die der Übersetzung, des Nachdruckes und der Vervielfältigung des Buches, oder Teilen daraus, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form (Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) – auch nicht für Zwecke der Unterrichtsgestaltung – reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, verviel- fältigt oder verbreitet werden. © 2005 Carl Hanser Verlag München Wien Redaktionsleitung: Lisa Hoffmann-Bäuml Herstellung: Ursula Barche Umschlaggestaltung: Wolfgang Perez, büro plan.it Datenbelichtung, Druck und Bindung: Kösel, Krugzell Printed in Germany ISBN 3-446-40319-1 Vorwort Die Aufgabe von Business Software ist es, mit Hilfe von Informationstechnologie effizientere Wertschöpfungsprozesse zu ermöglichen. Die bekannteste und in der Praxis am weitesten verbreitete Ausprägung von Business Software ist das ERP- System (Enterprise Resource Planning). Ein ERP-System ist eine modular aufge- baute, betriebswirtschaftliche (Standard)software, die je nach Umfang bereits ei- nen hohen Integrationsgrad innerhalb einer Organisation bewirkt. Technologien und Komponenten des E-Business (Einsatz von Internetprotokollen) haben diesen Rahmen erweitert und machen es möglich, die jeweilige Organisation innerhalb einer Unternehmensgruppe oder Wertschöpfungskette unternehmensübergreifend zu integrieren. Es sind technische Innovationen, die die Neugestaltung der Geschäftsprozesse mit Business Software anregen. Aber auch zehn Jahre nach dem Aufkommen erster Onlinelösungen mit Internettechnologie lassen sich keine allgemeingültigen Aus- sagen über sinnvolle Anwendungen oder Vorgehensweisen machen. Die unter- schiedlichen Ziele und Mentalitäten der Beteiligten, verschiedene Prozessgewohn- heiten und Informatikinfrastrukturen bewirken die hohe Komplexität des Themas Geschäftsprozessintegration. So muss jede Branche und in jeder Branche jedes Unternehmen in seinem eigenen Umfeld schauen, was sinnvoll und machbar ist. Aber die Unternehmen warten nicht einfach ab. An vielen Orten sind neue Lösun- gen und Fortschritte zu beobachten, kleine Unternehmen wie grosse suchen und finden ihre individuelle Antwort auf die Anforderungen und Möglichkeiten in einer zunehmend vernetzten Wirtschaft. Die in diesem Buch dokumentierten Fallbeispiele zeigen, wie die beschriebenen Organisationen ihre Entscheide gefällt haben und wo die Chancen und Risiken derartiger Softwareprojekte liegen. Diese exemplarischen Fälle können allerdings nicht das gesamte Spektrum an Potenzialfeldern abdecken. Mit den vier Themen „ERP-basierte E-Shops“, „Supply Chain Management in der Lebensmittelbran- che“, „Logistiknetzwerke und Plattformen“ und „Integrierte Serviceprozesse im Maschinen- und Anlagenbau“ wurden Bereiche ausgewählt, die heute zu den füh- renden Treibern für Business-Software-Projekte gehören. In ihren einleitenden Artikeln stellen die Herausgeber die übergeordnete Thematik und die Methodik des Buchs vor. Fachartikel von ausgewiesenen Experten behan- deln die vier Fokusthemen. 13 Fallstudien zeigen auf, wie Unternehmen in ver- schiedenen Branchen mit unterschiedlichen Ansätzen ERP- und E-Business- Projekte realisiert haben. Die in den Fallstudien dokumentierten Erfahrungen sol- len Entscheidungsträgern Anregungen geben, in welchen Bereichen eine Integrati- on von solchen Systemen ökonomisch und technisch sinnvoll sein kann. Die Kapi- tel werden jeweils durch eine Schlussbetrachtung abgerundet. Die Haupterkennt- nisse aus den Beiträgen werden in einem Schlusskapitel zusammengefasst. Die porträtierten Organisationen stammen aus der Schweiz, aus Deutschland und aus Liechtenstein. Zu Beginn des Selektionsprozesses erfolgte ein Aufruf zur Teil- nahme über eine offene Online-Ausschreibung (Call for Cases), gefolgt von einer sorgfältigen Evaluation durch das Kompetenzzentrum für IT-Management