Ralf Wölfle/Petra Schubert (Hrsg.) Business Collaboration Standortübergreifende Prozesse mit Business Software Praxislösungen im Detail Fallstudien Konzepte Modellierung Das Kompetenzwerk der Schweizer Fachhochschulen für E-Business und E-Government Die in diesem Buch enthaltenen Fallstudien wurden für den eXperience Event 2007 in Basel erstellt. Sie wurden wissenschaftlich aufbereitet durch E-Business- Experten der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW, der Universität St. Gallen, der Berner Fachhochschule, der Universität Fribourg, der Fachhoch- schule St. Gallen, der Universität Koblenz-Landau, der Universität Münster, der Universität Erlangen-Nürnberg, der Universität der Bundeswehr München sowie von Experten aus der Praxis. Die Ecademy (www.ecademy.ch), das Schweizer Kompetenznetzwerk für E-Business und E-Government, hat durch ihre ideelle und finanzielle Unterstützung zur erfolgreichen Erstellung dieser Publikation beigetra- gen. www.hanser.de Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Alle Rechte, auch die der Übersetzung, des Nachdruckes und der Vervielfältigung des Buches, oder Teilen daraus, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form (Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) – auch nicht für Zwecke der Unterrichtsgestaltung – reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, verviel- fältigt oder verbreitet werden. © 2007 Carl Hanser Verlag München Redaktionsleitung: Lisa Hoffmann-Bäuml Herstellung: Ursula Barche Umschlaggestaltung: Büro plan.it, München Datenbelichtung, Druck und Bindung: Kösel, Krugzell Printed in Germany ISBN: 978-3-446-41222-4 Vorwort Das Thema des Buchs „Business Collaboration“ behandelt die Möglichkeiten der elektronischen Unterstützung von kollaborativen Prozessen durch Softwaresyste- me. Kollaborative Prozesse trifft man in der Praxis an, wenn zwei oder mehrere Parteien innerhalb eines Unternehmens oder über die Unternehmensgrenzen hin- weg einen gemeinsamen Geschäftsprozess abwickeln. Das Potenzial zu standortübergreifenden Geschäftsprozessen ist in den vergange- nen 15 Jahren massgeblich erweitert worden, weil Innovationen im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien den ortsunabhängigen Zugang zu Informationen erleichtern und neue Formen der Koordination dezentral handelnder Partner ermöglicht haben. In der Folge können umfassende Geschäftsprozesse entsprechend der Arbeitsteilung in wieder verwendbare Module zerlegt und mit Hilfe von Informationstechnologie flexibel kombiniert werden. Business Process Management zielt auf die Gestaltung, operative Abwicklung, Überwachung und Veränderung der kollaborativen Leistungserbringung. Business Software ist die informationstechnische Basis des Business Process Managements, allen voran das ERP-System als die am weitesten verbreitete Form. Die in diesem Buch dokumentierten Fallbeispiele zeigen, welche konzeptionellen und informationstechnischen Ansätze die beschriebenen Unternehmen für die Unterstützung von Business Collaboration gewählt haben und welchen Stellenwert dabei Business Software einnimmt. Darüber hinaus wird in allen Fallstudien be- schrieben, wie die Unternehmen zu den Lösungskonzepten gekommen sind und wie diese realisiert wurden. Die exemplarischen Fälle können dabei allerdings nicht das gesamte Spektrum an Potenzialfeldern abdecken. Mit den vier Hauptka- piteln „Standortübergreifende Prozessintegration im Industrieunternehmen“, „Standortübergreifende Warenwirtschaft im Konsumgüterhandel“, „Elektronischer Dokumentenaustausch zwischen Unternehmen“ und „Koordination mehrerer Ge- schäftspartner über IT-Plattformen“ wurden Bereiche ausgewählt, in denen Busi- ness Software einen grossen Stellenwert für die Prozessgestaltung einnimmt. In ihren einleitenden Artikeln stellen die Herausgeber die übergeordnete Thematik und die Methodik des Buchs vor. Fachartikel von ausgewiesenen Experten behan- deln die vier Fokusthemen. 14 Fallstudien zeigen auf, wie Unternehmen in ver- schiedenen Branchen mit unterschiedlichen Ansätzen Business-Software-Projekte realisiert haben. Die in den Fallstudien dokumentierten Erfahrungen sollen Ent- scheidungsträgern Anregungen geben, wie Business Collaboration mit Anwen- dungssystemen unterstützt werden kann. Die Haupterkenntnisse aus den Beiträgen werden in einem Schlusskapitel zusammengefasst. Die porträtierten Organisationen stammen aus der Schweiz und aus Deutschland. Zu Beginn des Selektionsprozesses erfolgte ein Aufruf zur Teilnahme über eine offene Online-Ausschreibung (Call for Cases), gefolgt von einer sorgfältigen Eva- luation durch das Competence Center E-Business der Fachhochschule Nordwest- schweiz FHNW unter der Leitung der beiden Herausgeber Prof. Ralf Wölfle und Prof. Petra Schubert. Die Autoren der Fallstudien sind Experten für Business Software aus schweizeri- schen und deutschen Hochschulen. Einige Autoren sind Dozierende in Mitglieder- schulen der Ecademy, dem Schweizer Kompetenznetzwerk für E-Business und E-Government. Acht der dokumentierten 14 Fallstudien wurden im September 2007 am eXperience Event in Basel einem interessierten Publikum vorgestellt. Vier der Fallstudien wurden zwei Monate