Lernen im Kontext neuer Medien

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DOI der Originalpublikation
Projekttyp
angewandte Forschung
Projektbeginn
01.09.2000
Projektende
31.12.2003
Projektstatus
abgeschlossen
Projektkontakt
Bachmann, Thomas
Projektmanager:in
Bachmann, Thomas
Bertschi-Kaufmann, Andrea
Sieber Peter
Beteiligte
Rohrer, Stephan
Beschreibung
Zusammenfassung
Der aktuelle Wandel des Mediensystems hat nicht nur entscheidende Wirkung für das Nutzungs- und Kommunikationsverhalten, die veränderten Medientextstrukturen führen auch zu neuen Formen der Textorganisation. Damit ist eine Rezeptionsbasis gegeben, welche das Schriftverstehen und die Schriftproduktion grundsätzlich neu reguliert. Für die Entwicklung von Schriftlichkeit sind Medien wichtige Sozialisationsinstanzen. Zur Einschätzung ihrer Wirkung bestehen zur Zeit aber fast ausschliesslich mehr oder weniger begründete Meinungen und Alltagstheorien, aber noch kaum valide empirisch gesammelte Daten. Die Frage nach den veränderten Modalitäten des Schrifterwerbs und der Lese- und Schreibaktivität ist deshalb zentral für die Einschätzung der Medienwirkung auf Bildungsprozesse und insbesondere auf den Erwerb einer umfassenden Schriftfähigkeit im Sinne einer Schlüsselkompetenz. Das Vorhaben konzentriert sich auf Kinder und Jugendliche und schliesst an die im Vorgängerprojekt Literalität im medialen Umfeld (Schwerpunktprogramm Zukunft Schweiz - erste Phase) geleisteten Untersuchungen an, indem es zum einen vertiefende Analysen zur umfangreichen Datensammlung in Lese- und Medientagebüchern leistet und zum andern die Längsschnittbeobachtungen zu den Lese- und Schreibentwicklungen in multimedialen Umgebungen fortsetzt. Welche Zusammenhänge sind zu beobachten zwischen Medienangebot, Mediennutzung und Schriftfähigkeit? - Antworten auf diese leitende Fragestellung suchte das Projekt aus drei verschiedenen Perspektiven und wählte dafür einen Mehr-Methoden-Ansatz mit unterschiedlichen Zugriffsweisen: Zum ersten wurde die veränderte Rezeptionsbasis und das daraus resultierende Leseverhalten untersucht (Methoden: vergleichende Inhalts- und Strukturanalysen; Klinische Interviews, Delphi-Befragung) Im Zentrum einer zweiten Zugriffsweise stand die Produktion schriftlicher Texte in Abhängigkeit der ausgeweiteten Mediennutzung (Methoden: linguistische Textanalysen) Und schliesslich sollte eine Analyse der Wechselwirkungen zwischen schulischen und familiären Komponenten Aufschlüsse über die Bedingungen der Mediensozialisation und der daraus resultierenden Entwicklung von Schriftlichkeit liefern (Methoden: Leitfadeninterviews, Fragebogenstudie) Damit konnten empirische Daten und vertiefende Erkenntnisse zum Zusammenhang zwischen dem aktuellen multimedialen Textangebot und den auf seiner Basis veränderten Lernentwicklungen und Lernmöglichkeiten der Heranwachsenden im Umgang mit Schrift gewonnen werden. Sie sind notwendig für die Förderung literaler Prozesse in neuen Medienumgebungen und für die Gestaltung zukünftigen Schriftlernens. Wie bereits im Vorgängerprojekt wurden die Ergebnisse Expertenkreisen (Literalitätsforschung) sowie Praktikerinnen und Praktikern aus verschiedenen Bildungsinstitutionen (Schulen, Bibliotheken, Universitäten, Lehrerinnen- und Lehrerbildung, Erwachsenenbildung) zugänglich gemacht. Das Projekt war integriert in den von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Forschungsverbund Lesesozialisation in der Mediengesellschaft (Leitung Norbert GrÅben, Universität Köln) und hatte damit die Möglichkeit zu enger Kooperation mit wichtigen Expertinnen und Experten und ihren laufenden Arbeiten im Bereich der Medienwirkungsforschung im deutschsprachigen Raum. Projektteile a) Perspektive Lesen: Rezeptionsbasis und Leseverhalten in neuen Medienumgebungen Kinder und - vor allem - Jugendliche wählen ihre verschiedenen Lektüren häufig in der Art eines Switchverfahrens, mit welchem sie Leseerfahrungen zu bevorzugten Themen im mehrfachen Wechsel zwischen Bildschirm- und Printmedium suchen. Dieses Nutzungsmuster zeigt sich jedenfalls deutlich in den bisher analysierten Beobachtungen im Vorgängerprojekt. Nachdem hier zunächst das Nutzungsverhalten und die in diesem Zusammenhang sichtbaren Lese- und Schreibentwicklungen