und E-Business der Fachhochschule beider Basel unter der Leitung der beiden Heraus- geber Ralf Wölfle und Prof. Dr. Petra Schubert. Die Autoren der Fallstudien sind Experten für IT-Management aus schweizeri- schen Hochschulen. Einige Experten sind Dozierende in Mitgliederschulen der Ecademy, dem anerkannten Schweizer Kompetenznetzwerk für E-Business und E-Government (www.ecademy.ch). Acht der dokumentierten 13 Fallstudien wur- den im September 2005 am eXperience Event in Basel einem interessierten Publi- kum von den Projektverantwortlichen und Autoren vorgestellt. An dieser Stelle möchten die Herausgeber allen Personen danken, die in irgendei- ner Weise einen Beitrag zum Entstehen des Buchs geleistet haben: Den Autoren danken wir für ihr Engagement bei den Recherchen und dem Verfassen der einzel- nen Beiträge. Den Unternehmen und ihren Vertretern gilt ein besonderer Dank für ihre Bereitschaft, Wissen und Erfahrungen der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Im Weiteren danken wir den verschiedenen Sponsoren für die Unterstüt- zung des Events und speziell der Ecademy, die dieses Buch massgeblich mitfinan- ziert hat. Zu guter Letzt danken wir der Fachhochschule beider Basel für die wohlwollende Unterstützung dieses Projekts. Ein besonderer Dank geht an Ruth Imhof, die hinter den Kulissen die Projektleitung für die Organisation dieses Projekts inne hatte sowie an Christine Lorgé und Cornelia Bolliger, durch deren unermüdliches, kriti- sches Auge alle Beiträge beim Korrekturlesen gingen. Basel, im September 2005 Ralf Wölfle und Petra Schubert Inhalt I Inhalt Ralf Wölfle Integrierte Geschäftsprozesse mit Business Software.............................................. 5 Petra Schubert und Ralf Wölfle eXperience-Methodik zur Dokumentation von Fallstudien................................... 15 ERP-basierte E-Shops Fachbeitrag Beat Bussmann Die Verschmelzung von Business Software und E-Commerce............................. 27 Fallstudien Rainer Endl Waser Bürocenter AG: Onlineshop mit direkter ERP-Anbindung (Polynorm Software AG)....................................................................................... 35 Michael Pülz Geschenkidee.ch GmbH: Prozess- und Logistikintegration (insign gmbh)........... 49 Marcel Siegenthaler Büro Schoch direct AG: Ein Webshop für Bürobedarf (Dynasoft AG) ................ 61 Schlussbetrachtung Petra Schubert Schlussbetrachtung: ERP-basierte E-Shops........................................................... 71 II Inhalt Supply Chain Management in der Lebensmittelbranche Fachbeitrag Werner Lüthy Supply Chain Management in der Lebensmittelbranche ....................................... 73 Fallstudien Daniel Risch Fresh & Frozen Food: B2B-Integration in der Lebensmittelbranche (Inspirion AG) ....................................................................................................... 81 Pascal Sieber Pasta Premium AG: Kundenorientierung in der Logistik (Informing AG) ........... 95 Christian Mezger, Henrik Stormer Schwab-Guillod AG: Auftragslogistik mit E-Shop (data dynamic AG) ............. 111 Schlussbetrachtung Ralf Wölfle Schlussbetrachtung: SCM in der Lebensmittelbranche ....................................... 123 Logistiknetzwerke und Plattformen Fachbeitrag Andreas Steiner, Roger Gatti Logistiknetzwerke und Plattformen..................................................................... 125 Fallstudien Dieter Spahni Klinikum der Stadt Ludwigshafen: E-Procurement im Spital (NOVAREI AG/Ramco Systems AG)................................................................. 135 André Rogger fenaco: Integrations- und Kommunikationsplattform AGRONET (Bison Group) ...................................................................................................... 