später am Koblenzer Forum für Business Software an der Universität Koblenz präsentiert. An dieser Stelle möchten die Herausgeber allen Personen danken, die in irgendei- ner Weise einen Beitrag zum Entstehen des Buchs geleistet haben: Den Autoren danken wir für ihr Engagement bei der Recherche und dem Verfassen der einzel- nen Beiträge. Den Unternehmen und ihren Vertretern gilt ein besonderer Dank für ihre Bereitschaft, Wissen und Erfahrungen der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Der Hasler Stiftung sei für ihre Förderung des Wissenstransfers zwischen Lehre, Forschung und Wirtschaft gedankt. Im Weiteren danken wir den verschie- denen Sponsoren für die Unterstützung des Events und speziell der Ecademy, die dieses Buch massgeblich mitfinanziert hat. Zu guter Letzt danken wir der Fachhochschule Nordwestschweiz für die wohlwol- lende Unterstützung dieses Projekts. Ein besonderer Dank geht an Michael Quade und Ruth Imhof, die hinter den Kulissen die Organisation dieses Projekts vorange- trieben haben, sowie an Christine Lorgé, die mit kritischem Auge alle Beiträge Korrektur gelesen hat. Basel, im September 2007 Ralf Wölfle und Petra Schubert Inhalt Ralf Wölfle Business Collaboration – Standortübergreifende Geschäftsprozesse ...................... 1 Petra Schubert und Ralf Wölfle eXperience-Methodik zur Dokumentation von Fallstudien................................... 17 Standortübergreifende Prozessintegration im Industrieunternehmen Fachbeitrag Renato Stalder Standortübergreifende Prozessintegration im Industrieunternehmen .................... 29 Fallstudien Henrik Stormer und Marco Savini Candulor AG: Effiziente Warenwirtschaft im Konzern (Sage Schweiz AG)................................................................................................ 37 Marcel Siegenthaler Pavatex SA: Integriertes ERP mit Produktionsplanung (APOS Informatik AG / Microsoft Dynamics)...................................................... 49 Raoul Schneider Chocolat Frey AG: Vendor Managed Inventory mit SAP (SAP Schweiz AG) ................................................................................................ 63 Standortübergreifende Warenwirtschaft im Konsumgüterhandel Fachbeitrag Thomas Bögli Standortübergreifende Warenwirtschaft im Konsumgüterhandel.......................... 77 II Inhalt Fallstudien Rolf Gasenzer Musik Hug: Standortübergreifende Musikalienvertriebsunterstützung (Opacc Software AG) ............................................................................................ 85 Kai M. Hüner und Kristin Wende INTERSPORT Schweiz AG: SAP-Einführung mit ExpertRETAIL (EFP Consulting AG) ............................................................................................ 99 Martina Dalla Vecchia Vinothek Brancaia: Neue ERP-Lösung im Schweizer Weinhandel (atlantis it-solutions GmbH) ................................................................................ 113 Elektronischer Dokumentenaustausch zwischen Unternehmen Fachbeitrag Hans-Dieter Zimmermann Elektronischer Dokumentenaustausch zwischen Unternehmen........................... 127 Fallstudien Adrian Alioski Laumann & Co AG: EDI mit Standardsoftware (Advice Informatik AG / ABACUS Research AG)............................................. 135 Holger Wache IMMO: Einheitliche Auftragsabwicklung im Immobilienmanagement (RR Donnelley Document Solutions (Switzerland) GmbH / pragmaBAU Treuhand AG) ...................................................................................................................... 149 Christoph Adolphs tts Global Logistics: Interner und externer Austausch von Dokumenten (Crossgate AG / SYSback AG) ........................................................................... 163 Achim Dannecker und Ulrike Lechner EDEKA Minden-Hannover: Elektronische Rechnungsübermittlung (1stbp) .................................................................................................................. 177 Inhalt III Alexander Kipp Sonax: Business Collaboration mit Schnittstellen im ERP-System (KTW Software & Consulting)............................................................................ 191 Jens-Henrik Söldner RUTRONIK GmbH: EDI-Koppelung über E-Mail (Bison Solutions GmbH) ..................................................................................... 207 Koordination mehrerer Geschäftspartner über IT-Plattformen Fachbeitrag Christian Weber und Ralf Wölfle Koordination mehrerer Geschäftspartner über IT-Plattformen............................ 221 Fallstudien Michael Quade Verein IFIS: Koordinationsplattform IFIS UNO (Ramco Systems) ................................................................................................. 229 Gabriele Schwarz POLYCOM Portal: Servicesupport für das Sicherheitsfunknetz Schweiz (RUAG Electronics AG / itelligence AG) ........................................................... 243 Zusammenfassung Petra Schubert Business Collaboration: Fazit aus den Fallstudien .............................................. 257 Literaturverzeichnis ............................................................................................ 