interessierten, sollen jetzt die aktuellen und sich laufend diversifizierenden Objekte des Lesens qualitativ bestimmt und auf ihre Wirkungen für die Modalitäten der Rezeption untersucht werden. Buch und AV-orientierte Medienverbünde folgen einer unterschiedlichen Ästhetik; sie vermitteln ihre Inhalte in unterschiedlichen Textstrukturen (Schrift, Schrift-Bild-Kombinationen, Hypertextstrukturen) und in unterschiedlichen Rhythmen. Die Annahme, dass der strukturelle mediale Unterschied in einer gelockerten Kohärenz (z.B. Nicht-Linearität im Hypertext) und einem an der Mündlichkeit orientierten Sprachduktus (z.B. szenische Strukturen) und damit einer Beschleunigung bestehe, soll am Beispiel von Texten aus der älteren und neuen Kinderliteratur einerseits und Internetangeboten sowie CD-ROM-Versionen andererseits überprüft werden. In den aus dem Vorgängerprojekt zur Verfügung stehenden Daten zur Lektüre- und Medienwahl zeigt sich u.a., welche Kategorien und Genres im multimedialen Angebot von den verschiedenen Gruppen (Alter, Geschlecht, Schulklassenzugehörigkeit der Versuchsperson) bevorzugt und welche vermieden oder nur selektiv genutzt werden. Den aus diesen Daten zu gewinnenden Leser- bzw. Leserinnenprofile sollen Analysen der Medienangebotstypen gegenübergestellt und deren besondere Wirkungen für das Leseverhalten untersucht werden. Der Untersuchungsteil Rezeptionsbasis und Leseverhalten sieht dafür drei Schritte unter je besonderer Perspektive vor: Text: Der Strukturwandel Im Kinderliteratur- und Medientextsystem - neue Qualitäten? Ausgehend von der Nutzungsanalyse im Vorgängerprojekt werden in einem ersten Schritt Buch- und Medientexte inhalts- und strukturanalytisch untersucht. Die Auswahl berücksichtigt die Ergebnisse aus den gewonnenen Leserinnen- und Leserprofilen (s.o.) und bezieht weiter ergänzend Beispiele mit ein, die als exemplarisch für die aktuellen Entwicklungen im Literatur- und Medientextsystem gelten. Besondere Aufmerksamkeit kommt dabei den intertextuellen Verweisketten im Medienverbund zu. Rezeption: Lese- und Verstehenswege innerhalb des Rezeptionsprozesses - neue Modalitäten? In einem zweiten Schritt fragen wir nach den Wirkungen von den als prototypisch ermittelten Qualitäten im aktuellen Kinderliteratur- und Medientextsystem. Dabei interessieren besonders die Nutzungsweisen und die Modalitäten im Leseprozess, in dessen Verlauf Kinder und Jugendliche eine mediale Version auswählen, ihre Lektüreschritte strukturieren und rhythmisieren, dabei bereits bewusste Leseinteressen stabilisieren oder neue hinzugewinnen. Diese (die Lesetagebuch-Studie aus dem Vorgängerprojekt vertiefende) Art der Beobachtung soll mit Klinischen Interviews mit insgesamt 40 Versuchspersonen (Kinder und Jugendliche) gewonnen werden, wobei ihnen exemplarische Beispiele aus den im ersten Schritt analysierten Print- und Medientexten vorgelegt werden. Produktion: Beurteilungen und Strategien der Anbieterinnen und Anbieter - neue Perspektiven? Und schliesslich ist die Wahrnehmung der Perspektive von Vertreterinnen und Vertretern der Medien- und Buchproduktion für die Einschätzung der ästhetischen und technologischen Entwicklung von Kinder- und Jugendmedien unbedingt miteinzubeziehen. In einem dritten Schritt werden deshalb Autorinnen und Autoren, Lektorinnen und Lektoren, Produzentinnen und Produzenten und Mitglieder von Verlagsleitungen der unterschiedlichen Medienverbünde zu ihren produktionsästhetischen und marktanalytsichen Urteilen befragt; insgesamt mind. 50 Vpn. Vorgesehen ist dafür das Design der Delphi-Studie. Die Methode sieht eine wiederholte mentale Auseinandersetzung (zwei Wellen) der befragten Expertinnen und Experten mit den Aufgabenstellungen vor. b) Perspektive Schreiben: Analyse der Produktionsmodalitäten, Schreibmuster und Schreibprodukte c) Perspektive Kontext: Wechselwirkungen zwischen Schule und Familie Um den Prozess der Entwicklung der Schriftlichkeit zu erhellen und zu unterstützen, sind Kenntnisse über familiäre Literalitätserfahrungen ebenso notwendig wie Informationen über deren Aufnahme und Wirkungsweise im schulischen Umfeld. Die Faktoren Unterricht, Klassenklima und familiäre Bedingungen werden als voneinander abhängige Prädiktoren für die Entwicklung von Schriftlichkeit