151 Michael Koch Vögtli Bürotechnik AG: Webshop und Marktplatzanbindung (Prime Vision AG)............................................................................................... 165 Inhalt III Schlussbetrachtung Petra Schubert Schlussbetrachtung: Logistiknetzwerke und Plattformen.................................... 179 Integrierte Serviceprozesse im Maschinen- und Anlagenbau Fachbeitrag Christine Legner Integriertes Service Management ........................................................................ 181 Fallstudien Ralf Wölfle Bystronic Glas: ERP-Einführung – mit Schwerpunkt Kundendienst (itelligence AG) ................................................................................................... 189 Rolf Gasenzer Sixmadun AG: Mobile Servicelösung für Aussendiensttechniker (syfex ag) ..... 213 Raphael Hügli Wetrok AG: Mobile Servicelösung für den Technischen Kundendienst (SAP Schweiz AG) .............................................................................................. 229 Gabriele Schwarz Hoval AG: Mobile Asset Management für Service-Mitarbeitende (SAP Schweiz AG) .............................................................................................. 243 Schlussbetrachtung Ralf Wölfle Schlussbetrachtung: Integrierte Serviceprozesse im Maschinenbau.................... 257 Petra Schubert Prozesse integrieren: Erkenntnisse aus den Fallstudien....................................... 259 Literaturverzeichnis ............................................................................................ 275 Kurzprofile der Herausgeber und Autoren ......................................................... 279 5 Geschenkidee.ch GmbH: Prozess- und Logistikintegration Michael Pülz Die Geschenkidee.ch GmbH in Glattbrugg ist die führende Onlineanbieterin von Geschenkartikeln in der deutschsprachigen Schweiz. Ein starkes Wachstum inner- halb kürzester Zeit stellte eine Herausforderung dar, die durch die beschriebene E- Commerce Lösung gemeistert werden musste. Im Zentrum standen dabei die enge Integration der E-Shop-Software mit der ERP-Software sowie die Einbindung der Lieferanten und weiterer Geschäftspartner. Hierdurch entstand eine integrierte IT- Infrastruktur, die den Anforderungen gewachsen ist und die auch weiterhin mit den geschäftlichen Gegebenheiten mitwachsen kann. Folgende Personen waren an der Bearbeitung dieser Fallstudie beteiligt: Tab. 5.1: Mitarbeitende der Fallstudie Ansprechpartner Funktion Unternehmen Rolle Simon Häusermann Mitglied der Ge- schäftsleitung Geschenk- idee.ch GmbH Lösungsbetreiber Lukas Gschwind Marketing und Pro- jekte insign gmbh IT-Partner Michael Pülz Dozent FHBB Autor Die beschriebene Lösung ist unter der Domain www.geschenkidee.ch zugänglich. 50 Geschenkidee.ch GmbH: Prozess- und Logistikintegration 5.1 Das Unternehmen 5.1.1 Hintergrund Die Firma Geschenkidee.ch GmbH (Glattbrugg) wurde im Jahr 2002 gegründet. Sie ging aus einer Partnerschaft zwischen einem jetzigen Mitinhaber und der Firma insign gmbh hervor, die in dieser Fallstudie als IT-Partner beschrieben wird. Die Idee der Firmengründung beruhte auf eigenen Bedürfnissen der Beteiligten, im WWW Unterstützung bei der Suche nach Geschenken zu erhalten. Über das Portal Geschenkidee.ch werden den Besucherinnen und Besuchern phantasievolle Ge- schenke für verschiedenste Anlässe angeboten. Das Unternehmen beschäftigt zehn Mitarbeitende im Bereich Geschäftsführung, Administration, Lager und Laden. Es herrscht eine junge und offene Kultur mit direkter Kommunikation. 5.1.2 Branche, Produkt und Zielgruppe Der Markt der Geschenke kann als ein Nischenmarkt betrachtet werden. Ge- schenkidee.ch GmbH verfügt über ein breites Sortiment von circa 10'000 Artikeln im Preisbereich zwischen 10.- und 500.