Ritz, Frank

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Sicherheitsbezogene Führung: Vorgesetztenverhalten beim Umgang mit Abweichungen im operativen Betrieb und dessen Auswirkungen auf die Sicherheitskultur Regulation von Human-Factors-Themen im Kontext Bahnbetrieb durch das Bundesamt für Verkehr (6)

2022-03-17, Ritz, Frank, Brüngger, Jonas

Im sechsten Teil des angewandten Forschungs- und Entwicklungsprojekts „Entwicklung sicherheitsförderliche Aufsichtsstile“ wird der Einfluss von sicherheitsbezogener Führung am Beispiel des Vorgesetztenverhaltens im operativen Betrieb und dessen Auswirkungen auf die Entwicklung der Sicherheitskultur untersucht. Dieser Bericht beinhaltet die verfolgten theoretischen Ansätze und beschreibt das methodische Vorgehen, die Ergebnisse und bildet im Fazit, ausgehend von einer Integration der Ergebnisse, konkrete Empfehlungen für die Regulation von Sicherheit und weiteren Forschungsbedarf ab. In der übergeordneten Zusammenschau und Verdichtung der Ergebnisse der bisherigen Untersuchungen (vgl. Berichte 1-5: Ritz et al. 2014; Ritz & Brüngger, 2015, 2017, 2018, 2020) haben sich zahlreiche Hinweise ergeben, die eine Systematik erkennen lassen, welche im Modell des «Drift-to-Danger» (Rassmussen, 1997; vgl. Abbildung 1) beschrieben wird und als latent sicherheitsgefährdend einzustufen ist (vgl. Kapitel 2 und 4). Die exemplarischen Ergebnisse, der in der vorliegenden Untersuchung eingesetzten Fokusgruppenmethode (Kapitel 3), unterstützen diese Einschätzung: Das ermittelte menschliche Kompensationsverhalten ist stärker auf die Aufrechterhaltung des (effizienten) Betriebs hin ausgerichtet als auf die effektive und sukzessive Benennung sowie Beseitigung von organisationalen Schwachstellen unter Einbeziehung der operativ handelnden Person. Die Ergebnisse (Kapitel 4) zeigen exemplarisch, wie Vorschriftenverstösse durch organisatorische Rahmenbedingungen provoziert werden und sich im Sinne der «Ausweitung der Grauzone» verstetigen. Dabei wird auch der psychische Druck erkennbar, dem Vorgesetze und Mitarbeitende ausgesetzt sind, was kennzeichnend für die skizzierte Dynamik ist. Bezogen auf den aktuellen Status der Sicherheitskultur im Bahnbetrieb deuten diese Befunde daraufhin, dass innerhalb von Eisenbahnunternehmen die organisationalen Rahmenbedingungen grundsätzlich stärker auf eine sicherheitsgerichtete Umsetzung in den operativen Arbeitsbereichen auszurichten sind. Entsprechende Massnahmen sollten insbesondere auf eine Stärkung der «Führenden-Geführten-Beziehung» abzielen. Die Durchführung von diesbezüglichen Sicherheitskulturkampagnen sollte ein probater erster Schritt sein, um der ermittelten Problematik adäquat zu begegnen. Damit sollte ein vertieftes Verständnis für Anforderungen an die aktive Aufrechterhaltung der Sicherheit im Bahnbetrieb geschaffen werden um Human-Factors-basierte «Stärken und Schwächen» angemessen bei der Gestaltung des Arbeitssystems (Ritz, 2015b) berücksichtigen zu können.

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Publikation

Fehlpassungen von Vorschriften und operativen Anforderungen: Fallbeispiele von Arbeitsstellen im Bahnbetrieb - Regulation von Human-Factors-Themen im Bahnbetrieb durch das Bundesamt für Verkehr

