Werkstätten der Professionalisierung? Verbände und die Koordination des Sozialwesens in der Schweiz

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DOI der Originalpublikation
Projekttyp
angewandte Forschung
Projektbeginn
01.09.2019
Projektende
30.09.2022
Projektstatus
abgeschlossen
Projektkontakt
Projektmanager:in
Beschreibung
Zusammenfassung
Forschungen zeigen, dass Massnahmen von Zwang und Gewalt in der unübersichtlichen Fürsorgelandschaft der Schweiz bis in die 1980er Jahre hinein kaum einer Aufsicht unterstellt waren. Aus dem Blick gerät dabei oft, dass gleichzeitig eine rege Fachöffentlichkeit auf gesamtschweizerischer Ebene die sich damit eröffnende Willkür kritisierte und die Einführung von übergreifenden Richtlinien einforderte. Das Projekt untersucht, wie und in welchem Kontext gesamtschweizerisch agierende Akteure versuchten, das heterogene Sozialwesen in der Schweiz auf gemeinsame Standards zu verpflichten. Wir bearbeiten die Frage, wer auf nationaler Ebene welche Argumente einbrachte und wie Kriterien und Richtlinien ausgearbeitet wurden. Wir verfolgen die Diskussion mit Blick auf die Verflechtungen zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen und Trägern, zwischen internationalen, gesamtschweizerischen und regionalen Strukturen und Praxen. Konkret untersuchen wir den auf dem nationalen Parkett agierenden Spitzenverband «Landeskonferenz für Soziale Arbeit, LAKO» im Zeitraum 1936–2000 und verfolgen seine Anliegen bis in die Gegenwart hinein. Einige der im 20. Jahrhundert auf nationaler und internationaler Ebene diskutierten, akademisch inspirierten Konzepte, nahmen bereits in den 1940er Jahren auf pädagogische Reformbewegungen oder in den 1950er Jahren auf die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte Bezug. Gleichzeitig wurden für die medizinische Diagnostik und Behandlung, für institutionelle Strukturen sowie für die Qualifizierung des Personals übergreifende Standards formuliert. Wie aktuelle Forschungen zeigen, standen diese Konzepte indessen in krassem Widerspruch zur Praxis in Behörden, Heimen und Anstalten. Inwieweit lassen sich Gründe dafür in den Konzepten selbst finden? Welche Rolle spielte dabei die Heterogenität der Fürsorgelandschaft? Die Studie setzt sich zum Ziel, erstens neue Erkenntnisse zu den bisher kaum erforschten gesamtschweizerisch geführten Diskursen zur Armenfürsorge, Jugendfürsorge und Kindesschutz zur Verfügung zu stellen. Dabei führt sie, zweitens, zu einem vertieften Verständnis der oft spannungsvollen Dynamiken, welche die Forderungen nach gemeinsamen Standards im heterogenen Feld des Sozialwesens der Schweiz begleiten. Ziel ist es, drittens, zu einem vertieften Verständnis der in dieser Dynamik eingebetteten ambivalenten Professionalisierungsprozesse in der Sozialen Arbeit zu gelangen. Das Projekt leistet einen Beitrag zur Aufarbeitung geschehenen Unrechts in der Fürsorge, indem es die Perspektive auf gesamtschweizerische Zusammenhänge öffnet und damit neue Deutungsmöglichkeiten aufzeigt. Zudem stellt es historisches Wissen bereit zur Diskussion um eine gesamtschweizerische Standardisierung und Professionalisierung, insbesondere im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe. Dieses Projekt wurde von zivilgesellschaftlichen Akteuren vor mehr als 100 Jahren lanciert und ist bis heute nicht realisiert.
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Während FHNW Zugehörigkeit erstellt
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Zukunftsfelder FHNW
Hochschule
Hochschule für Soziale Arbeit FHNW
Institut
Institut Integration und Partizipation
Finanziert durch
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Schlagwörter
Fachgebiet (DDC)
Publikationen
Publikation
Coercive residential care for children and youth. Locking away juvenile disruption and conflicts
(23.06.2021) Hauss, Gisela; Heiniger, Kevin
The paper focuses on coercive residential care for children and youth and thus on a crystallization point for conflicts over social order. Up into the 1970s, juveniles who challenged the given structures of power and social norms were perceived as at risk or themselves posing a danger. Viewed from a perspective of education, morality or medicine, they could be classified for instance as ‘juveniles with developmental or adjustment problems’ (‘Schwererziehbare’) or ‘psychopathological’. The measures arising from this were viewed as protective or coercive and compulsory. The present paper focuses on the coercive measures in Switzerland and raises questions about the so-called ‘children and youth with adjustment problems’ and their compulsory re-education in closed coercive residential care facilities. How did the perception come to be formed of these juveniles as having ‘adjustment problems’ and what role was played in this connection by the concepts developed for specific coercive residential facilities? What attributions were accorded in their classification and what stigmatizations were codified? How did the view of these adolescents change over time, and concomitantly, how also did the measures that were conceived for them change? The paper is based on an ongoing research project, which on the basis of archival sources investigates the interplay of professional expertise and politics within an umbrella organization operating supraregionally across the whole of Switzerland (1932 – 2000). Through the example of the discussions from the 1950s to the 1970s between administration, professional experts and policy decision-makers concerning the establishment of a special type of institution for juveniles seen as most difficult and disruptive, it proves possible to impressively show how the juveniles were classified and the associated conception of their coercive residential care. It becomes clear that conflicts did not arise just in the stage of implementation of measures; rather conflicts were already present in the processes of how the juveniles were classified and in the conception of their coercive residential care.
06 - Präsentation
Publikation
Planvoller, systematischer und rationeller. Segmentierte Professionalisierungsprozesse in den 1950er-Jahren
(Schwabe, 2024) Hauss, Gisela; Bossert, Markus; Heiniger, Kevin; Barras, Vincent; Jungo, Alexandra; Sager, Fritz
04A - Beitrag Sammelband