- CHF, wobei circa 8'000 davon Parfüme bzw. Pflegeprodukte sind. Unter den Produkten befinden sich eine Reihe bekann- ter Marken, wie z.B. Sprüngli, Navyboot und Caran d’Ache. Seit der Firmengründung erfuhr die Firma ein starkes Wachstum, nicht zuletzt durch die zunehmende Akzeptanz des Internets. Der Umsatz hat sich jährlich ver- doppelt. Das Angebot konzentriert sich auf die deutschsprachige Schweiz. 90 Prozent der Kunden gehören dem B2C-Bereich an. 10 Prozent sind B2B-Kunden, die Werbeartikel nachfragen. Hier ist eine steigende Tendenz festzustellen. Das typische Alter der B2C-Kunden liegt zwischen 20 und 40 Jahren. 5.1.3 Unternehmensvision Die Geschenkidee.ch GmbH möchte ihre Marktführerschaft im Bereich Geschenke weiter ausbauen. Die „Kunst zu schenken“ steht dabei bei allen Tätigkeiten im Vordergrund. Geschenkidee.ch ist nicht nur ein weiteres Einkaufscenter, sondern bietet dem Suchenden von Geschenken Beratung und weitere Dienstleistungen, die das Schenken so einfach wie möglich machen sollen. Der Auslöser des Projekts 51 5.2 Der Auslöser des Projekts 5.2.1 Stellenwert von E-Business in der Unternehmensstrategie Von Anfang an bildete der E-Commerce den zentralen Verkaufskanal für Ge- schenkidee.ch. Die Firma ist aus einer Geschäftsidee und der Möglichkeit, diese technologisch umzusetzen, erwachsen. Die Firma wäre ohne E-Business nicht denkbar. Die E-Business Vision lautet daher: Die Geschenkidee.ch GmbH strebt mit ihrer E-Business Strategie die Markt- führerschaft in der deutschsprachigen Schweiz im Bereich der Geschenkideen im Internet an. Seit 2004 besteht zusätzlich zum Onlineangebot ein physischer Laden in St. Gallen. Im Gegensatz zum klassischen Geschäftsmodell, welches das Internet in einem späteren Schritt als weiteren Vertriebs- bzw. Informationskanal nutzt, hat Geschenkidee.ch das erfolgreiche Onlinemodell auf ein klassisches Ladengeschäft ausgeweitet, ganz nach dem Motto: „online goes offline“. Dieser physische Laden wird in der vorliegenden Fallstudie nicht weiter behandelt. 5.2.2 Zusammenspiel von ERP-System und E-Business-Software Das Ziel der Integration ist insbesondere eine enge Kopplung der ERP-Lösung OfficeDesk der Comatic AG mit der E-Commerce Lösung icms::commerce der Firma insign gmbh. Die beiden vormals getrennten Bereiche verschmelzen immer mehr, um Prozesse und betriebliche Abläufe einfach und effizient gestalten zu können. Auch die Einbindung der Lieferanten in diese Prozesse ist von zentraler Bedeutung für einen reibungslosen Geschäftsbetrieb. 5.2.3 Partner Informatikpartner Wie bereits oben beschrieben, entstand die Geschenkidee.ch GmbH aus einer Part- nerschaft mit dem IT-Dienstleister insign gmbh. Diese enge Partnerschaft war die Basis für die Entwicklung der beschriebenen E-Commerce Lösung. Die Onlinelö- sung (der E-Shop) wurde durch die insign gmbh aufgebaut, wird ständig weiter- entwickelt und wird durch diese betrieben. Ebenso wurde die technische Anbin- dung der Lieferanten durch die insign realisiert. insign zeichnet auch für den Web- auftritt und die Umsetzung der Corporate Identity von Geschenkidee.ch verant- 52 Geschenkidee.ch GmbH: Prozess- und Logistikintegration wortlich. Die Firma insign gmbh wurde 1999 gegründet und beschäftigt zehn Mit- arbeitende. ERP-Anbieter Als ERP-Software wurde nach einer Evaluation die günstige, aber die funktionalen Anforderungen abdeckende Software OfficeDesk der Firma Comatic AG ausge- wählt. Als Spezialistin für diese Software und als Partnerin für die Realisierung der Synchronisation zwischen dem ERP-System und der E-Commerce Software fungiert die Firma Arcos Systems GmbH in Sissach. Geschäftspartner Die Firma Intrum Justitia AG bietet einen Service für eine integrierte Echtzeit- Bonitätsprüfung. Dieser Service ist in den Kaufprozess des E-Shops integriert. Darüber hinaus wurden individuelle Lösungen für die technische Anbindung der Lieferanten, insbesondere derjenigen, die direkt an den Endkunden liefern (so genannte Fulfillment-Partner), realisiert. Die Kreditkartenzahlungen werden mit einem Service der Datatrans AG abgewickelt. Mit der Firma Angelink yourposition GmbH in Zürich wird im Bereich des Such- maschinenmarketing zusammengearbeitet. 