2018-05, Ritz, Frank, Brüngger, Jonas

Der vorliegende Bericht umfasst die zentralen Ergebnisse der vierten Phase des Forschungs- und Entwicklungsprojekts „Entwicklung sicherheitsförderlicher Aufsichtsstile“. Er umfasst die Ergebnisse einer vertiefenden, beschreibenden Analyse von spezifischen, exemplarisch aus-gewählten Sicherheitsverstössen auf Arbeitsstellen. Die Verstösse wurden durch Sicherheit-schefs (SC) als besonders häufig auftretend und/oder besonders relevant hinsichtlich ihres Gefährdungspotenzials eingestuft. Die Berufsgruppe der Sicherheitschefs wurde ausgewählt, weil diese auf Grundlage der Ergebnisse der Projektphase drei (vgl. Ritz & Brüngger, 2017) als auffallend exponiert beim Begehen von Verstössen zu betrachten sind. Ihre operative Er-fahrung eignet sich damit besonders, um über konkrete Fehlpassungen von aktuellen Vor-schriften und betrieblichen Anforderungen Auszukunft zu geben. Dabei wurden die Ziele ver-folgt, Erkenntnisse über die Grenzen der Funktionalität von behördlichen Vorschriften zu ge-winnen und in einer komplementären Betrachtungsweise einerseits praktische Ansatzpunkte zur regulatorisch gesteuerten Einflussnahme bei der sicherheitsgerichteten Veränderung der betrieblichen Praxis aufzuzeigen und andererseits exemplarische Hinweise zum möglicher-weise erforderlichen Anpassungspotenzial des Vorschriftenwerks anhand aktueller betriebli-chen Bedingungen zu liefern. Die sprachliche Fassung des Berichts orientiert sich daran, auf möglichst „einfache Weise“ die spezifischen Problemfelder konkret zu beschreiben, um diese sowohl einer innerbehördlichen Diskussion zugänglich zu machen, als auch als Diskussions-grundlage zwischen Vertreter/inne/n von Behörde und Bahnbetreibenden genutzt werden zu können sowie nicht zuletzt auch, um den an diesem Projekt beteiligten Sicherheitschefs als Rückmeldung und explizites Dankeschön für ihre - von Offenheit gekennzeichnete Koopera-tion - zu dienen. Damit wird ein weiterer wichtiger Schritt umgesetzt, um relevante Human-Factors-Themen bei der Regulation des Bahnbetriebs entsprechend den Anforderungen der bahnbetrieblichen Praxis zu erschliessen und bei einer partizipativen, sicherheitsgerichteten Entwicklung der Si-cherheitskultur angemessen berücksichtigen zu können. Es werden Impulse gesetzt, proaktiv die Erkenntnisse aus den Projektphasen eins bis drei weiterzuverfolgen. In den Projektphasen eins und zwei wurden in partizipativer Kooperation zwischen den Mitar-beitenden des Bundesamtes für Verkehr (BAV) und Mitarbeitenden der Hochschule für Ange-wandte Psychologie (APS) die zur Verfügungen stehenden Regulationsinstrumente des BAV und deren Wechselwirkungen - hinsichtlich grundsätzlicher, sicherheitsgerichteter Regulati-onswirkungen in Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) - analysiert. Zusätzlich wurden strategische Leitsätze - insbesondere im Hinblick auf Entwicklungsfelder im Themenbereich „Si-cherheit und Human Factors“ - ausformuliert. Als Schwerpunktthema wurde „Sicherheitskul-tur“ von seiner regulatorischen Bedeutung her priorisiert und für die folgenden Projektphasen als rahmengebend festgelegt. In der dritten Projektphase wurden Fahrdienstleitende, Lokfüh-rende, Zugvorbereitende und Sicherheitschefs verschiedener EVU zum Thema vorschriften-konformes Verhalten in der betrieblichen Praxis mit Hilfe eines Fragebogens befragt. In dieser vierten Projektphase wird anhand konkreter Fallbeispiele exemplarisch auf spezifi-sche Vorschriftenverstösse näher eingegangen, wobei insbesondere die Gründe und Wider-sprüche bei der Arbeit in der bahnbetrieblichen Praxis, die das Auftreten von Vorschriftenver-stössen begünstigen, beschrieben und analysiert werden. Abschliessend werden entspre-chende regulatorische Massnahmen empfohlen und weiterer Forschungsbedarf abgeleitet. Der Bericht ist dazu folgendermassen aufgebaut: In der Einleitung werden die Projekthinter-gründe geklärt, der Projektauftrag der FHNW beschrieben und auf konkrete Ziele und Frage-stellungen des Berichts eingegangen. Im zweiten Kapitel wird auf den theoretisch relevanten Hintergrund zum Projekt eingegangen, insbesondere werden dabei zwei sich kontrastierende Sichtweisen auf Vorschriften aufge-zeigt, Zielsetzungen die mit Vorschriften erreicht werden sollen beschrieben und auf Fehlpas-sungen als Gründe für Verstösse eingegangen. Im dritten Kapitel wird detailliert auf die Vorgehensweise und Methodik eingegangen. Die in der Datenerhebung verwendete Stichprobe sowie Ablauf des durchgeführten Workshops und Interviews werden beschrieben. Im vierten Teil werden geordnet nach drei Themenbereichen die Ergebnisse in Form von 10 Beispielfällen dargestellt. Die Beispielfälle zeigen Vorschriftenverstösse bei Arbeitsstellen im Bahnbetrieb auf sowie die spezifischen Bedingungen bzw. Fehlpassungen in welchen diese begangen werden. Für jeden Beispielfall wird in Form einer Diskussionsgrundlage für ein mög-liches weiteres Vorgehen auf Massnahmen zur Beseitigung der zu Grunde liegenden Fehl-passungen eingegangen. Zum Abschluss wird ein Fazit über die gewonnenen Erkenntnisse gezogen, Muster in den Ursachen beschrieben und es werden konkrete Empfehlungen für Regulation sowie Forschung gemacht. Hierbei wird auf mögliche zukünftige Forschungsthemen eingegangen. Mit dem Fokus auf die Sicherheitschefs und Arbeitsstellen wurde einer der sicherheitsrele-vanten Bereiche im Bahnbetrieb betrachtet. Diese Betrachtung konnte Erfolgreich konkrete und relevante Fälle von Vorschriftenverstössen aufzeigen. Fallspezifisch wurden Massnahmen diskutiert die eine Grundlage zur Verbesserung der Sicherheit darstellen.

