Meyer, Thomas
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Oase auf dem Abstellgleis Europas
2017-06, Meyer, Thomas
Das Künstlerhaus Boswil (AG) ist seit 1952 ein wichtiger Ort für die Neue Musik und zeitgenössi-sche Kunst in der Schweiz – kaum bekannt aber ist, dass es auch einen kulturpolitisch bedeut-samen internationalen Brennpunkt darstellt. In Komponistenseminaren, Musikkritikertagungen und anderen Veranstaltungsformen spiegeln sich signifikante Entwicklungen in Nuce, um die Vor-Wendezeit war es ein zentrales Begegnungszentrum von Musikern aus Ost und West, die kaum woanders die Gelegenheit zum intensiven Austausch hatten. Im Archiv des Künstlerhau-ses ist diese spezielle Situation in zahlreichen aussagekräftigen Quellentexten und Korrespon-denzen hervorragend dokumentiert. Kontakte wurden nicht nur zu nonkonformistischen Künst-lerszenen hinter dem Eisernen Vorhang gepflegt, sondern gleichzeitig auch zur offiziellen Kultur-politik teilweise auf höchster staatlicher Ebene – eine erste vorbereitende Sichtung ergab den Eindruck eines überaus reichen und brisanten Spannungsfeldes. Diese wertvollen Bestände sind bisher in keiner Weise systematisch erschlossen oder aufgear-beitet. Das Archivprojekt untersucht erstmals diese Korpora, um Erkenntnisse darüber zu gewin-nen, inwiefern eine derart kleine Institution im ländlichen Aargau zur Drehscheibe der kulturpoliti-schen Beziehungen innerhalb des globalen Machtgefüges werden konnte. Zudem finden sich hier Dokumente zu zentralen Diskursen in der Neuen Musik und auch anderer Kunstsparten, da wichtige AkteurInnen aus dem In- und Ausland in Boswil wirkten und in vielen Fällen auch mit der Hochschule für Musik Basel/FHNW eng verbunden sind. Die Erschliessung und Aufarbei-tung liefert neue Erkenntnisse zum kulturpolitischen Kontext der Neuen Musik und macht bisher unbekannte Quellendokumente zugänglich, um den musikalischen Diskurs und zumal die Auf-führungspraxis auf eine aktuelle Basis zu stellen.