Varietätenwahl in der Schweizer Aphasiediagnostik

Loading...
Thumbnail Image
Author (Corporation)
Publication date
2025
Typ of student thesis
Course of study
Type
02 - Monograph
Editors
Editor (Corporation)
Supervisor
Parent work
Special issue
DOI of the original publication
Link
Series
Series number
Volume
Issue / Number
Pages / Duration
Patent number
Publisher / Publishing institution
Bern Open Repository and Information System (BORIS)
Place of publication / Event location
Bern
Edition
Version
Programming language
Assignee
Practice partner / Client
Abstract
Dialekte werden überall auf der Welt gesprochen und haben dennoch bisher in der Aphasiologie nur vereinzelt Beachtung gefunden. In der Deutschschweizer Diglossie geniessen Dialekte ein hohes Prestige und werden für die informelle Kommunikation unter Schweizer:innen bevorzugt, während Standard für Schriftliches und formelle Kommunikation verwendet wird. In soziolinguistischen Studien aus der Deutschschweiz wurden ausserdem verschiedene Funktionen von Code-Switching (CS) gefunden, welche sich nach Rolle und Richtung unterscheiden. Die Rolle einer Person in institutionellen Settings, wie Sprachtherapeut:in (TH) oder Person mit Aphasie (PmA), könnte sich daher auch auf die Varietätenwahl auswirken. In der Aphasiediagnostik ist das biopsychosoziale Modell der ICF zur Beschreibung von Einschränkungen und Ressourcen verbreitet und bezieht über die Ebenen der Aktivität und Partizipation sowie der Umweltfaktoren auch den Alltag von PmA ein. In der Deutschschweizer Aphasiediagnostik wird bevorzugt Dialekt gesprochen, aber gleichzeitig mangels Alternativen auch auf bundesdeutsche, standardisierte Tests zurückgegriffen. Dadurch könnte eine Diskrepanz zwischen Test- und Alltagssprache entstehen. Diese Ausgangslage führte im vorliegenden Dissertationsprojekt zur Frage, ob die Varietätenwahl in der Aphasiediagnostik nach bestimmten soziolinguistischen und klinischen Kriterien oder zufällig erfolgt. Es wurden drei Studien zur Varietätenwahl durchgeführt, in denen untersucht wurde, ob die soziolinguistischen Faktoren Formalität und Rolle sowie die klinischen Faktoren Untertest, Testitem, linguistische Komplexität und Testtreue einen Einfluss auf die Varietätenwahl haben können. Die Studien basieren auf elf Videoaufnahmen von Testdurchführungen zur Aphasiediagnostik. Es nahmen neun verschiedene TH (acht Frauen, ein Mann) und 11 PmA (zwei Frauen, neun Männer) teil. Die Transkripte der Testdurchführungen wurden nach Diagnostikteil («Gespräch», «Instruktion», «Überleitung», «Testitem», «Hilfe», «Rückmeldung/Kommentar») und Varietät (Dialekt, Standard, Äusserung mit CS) codiert und quantitativ deskriptiv ausgewertet. In der ersten Studie dominiert sowohl in formellen als auch in informellen Diagnostikteilen der Dialekt, aber Standard wird im formellen Diagnostikteil «Testitems» im Vergleich zu anderen Diagnostikteilen am häufigsten verwendet. Dies zeigt, dass soziolinguistische Faktoren wie Formalität und Rolle einen Einfluss auf die Varietätenwahl haben können. Die Ergebnisse der zweiten Studie zeigen, dass Untertests mit hoher linguistischer Komplexität vermehrt im Standard durchgeführt, die anderen hingegen in den Dialekt übersetzt werden, sofern eine Übersetzung möglich ist. Dadurch kann angenommen werden, dass sowohl die Testtreue als auch die durch die ICF plädierte Aktivität/Partizipation die Varietätenwahl eines Untertests beeinflussen können. Die dritte Studie untersuchte Funktionen und Richtung von CS bei TH und PmA. Hier zeigt sich, dass CS sowohl von den TH als auch den PmA intendiert ist und verschiedene Funktionen übernehmen kann. Die Varietätenwechsel erfolgen demnach nach klinischen und soziolinguistischen Gesetzmässigkeiten. Die Ergebnisse aller drei Studien deuten darauf hin, dass die Varietätenwahl in der Aphasiediagnostik in den untersuchten Testdurchführungen in hohem Masse regelgeleitet erfolgt. Durch die Kombination von klinischen und soziolinguistischen Ansätzen können diese Regeln beschrieben sowie theoretisch und praktisch nutzbar gemacht werden. Theoretische Implikationen sind beispielsweise eine erweiterte Beschreibung der soziolinguistischen Funktionen der Varietätenwahl in der Deutschschweiz sowie ein vertiefteres Verständnis diglosser Aphasien. Eine multidisziplinäre Perspektive kann ausserdem in der klinischen Praxis zu einem differenzierten, partizipativ ausgerichteten Verständnis von Menschen mit Aphasie beitragen, indem sie eine unnötige Pathologisierung aphasischer Sprache verhindert
Keywords
Aphasie, Soziolinguistik, Schweizer Sprachsituation, Varietätenwahl
Project
Event
Exhibition start date
Exhibition end date
Conference start date
Conference end date
Date of the last check
ISBN
ISSN
Language
German
Created during FHNW affiliation
Yes
Strategic action fields FHNW
Publication status
Published
Review
Peer review of the complete publication
Open access category
Diamond
License
'https://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/4.0/'
Citation
Widmer Beierlein, S. (2025). Varietätenwahl in der Schweizer Aphasiediagnostik. Bern Open Repository and Information System (BORIS). https://doi.org/10.48549/6200