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Publikation

Aufsicht durch das Bundesamt für Verkehr (BAV) und vorschriftenkonformes Verhalten in der betrieblichen Praxis - Regulation von Human-Factors-Themen im Bahnverkehr durch das Bundesamt für Verkehr (3)

2019-01-24, Ritz, Frank, Brüngger, Jonas

Im Bahnbetrieb sind Verstösse von Vorschriften relativ häufig zu beobachten (vgl. Ritz, & Brüngger, 2017). Um ein besseres Verständnis über ursächlichen Faktoren, die an der Ent-stehung von Vorschriftenverstössen beteiligt sind, zu erlangen, wurde eine theoriegestützte, multimethodische Untersuchung durchgeführt. Dabei wurden Sicherheitschefs verschiedener EVU (bzw. von Drittfirmen) inWorkshops und Interviews zum Thema Fehlpassungen von Vor-schriften und operativen Anforderungen beim Arbeiten auf Arbeitsstellen im Bahnbetrieb be-fragt. Die Ergebnisse werden in drei Themenbereiche strukturiert, innerhalb derer zehn Beispielfälle von Vorschriftenverstösse beschrieben und die entsprechenden Fehlpassungen thematisiert werden. Im ersten Themenbereich „Umgang mit Strom“ wird auf Beispiele zur unvorschriftsgemässen Erdung und zur Ausserkraftsetzung von Begrenzungen bei Maschinen eingegangen. Der zweite Themenbereich „passierende Züge“ widmet sich der Missachtung von Warnsyste-men, der unvorschriftsgemässen Fortsetzung von Arbeiten während Zugvorbeifahrten, dem Abgeben inadäquaterWarnsignale, der Verwendung „unvorschriftsgemässer“Warnmittel und dem Verletzen des Lichtraumprofils mit Maschinen. Im dritten Themenbereich „unpassende Personalplanung“ werden Verstösse durch fehlendes Sicherheitspersonal, unzureichende Sprachkompetenzen und fehlenden Streckenkenntnis-sen beschrieben. In den jeweiligen Themenbereichen wird einerseits aufgezeigt, mit welcher - durch die betrei-ligten Sicherheitschefs wahrgenommenen - Häufigkeit die beschriebenen Verstösse began-gen werden und andererseits wird beschrieben, welche zusätzlichen Massnahmen getroffen werden könnten, durch die das veränderte Risiko-/Gefahrenpotenzial des jeweiligen Verstos-ses minimiert werden könnte. Entsprechend wird für jeden Beispielfall eine Beschreibung ur-sächlicher Umstände, die einen Verstoss begünstigen, gegeben und ergänzt durch die Erhe-bung der wahrgenommen Verstosshäufigkeiten. Letztere ist zwar nicht als statistisch abgesi-cherte Kennzahl zu verstehen, kann jedoch gleichwohl im Sinne eines Indikators eines Früh-warnsystems verstanden werden, der im Kontext des jeweiligen Arbeitskontext einen sicher-heitsrelevaten Einflussfaktor darstellt. Für jedes der ausgearbeiteten Beispiel werden sich teil-weise ergänzende Strategien beschrieben, die als Grundlage für eine weiterführende Diskus-sion zu betrachten sind, um die zugrundeliegenden Fehlpassungen der Vorschriftenverstösse 7 im operativen Betrieb zu regulieren. Diese Strategien sind aus der allparteilichen, wissen-schaftlichen Perspektive der Verfasser beschrieben und stehen im Spannungsfeld von An-passungen der operativen Anforderungen durch die beteiligten Betreiberorganisationen