273 Kurzprofile der Herausgeber und Autoren ......................................................... 275 15 EDEKA Minden-Hannover: Elektronische Rechnungsübermittlung Achim Dannecker und Ulrike Lechner Die EDEKA Minden-Hannover Holding GmbH (im Weiteren EDEKA) ist Markt- führerin in ihrem Absatzgebiet und die bedeutendste EDEKA-Regionalgesell- schaft. Innerhalb der EDEKA-Gruppe ist sie der Treiber bei Innovationen. Das Unternehmen wird durch eine Vielzahl an lokalen Lieferanten mit Produkten für den Einzelhandel beliefert. Die Rechnungslegung der Lieferanten erfolgte bis 2006 auf Basis von Papier über den Postweg. Der interne Prozess bei EDEKA war kompliziert, mehrstufig und für die Lieferanten nicht einsehbar. Mit Einführung einer neuen Lösung erfolgt die Rechnungsübermittlung vollautomatisch auf elekt- ronischem Weg und stellt sich für die Lieferanten der EDEKA transparent dar. Der Prozess ist für Lieferanten und für die EDEKA kostengünstiger und die Prozess- durchlaufzeiten konnten verkürzt werden. Folgende Personen waren an der Bearbeitung dieser Fallstudie beteiligt: Tab. 15.1: Mitarbeitende der Fallstudie Ansprechpartner Funktion Unternehmen Rolle Maik Behnke Leiter Konzernquali- tätsmanagement EDEKA Lösungsbetreiber Achim Kauffmann Geschäftsführer 1stbp Dienstleistungs- partner Achim Dannecker Wissenschaftlicher Mitarbeiter UniBW München Autor Ulrike Lechner Professorin UniBW München Autorin 178 EDEKA Minden-Hannover: Elektronische Rechnungsübermittlung 15.1 Das Unternehmen 15.1.1 Hintergrund, Branche, Produkt und Zielgruppe Mit einem Konzernumsatz in Höhe von fünf Milliarden Euro, 24'300 Mitarbeiten- den, etwa 1'500 Einzelhandelsstandorten und einer Gesamtverkaufsfläche von 1.3 Mio. Quadratmetern ist EDEKA Minden-Hannover die grösste der bundesweit sieben EDEKA-Regionalgesellschaften. Kerngeschäft ist der Lebensmittelhandel. Die auf Qualität und Service ausgerichteten EDEKA-Märkte profilieren sich als Vollsortimenter insbesondere über ihre Kompetenz für Lebensmittel. „Wir lieben Lebensmittel“ wird durch die aktuelle EDEKA-Werbung per Zeitun- gen, Zeitschriften, TV und Hörfunk kommuniziert. Mit unterschiedlichen Vertriebsformaten ist EDEKA in der Lage, sein Einzelhan- delsangebot nach ortsspezifischen Anforderungen auszurichten. Zwei Drittel der EDEKA-Märkte innerhalb der EDEKA Minden-Hannover werden von selbststän- digen Kaufleuten geführt. Sie sind in der EDEKA Minden eG – der Konzernober- gesellschaft – genossenschaftlich organisiert. Die Übertragung von EDEKA-Märkten an selbstständige Einzelhändler und Exis- tenzgründer spielt auch in der Planung eine bedeutende Rolle. Damit erfüllt EDEKA den in der Genossenschaftssatzung verankerten Unternehmensauftrag: „…wirtschaftlich gesunde, voll existenzfähige Betriebe selbstständiger Unterneh- mer des mittelständischen Lebensmittel-Einzelhandels und verwandter Berufs- gruppen zu schaffen, sie zu fördern und zu erhalten.“ Mit dem unternehmergeführten Einzelhandel verschafft sich EDEKA Wettbe- werbsvorteile: Unternehmerisches Engagement schafft eine starke Präsenz vor Ort, die von Kunden und Mitarbeitenden honoriert wird. Regionaltypische Produkte finden Berücksichtigung. Warenwirtschaft und Logistik sind entscheidende Erfolgsfaktoren im wettbewerbs- intensiven Lebensmittelhandel. Mit acht Lagern, vier Umschlagplätzen und zwei Getränkelagern verfügt EDEKA Minden-Hannover über eine dezentral ausgerich- tete Logistik, die optimal auf die Anforderungen des Einzelhandels ausgerichtet ist. Der MIOS C+C-Fachgrosshandel ist mit 25 Grossmärkten auf den Bedarf von Grossverbrauchern wie Hotellerie, Gastronomie und Gewerbetreibende ausgerich- tet. In den wichtigen Produktsegmenten „tagesfrische Backwaren“ sowie Fleisch- und Wurstwaren verfügt EDEKA Minden-Hannover über konzerneigene Herstellungs- betriebe. Das Absatzgebiet erstreckt sich von der polnischen bis zur holländischen Grenze mit Schwerpunkten in Sachsen-Anhalt, Bremen, Berlin, Brandenburg und in Niedersachsen. Das Unternehmen 179 15.1.2 Unternehmensvision „Wofür stehen wir in der EDEKA Minden-Hannover, welche Werte wollen wir leben, womit wollen wir uns im Wettbewerb profilieren, welchen Anspruch haben wir an uns selbst? Die Antwort darauf ist unsere VISION und unsere MISSION, die zusammen das Unternehmensleitbild ausmachen. Wir verkaufen also nicht nur Lebensmittel, wir lieben Lebensmittel! Das ist unsere VISION. Das prägt unser Denken und Tun! Das ist unsere Botschaft an unsere Kunden und Geschäftspartner. Und weil wir Lebensmittel lieben… ist keiner kom- petenter in Sachen Lebensmittel als EDEKA. Beweisen müssen wir diese Aussage Tag für Tag in unseren Märkten, mit unseren Sortimenten, der Ladeneinrichtung, der Warenpräsentation, mit Qualität und Fri- sche aber insbesondere natürlich mit der Beratungskompetenz und Servicequalität unserer Mitarbeiter.