5.3 Integrierte Geschäftsprozesse mit Business Software 5.3.1 Geschäftssicht Im folgenden Kapitel werden die beteiligten Parteien und die im Hintergrund lau- fenden Prozesse zur Geschäftsabwicklung beschrieben. Ein typischer Kaufprozess gestaltet sich wie folgt: Die Kunden suchen im E-Shop Geschenkartikel, stellen ihren Warenkorb zusam- men, lösen gegebenenfalls Gutscheine ein und wählen schliesslich die Art der Bezahlung aus. Die Ware wird an die vom Kunden angegebenen Empfänger ver- sandt. Die dahinter liegende Logistik wird, nach anfänglicher Auslagerung an einen Drittanbieter, von Geschenkidee.ch selbst betrieben. Viele Artikel werden direkt ab Lager ausgeliefert. Der Versand selbst erfolgt per Post. Bestimmte Artikel (z.B. frische Blumen, Schokolade) werden jedoch direkt vom Lieferanten an die Kunden geliefert. Während des Bestellprozesses des Kunden werden für ihn nicht sichtbar die Lagerbestände direkt beim jeweiligen Lieferanten abgefragt und die Preise und Liefertermine direkt im Layout von Geschenkidee.ch auf der Website dargestellt. Integrierte Geschäftsprozesse mit Business Software 53 Aus geschäftlicher Sicht ist zu berücksichtigen, dass es zu starken saisonalen Schwankungen kommt (Weihnachten, Valentinstag, Muttertag, etc.), die durch die technische und logistische Umsetzung abgefedert werden müssen. Abb. 5.1 verdeutlicht Prozesse und Beteiligte. Lieferanten Geschenkidee.ch Intrum Justitia Kunden Empfänger Online Shop Logistik Bonitätsprüfung Direktlieferung Lieferung Lieferung BestellungBestellung Abb. 5.1: Geschenkidee.ch 5.3.2 Prozesssicht Im folgenden Abschnitt wird der Einkaufsprozess näher beschrieben. Für die Kunden von Geschenkidee.ch bestehen verschiedene Möglichkeiten, Arti- kel zu suchen (z.B. nach Anlass, Empfänger oder Lifestyle). Nachdem das passen- de Geschenk gefunden wurde, wird die Anzahl eingegeben und in den Warenkorb übernommen. Der Einkauf kann fortgesetzt und der Warenkorb entsprechend an- gepasst werden. Falls noch nicht geschehen, müssen Kundendaten erfasst werden. Anschliessend werden Liefer- und Rechnungsadresse eingegeben. An dieser Stelle können auch Gutscheine eingelöst werden. Anschliessend wird die Zahlungsart ausgewählt. In der Schlussübersicht können die Daten nochmals überprüft werden. Während des virtuellen Gangs zur Kasse prüft das System im Hintergrund durch eine Datenbankabfrage an einen Drittanbieter (Intrum Justitia AG) die Bonität von neu registrierten Kunden. Sind diese vertrauenswürdig, so stehen ihnen alle ange- botenen Bezahlungsmöglichkeiten zur Verfügung (per Rechnung oder SSL- verschlüsselt via Kreditkarte). Verläuft die Bonitätsprüfung dagegen negativ, so kann ausschliesslich gegen Sofortbezahlung per Kreditkarte bestellt werden. 54 Geschenkidee.ch GmbH: Prozess- und Logistikintegration Bei der Auslösung einer Bestellung werden die verschiedenen Bestellpositionen automatisch unterschiedlich behandelt und die direkt zu liefernden Positionen bei den jeweiligen Lieferanten angefordert. Hierdurch ergibt sich ein mehrteiliger Versand, so dass keine Verzögerung für den Kunden entsteht. Abb. 5.2 veranschaulicht diesen Prozess. Bestellpositionen nach Lagerartikel und Direkt- lieferung unterscheiden AND Bestellung ist geliefert Bonität überprüfen XORBonität ist nicht ok Bonität ist ok Zahlungsart Kredit- karte auswählen Beliebige Zahlungs- art auswählen Lagerartikel versenden Direktlieferung anstossen Warenkorb füllen XORSuche wird fortgesetzt Warenkorb ist gefüllt Geschenkartikel wurde gefunden Weitere Artikel suchen XOR