Kinder- und Jugendhilfe und LGBTIQ* Eine Einführung in den Schwerpunkt Wie finden in Angeboten der Kinder- und Jugendhilfe queere Jugendliche Raum? Wie werden sie berücksich- tigt – sichtbar oder unsichtbar gemacht? Wie werden junge Menschen, die sich abseits von heteronormativen Wertvorstellungen positionieren, in der Kinder- und Jugendhilfe adressiert? Mit diesen Fragen setzt sich der Schwerpunkt „Kinder- und Jugendhilfe und LGBTIQ*“ auseinander und möchte die unterschiedlichen Felder der Kinder- und Jugendhilfe für geschlechtliche und sexuelle Vielfalt sensibilisieren. So wurde der Themenschwerpunkt „Kinder- und Jugendhilfe und LGBTIQ*“ angekündigt und wir freuen uns, dass wir mit diesem Schwerpunkt ein Thema umsetzen können, das empirisch längst über- all gegenwärtig ist, mit dem jedoch nach wie vor fach- liche Unsicherheiten und Fragen einhergehen. Aussa- gen wie „Bei uns im Jugendtreff gibt es keine schwulen Jugendlichen“, die wir auf einem Fachtag zum Thema „LGBTIQ* und Kinder- und Jugendhilfe“ hörten, las- sen uns nachdenklich zurück. Empirisch kann diese Aussage nicht zutreffen, da sich fünf bis zehn Prozent aller Menschen als homosexuell positionieren. Es han- delt sich also möglicherweise vielmehr um ein Unsicht- barmachen und mangelnde Sensibilität. Oder aber die Aussage ist so zu lesen, dass queere Jugendliche Ange- bote der Kinder- und Jugendarbeit meiden, wenn es ih- nen möglich ist, weil sie sich dort nicht verstanden und angenommen fühlen. Begrifflichkeiten und Glossar Mit LGBTIQ* fokussieren wir auf Menschen, die sich als lesbisch, gay (schwul), bisexuell, trans*/transge- schlechtlich, intergeschlechtlich und/oder queer positi- onieren. Mit dem Sternchen „*“ wird darauf hingewie- sen, dass auch diese Positionierungen stets heterogen sind und hier nicht von einer Ausschließlichkeit, Abge- schlossenheit oder einer Homogenisierung einer realen Gruppe ausgegangen werden darf. In der Thematisierung und Auseinandersetzung mit LGBTIQ* wird häufig deutlich, dass „I“, also interge- schlechtlich, zwar in der Abkürzung Eingang findet, in den jeweiligen Studien oder Argumentationen wird die Lebenssituation von intergeschlechtlichen Menschen dann aber wenig beleuchtet und diskutiert. Daher freu- en wir uns besonders über den Beitrag von Kerstin Schu- mann, der sich mit der Notwendigkeit der Einbeziehung von Inter* in die Debatte um Vielfalt in der Kinder- und Jugendhilfe beschäftigt und dies in Bezug auf die Frage von Kindeswohl diskutiert. Damit verbunden ist das notwendige Hinterfragen von Zweigeschlechtlichkeit. Seit 2018 ist es im deutschen Personenstandsrecht möglich, neben „männlich“ und „weiblich“ die Kategorie „divers“ eintragen zu lassen. Dennoch sind heteronormativen Vorstellungen fest in unserer Gesellschaft verwoben und es bedarf gezielter Aktivitäten, daran zu rütteln und das Denken in bipola- ren Kategorien (Mann – Frau) aufzubrechen. Geschlecht ist weder eindeutig noch unveränderbar. Dasselbe gilt für die Begehrenspositionen. 