und/oder durch Anpassungen der betreffenden regulatorischen Vorschriften. Der Anspruch, der durch diese spezifischen Strategien erwächst, zielt nicht auf eine unmittelbare behördliche Entscheidung und Umsetzung ab, sondern skizziert vielmehr den Rahmen für einen grund-sätzlichen mittel- und längerfristigen systemstischen innerbehördlichen Dialog über das Thema der adäquaten Berücksichtigung von Human Factors bei der Organisation von sicher-heitsbezogenen Vorschriften. D.h., dass potenzielle Interventionsentscheide durch die Be-hörde selbst zu treffen sind, nach eigener Risikoabwägung und/oder – ermittlung. Wobei die grundsätzliche Frage danach, wie Vorschriften und betriebliche Praxis bestmöglich in Ein-klang zu bringen sind, kontinuierlich von berücksichtigt werden sollte. Hierzu kann die vorlie-gende Studie lediglich erste die im Fazit zusammengefassten, übergeordneten Anhaltspunkte liefern. Das Fazit weist aus, dass Verstösse oftmals auf operative- Anforderungen zurückgeführt wer-den können, die ähnliche ursächliche Muster aufweisen. Diese können grob kategorisiert wer-den, als: 1. Fehler in der Planung von Arbeiten; 2. Aufrechterhaltung oder Maximierung der Wirtschaftlichkeit als priorisierte Zielgrösse; 3. Verhinderung von „Unbequemlichkeit“ bei der operativen Aufgabenbewältigung. Um die Planungsfehler zu verhindern, die später in Vorschriftenverstösse münden, werden Schulungen, exemplarische Leitfäden und zusätzliche Prüfschleifen im Planungsprozess empfohlen. Um die auf eine, gegenüber der Sicherheit priorisierte, Maximierung der Wirtschaftlichkeit von Vorschriftenverstössen zu verhindern, scheint eine Trennung der verschiedenen Interessen, für Wirtschaftlichkeit und Sicherheit, notwendig.Wobei entsprechende Kompetenzen und Ver-antwortlichkeiten zu regeln sind. In diesem Sinne scheint besonders wichtig, dass Sicherheits-ziele von Vorschriften möglichst konkret und anwendungsgerecht formuliert werden. Hier-durch könnten bspw. Führungskräfte (Kader) darin unterstützt werden, mit Mitarbeitenden handlungswirksame Sicherheitsziele zu vereinbaren und einen angemessenen Erfahrungs-rückfluss in die Organisationen zu initiieren. 8 Um „Unbequemlichkeit“ als Grund für Verstösse zu eliminieren, wird die Berücksichtigung der jeweiligen aufgabenspezifischen Bedürfnisse von Mitarbeitenden vorgeschlagen. Diese soll-ten, ebenso wie der zuvor genannte Aspekt der sicherheitsbezogenen Priorisierung, durch Vorgesetzte, unter Bezugnahme auf konkret formulierte Sicherheitsziele von spezifischen Vorschriften, direkt reguliert werden können. Um zu einer umfassenderen Einschätzung über die ursächlichen Faktoren sicherheitsrelevan-ter Vorschriftenverstössen gelangen zu können, wird empfohlen, weitere Berufsgruppen im Bahnbetrieb (Fahrdienstleitende, Lokführer, Zugvorbereitung) praxisgerecht zu befragen.

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Fehlpassungen von Vorschriften und operativen Anforderungen - Fallbeispiele von Baustellen im Bahnbetrieb

2018-07, Ritz, Frank, Brüngger, Jonas