Kundendaten sind nicht erfasst AND Kundendaten erfassen Kundendaten sind erfasst AND Liefer- und Rechnungs- adresse erfassen Gutschein ist einzulösen Gutschein ist nicht einzulösen XORAND Gutschein einlösen AND Zahlungsart wählen XORAND ANDKunde istNeukunde Kunde ist kein Neukunde Entsprechende Zahlungsart auswählen Abb. 5.2: Prozesssicht Integrierte Geschäftsprozesse mit Business Software 55 5.3.3 Anwendungssicht Die IT-Unterstützung der beschriebenen Abläufe wird durch die Integration der beteiligten Informationssysteme ermöglicht. Der Kunde greift mittels eines Web- browsers auf die icms::commerce Applikation (E-Shop) zu. Im Browser müssen hierzu Cookies und Java-Script aktiviert sein. Durch die proprietäre Anbindung an die ERP-Systeme externer Lieferanten (z.B. über Datenbankzugriff oder Web Services mit XML) sowie die Integration mit dem eigenen ERP-System (OfficeDesk) stehen aktuelle Daten zu Preisen und Lie- ferterminen zur Verfügung. Ein Beispiel hierfür ist die Anbindung des Homeshirt- Lieferanten: Diese T-Shirts werden bei jeder Bestellung individuell gefertigt. Trotz der variablen Produktionsdauer erhält der Geschenkidee-Kunde jederzeit aktuelle Informationen (z.B. darüber, ob das T-Shirt bereits versandt wurde). Die Kommu- nikation zwischen den Systemen von Geschenkidee.ch und dem des Lieferanten findet mittels Web Services statt. So können Bestellungen einfach übermittelt und der Produktionsstatus abgefragt werden, obwohl die dahinter liegenden Systeme auf unterschiedlichen Technologieplattformen betrieben werden. Geschäftskritische Daten befinden sich im ERP-System, werden jedoch aus Grün- den der permanenten Verfügbarkeit auch im E-Shop-System von Geschenkidee.ch bereitgehalten. Diese Daten werden mehrmals täglich miteinander synchronisiert. Die Hauptfunktionen des E-Shops umfassen unter anderem die Kundenregistrie- rung, die Suche nach Geschenkartikeln, das Einlösen von Gutscheinen, die Ab- wicklung des Zahlungsverkehrs und die Bestellverfolgung (Order Tracking). Die Abwicklung der Bestellungen, die Verwaltung des Lagers und der Logistik sowie die Rechnungsabwicklung erfolgt in der ERP-Software. Die Echtzeit-Bonitätsprüfung wird durch eine Realtime-Abfrage auf dem System der Intrum Justitia realisiert. Die Applikationsplattform icms ermöglicht die Verwendung von Live-Daten aus verschiedenen Anwendungen und Modulen. Einfache statische Inhalte, wie z.B. die AGB, werden direkt als HTML-Komponenten erstellt und gepflegt. Abb. 5.3 veranschaulicht die Integration der Applikationen (nicht abgebildet ist die Integration des Kassensystems des physischen Ladens in St. Gallen mit dem ERP- System der Geschenkidee.ch). 56 Geschenkidee.ch GmbH: Prozess- und Logistikintegration Kunde Geschenkidee.ch Client OfficeDesk Datenbank (MS SQL Server) icms Datenbank (mySQL) Browser Bestellung Bestellabwicklung icms (E-Shop) Synchronisation Intrum Justitia Bonitäts- prüfsystem Bonitätsprüfung Inkasso Lieferanten ERP Client Webservices XML, ODBC DB-Zugriff, ... OfficeDesk (ERP) Kundendaten Artikeldaten Kundendaten Artikeldaten Kundenregistrierung Artikelinformation Bestellung Bonitätsprüfung Order Tracking Zahlungsverkehr Bestelldaten Bestellabwicklung Rechnungsabw. Lagerverwaltung Einkaufslisten Bestelldaten Auswertungen Bestellabwicklung ... Artikeldaten ... Bestellstatus Abb. 5.3: Anwendungsübersicht und Integrationsschema 5.3.4 Technische Sicht Die E-Shop-Lösung icms::commerce basiert auf PHP und läuft auf einem Linux- Server mit einer MySQL-Datenbank. Die ERP-Software OfficeDesk läuft auf dem Betriebssystem Microsoft Windows und verwendet eine MS SQL Server Daten- bank. Bei den Lieferanten kommen die unterschiedlichsten Systeme zum Einsatz, die durch Onlineschnittstellen direkt mit dem Onlineshop verbunden werden. Bei Lieferanten, die keine automatisierten