80 Sozial Extra 2 2021: 80–84 https:// doi.org/ 10.1007/ s12054- 021- 00361-3 Online publiziert: 26. Februar 2021 © Der/die Autor(en) 2021 Extrablick: Kinder- und Jugendhilfe und LGBTIQ*  Katharina Mangold Universität Hildesheim Hildesheim, Deutschland *1979; Dr., Diplom-Pädagogin, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Sozial- und Organisationspädagogik der Universität Hildesheim. katharina.mangold@uni-hildesheim.de Angela Rein Muttenz, Schweiz *1979; Dr., Diplom-Pädagogin, Professorin am Institut Kinder- und Jugendhilfe der Hochschule für Soziale Arbeit, Fachhoch- schule Nordwestschweiz (FHNW). angela.rein@fhnw.ch Zusammenfassung Der Beitrag führt in den Schwerpunkt ein und skizziert dabei dessen Zielsetzung, indem er die Texte und deren Akzentuierung kurz vorstellt. Schlüsselwörter LGBTIQ*, Kinder- und Jugendhilfe, Verbesonderung, Homogenisierung https://doi.org/10.1007/s12054-021-00361-3 mailto:katharina.mangold@uni-hildesheim.de mailto:angela.rein@fhnw.ch Die Bezeichnungen im Detail: • Cis-Geschlechtlichkeit bezeichnet Menschen, die sich mit dem Geschlecht identifizieren, welches ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde. • Transgeschlechtlichkeit bezeichnet Menschen, die in einem anderen Geschlecht leben, als ihnen bei der Ge- burt zugewiesen wurde, aber auch Menschen, die sich gar nicht einer Geschlechterkategorie zuordnen, die Geschlechter wechseln oder sich mehreren Geschlech- tern zugehörig fühlen. • Intergeschlechtlichkeit (oder Inter*) bezeichnet Men- schen, deren genetische, hormonelle oder körperliche Merkmale weder ausschließlich männlich noch aus- schließlich weiblich sind. Heteronormativität in pädagogischen Feldern Schmidt und Schondelmeyer (2015) zeigen auf, dass se- xuelle und geschlechtliche Vielfalt in der pädagogischen Praxis kein oder wenig Thema ist. Elisabeth Tuider macht deutlich, dass pädagogische Arbeit – ob innerhalb oder außerhalb der Schule – nach wie vor auf kaum hinterfrag- ten Annahmen von eindeutigen, kohärenten und identitä- ren Zugehörigkeiten hinsichtlich Geschlecht, Sexualität, aber auch Nationalität und körperliche und geistige ‚Un- versehrtheit‘ basiert (Tuider 2016, S. 57). Damit wird so- wohl deutlich, dass Schule nach wie vor eine Arena dar- stellt, welche durch Heteronormativität gekennzeichnet ist. Darüber hinaus wird der Blick aber auch auf päda- gogische Angebote abseits der Schule gelenkt. Auch die- se Angebote basieren auf heteronormativen Annahmen. Queere Jugendliche sind jedoch in allen Feldern der Kin- der- und Jugendhilfe längst Realität, dennoch kann und muss kritisch gefragt werden, wie die jeweiligen Feldern auf queere Kinder und Jugendliche eingestellt sind, wel- che Angebote sie bereithalten, welche Praktiken der Un- sichtbar-Machung zu beobachten sind, welche Diskrimi- nierungen junge Menschen erleben (müssen). In unserem Schwerpunkt … • …  fokussiert Mart Busche auf die Offene Kinder- und Jugendarbeit und fragt am Beispiel dieses nied- rigschwelligen, offenen Angebotes für alle Kinder und Jugendlichen danach, ob von einer Post-Heteronor- mativität zu sprechen ist. • … greifen Steffen Baer und Davina Höblich auf ver- schiedene Interviews mit (sozial-) pädagogischen Fachkräften zurück und machen deutlich, wie ein af- firmativer Ansatz aussehen kann, bzw. wo dieser auch an Grenzen stößt. • … gehen Fabian Baier und Stephanie Nordt, die als Bildungsreferent*innen bei Queerforamt aktiv sind, auf konkrete Herausforderungen und die damit ver- bundenen Unsicherheiten auf Seiten der Fachpraxis ein und