“ [aus dem Bericht des Vorstandes der EDEKA Minden- Hannover vom 02.Mai 2006] 15.1.3 Stellenwert von Informatik und E-Business EDEKA operiert in einem Markt ständiger Veränderungen von Kundenbedürfnis- sen wie auch gesetzlichen Rahmenbedingungen in einem offenen Europa. Um dem in der Vision ausgedrückten Anspruch stets mit der gleichen Intensität und Quali- tät gerecht zu werden, bedarf es einer flexiblen und leistungsfähigen IT, die in der Lage ist, die Anforderungen einer prozessorientierten Organisation schnell und optimal zu erfüllen. Beim Austausch logistischer Nachrichten per EDI (Electronic Data Interchange) unter Verwendung des EANCOM (Europäische Artikelnummer – Communication) Standards nimmt die EDEKA Minden-Hannover eine Vorreiterrolle ein. So wurde der von EDEKA Minden-Hannover entwickelte digitale Annahmebeleg in Zu- sammenarbeit mit einer Arbeitsgruppe der GS1 zu einem definierten Standard in der Lebensmittelbranche. Durch die Nutzung von elektronischen Workflows und die Zusammenarbeit mit einem Dienstleister im Bereich der elektronischen Rechnungsübermittlung, kann die EDEKA Minden-Hannover ihren Geschäftspartnern, die zum grossen Teil KMUs sind, die Nutzung und somit die Vorteile des elektronischen Datenaus- tauschs ermöglichen. 180 EDEKA Minden-Hannover: Elektronische Rechnungsübermittlung 15.2 Der Auslöser des Projekts 15.2.1 Ausgangslage und Anstoss für das Projekt Der Grossteil der Lieferanten muss mehrfach im Monat eine Rechnung an EDEKA für erbrachte Lieferungen stellen. Ebenso müssen Dienstleister oder Unternehmen, die EDEKA Sachleistungen verkauft haben, Rechnungen an EDEKA stellen. Die Anzahl der an EDEKA gestellten Rechnungen pro Jahr beläuft sich auf über 440'000, was auch auf die hohe Anzahl regionaler Lieferanten zurückzuführen ist. Jede Rechnung durchläuft einen mehrstufigen internen Prozess der Prüfung und Freigabe. Hierbei sind verschiedene Organisationseinheiten beteiligt, die teilweise an unterschiedlichen Standorten liegen. Der Informationsaustausch basiert zu gros- sen Teilen auf Papier. Papierbelege werden manuell durch die beteiligten Organi- sationseinheiten gereicht. Auslöser des hier vorgestellten Projektes war das Ziel, den papierbasierten, manu- ellen Prozess der Rechnungsabwicklung durch eine teilautomatisierte, elektroni- sche Lösung zu ersetzten. Im Fokus der Lösung standen auch die Verbesserung der Prozesse innerhalb der EDEKA, sowie die Vereinfachung des Prozesses der Rech- nungslegung durch die Lieferanten und das damit verbundene Schaffen von Trans- parenz. 15.2.2 Vorstellung der Geschäftspartner IT-Partner der EDEKA bei dem vorgestellten Projekt war die FIRST BUSINESS- POST GmbH (1stbp). Die 1stbp ist ein junges Unternehmen, das 1999 gegründet wurde und Gewinner des „Bayern Online Award für Ebusiness“ 2004 war. 1stbp bietet eine Lösung für die papierlose Rechnungslegung. Zwei Punkte zeichnen die Lösung aus: Zum Einen wird der Sender einer Rechnung durch einfache Software EDI-fähig und zum Anderen wird das Papierproblem auf Empfängerseite nachhal- tig, kostengünstig und qualitativ hochwertig gelöst. Die 1stbp ist als EDI- Dienstleister in mittelnder Position zwischen Sender und Empfänger tätig. 15.3 Elektronische Rechnungsübermittlung Nachfolgend wird die Lösung aus der Geschäftssicht, der Prozesssicht, der An- wendungssicht und aus der technischen Sicht betrachtet. Im Fokus liegen dabei der eigentliche Kernprozess der Rechnungslegung sowie der Abarbeitung der Rech- nung bei EDEKA und die Anbindung der Lieferanten sowie des Dienstleisters 1stbp in diesen Prozess. Elektronische Rechnungsübermittlung 181 15.3.1 Geschäftssicht und Ziele Prinzipiell gehen bei EDIEKA zwei unterschiedliche Rechnungsarten ein. Zum einen gibt es Rechnungen von Lieferanten, die Waren für den Gross- und Einzel- handel der EDEKA liefern (Warenrechnungen). Nach erfolgter Lieferung stellt der Lieferant eine Rechnung. Die zweite Art der Rechnungen kommt von Unterneh- men, die Dienst- und Sachleistungen oder Waren (Investitionen) für den Eigenbe- darf der EDEKA erbringen und hierfür eine Rechnung mit Anlage an die EDEKA stellen müssen (Kostenrechnungen). Diese Rechnungen werden EDEKA-intern als Kosten- oder Eigenbedarfsrechnungen bezeichnet und stehen in keinem direkten Bezug zur Wertschöpfung. In der Rechnungsanlage werden die Dienst- oder Sach- leistungen beschrieben, wie bspw. die Anzahl der erbrachten Stunden und das Material, das für die Erbringung einer Leistung notwendig war. Im Folgenden wird eine einfache Rechnungslegung aus Sicht eines Lieferanten behandelt. Die Rechnungslegung mit Anlage verhält sich identisch bis auf eine zusätzliche Prüfung der Anlagen durch die dafür zuständige Organisationseinheit bei EDEKA. Abb. 15.1 zeigt den Prozess der Rechnungslegung durch einen Lieferanten. Die Rechnungslegung eines Lieferanten kann auf drei unterschiedliche Wege erfolgen. Bei der Offline-Rechnungslegung ist es möglich, die Rechnungen auf postalischem Weg an EDEKA zu übersenden. Diese Rechnung wird eingescannt und über ein OCR-Programm in ein elektronisches Dokument umgewandelt. Es werden aus- schliesslich die Rechnungskopfdaten ausgelesen. Dieses Dokument muss dann noch einmal manuell überarbeitet werden. Danach erfolgt ein mehrstufiger Prü- fungsprozess und eine Freigabe der Rechnung, was die Zahlung der Rechnung zur Folge hat. Als zweite Möglichkeit steht den Lieferanten die Zentralregulierung über die EDEKA Zentrale zur Verfügung. Hierbei muss ein gebührenpflichtiger Vertrag zwischen dem Lieferanten und der Edeka Zentrale geschlossen werden. Die Über- mittlung