untersucht: Der Faktor Unterricht beinhaltet die eingesetzten Lehr- und Lernformen im Zusammenhang mit multimedialen Angeboten und ist somit primär auf die Didaktik gerichtet. Hier stehen Faktoren der Schlüsselqualifikationen von Schriftlichkeit im Mittelpunkt. Der Faktor Klassenklima thematisiert die Beziehungen unter den SchülerInnen und zwischen SchülerInnen und Lehrpersonen wie auch den Grad des Wohlbefindens im Schulkontext. Ausgehend von der Tatsache, dass dies bei Schülerinnen und Schüler u.a. abhängig ist von der Fähigkeit soziale Beziehungen einzugehen, werden zwei Aspekte der sozialen Einbettung im Rahmen der Untersuchung einbezogen: das Ausmass der positiven Einstellungen zu den Lehrpersonen und die Integration in die Gleichaltrigengruppe. Der dritte Faktor spricht die familiären Bedingungen als eine wichtige Variable für die Entwicklung von Schriftlichkeit an. Es ist davon auszugehen, dass die Kinder schon vorschulisch in einer literalen (Familien-)Kultur eingebettet sind, die mehr oder weniger optimal die Entwicklung der Literalität unterstützt. Hier sollen Elemente herausgearbeitet und untersucht werden, die den Einfluss der familiären Bedingungen nachzuweisen im Stande sind. Damit sollen Bausteine für ein theoretisch gestütztes empirisches Modell entwickelt werden, welche das Zusammenspiel der drei Faktoren im Hinblick auf die Entwicklung von Schriftlichkeit erhellen. Dadurch soll beispielsweise die Coachingwirkung der Familie im Hinblick auf die Literalitätsentwicklung untersucht werden. Dabei stehen die konkreten förderlichen und hinderlichen Alltagsbedingungen und Alltagsinteraktionen im familiären Umfeld im Fokus der Aufmerksamkeit. Das schliesst makrosoziologische Überlegungen keineswegs aus, nur soll auch gefragt werden, welche konkreten Bedingungen, in welchen Kontexten, wie stark für den (Miss-)Erfolg in der Entwicklung von Literalität verantwortlich sein können. Die familiären Vorerfahrungen sind für die Literalitäts-Entwicklung zentral, sie sind auch von der Schule vermehrt zu nutzen, um die produktive Teilnahme an einer literalen Gesellschaft zu ermöglichen. Der Spracherwerb kann nur erfolgreich sein, wenn Lernende für ihr sprachliches Lernen selbst auch Verantwortung übernehmen. Dazu sind Interaktionssituationen notwendig, die das Interesse und damit auch die Motivation der Lernenden aufnehmen. Für den Unterricht wie auch für die familiäre Erziehung bedeutet dies, dass Schriftlichkeit auch mit authentischen Materialien (wie Zeitungen, Zeitschriften, Fernsehen, CD-ROM und Internet) erlebt werden muss - und im Kontakt mit anderen Menschen. Damit wird deutlich, dass die Entwicklung von Schriftlichkeit nicht einzig auf die Schule und für die Schule thematisiert werden kann. Diese «schulischen» Kompetenzen brauchen einen unmittelbaren Bezug zum ausserschulischen Alltag, wenn sie von Bestand sein und weiterentwickelt werden sollen. Somit kommt dem sozialen Kontext der Schriftlichkeitsentwicklung grosse Bedeutung zu. Durch den Einsatz unterschiedlich stark standardisierter empirischer Instrumente sollen Erfolgs- und Misserfolgsgeschichten der Entwicklung von Schriftlichkeit dokumentiert und erhellt werden. Einerseits wird dies qualitativ durch Fallstudien und Interviews erreicht. Andererseits sollen mittels standardisierter repräsentativer Fragebogenstudien die Wirkungs- und Bedingungszusammenhänge überprüfbar gemacht werden. Dazu werden die aus dem Vorgängerprojekt vorhanden Daten einer Sekundäranalyse unterzogen, um Extrembeispiele der Schriftlichkeitsentwicklung nachzuzeichnen (1). Die daraus ermittelten Gruppen (Jugendliche und ihre Lehrpersonen) werden mündlich biographisch befragt, um Indikatoren für die nachfolgende Fragebogenstudie herauszukristallisieren (2). In einem dritten Schritt wird eine Fragebogenstudie mit Lehrpersonen, SchülerInnen und deren Eltern zum Thema Zusammengehen bzw. Auseinanderdriften familiärer bzw. schulischer Schriftlichkeitsentwicklung durchgeführt, um die Erfolgs- und Misserfolgsgeschichten der Entwicklung von Schriftlichkeit quantitativ zu validieren.
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Schlagwörter
Fachgebiet (DDC)
370 - Erziehung, Schul- und Bildungswesen
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