stellen einen konkreten Weiterentwicklungs- vorschlag bereit. • … beschäftigt sich Kerstin Schumann mit der Not- wendigkeit der Einbeziehung von Inter* in die De- batte um Vielfalt in der Kinder- und Jugendhilfe und diskutiert dies in Bezug auf das Kindeswohl. • … beleuchtet Angela Rein das Feld der stationären Kinder- und Jugendhilfe und fragt danach, wie queere 81 © Ruth Hebler junge Menschen rückblickend die Zeit in der Wohn- gruppe erlebt haben und wie dort Heteronormativität im Alltag zum Ausdruck kommt. Gefahr der Homogenisierung – Notwendigkeit einer intersektionellen Perspektive Deutlich wird in den Beiträgen des Schwerpunkts, dass LGBTIQ*-Jugendliche nicht eine Gruppe sind und es auch nicht darum geht, Menschen, die sich queer positi- onieren, zu homogenisieren. So wird in nahezu allen Bei- trägen auf die Notwendigkeit einer intersektionellen Be- trachtung hingewiesen. Mit einer solchen Perspektive, die verschiedene Differenzkategorien – wie race, gender, class, aber auch Gesundheit/Körperlichkeit – sichtbar macht und darauf verweist, dass sich Ungleichheiten durchaus in diesen Verwobenheiten verstärken oder andere auch abschwächen können. Die Perspektive der Intersektio- nalität ist auch bedeutsam, um rassistische Bilder zu hin- terfragen, die häufig im Kontext von LGBTIQ*-Jugend- lichen aufgerufen werden, wenn bei Migrations-Anderen auf Probleme der Heteronormativität im familiären Kon- text verwiesen wird oder im Kontext von Behinderung queere Lebensweisen de-thematisiert werden. Zwischen Verbesonderung und Ignoranz Angebote der Kinder- und Jugendhilfe haben stets mit dem grundlegenden Dilemma zu tun, wie Angebote ge- schaffen werden können, ohne dabei gleichzeitig Men- schen zu verbesondern. Angebote wie Coming-Out-Grup- pen, Mädchenarbeit oder ähnliches de-thematisieren Zwischenräume und Uneindeutigkeiten. Hierbei wird je- doch ein Spannungsfeld aufgerufen, das Christine Riegel (2017) als Verbesonderung versus Ignoranz bezeichnet. So lassen sich in der pädagogischen Arbeit insbesonde- re zwei Praktiken beobachten: Die Verbesonderung der jeweiligen Adressat*innen und damit verbunden Othe- ring-Prozesse als Herstellung von „den Anderen“ und als Abweichende von der Norm und die Ignoranz, die über das Unsichtbarmachen „des Anderen“ heteronormative Deutungen stärkt und Vielfalt aberkennt. Eine einheitliche Antwort auf die Frage, wie Angebo- te der Kinder- und Jugendhilfe mit sexueller und ge- schlechtlicher Vielfalt umgehen, lässt sich freilich nicht liefern. Zu vielfältig sind die Angebote und die jeweili- gen Menschen und Haltungen. Genau darin liegt mög- licherweise aber eine Gefahr, weil sexuelle und ge- schlechtliche Vielfalt eben nicht strukturell verankert sind, sondern das Prinzip Zufall eine bedeutende Rolle spielt. So lässt sich die Angebotslandschaft eher als eine Art Kontinuum beschreiben. Dabei gibt es Angebote, die explizit die LGBTIQ*-Ju- gendlichen adressieren und sich als Schutzräume und An- gebote des Empowerments verstehen. Mit Riegel (2017) ist hier auch von einer Verbesonderung auszugehen, wel- che aber in den jeweiligen sozialpädagogischen Angebo- ten erforderlich ist, um die Idee eines Schutzraumes zu ermöglichen und Menschen, die in vielfältigen Angebo- ten häufig als „die Anderen“ gelabelt werden bzw. sich selbst als „die Anderen“ erleben müssen, weil ihre ge- schlechtliche Identität oder Begehrensposition nicht mit- gedacht wird. Exemplarisch sei hier auf vielfältige Ange- bote in der Offenen Kinder- und Jugendarbeit verwiesen und das „Praxisbuch Q* – Queere Vielfalt in der Jugend- arbeit“ (Landesjugendring Niedersachsen e. V. 2018). Darüber hinaus gibt es Angebote, die LGBTIQ* nicht explizit adressieren, die aber aufgrund von Mitarbeiter*innen und fachlichen Kompetenzen und Haltungen sexuelle und geschlechtliche Vielfalt stets mitdenken und -reflektieren. Interessant ist hier, dass ähnlich wie in anderen Bereichen auch, insbesonde- re Menschen, die sich selbst als LGBTIQ* positionie- ren Angebote für LGBTIQ*-Jugendliche machen und eine Sensibilität dafür haben. Schließlich gibt es nach wie vor Angebote, in denen sexuelle und geschlechtli- che Vielfalt nicht mitgedacht werden. Um nochmals auf eine Aussage von dem bereits oben erwähnten Fach- tage „LGBTIQ* in der Kinder- und Jugendhilfe“, der 2018 an der Universität Hildesheim stattfand, einzuge- hen: Hier berichtete ein Mitarbeiter aus der stationären Kinder- und Jugendhilfe, dass in seiner Einrichtung das Prinzip der offenen Türen als sexualpädagogisches Kon- zept vorhanden sei. So dürfen ein Junge und ein Mäd- chen nur bei offener Tür gemeinsam im Zimmer sein. Zwei Jungs hingegen dürfen bei geschlossener Türe ge- meinsam im Zimmer sein. Ein Studierender fasste das folgendermaßen zusammen: „Wow, endlich mal Vortei- le, wenn man schwul ist“. Diese durchaus zugespitzte Aussage bringt jedoch sowohl die Kritik an einer Prak- tik der offenen Türen als sexualpädagogisches Konzept zum Ausdruck als auch das Unverständnis, nach wie vor junge Menschen stets als heterosexuell zu adressieren. Zwischen institutioneller Diskriminierung und individuellem Zugewandt-Sein Deutlich ist, dass die Strukturen der Kinder- und Ju- gendhilfe vielfältig so sind, dass LGBTIQ*-Personen sich nicht immer verstanden und gesehen fühlen (Bei- spiele hierfür sind Toiletten für zwei Geschlechter, For- mulare mit eindeutigen Geschlechtszuweisungen oder die klare Adressierung von Pflegevater und Pflegemut- ter in Formularen auch bei homosexuellen Pflegeel- tern). Als ein Beispiel der institutionellen Diskriminie- rung kann die sogenannte Stiefkindadoption in Familien mit gleichgeschlechtlichen Eltern benannt werden. Wis- Sozial Extra 2 2021 Extrablick: Kinder- und Jugendhilfe und LGBTIQ*  82 sen wir, dass es Kindern in queeren Familien recht gut zu gehen scheint (Rupp 2009), so wird ebenfalls sicht- bar, dass die rechtliche Situation das Herstellen von Fa- milie für queere Familien nach wie vor erschwert. Seit dem 01.01.2005 ist die Stiefkindadoption durch die Lebenspartner*in in Deutschland rechtlich möglich. Mit der Einführung der „Ehe für alle“ 2017 ist zwar das ge- meinsame Adoptionsrecht verbunden, die Stiefkindad- option bleibt als Verfahren erhalten, um als gleichge- schlechtliches Paar ein gemeinsames Sorgerecht und eine gemeinsame verwandtschaftliche Beziehung zu dem – eben auch gemeinsamen – Kind herzustellen. Hier ist also ein zentraler Unterschied zu heterosexuellen Ehen zu verzeichnen, in welchen der verheiratete Partner au- tomatisch Elternteil ist, egal ob