der Daten kann hier schon elektronisch per EDIFACT erfolgen, allerdings ohne qualifizierte Signatur und ohne Anlagen. Dementsprechend muss zusätzlich eine papierbasierte Sammelrechnung verschickt werden. An die EDEKA Minden wird parallel ein Inhouse-Datensatz übermittelt und an das Rechnungsprüfungs- programm übergeben. Die dritte Art ist die Nutzung der neuen, komplett elektronischen Lösung auf Basis von 1stbp. Hierzu wird auf Seiten der Lieferanten ein spezieller Druckertreiber installiert, mit dem die Rechnung gedruckt wird. Der Druckdatenstrom wird in eine Datei umgeleitet (anstelle der physischen Ausgabe auf Papier). Diese Datei wird dann (über MAPI) an das E-Mail-Programm übergeben. Die so erzeugte E- Mail wird an das Verarbeitungszentrum von 1stbp geschickt. Hier werden aus Druckdatenströmen mit einem eigens entwickelten Regelwerk in einem java- 182 EDEKA Minden-Hannover: Elektronische Rechnungsübermittlung basierten Internet-Gateway die relevanten Informationen extrahiert, plausibilisiert und in das Zielformat konvertiert. Dem Lieferant stehen neben der Einlieferung von Druckdatenströmen per E-Mail noch weitere Transportprotokolle und Formate zur Verfügung. Die hier beschriebene Möglichkeit stellt lediglich eine der mögli- chen Varianten dar. Im Internet-Gateway werden die Daten erfasst, auf Vollständigkeit überprüft, für den Empfänger aufbereitet und zum Download bereitgestellt. Auf Seiten von EDEKA läuft ein automatischer Prozess des Downloads der elektronischen Rech- nungen. Diese werden anschliessend sofort zur Prüfung vorgelegt und es erfolgt i.d.R. eine Freigabe der Rechnung zur Zahlung. Der Lieferant hat in jedem Schritt Einblick über den Status der Rechnung. Er kann online überprüfen, wie der Status der Rechnung bei 1stbp ist, ob die Rechnung schon bearbeitet wurde, ob diese schon an EDEKA weitergesendet wurde usw. 1stbp Lieferant Rechnungsabwicklung Rechnungslegung über Dienstleister Rechnungsannahme Offline Rechnungslegung EDEKA Minden-Hannover Holding GmbH EDEKA Zentrale Hamburg Dienstleister Rechnungsannahme Elektronische Rechnungslegung Papierbasierter Rechnungseingang Annahme Freigabe Prüfung Papierloser Rechnungseingang Freigabe Prüfung Zertifizierung Zustellung per Post Übermittlung der Daten Übermittlung der Daten INKASSO-Liste Automatischer Download Zustellung papier- gebundene Sammel- rechnung Rechnungs- bearbeitung Abb. 15.1: Business-Szenario: Rechnungsverarbeitung bei EDEKA 15.3.2 Prozesssicht Abb. 15.2 zeigt den elektronischen Prozess der Rechnungsübermittlung. Der Liefe- rant druckt seine Rechnung, die er an EDEKA übermitteln möchte, über einen „virtuellen Drucker“ aus seiner Buchhaltungsanwendung im Einzel- oder Massen- druck aus. Der installierte Drucker erzeugt einen Druckdatenstrom (Postscript) der zu druckenden Rechnung in Dateiform, verschlüsselt und signiert diesen. An- schliessend werden die Daten entweder als E-Mail-Nachricht im E-Mail-Standard- Elektronische Rechnungsübermittlung 183 programm an 1stbp verschickt oder als Datei in einem konfigurierbaren Verzeich- nis abgelegt, dessen Inhalt dann an 1stpb geschickt wird. Die Daten werden auf Seiten der 1stbp durch ein Verarbeitungssystem empfangen. Das Verarbeitungs- system extrahiert mittels eines speziell entwickelten Regelwerks die Inhalte des Druckdatenstromes und legt die Ergebnisse der Erfassung zunächst in einem inter- nen Datenformat ab. Nach der Übertragung, werden die Daten in einem zweiten Schritt auf syntaktische Korrektheit überprüft. Hierzu zählt die Prüfung, ob die Rechnung rechnerisch konsistent ist, ob die Leistungsdaten korrekt sind, ob keine doppelten Rechnungs- nummern vergeben wurden, ob alle von EDEKA vorgeschriebenen Mussfelder ausgefüllt sind (z.B. die Kostenstelle) usw. Treten bei der Prüfung Fehler auf, wird eine Fehlermeldung erzeugt und dem Lieferanten in Form einer E-Mail mitgeteilt, womit der Lieferant die von ihm überarbeitete und korrigierte Rechnung erneut versenden muss. Sind die Daten korrekt, werden sie in das von EDEKA vorgege- bene Format (EDI) konvertiert. Des Weiteren wird eine Bilddatei, die die Original- rechnung repräsentiert, erzeugt. Im Anschluss werden die Dateien verschlüsselt und gem. § 14 UStG mit einer elektronischen Signatur der Deutschen Tele- kom/Telsec versehen, einem in Deutschland genehmigten Zertifizierungsanbieter (nachfolgend TrustCenter). Erst mit dieser Signatur entsteht der eigentliche (elekt- ronische) Beleg, der den Empfänger zur Vorsteuer berechtigt. In konfigurierbaren Zeitabständen werden auf Seiten der EDEKA die verschlüssel- ten Rechnungen von 1stbp über HTTP heruntergeladen. Die Daten werden vom 1stbp Downloadmanager entschlüsselt und die Integrität der Rechnung wird ge- prüft. Zusätzlich wird eine Authentizitätsprüfung des zur Signatur verwendeten Zertifikates durchgeführt. Hierzu wird über sogenannte OCSP-Requests (Online Certificate Status Protocol) geprüft, ob das Zertifikat beim ausstellenden TrustCen- ter vorhanden und nicht gesperrt ist. Die Zertifikate des TrustCenters werden dann rekursiv gegen das Wurzelzertifikat der Bundesnetzagentur geprüft. Das Ergebnis wird in einem Prüfprotokoll festgehalten. Im Anschluss werden alle