Schnittstellen bieten, müssen Kontrollpro- zesse individuell definiert werden. Dazu stehen verschiedene manuelle Übermitt- lungsmethoden zur Verfügung (MS Excel, Webzugänge, usw.). Die Integration zwischen dem E-Shop icms::commerce und dem ERP-System OfficeDesk ist über eine Batch-Schnittstelle realisiert. Kunden-, Bestell- und Arti- keldaten werden mehrmals täglich synchronisiert. Hier wurde bewusst der Weg Implementierung 57 der Synchronisation und nicht die direkte Datenbankintegration gewählt, damit der reibungslose Betrieb des E-Shops gewährleistet ist, sollte das ERP-System kurz- fristig nicht verfügbar sein. Die Daten werden in diesem Fall nach Wiederherstel- lung des Systems automatisch abgeglichen. Ein manueller Eingriff ist nicht erfor- derlich. Die Integration der externen Prozesse (Bonitätsprüfung, Lieferantenanbindung zur Artikelabfrage, Lagerbestand, etc.) erfolgen meist über Webservices, aber auch über direkte Datenbankanbindungen. Sie richten sich nach den Schnittstellen, die der jeweilige Lieferant bzw. Partner zur Verfügung stellt. Der E-Shop wird durch einen Provider im Hosting-Verfahren betrieben und läuft auf mehreren Servern, auf welche die Besucher über ein Load-Balancing verteilt werden, um Geschwindigkeit und Verfügbarkeit sicherzustellen. Der Server des ERP-Systems wird durch Geschenkidee.ch selbst betrieben. Hier sind die Anforderungen an die Verfügbarkeit geringer als beim E-Shop. Es werden tägliche Backups gefahren. Die Lösung beinhaltet hierbei zwei Server: einen Da- tenbank- und einen Applikationsserver. 5.4 Implementierung 5.4.1 Projektmanagement und Redesign der Prozesse Von Anfang an war die Zusammenarbeit des Lösungsbetreibers mit dem IT- Partner sehr eng. Geschenkidee.ch definierte dabei die Prozesse und insign küm- merte sich um die technische Umsetzung. Während des ersten halben Jahres nach Firmengründung wurde der E-Shop separat betrieben. Die Bestellungen wurden per E-Mail an einen externen Logistik- dienstleister gesandt. Ende 2002 wurde dann die ERP-Lösung evaluiert und bis Anfang 2003 mit dem E-Shop integriert. Diese Integration dauerte ca. drei Monate. 2003 kamen neue Lieferanten hinzu und Mitte 2003 wurde die Echtzeit- Bonitätsprüfung umgesetzt. Die Batch-Synchronisation der E-Shop-Datenbank mit der ERP-Datenbank wurde durch einen OfficeDesk-Spezialisten realisiert. Die Echtzeit-Datenbankanbindung, die Integration der Lieferanten, die Abwicklung der Kreditkartenzahlung, etc. wurden durch insign umgesetzt. 5.4.2 Softwarelösung/Programmierung Bei der beschriebenen Lösung handelt es sich nicht um eine fertige Standardlö- sung. Stattdessen wurden die individuellen Anforderungen schrittweise realisiert 58 Geschenkidee.ch GmbH: Prozess- und Logistikintegration und dem wachsenden Geschäft angepasst. Als Basis dient das Software Frame- work icms der Firma insign gmbh. Die Software ist modular aufgebaut und lässt sich den Gegebenheiten anpassen. Die ERP-Software OfficeDesk der Firma Co- matic bietet ein gutes Preis-/Leistungsverhältnis und wurde mit icms integriert. In dem Masse, wie sich das Geschäft von Geschenkidee.ch weiterentwickelt hat, konnte auch die Software erweitert werden. Hierbei mussten nicht nur wachsende Mengen verarbeitet, sondern auch ganze Geschäftsprozesse neu definiert werden. So wurde z.B. die anfänglich extern betriebene Logistik in die bestehende IT- Umgebung integriert. 5.5 Erfahrungen aus dem Betrieb 5.5.1 Anwendung und Unterhalt Die Benutzerakzeptanz sowohl des E-Shops als auch der ERP-Software ist sehr hoch. Das System wird vollständig entsprechend den Erwartungen eingesetzt. Für die technische Infrastruktur ist die Firma insign zuständig. 