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Publikation Knast- und Anstaltsliebe. Zum Umgang mit homosexuellen Subkulturen im Schweizer Straf- und Massnahmenvollzug und in der Fürsorgeerziehungsanstalt (1930 bis 1960)(07.10.2023) Heiniger, KevinEinrichtungen des Massregel- und Strafvollzugs sowie der Fürsorgeerziehung in der Schweiz zeichneten sich seit jeher insbesondere dadurch aus, dass die internierten Menschen nach Geschlechtern getrennt untergebracht waren und gemäss Anstaltsordnungen in sexueller Deprivation leben mussten. Während sich im Bereich der Jugenderziehung diesbezüglich in den vergangenen Jahrzehnten ein Wandel hin zu offeneren Settings vollzogen hat, wird die Entbehrung menschlicher Grundbedürfnisse wie intime zwischenmenschliche Beziehungen und Sexualität von staatlicher und behördlicher Seite bis heute als unvermeidlicher Bestandteil einer Freiheitsstrafe angesehen. Daran ändern Kontakt- oder Begegnungszimmer, wie sie in den letzten Jahren verschiedentlich eingerichtet wurden, bislang wenig. Dass sich die Gefangenen im Strafvollzug und in der Fürsorgeerziehung sehr oft nicht an die institutionellen Rahmenbedingungen hielten, hinsichtlich ihres Sexualtriebs eine Agency entwickelten und sich so in den Einrichtungen zuweilen eine Art homosexueller Subkulturen bildeten, möchte dieser Beitrag zeigen. Beispiele aus den 1930er Jahren bis um 1960 aus dem Frauengefängnis Hindelbank im Kanton Bern, kontrastiert mit dem Berliner Frauengefängnis an der Barnimstrasse, und der Erziehungsanstalt Aarburg im Kanton Aargau sollen illustrieren, auf welche Weise sich die Gefangenen Freiräume schufen, in welcher Form sich diese Agency manifestierte und welche Konsequenzen homosexuelle Aktivitäten für die Internierten mit sich zogen, wenn die Anstaltsleitungen davon Kenntnis erhielten. Dabei zeigen sich Unterschiede im institutionellen Umgang mit männlicher und weiblicher Homosexualität, was wiederum auf gesellschaftlich verankerte Wertungen und Wahrnehmungen hinsichtlich normabweichender Sexualität und damit verbundenen geschlechtsspezifischen Rollenverhaltens verweist. Wurden homosexuelle Kontakte und Beziehungen seitens der Anstaltsleitungen geahndet, ging es in erster Linie zwar um die Durchsetzung der Hausordnung und die Gewährleistung reibungsloser Abläufe in der Einrichtung. Gleichzeitig aber zielte die (Um-)Erziehungsmassnahme immer auch auf die Einhaltung des als richtig erachteten, geschlechtsspezifischen Rollenverhaltens, auch im Hinblick auf ein Leben nach dem Anstaltsaufenthalt. Das geschlechtskonstituierende Moment, das der institutionellen Massnahme damit zugrunde lag, soll hier ausserdem beleuchtet werden. Der Beitrag stützt sich massgeblich auf die Ergebnisse bereits abgeschlossener Forschungsprojekte, insbesondere auf meine Dissertation zur Erziehungsanstalt Aarburg (2016) und den Bericht der Unabhängigen Expertenkommission Administrative Versorgungen (2019), an dem ich als wissenschaftlicher Mitarbeiter beteiligt war. Erkenntnisse aus dem laufenden Forschungsprojekt Die Aushandlung von Erziehungsräumen in der Heimerziehung, angesiedelt an der Fachhochschule Nordwestschweiz in Kooperation mit den Universitäten in Kassel und Innsbruck, sollen mit Blick auf genderspezifische Aspekte der Heimerziehung miteinbezogen werden. Literatur: - Kevin Heiniger, Krisen, Kritik und Sexualnot. Die „Nacherziehung“ männlicher Jugendlicher in der Anstalt Aarburg (1893–1981) (Zürich: Chronos, 2016). - Andrea Rottmann, „Bubis behind Bars: Seeing Queer Histories in Postwar Germany through the Prison,“ Journal of the History of Sexuality 30 (2021): 225–252. - Loretta Seglias et al., Alltag unter Zwang. Zwischen Anstaltsinternierung und Entlassung (Zürich: Chronos, 2019).06 - Präsentation