aufbewah- rungspflichtigen Informationen an das Archivierungssystem übergeben. Hierzu gehören die Originalrechnung (als Bild), die Zertifikate und das Prüfprotokoll. Die im EDI-Format erfassten Rechnungsdaten werden an das Rechnungsprüfungs- bzw. Workflow-System übergeben. Über das Workflow-System wird die für die Rechnungsprüfung verantwortliche Organisationseinheit benachrichtig. Es erfolgt eine inhaltliche Prüfung der Rechnung durch die verantwortliche Organisations- einheit. Treten hierbei Fehler auf, wird eine Fehlermeldung erzeugt und dem Liefe- ranten in Form einer E-Mail mitgeteilt, womit der Lieferant die von ihm überarbei- tete und korrigierte Rechnung, mit neuer Rechnungsnummer, erneut versenden muss. Rechnungen, die inhaltlich korrekt sind, werden verbucht und bezahlt. 184 EDEKA Minden-Hannover: Elektronische Rechnungsübermittlung 1stbp Lieferant Daten versenden Rechnung drucken Rechnungsdaten verschlüsselt bereitgestellt Rechnung strukturell inkorrekt XOR Rechnung inhaltlich inkorrekt Daten erfassen Daten inkorrekt Daten prüfen XOR Daten korrekt Daten konvertieren Bilddaten für Archiv- und Workflow-System erzeugen Erstellung Rechnung nach § 14 UStG Rechung bereitstellen EDEKA Minden-Hannover Rechnung = inkorrekt Fehlermeldung Fehlermeldung erzeugen erzeugt u. sendet Download Rechnung Entschlüsseln der Daten Prüfung der Signatur Alle Daten gespeichert Daten speichern AND Daten speichern im Archivierungssystem Weiterleiten der Daten an Rechnungs- prüfungssystem Daten archiviert Workflow-System aktivieren Verantwortlichen benachrichtigen AND Rechnung inkorrekt Rechung prüfen XOR Rechnung korrekt Rechnung = inkorrekt Fehlermeldung Fehlermeldung erzeugen erzeugt u. sendet Rechnung verbuchen und bezahlen Rechnung bezahlt Syntaktisch und rechnerisch Leistungsdaten korrekt Doppelte Rechnungsnummer Alle Mußfelder vorhanden (z.B. Kostenstelle) Rechnungsdaten im EDEKA Datenformat (EDI Datei) erzeugt erzeugt Bilddaten Verschlüsselte Daten und Signaturen erzeugt HTTP Request Zuständiger Sachbearbeiter Originaldatei/Signatur Bilddatei EDI-Datei Prüfprotokoll erzeugt Abb. 15.2: Prozesssicht: Elektr. Rechnungsverarbeitung bei EDEKA Minden-Hannover Elektronische Rechnungsübermittlung 185 15.3.3 Anwendungssicht Nachdem die Prozesssicht die einzelnen Schritte veranschaulicht, die für eine e- lektronische Rechnungslegung notwendig sind, wird im Folgenden der Datenaus- tausch einer erfolgreichen elektronischen Rechnungsabwicklung zwischen den einzelnen Softwaresystemen der Lieferanten, 1stbp und EDEKA vorgestellt (vgl. Abb. 15.3). Der Lieferant druckt seine Rechnung über den „virtuellen Drucker“, der von 1stbp kostenfrei zur Verfügung gestellt wird, worauf ein verschlüsselter Druckdatenstrom mit den Rechnungsdaten erstellt wird. ERP- Datenbank Client Rechnungslegung Lieferant Rechnungsprüfung 1stbp Verarbei- tungs- system Datenextraktion Datenprüfung Daten- konvertierung Datenbank Status- informationen Rechnungsbearbeitung EDEKA Minden-Hannover Bestandsdaten Rechnungsdaten ERP- Client Workflow- System Download- Manager Entschlüsselung Zertifikatpüfung Rechungs -prüfungs- system Archivie- rungs- system Datenbank Original Rechnung Rechnungs- bearbeitung Rechungs- freigabe Aufgaben- verteilung Rechnungs- archivierung 1stbp- Drucker Zertifikate Zertifikat- archivierung Prüfprotokoll- archivierung Prüfprotokoll Abb. 15.3: Anwendungssicht und Integrationsschema EDEKA Minden-Hannover Dieser wird an das Verarbeitungssystem auf Seiten der 1stbp gesendet. Das Verar- beitungssystem der 1stbp extrahiert, prüft und konvertiert die Daten in das für EDEKA relevante Datenformat. Im Anschluss wird die konvertierte Rechnung verschlüsselt und qualifiziert sig- niert zum Download für EDEKA zur Verfügung gestellt. Ebenso werden Statusin- formationen auf Seiten der 1stbp abgespeichert, auf die der Lieferant zugreifen kann. Diese beinhalten, ob und wann die Rechnungsdaten bei EDEKA eingetrof- fen sind. Der Download-Manager auf Seiten der EDEKA greift zyklisch auf das Verarbeitungssystem der 1stbp zu, um die Rechnungsdaten und Zertifikate abzu- holen. Diese werden entschlüsselt und die Zertifikate werden geprüft. Die Rech- nungsdaten werden an das Rechungsprüfungssystem weitergeleitet und die Origi- 186 EDEKA Minden-Hannover: Elektronische Rechnungsübermittlung nalrechnung, das Zertifikat und das Prüfprotokoll werden an das Archivierungs- system gesendet. Durch die Aktivierung des Workflow-Systems wird der verant- wortlichen Organisationseinheit die Prüfung der Rechnung zugewiesen. 15.3.4 Technische Sicht Die Lieferanten, die sich an unterschiedlichen Standorten befinden, schicken die Rechnungsdaten als Druckdatenstrom oder strukturierten Datensatz unter Einsatz verschiedener Protokolle an 1stbp, die diese in ihrem Verarbeitungszentrum erfas- sen bzw. konvertieren und EDEKA zum Download bereitstellen. Lieferant De sk to p De sk to p Dr uc ke r Dr uc ke r Internet EDEKA Minden-Hannover 1stbp Ar ch ivs ys te m Ar ch ivs ys te m Bu ch un ss ys te m Bu ch un ss ys te m W or kf lo w Sy st em W or kf lo w Sy st em Ve ra rb ei tu ng ss ys te m Ve ra rb ei tu ng ss ys te m Do wn lo ad M an ag er Do wn lo ad M an ag er Abb. 15.4: Technische Sicht EDEKA Minden-Hannover Die Kommunikation zwischen den einzelnen Systemen (vgl. Abb. 15.4) auf Seiten der Lieferanten, 1stbp und EDEKA erfolgt grösstenteils über das Internet, entwe- der über E-Mail (SMTP), HTTP, AS2 (Ausnahme: x.400) zwischen den Lieferan- ten und 1stbp oder per HTTP zwischen EDEKA und 1stbp. Die Daten, die über das Internet ausgetauscht werden, sind jeweils verschlüsselt und signiert. Für die Integration der Lösung von 1stbp zur elektronischen Rechnungsübermitt- lung wird keine spezielle Hardware benötigt. 