5.5.2 Zielerreichung Eine besondere Herausforderung stellt für Geschenkidee.ch das ständige Wachs- tum dar. Die IT-Umgebung konnte bisher der Entwicklung entsprechend mitwach- sen und das wachsende Volumen bewältigen. Durch die Implementierung der Echtzeit-Bonitätsprüfung konnte auch das anfängliche Problem der Debitorenver- luste stark verringert werden. Dennoch sind weitere Optimierungen und Prozess- anpassungen nötig. Die gesamten Investitionskosten beliefen sich bis Ende 2004 auf ca. 150'000.- CHF (inklusive Aufbau der Corporate Identity und Aufbau des Onlineshops). Jährlich kommen laufende Kosten in Höhe von 20'000.- bis 30'000.- CHF für Er- weiterungen sowie 15'000.- bis 20'000.- CHF für den Betrieb der bestehenden Lösung hinzu. Durch das Insourcing der Logistik inklusive der entsprechenden Integration des E-Shops mit dem ERP-System konnten die Logistikkosten deutlich gesenkt werden. Die immer stärkere Automatisierung der Prozesse führt zudem zu einer höheren Effektivität bei den betrieblichen Abläufen. Neue Investitionen kön- nen so sehr kurzfristig amortisiert werden. Erfolgsfaktoren 59 5.6 Erfolgsfaktoren 5.6.1 Spezialitäten der Lösung Das herausstechende Merkmal der beschriebenen Lösung ist die Skalierbarkeit. Zum einen muss das jährliche Wachstum verkraftet werden, zum anderen sind sehr starke saisonale Schwankungen abzudecken. Technisch wird dies durch die Archi- tektur des Onlineshops, durch Load Balancing und durch die Abkopplung von E- Shop und ERP-Software ermöglicht, wodurch sich die Mehrbelastung des ERP- Systems in Grenzen hält. Speziell ist auch die Anbindung der Lieferanten mit verschiedenen Technologien, die deren unterschiedliche IT-Systeme berücksichtigt. Hierbei handelt es sich meist um proprietäre Webschnittstellen mit eigenen Formaten, die individuell entwickelt werden müssen. Aus Sicht des Onlineshops wurde von insign ein einheitliches System entwickelt, in das die Antworten (z.B. Preise und Lagerbestände) der Lie- feranten integriert sind. Als weitere Spezialität ist die oben beschriebene Echtzeit-Bonitätsprüfung zu nen- nen. 5.6.2 Veränderungen Die wichtigsten Vorteile der Lösung sind: • reduzierte Logistikkosten, • geringer administrativer Aufwand durch vereinfachte, schlanke Prozesse, • vollständige Integration ohne Medienbrüche und insbesondere • erfolgreiche Bewältigung des stark wachsenden und saisonal schwankenden Volumens. Bei den Schwierigkeiten sind zu nennen: • gestiegene Anforderungen an die zugrunde liegende Hardware (so musste auf Grund des Weihnachtsgeschäfts ein zweiter Server angeschafft werden) sowie • erhöhte Anforderungen an die Logistik und das Qualitätsmanagement insbe- sondere in der Weihnachtszeit. 5.6.3 Lessons Learned Das Entscheidende aus Sicht des Lösungsbetreibers ist die Skalierbarkeit der IT, sowie die Flexibilität, neue Anforderungen einfach und anforderungsgerecht auf Basis der bestehenden IT-Infrastruktur umsetzen zu können. Die Infrastruktur 60 Geschenkidee.ch GmbH: Prozess- und Logistikintegration muss auch so ausgelegt werden, dass starke Kapazitätsspitzen abgefangen werden können. Die Prozesse müssen ständig überprüft, so weit wie möglich vereinfacht und durch die IT unterstützt werden. Dies führt zu weniger Fehlern und besserem Qualitäts- management, z.B. im Bereich der Bestellabwicklung oder des Inkasso. Eine weitere Erkenntnis ist, dass nicht alles von Anfang an zu Ende gedacht wer- den kann. Es muss möglich sein, neue Anforderungen mit dieser Lösung zu erfül- len. In diesem Fall wurde viel mit Use Cases (Anwendungsfällen) zur Beschrei- bung von Abläufen und Prozessen gearbeitet. Das Fazit ist, dass die technische Lösung sehr gut funktioniert und die Bestellun- gen bewältigt. Es kam zu keinen grösseren Schwierigkeiten und es konnte nie aus technischen Gründen nicht geliefert werden. Die Verfügbarkeit aller Systeme ist sehr hoch. Auch das Thema Sicherheit war nie problematisch und wird durch den IT-Provider insign professionell gehandhabt.