biologisch nachweis- bar oder nicht. Möglichkeiten von Mehr-Elternschaften oder auch der sofortigen Eintragung von zwei Müttern bei Geburt wie sie in Dänemark möglich sind, werden bislang in der BRD (noch) nicht weiterverfolgt. Im Lehr-Forschungs-Projekt „Queere Familien“ (2018 bis 2019) wurden queere Eltern befragt; insbesonde- re die Praktik der Stiefkindadoption wird von den in- terviewten Müttern als belastend und diskriminierend hervorgehoben. Sie stellt eine Gefahr für die Paarbe- ziehung dar, weil es zu ungleichen Positionen zwischen Mutter und Co-Mutter kommen, insbesondere bis die Stiefkindadoption stattgefunden habe und somit die El- ternschaft rechtlich für beide Elternteile anerkannt ist. Darüber hinaus hat das Kind bis zur Stiefkindadopti- on rechtlich nur ein Elternteil, was ebenfalls als Gefahr und Belastung gesehen wird. Als herausfordernd the- matisieren die Interviewpartner*innen jedoch vor allem die Situation des Überprüft-Werdens und die Ungerech- tigkeit, dass sie trotz Ehe und trotz der gemeinsamen Entscheidung ein Kind zu bekommen, das Verfahren der Stiefkindadoption über sich ergehen lassen müssen (Arns et al. 2019; Mangold und Schröder 2020). Wir greifen exemplarisch auf einen Interviewauszug zurück, in dem das Verhalten der Mitarbeiterin des Ju- gendamts von den interviewten Eltern als wertschät- zend eingeordnet wird. „B: Die war auch ganz toll. Das war die hier, bei der wir hier waren zur Adoption quasi und sie uund norma- lerweise muss das Kind sagt man muss das Kind erst ein Jahr alt sein, damit man feststellen kann, ob irgendwie ne Bindung da ist und so [T: die Bindung steigt] B: Ja bla bla. [alle lachen] Ja aber die war halt super. Sie ist direkt zum Hausbesuch gekommen und hat dieses Gut- achten total schnell geschrieben. Sie hat sich nicht mal alle Zimmer angeguckt. Wir haben nett mit ihr Kaffee getrunken. Die war wirklich toll da haben wir wirklich Glück gehabt. Und hat ein ganz tolles Gutachten ge- schrieben und dann ähm. Also unser Kind ist Anfang Februar geboren und am 06.12. des gleichen Jahres war dann schon gleich der Termin am Amtsgericht“ (Inter- view mit lesbischen Eltern B und T) In dieser Beschreibung wird deutlich, dass die Mitar- beiterin schnell handelt, um nicht zu viel Zeit bis zur Stiefkindadoption verstreichen zu lassen und dass sie nicht als kontrollierend wahrgenommen wird, dass sie nicht mal alles sehen will. Gebündelt wird dies im Bild des netten gemeinsamen Kaffeetrinkens. Hiermit wird ausgedrückt, dass die Mitarbeiter*innen Spielräume in den vorhandenen Strukturen der Stiefkindadopti- on haben, indem sie schnell(er) handeln, weniger kon- trollieren und die Situation sozial angenehm und an- erkennend gestalten. Die Frauen fühlen sich durch die Jugendamtsmitarbeiterin ernst genommen in ihrem Be- dürfnis, möglichst schnell die Stiefkindadoption hin- ter sich zu bringen und sie fühlen sich über die geringe Kontrollwahrnehmung wertgeschätzt. Dennoch kann in dem angeführten Beispiel die strukturelle Ungerechtig- keit, die in der rechtlichen Regelung der Stiefkindad- option für queere Familien angelegt ist, nicht aufgelöst werden. Selbst ein schnelles Handeln der Jugendamts- mitarbeiterin in diesem Beispiel lässt das Verfahren der Stiefkindadoption zehn Monate