1stbp stellt für unterschiedlichste Betriebssystemkonfigurationen Clients zur Verfügung, die auf einfache Weise bei den Lieferanten in das bestehende System integriert werden können. Auf Seiten der EDEKA wurde neue Hardware angeschafft, auf der der von 1stbp zur Verfü- gung gestellte Downloadmanager läuft. Projektablauf und Betrieb 187 15.4 Projektablauf und Betrieb 15.4.1 Investitionsentscheidung Die internen Kosten, die bei EDEKA für die konventionelle Bearbeitung einer papierbasierten Rechnung angesetzt werden, belaufen sich auf 2.- Euro je Rech- nung. Dies stellt eine sehr niedrige Bemessungsgrenze dar, da dies die Kosten für das Scannen, die Nachbearbeitung, mehrstufige Prüfung und Freigabe der Rech- nung sowie telefonische Unterstützung bei Rückfragen durch die Lieferanten und eventuelle postalische Kosten enthält. Die Anschaffungs- und Entwicklungskosten für Hardware und die Programmierung der Schnittstellen wurden mit ca. 40'000.- Euro angesetzt. Dem entgegen stand ein Einsparungspotenzial von 200'000.- Euro bis 400'000.- Euro pro Jahr, unter Annahme einer Kostenreduktion von einem Euro pro Rechnung. Die Investitionsentscheidung wurde im Rahmen einer GF- Sitzung getroffen und die Umstellung auf eine elektronische Rechnungsabwick- lung wurde als ein Unternehmensziel definiert. 15.4.2 Projektmanagement und Changemanagement Das Projekt wurde aus dem Bereich des Konzernqualitätsmanagements initiiert. In die Projektorganisation wurden Teilnehmer aus allen Bereichen der EDEKA hin- zugezogen, die von der elektronischen Rechnungsverarbeitung betroffen waren. Hierzu gehörten Teilnehmer aus den Bereichen Rechnungsprüfung, Logistik, IT, Buchhaltung und Revision. Somit war es möglich, schon zu einem frühen Zeit- punkt Anforderungen der Fachabteilungen aufzunehmen und in die neue Lösung mit einzubringen. Ein wichtiger Punkt der Einführung der neuen elektronischen Rechnungsabwick- lung ist in der Reorganisation der internen Rechnungsprüfung und Freigabe zu sehen. Vor der Einführung der elektronischen Rechnungslegung mussten die Rechnungen eingescannt und überprüft werden, was nun über 1stbp automatisch erledigt wird. Es kam hierbei zu einem komplexen (teilweise waren mehr als acht Organisationseinheiten betroffen) und zyklischen Prüf- und Freigabeprozess, der ggf. mehrere Standorte betraf. Dies konnte sich teilweise lange hinziehen wenn bspw. eine inkorrekte Rechnungslegung durch den Lieferanten erfolgte. Die Prü- fung und die Freigabe der Rechnungen wurden komplett neu organisiert. Es erfolgt nun nur noch eine Prüfung auf inhaltliche Korrektheit durch die für die Rechnung zuständige Organisationseinheit. Nach Prüfung und Freigabe erfolgt eine automa- tische Verbuchung und Anweisung der Rechnung. Die einzelnen Fachabteilungen wurden aktiv über das neue System informiert. Die Mitarbeitenden wurden im Umgang mit den neuen Prozessen und der neuen Software geschult. 188 EDEKA Minden-Hannover: Elektronische Rechnungsübermittlung 15.4.3 Entstehung und Roll-out der Softwarelösung Für die elektronische Rechnungsabwicklung mussten auf Seiten der EDEKA eini- ge Schnittstellen implementiert werden, die die bereitgestellten Daten des Downlo- admanagers den EDEKA-internen Systemen zur Verfügung stellen. Hierzu gehö- ren das Archivierungssystem, das Workflow-System und das Rechnungsprüfungs- system. Die fertige Lösung wurde in einer Pilotphase mit ausgewählten Lieferan- ten für zwei Monate getestet und zwei Monate vor der kompletten Umstellung, für eine weitere Validierungsphase, produktiv gesetzt. 15.4.4 Laufender Unterhalt Ein grosser Vorteil der Lösung besteht darin, dass die EDEKA ausser dem Down- load-Manager keine weitere externe Software installieren musste. Die Wartung der von EDEKA programmierten Schnittstellen ist unabhängig von Änderungen am Download-Manager, da dieser die Daten dateibasiert zur Verfügung stellt. Da Mitarbeitende aus den unterschiedlichsten Organisationseinheiten der EDEKA bereits bei der Konzeption und bei der Projekteinführung beteiligt waren, entstan- den im laufenden Betrieb keine wesentlich neuen Anforderungen. Insbesondere die zusätzlich zum Datensatz erfolgte Übermittlung einer bildhaften Darstellung im Workflow (die optisch 1:1 der bisher verwendeten Papierrechnung entspricht) sorgt für eine sehr hohe Akzeptanz auf der Nutzerseite. 