2019-11-142019-11-14https://irf.fhnw.ch/handle/11654/29557«Nachbarschaft» erfährt als Planungs- und Interventionsebene in der stadtentwicklungspolitischen Debatte und der Frage nach dem Zusammenleben in zunehmend ausdifferenzierten Gesellschaften erneut Hochkonjunktur. Daraus resultierende Programmatiken zur Förderung von Nachbarschaft zielen in der Regel darauf ab, gesellschaftspolitische Herausforderungen wie dem demografischen Wandel oder einer zunehmenden sozialen Ungleichheit entgegenzuwirken. Die daran geknüpften Handlungs- und Gestaltungsziele gehen meist mit idealtypischen Vorstellungen über das Zusammenleben in städtischen Räumen und lokale Gemeinschaftlichkeit einher. Nachbarschaften zeichnen sich jedoch durch Prozesshaftigkeit und eine hohe Komplexität aus. Dies zeigt die ethnografische Studie auf, die in einem innerstädtischen Berliner Quartier mit Bewohnenden, Nachbarschaftsvereinen und quartiersbezogenen institutionellen Akteur*innen durchgeführt wurde. Sie ging der Frage nach, wie Nachbarschaften im Alltag durch Bewohnende hergestellt und verhandelt werden, welche Bedeutung Nachbarschaften für die Aufgaben intermediärer Akteure haben und worauf eine Fokussierung auf Nachbarschaften in der Planung und Steuerung von Städten achten sollte. Die Erkenntnisse machen deutlich, dass Akteure, die eine «Nachbarschaftspolitik» verfolgen, Nachbarschaften in ihrer Prozesshaftigkeit anerkennen sollten. Wenn Nachbarschaft als Interventionsebene gewählt wird, dann muss dies im Bewusstsein geschehen, einen Prozess auszulösen, der nur als Co-Design vollzogen werden kann, der zwar Meilensteine kennt, aber kein Ende und dessen Absichten und Ziele sich im Prozess verändern. Förderkulissen und Vorhaben, die dies nicht berücksichtigen, werden zwangsläufig zu top-down Prozessen und wertvolle Ressourcen von Nachbarschaften (wie Wissen, Zeit, Mobilisierbarkeit, Umsetzungen) kommen dadurch nicht zum Tragen. Zudem zeigt die Studie, dass die unterschiedlichen Akteure auf der lokalen Ebene in ihren sozialen und räumlichen Alltagspraktiken und in ihren vielfältigen und multiskalaren Interdependenzen zu verstehen sind. Eine solche Perspektive sollte Ausgangspunkt für die Verständigung über jeweilige Interventionsmomente sein, denn es ist ein Ergebnis der Studie, dass sich das lokale Geflecht von Nachbarschaften stark ändert, sobald von außen interveniert wird - und damit die Voraussetzungen für die Interventionsabsicht ebenso verloren gehen können, wie die Unterstützung durch die Nachbarschaften.NachbarschaftStadtentwicklungStadtplanungEthnographieSoziale Arbeit300 - Sozialwissenschaften, Soziologie, AnthropologieNachbarschaft als lokales Potential städtischer Entwicklung – Konstitutionsbedingungen, Bedeutungen und Möglichkeiten der Verstetigung00 - Projekt