dauern. So lässt sich an diesem Beispiel zeigen, dass es auf struktureller Ebene darum geht, Ungleichheiten abzubauen. Dennoch lassen sich auch im Rahmen von institutionellen Regelungen wertschätzende Formen des Umgangs finden und die Mitarbeiter*innen haben Spielräume, in denen sie sich verhalten können. Ziel des Schwerpunkts Wir möchten mit diesem Schwerpunkt dazu einla- den, die Vielfältigkeiten und Machtverhältnisse von ge- schlechtlichen Positionierungen und Begehrenspositi- onen in allen Angeboten der Kinder- und Jugendhilfe zu reflektieren und die jungen Menschen ernst zu neh- men, sie in und mit ihren Bedürfnissen zu unterstützen. Damit verbunden ist für pädagogische Fachkräfte, sich mit den eigenen normativen Positionierungen auseinan- derzusetzen und diese gegebenenfalls zu hinterfragen. Das bedeutet auch, die geschlechtliche und sexuelle Po- sitionierung der jungen Menschen dort zum Thema zu machen oder ihnen dann einen Raum zu geben, wenn dies von den Jugendlichen gewünscht ist und sie nicht strukturell und stetig zu verbesondern. Die jungen Men- schen in ihren Lebensentwürfen zu unterstützen, ihnen Ansprechperson und Unterstützer*in zu sein in Identi- tätsfragen und im Coming-Out. Damit verbunden ist 83 schließlich auch das Eintreten gegen heteronormative Denkweisen und Machtstrukturen und somit eine Mit- gestaltung und Einmischung weit über die individuelle Arbeit mit den*dem jeweiligen Adressat*in.   s ∑ Angenommen. 28. Januar 2021 Funding. Open Access funding enabled and organized by Projekt DEAL. Open Access. Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Na- mensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wieder- gabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden. Die in diesem Artikel enthaltenen Bilder und sonstiges Drittmaterial unterliegen ebenfalls der genannten Creative Commons Lizenz, so- fern sich aus der Abbildungslegende nichts anderes ergibt. 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Hier steht eine Anzeige. 123 84 http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de https://www.uni-hildesheim.de/fb1/institute/institut-fuer-sozial-und-organisationspaedagogik/team/mitarbeiterinnen/dr-katharina-mangold/#c28588 https://www.uni-hildesheim.de/fb1/institute/institut-fuer-sozial-und-organisationspaedagogik/team/mitarbeiterinnen/dr-katharina-mangold/#c28588 https://www.uni-hildesheim.de/fb1/institute/institut-fuer-sozial-und-organisationspaedagogik/team/mitarbeiterinnen/dr-katharina-mangold/#c28588 https://www.ljr.de/news/news-archiv/detail/artikel/neuerscheinung-praxisbuch-q-queere-vielfalt-in-der-jugendarbeit.html https://www.ljr.de/news/news-archiv/detail/artikel/neuerscheinung-praxisbuch-q-queere-vielfalt-in-der-jugendarbeit.html https://www.ljr.de/news/news-archiv/detail/artikel/neuerscheinung-praxisbuch-q-queere-vielfalt-in-der-jugendarbeit.html https://doi.org/10.2307/j.ctv15r56vn.10 https://doi.org/10.2307/j.ctv15r56vn.10 Kinder- und Jugendhilfe und LGBTIQ* Begrifflichkeiten und Glossar Heteronormativität in pädagogischen Feldern Gefahr der Homogenisierung – Notwendigkeit einer intersektionellen Perspektive Zwischen Verbesonderung und Ignoranz Zwischen institutioneller Diskriminierung und individuellem Zugewandt-Sein Ziel des Schwerpunkts Literatur