15.5 Erfahrungen 15.5.1 Nutzerakzeptanz Die Erfahrungen, die in den ersten sechs Monaten gemacht wurden, sind uneinge- schränkt positiv. Die transparente Darstellung des Prozesses der Rechnungsbear- beitung aus der Sicht der Lieferanten und die wesentlich schnellere Freigabe und damit auch Bezahlung der Rechnung, wird durch alle Beteiligten als positiv bewer- tet. Auf Seiten der EDEKA werden die Veränderungen der Verantwortlichkeiten für die Prüfung und Freigabe der Rechnung ebenfalls als sehr positiv angesehen. Die Rechnungen werden nun sofort von den zuständigen Organisationseinheiten ge- prüft und freigegeben. Hierbei entfällt vor allen Dingen die manuelle Pflege von Positionsdaten pro Kostenstelle. Diese Daten werden nun übermittelt und direkt gebucht bzw. für das Controlling zur Verfügung gestellt. Den Mitarbeitenden, die vor der neu eingeführten Lösung in den Rechnungsprüfungsprozess eingebunden waren, wurden neue Aufgabenbereiche zugeordnet. Erfahrungen 189 15.5.2 Zielerreichung und bewirkte Veränderungen Grob geschätzt rechnet sich die Lösung für einen Lieferanten ab zehn Rechnun- gen, die er pro Jahr stellt. Unter dieser Grenze können eventuell Mehrkosten durch z.B. die Anschaffung eines Scanners auftreten, die im Abschreibungszeitraum des Anschaffungsobjektes nicht amortisiert werden können. Das Ziel ist es, alle Rech- nungen auf elektronischem Wege abzuarbeiten. Hierzu sollen alle Lieferanten in Zukunft ihre Rechnungen über 1stbp auf elektronischem Wege einreichen. Bei EDEKA selbst ergaben sich die grössten Änderungen auf organisatorischer Ebene. 15.5.3 Investitionen, Rentabilität und Kennzahlen Für den Lieferanten entstehen Kosten durch den Ausdruck und die Kuvertierung sowie für den Papiertransport und das Porto (ca. 1.80 Euro). Auf der Seite von EDEKA entstehen Kosten durch das Erfassen (OCR-Scannen) und das manuelle Bearbeiten der Rechnungen. Diese müssen steuerpflichtig geprüft, im Konzern verteilt und in der Buchhaltung erfasst werden. Tab. 15.2: Mindestkosten für eine nicht-elektronische Rechnung Ausdruck & Kuvertierung 1,25 € Lieferant Papiertransport / Porto 0,55 € Scannen & OCR 1,00 € EDEKA Manuelles Bearbeiten/Verteilung 1,00 € Auf Seiten der Lieferanten wird ein Einsparungspotenzial von mehr als 0.55 Euro angesetzt, da wenigstens das Porto eingespart werden kann. EDEKA rechnet mit einem Einsparungspotenzial von mindestens einem Euro pro Papierrechnung. Bei einem Potenzial von 400'000 Rechnungen der ca. 440'000 jährlich anfallenden Eigenbedarfsrechnungen kann das in Tab. 15.3 aufgeführte Nutzenpotenzial ermit- telt werden. Tab. 15.3: Nutzenpotenzial der 440'000 Eigenbedarfsrechnungen Optimal 100 % Umsetzung 400'000 € pro Jahr Defensiv 50 % Umsetzung 200'000 € pro Jahr Dem gegenüber sind nun die Kosten für den Lieferanten von max. 0.28 Euro je Rechnung und eventuell neu entstandene Internetkosten anzusetzen. Ebenso müs- sen die Lieferanten eventuell einen Scanner kaufen, um mögliche Anlagen, die für die Rechnungslegung relevant sind, einzuscannen und diese auf elektronischem Weg zu versenden. Auf Seiten von EDEKA muss man den Einsparungen die Kos- ten für den laufenden Unterhalt gegenüber stellen, die sich auf ca. 20'000.- Euro pro Jahr belaufen. Somit werden mindestens 180'000.- Euro bei einer defensiven 190 EDEKA Minden-Hannover: Elektronische Rechnungsübermittlung Umsetzung bzw. 380'000.- Euro bei einer optimalen Umsetzung pro Jahr einge- spart. Nicht direkt eingerechnet ist, dass die Rechnungen nun wesentlich zeitnaher beglichen werden (Skontoausnutzung) und dass der neu geschaffene Prozess transparenter ist. 15.6 Erfolgsfaktoren 15.6.1 Spezialitäten der Lösung Bei der Innovation im Bereich der Rechnungsabwicklung bei EDEKA handelt es sich um eine Lösung, bei der alle Beteiligten einen Mehrwert erzielen. Die Liefe- ranten können bei 1stbp jederzeit sehen, wie der Status ihrer Rechnung ist, ob die Rechnung korrekt war, ob sie bereits abgearbeitet und bereitgestellt oder bereits durch EDEKA heruntergeladen wurde. Von den Kunden der 1stbp können Felder definiert werden, auf die eine Rechnung von 1stbp untersucht wird. 15.6.2 Reflexion der „Business Collaboration“ Die Lieferanten, wie auch verschiedene Organisationseinheiten der EDEKA, be- finden sich verteilt an unterschiedlichen Standorten. Der neue Prozess erlaubt, unabhängig vom Standort für alle Lieferanten gleich und kostengünstig Rechnun- gen über das Internet zu versenden. Der Zugriff von EDEKA auf die Rechungen erfolgt über 1stbp in mittelnder Position ebenfalls über das Internet, was zu einem transparenten Prozess für den Lieferanten führt. Die Zeitdauer, bis eine Rechnung bezahlt wird, hat sich signifikant verkürzt. Dies birgt gleichermassen Vorteile sowohl für die Lieferanten, da die Rechnung zeitnah beglichen wird, als auch für EDEKA, durch die Skontoausnutzung. 15.6.3 Lessons Learned Bei einem nächsten Projekt würde man verstärkt darauf achten, dass die betroffe- nen Fachabteilungen, die nicht in die Planung des Projektes einbezogen waren, früher über die Planung und Entwicklung einer neuen Lösung informiert werden. Die Einführung einer Software, die Prozesse und in diesem Fall den Prozess der Rechnungsabwicklung signifikant vereinfacht, musste auch organisatorisch Ände- rungen nach sich ziehen. Bei EDEKA wurde hierbei ein komplexer, mehrstufiger und intransparenter Prozess, der mehrere Organisationseinheiten betraf, zu einem einfachen und transparenten Prozess umgewandelt, von dem nur noch wenige Organisationseinheiten betroffen sind.